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Aktueller Online-Flyer vom 29. November 2024  

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Inland
Hitlers und Himmlers “Bandenkampfabzeichen“ noch immer zugelassen
Neue und alte Orden bei der Bundeswehr
Von Ulrich Sander

Wie um den Tucholsky-Satz „Soldaten sind Mörder“ zu bestätigen, ruft Bundesminister zu Guttenberg zu weiterem mörderischen Handeln auf. Wer dabei ist, bekommt einen Orden! AFP meldete kürzlich: „Die Sonderstufe der Einsatzmedaille der Bundeswehr soll demnächst an jene Soldaten verliehen werden, die ‚mindestens einmal aktiv an Gefechtshandlungen teilgenommen oder unter hoher persönlicher Gefährdung terroristische oder militärische Gewalt erlitten haben.’“ „Erleidet“ da sonst niemand etwas? Die Sprache solcher Ordensverleihungsanordnungen hat eine lange Tradition.

 

“Bandenkampfabzeichen“ unter Hitler
Quelle: http://de.academic.ru
Nicht nur die nach Wehrmachtskriegern benannten Kasernen stehen für eine Renaissance der Helden des Vernichtungskriegs im westdeutschen Nachkriegsstaat und der Würdigung der Helden. Um die alten Kader wieder in die neue Armee zu integrieren und die Massen der ehemaligen Wehrmachtssoldaten als Wähler zu bekommen, wurden schon früh die Orden, die von 1939 bis 1945 an Soldaten verliehen wurden, wieder zugelassen.
 
Um über die Geschichte eines jener wieder zugelassenen Orden zu berichten, sei etwas weiter ausgeholt. Im Oktober 1943 sprach SS-Reichsleiter Heinrich Himmler zu seinen SS-Führern in seiner berüchtigten Posener Rede: „Ein Grundsatz muß für den SS-Mann absolut gelten: ehrlich, anständig, treu und kameradschaftlich haben wir zu Angehörigen unseres eigenen Blutes zu sein und sonst niemandem.“ Und weiter: „Es gehört zu den Dingen, die man leicht ausspricht: Das jüdische Volk wird ausgerottet, sagt ein jeder Parteigenosse. Von Euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammen liegen, wenn 500 daliegen oder wenn 1.000 daliegen. Dies durchgehalten zu haben und dabei – abgesehen von Ausnahmen menschlicher Schwächen – anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht.“
 

SS-Reichsleiter Heinrich Himmler
Quelle: Bundesarchiv
Wenige Wochen später mochten es SS-Reichsleiter Himmler und sein Führer Adolf Hitler nicht dabei belassen, die “Anständigen“ in Worten zu belobigen, die dafür sorgten, dass da Tausende Leichen lagen. Sie stifteten – rückwirkend ab Jahresbeginn 1943 – das “Bandenkampf-abzeichen“, mit dem sich künftig die Massenmörder schmücken durften. Daran erinnert regelmäßig die “Deutsche Militärzeitschrift“, die sich vierteljährlich an die rechtesten unter den rechten Soldaten und Veteranen wendet, aber auch ein Gesetzkommentar aus dem Hause des Bundesinnenministers Kanther, den auch die Innenminister Schily, Schäuble und de Maiziere später nicht zurücknahmen.
 
Von 1945 bis 1955 galt in ganz Deutschland das alliierte Verbot des Tragens aller Kriegsauszeichnungen der beiden Weltkriege. In der Bundesrepublik musste es dann „mit Rücksicht auf den Aufbau der Bundeswehr einer Revision unterzogen werden“, heißt es im Gesetzeskommentar. Schon 1953 hatte sich die Bundesregierung von einem Sachverständigenausschuss, bestehend aus soldatischen Traditionsverbänden, “Kriegsopfer- und Heimkehrerorganisationen“, raten lassen, weitestgehend die Auszeichnungen der Weltkriege zuzulassen. Allenfalls sollten die Hakenkreuze gestrichen werden. Die “Sachverständigen“ begründeten ihren Vorschlag mit der Geschichtslüge, „dass die Taten der Träger von Kriegsauszeichnungen nicht in Verbindung gebracht werden könnten mit den politischen Zielen, die das nationalsozialistische Regime mit dem Krieg verfolgt habe.“ Die Stellungnahme stand unter dem bezeichnenden, von keiner Regierung seit Mitte der fünfziger Jahre angezweifelten Motto „Kriegs- und Tapferkeitsauszeichnungen sind und bleiben ehrwürdig, die Taten ihrer Träger der Anerkennung wert“. Mit der Wiederzulassung der Kriegsauszeichnungen sollte nach Ansicht des Ausschusses „ein weiterer Schritt zur Beseitigung der in dieser Hinsicht noch auf dem deutschen Soldaten liegenden Diffamierung getan werden.“
 

