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Sport
Warum manche Fußballer ihren Eltern dankbar sein können und manche nicht
Namen sind Lell und Broich
Von Hermann

Fußballer verfügen in der Regel über ihre Rückennummern hinaus auch über Namen. Diese bestehen meist aus Vor- und Nachnamen. Ersteren haben sich die Eltern ausgedacht, letzteren hat die Familie so mit sich gebracht, und dieser Nachname steht seit Mitte der 90er Jahre auch zusammen mit der Rückennummer hinten auf dem Trikot. Es sei denn, der Spieler kommt aus Brasilien, dann steht im Pass so etwas wie Hernando Emanuel Cortez da Silva Sanchez, auf dem Rücken aber eher Mastinho oder so.
Diese Merkwürdigkeit kommt vermutlich daher, dass nicht einmal die eigenen Eltern mit Sicherheit sagen können, was in diesem Sammelsurium von Wörtern einmal Vor- oder Nachname war. Und da Vereine in Europa davon auszugehen scheinen, dass jeder Brasilianer mit Pseudonym auch automatisch ein Künstler am Ball sein muss, erhöhen sich durch die eigenwillige Namensgebung vielleicht sogar die Chancen auf dem Transfermarkt.


Dexter Langens Halbbruder
 
Wunsch nach Künstlernamen recht gering
 
Da Fußballspieler in Europa in der Regel mit einem Ruf- und einem Nachnamen auskommen (in der Türkei reicht meist sogar der Vorname), ist in unseren Breiten der Wunsch nach Künstlernamen recht gering. Es sei denn, ein junger Mann wäre mit dem Namen Andreas Neuendorf unglücklich und würde es begrüßen, von fremden Menschen auf der Straße als „Zecke“ angesprochen zu werden. Zu diesem Vergnügen kam auch ich in meiner Jugend häufiger - was daran erstrebenswert sein soll, blieb mir allerdings verborgen. Manchen Fußballern täte ein Künstlername allerdings auch nicht schlecht. Sascha Dum, Markus Pröll oder Bastian Schweinsteiger haben nicht das ganz große Los bei den Nachnamen gezogen. Den Eltern ist dabei kein Vorwurf zu machen. Einen Einfluss auf den Zunamen hatten sie ja nicht, haben ihren Söhnen aber immerhin dezente Vornamen mit auf den Weg gegeben.
 
Viel härter kann da mit den Eltern von Jan-Ingwer Callsen-Bracker ins Gericht gegangen werden. Wenn Erwachsene bei Eheschließung ihre ohnehin schon eher sperrigen Nachnamen für so erhaltenswert erachten, dass sie sie unter Zuhilfenahme von Bindestrichen in Kombination mit einem weiteren, mindestens ebenso doofen Nachnamen in noch unhandlichere Konstruktionen verwandeln, schaden sie damit nur sich selbst. Ein Kind mit diesem Namensgebilde zu belasten, ist aber grob fahrlässig. Gibt man diesem Kind dann noch einen bescheuerten doppelten Vornamen, der zur Hälfte aus einer Wurzelknolle besteht, drängen sich einem unweigerlich Parallelen zu Johnny Cashs ‚A Boy Named Sue’ auf. Wahrscheinlich wollten die Eltern ihren Jungen mit einem ausgewiesenen Außenseiternamen in der Schule zu Durchsetzungsvermögen zwingen. Bedenkt man, dass er heute Fußballprofi ist, ist das Vorhaben sogar aufgegangen. Herzlichen Glückwunsch, Eheleute Callsen-Bracker.
 
Mein absoluter Favorit
 
Andererseits gibt es auch Fußballspieler, die keinen Künstlernamen brauchen, weil es Eltern und Schicksal mit ihnen gut meinten. Mein absoluter Favorit weltweit ist Rio Ferdinand. Das klingt nach einem jungen Adeligen, der beruflich Raketenautos testet. Wie eine gelungene Mischung aus Prinz William, Chuck Yeager, James Bond und Evil Knievel. Wenn er einen Empfang besucht, verstummen alle Gespräche, die Männer werfen ihm neidvolle Blicke zu, und die Damen nesteln in ihren Handtaschen nach dem Riechsalz, da ihnen die Sinne schwinden und eine Ohnmacht droht. Rio Ferdinand – der Name ist eigentlich zu schön für Fußball. 


Rio Ferdinand bei der Arbeit
Fotos: Archiv Hermann
 
In der Bundesliga gefällt mir Dexter Langen am besten, das könnte entweder ein Gegenspieler von Superman – zum Beispiel der Halbbruder von Lex Luthor – sein, oder es könnte neben Mike Hunter und Lasse Braun der Name eines Produzentenurgesteins der Erotikfilmbranche sein. Tranquillo Barnetta und Francisco Copado hätten mit ihren Namen – wenn sie weniger Talent für Fußball in die Wiege gelegt bekommen hätten – auch gute Chancen als Schnulzensänger beziehungsweise als Stierkämpfer Karriere zu machen.
 
Wie geschaffen für Torhüter
 
Unter deutschen Torhütern gibt es überraschend viele Namen, die für diesen Beruf wie geschaffen sind. Dimo Wache, René Adler und Stefan Wächter lassen ahnen, dass sie immer auf der Hut und in der Lage sind, auch die gefährlichsten Distanzschüsse aus dem Winkel zu angeln. Und bei Florian Stahl kann man sich vorstellen, dass dieser mitunter einen recht harten Umgang im Fünfmeterraum pflegt. Andreas Wolf ist ein passender Name für einen verbissenen Verteidiger, Philipp Lahm dagegen weniger, Peer Kluge oder Danny Fuchs können im Mittelfeld sicherlich schlaue Pässe schlagen, mit Albert Streit, Fabian Ernst und Amadeus Wallschläger legt man sich vielleicht besser nicht an, Ronny König wird wohl in der 2. Liga nach der Torschützenkrone greifen, obwohl man mit Jonathan Jäger im Angriff vermutlich auch nicht viel verkehrt machen kann.
 
Ich könnte noch lange so weiter machen, denn der Fußball ist zum Glück reich an aussagekräftigen Nachnamen. Solche Sätze lassen sich mit Rafinha, Lucio, Tinga oder Orestes überhaupt nicht bilden. Noch weniger mit „Zecke“. Und mit Callsen-Bracker schon mal gar nicht. (PK)

Online-Flyer Nr. 113  vom 19.09.2007



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