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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Glossen
Loipensäue statt Rasengötter
Kalter Entzug
Von Herrmann

Es gibt nicht viele Dinge, um die ich Engländer beneide - genaugenommen nur zwei. Zum einen das Frühstück. Man weiß, dass ein hervorragender Tag beginnt, wenn es einem möglich, ja beinahe schon von der Etikette vorgeschrieben ist, dass man den Restalkohol des Vortages mit Speisen neutralisieren darf, die zur Hälfte aus Fett und Salz bestehen.

Nichts bringt den geschundenen Leib schneller wieder auf Touren als ein vollwertiges Frühstück, denn dieses, und das haben wir bereits im Kindergarten gelernt, ist die wichtigste Mahlzeit und sollte Grundlage für den ganzen Tag sein. Was könnte sich dazu besser eignen, als gebratenes Schweinefleisch, Ei und dazu in Tomatensoße erwärmte Bohnen. Hier und da werden anbei noch Tomaten, Champignons, manchmal sogar Fritten gereicht.

Mit einem solchen Frühstück im Verdauungstrakt ist es einem möglich, allen Widrigkeiten des Tages zu trotzen, sogar der bittersten Kälte, und damit komme ich zu der anderen Sache, um die ich die Menschen auf der Insel beneide: Stadionbesuche im tiefsten Winter. Während hierzulande beschaulich die Feiertage überstanden, das alte Jahr verabschiedet und das neue begrüßt werden, ruht der Ligabetrieb. Und als wäre das nicht schon fußballfreie Zeit genug, werden noch die ersten drei Januarwochenenden von gähnender Leere erfüllt. Hallenfußball zählt nicht. Den "Budenzauber" als gleichwertigen Ersatz anzupreisen ist wie Erscheinungen des Heroinentzugs mit Aspirin beikommen zu wollen.

Ein Juwel der Krone (Serviervorschlag)
Ein Juwel der Krone (Serviervorschlag)
Foto: NRhZ-Archiv


Wozu soll das gut sein? Durch die Witterung ist die Existenz der Winterpause wohl nicht zu erklären, warum sollte denn das Wetter in der letzten Januar- oder ersten Februarwoche freundlicher sein als drei Wochen zuvor? Welche Probleme Schneetreiben bereitet, kann ich als Kölner so genau nicht beurteilen, hier ähnelt der winterliche Niederschlag - wie auch in England - verblüffend  herkömmlichem Regen, ich weiß aber, dass es in südlichen oder östlichen Regionen Deutschlands wirklich Schnee gibt, der auch liegen bleibt, wo er hinfällt.

Vor einigen Jahren machte ich einmal einen Freund, der aus der Hauptstadt zu Besuch war, sehr schwermütig, weil dieser aus meinem Erstaunen darüber, dass es in Köln schneite, schloss, dass all die freundlichen Kinder, die auf den Straßen der Rheinmetropole umherbalgen, Zeit ihres Lebens noch keinen Schneemann gebaut haben. Dem ist aber nicht so. Selbst uns bedenkt Petrus mit zwei Schneetagen jährlich, der weiße Niederschlag verwandelt sich aber binnen kürzester Zeit in braunen Matsch, wodurch unsere Schneemänner recht ungepflegt wirken.

Um diesem winterlichen Phänomen - damit zurück zum Fußball - Herr zu werden, ist bereits vor geraumer Zeit die Rasenheizung erfunden worden. Kann mit dieser nicht gedient werden,  könnte ein orangefarbenes Spielgerät bei der Sportausübung helfen. Dennoch wird eisern an der Winterpause festgehalten. Der Engländer lässt sich da nicht lange bitten. In der Zeit zwischen Heiligabend und Neujahr ist es ihm möglich, drei Spieltage unterzubringen. Im Januar wird (bis auf ein freies Wochenende) rigoros weitergespielt. Das wirkt sich sicherlich auch positiv aufs Fernsehprogramm aus. Während wir hier mit Skispringen, Biathlon, Eisschnelllauf und den dazugehörigen Interviews in den unsäglichsten Akzenten aller Alpenregionen gequält werden, rollt auf der Insel der Ball. Es muss ein gutes Gefühl sein, keiner Wintersportnation anzugehören. Doch halt, da tue ich den Engländern unrecht. Aus ihrer Mitte entsprang einer der ganz Großen des Wintersports, einer, der es einst schaffte, selbst einen Gegner des Genres wie mich an die Mattscheibe zu fesseln: Michael "Eddie the Eagle" Edwards. Ich muss meine eingehende Erklärung erweitern: Ich beneide Engländer um drei Dinge: das Frühstück, die mangelnde Winterpause und Eddie the Eagle.

Da letztgenannter aber schon lange nicht mehr mitmachen darf und die Existenz der Winterpause in der Bundesliga auf unbestimmte Zeit gesichert ist, werde ich mich, wie alle Jahre, schneeköniglich freuen, wenn der MDR statt nordischer Kombination ein Hallenturnier aus Zwickau überträgt (Aspirin - etwas weniger Schmerz auf dieser Welt) und fiebere die restliche Zeit dem letzten Januarwochenende entgegen, welches der Trostlosigkeit ein Ende bereitet. Abschließend muss ich aber noch gestehen, dass ich an einer Stelle geflunkert habe: Die Kinder hier sind nicht alle so freundlich, mitunter sogar rotzfrech, legen in der U-Bahn ihre Füße auf den Sitz gegenüber, haben keinen Respekt vor Greisen und bedienen sich eines Vokabulars, das selbst einem Haudegen wie mir die Schamesröte ins Gesicht treibt.

Anmerkung: Dieser Text lag grade mal eine Woche in meiner Schublade, ist aber bereits von den Ereignissen überholt worden: Wintereinbruch, Spielabsage in der Bundesliga und es hat in Köln geschneit. Sogar schon zweimal. Aber noch nicht genug für ungepflegte Schneemänner.


Online-Flyer Nr. 21  vom 07.12.2005



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