“Bandenkampfabzeichen“ in der BRD
Quelle: http://de.academic.ru
Was die Sachverständigen forderten, das beschloss 1956 der Bundestag. Wie den Bundestags-protokollen zu entnehmen war, herrschte Einmütigkeit – außer in der Frage, ob neben den Hakenkreuzen auch die Farben Schwarz-Weiß-Rot zu weichen hätten. Die SPD forderte allen Ernstes, die Farben der BRD Schwarz-Rot-Gold den faschisti- schen und monarchistischen Orden hinzuzufügen und das preußische Schwarz-Weiß-Rot zu entfernen. Die SPD setzte sich damit nicht durch. Der Bundestag beauftragte den Innenminister mit der Schaffung von Durchführungs-verordnungen und den Bundespräsidenten mit allen Fragen der Genehmigung und Entziehung von alten und neuen Auszeichnungen. Die Orden der Nazis wurden – “gereinigt“ von den Hakenkreuzen – neu hergestellt und auf Wunsch an “Berechtigte“ ausgegeben.
 
Im Jahr des Ordensgesetzes wurden auch die ersten Wehrpflichtigen einberufen. Sie trafen auf Vorgesetzte, die u.a. mit den alten Orden in die Bundeswehr geködert wurden. Mitte der 90er Jahre wurde ein neuer Kommentar zum Ordensgesetz fällig, mit dem die Durchführung des Gesetzes neu geregelt wurde. Während die Legitimierung der Naziorden beibehalten wurde, kam es zu Delegitimierung der DDR-Orden. DDR-Orden und DDR-Ehrenzeichen zu tragen wurde allen Uniformierten im vereinten Deutschland verboten. Die DDR-Zeichen wurden „in militärischen Anlagen“ untersagt, zumal wenn sie für Taten verliehen wurden, „die aus hiesiger Sicht eine Menschenrechtsverletzung darstellen“. Diese “hiesige Sicht“ bedeutet: Es wurde das Bandenkampfabzeichen, das Hitler und Himmler den Massenmördern verliehen hatte, weiter geschützt, die DDR-Medaille für den Kämpfer gegen den Faschismus wurde geächtet.
 
Auf den Seiten 110 und 111 des Kommentars des Innenministeriums zählten die Autoren alles auf, was heute noch zulässig ist, wenn es vom Hakenkreuz befreit wird: Vom Ritterkreuz über das Deutsche Kreuz und von der Kriegsverdienstmedaille über die Medaille “Winterschlacht im Osten“ bis zum Verwundetenabzeichen und zu den Kampfabzeichen. Allerdings wurde das Mutterkreuz verboten, aber unter Kampfabzeichen der Wehrmacht und des Heeres ist alles versammelt, was für besondere Kriegsverbrechen steht: Narvikschilde, Cholmschild (d.h. für den Völkermord an den Bewohnern Leningrads), das Kreta-Ärmelband – und das Bandenkampfabzeichen.
 
Die Soldaten wie auch die SS-Männer, die am Massenmord an Juden, Slawen, Sinti und Roma, an Partisanen und kommunistischen Kommissaren, das hieß an der “Bandenbekämpfung“ gegen das “jüdisch-bolschewistische Untermenschentum“ teilnahmen, konnten das Bandenkampfabzeichen in Bronze, Silber oder Gold verliehen bekommen. Und so lesen wir es im Kommentar aus dem Hause des Bundesinnenministers aus dem Jahre 1997: Das “Bandenkampfabzeichen“ in Bronze gab es für 20 “Kampftage“, das in Silber für 50 und das in Gold für 100; und zwar laut Führerbefehl und Erlaß des Reichsführers SS. Die bildliche Darstellung des Abzeichens findet sich in der 4. Auflage von 1986. Sie zeigt eine Schlangengrube mit Schlangen, in die ein Schwert von oben hineinstößt. Das “Bandenkampfabzeichen“ weist damit zwar nicht mehr die ursprüngliche, heute verbotene NS-Symbolik Hakenkreuz am Knauf und Totenkopf an der Schwertspitze, aber immer noch NS-Inhalte, denn es widerspiegelt die Entmenschlichung des “militärischen Gegners“ – darunter auch unbewaffnete Zivilisten, auch kleine Kinder – durch deren Darstellung als Schlangenbrut.

Tragen von Orden der DDR aber grundsätzlich verboten
 
Was den Text des Kommentars zum “Bandenkampfabzeichen“ anbelangt, so blieb er bis in die Gegenwart unverändert. Das Tragen der Wehrmachtsorden wurde erlaubt, das Tragen von Orden der DDR innerhalb der Bundeswehr grundsätzlich verboten. In dem Kommentar wird die Teilnahme der Wehrmacht am „Bandenkampf“ erneut bestätigt: „Der Katalog der Ausführungsverordnung zur Verordnung über den Schutz der Waffenabzeichen der Wehrmacht (20.1.1944) bezeichnet diese Auszeichnung als Kampfabzeichen der SS und der Polizei. Da das Abzeichen an alle im Partisanenkampf eingesetzten deutschen Verbände zur Verleihung kam, erschien es unbedenklich, diese Auszeichnung bei den Kampfabzeichen der Wehrmacht aufzuführen“ heißt es im bundesdeutschen Kommentar. „Das Bandenkampfabzeichen wurde durch den Reichsführer SS, die Höheren SS- und Polizeiführer bzw. den Chef der Bandenkampfverbände und für Angehörige des Heeres, der Kriegsmarine und der Luftwaffe durch die zuständigen Oberkommandos verliehen. Das Abzeichen wird (nicht wurde!) auf der linken Brustseite getragen, dabei darf nur die höchste Stufe angelegt werden.“
 
An diesen Skandal wie auch an den der hohen Pensionszahlungen an die SSler im In- und Ausland erinnerte wiederholt die VVN-BdA. So anlässlich des Beschlusses des Bundestages von 1998, dass derjenige im In- und Ausland, der sich bei Kriegsverbrechen schuldig gemacht hat, seine Opferrente verliert. Die VVN-BdA hatte es so gefordert. Doch dann geschah nichts, weil nämlich unklar blieb, wie die Täter zu finden sind. Denn von deutschen Gerichten waren ja so gut wie keine Wehrmachtsangehörigen je belangt worden. Die VVN-BdA schlug vor, zumindest allen Trägern des “Bandenkampfabzeichens“ und ähnlicher Orden für Massenmörder die Opferrente zu nehmen und gegen sie zu ermitteln und mit den Ermittlungen die Ludwigsburger Zentralstelle zu beauftragen. Was wurde daraus? Nicht viel. Die Ludwigsburger Zentralstelle zur Verfolgung von NS-Verbrechern teilte mit, sie sei personell zu schwach, um zu handeln. In Ludwigsburg gab es inklusive Kraftfahrer und Reinigungskräfte nur 25 Mitarbeiter. Bei der Stasiunterlagenbehörde sind es 3.400 Planstellen.
Und mit dem “Bandenkampfabzeichen“ von vor und nach 1945 wird schwunghafter Ebay-Handel getrieben, wenn nicht die hoch betagten Träger – und Täter, Massenmörder! – noch damit herumstolzieren. (PK)


Online-Flyer Nr. 277  vom 24.11.2010



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