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Aktueller Online-Flyer vom 19. April 2024  

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Lokales
Zwei weitere Erfolge im Widerstand gegen risikoreiche BAYER-Projekte
CO-Pipeline und Kohlekraftwerk gestoppt
Von Peter Kleinert

Gleich zwei unerfreuliche Weihnachtsgeschenke hat die BAYER AG für ihr Werk in Krefeld-Uerdingen erhalten: Das Oberverwaltungsgericht Münster beschloss kurz vor den Feiertagen, dass die vom Konzern geplante Kohlenmonoxid-Pipeline nach Dormagen keine Betriebsgenehmigung erhalten soll. Und Krefelds Rathauspolitiker sprachen sich aufgrund des immer stärker gewordenen Bürgerwiderstands gegen das auf dem Werksgelände geplante BAYER-Kohlekraftwerk aus.
Hungerstreik gegen BAYER-KKW
 

Das in Krefeld geplante BAYER-Steinkohlekraftwerk
Quelle: ch.indymedia.org
Umso zufriedener konnten die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) und der Niederrheinische Umweltverein ins Neue Jahr gehen. Dessen zweiter Vorsitzender, der Geographie- und Physiklehrer aus Krefeld-Bockum, Ulrich Grubert, war sogar in einen unbefristeten Hungerstreik getreten, weil das von BAYER gemeinsam mit der Firma Trianel geplante Steinkohlekraftwerk hier jährlich mehr als vier Millionen Tonnen CO2 emittieren sollte.
 
Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG zum Beschluss des OLG Münster zum CO-Pipeline-Bau: „Unsere Rechtsauffassung wurde bestätigt. Schon Anfang des Jahres haben wir moniert, dass kein öffentliches Interesse an dem Bau der Pipeline besteht. Hierdurch entfällt die Rechtsgrundlage für das Projekt. Spätestens seit dem Aus der parallel geplanten Propylen-Leitung war die Argumentation von BAYER-Konzern und Landesregierung hinfällig“. Die erhöhte Gefahr für die Anwohner und die notwendigen Enteignungen wurden stets mit Vorteilen für das Allgemeinwohl gerechtfertigt. „Tatsächlich lagen dem Bau der Kohlenmonoxid-Pipeline aber von Anfang an ausschließlich privatwirtschaftliche Interessen zu Grunde. BAYER könnte auch in Krefeld eine moderne CO-Produktionsanlage bauen.“ Ohne den Protest der Betroffenen, so Mimkes, wäre das Projekt stillschweigend realisiert worden.
 
Keine Gemeinnützigkeit
 
In Krefeld-Uerdingen setzt BAYER - weil es offenbar profitabler ist - für die Kohlenmonoxid-Produktion eine veraltete und energieintensive Technik ein. Im vergangenen Jahr musste die Anlage nach einem Brand wochenlang stillgelegt werden. Üblicherweise werden Gefahrstoffe wie Kohlenmonoxid dort produziert, wo sie gebraucht werden. Die CBG befürchtet einen Präzedenzfall, wenn von diesem Prinzip abgewichen wird und die Rohrleitung schließlich doch noch eine Genehmigung erhalten sollte.  


Mahnwache mit „Sensenmann“ vor dem Landtag
Foto: CBG

Die OVG-Richter urteilten, in dem Enteignungsgesetz sei nicht ausreichend erklärt, inwiefern die Allgemeinheit vom Privatinteresse des BAYER-Konzerns profitiere. „Da müssen sich Elemente der Gemeinnützigkeit finden“, erklärte OVG-Sprecher Ulrich Lau. Es müssten konkrete Informationen gegeben werden, beispielsweise Angaben zur Zahl der entstehenden Arbeitsplätze. Nur wenn das private Interesse des Unternehmens identisch sei mit dem der Allgemeinheit, sei die beabsichtigte Grundstücksenteignung von Bürgern oder Gemeinden gerechtfertigt. Tatsächlich aber hatte die BAYER-Tochter MATERIAL SCIENCE noch wenige Wochen zuvor angekündigt, trotz eines prognostizierten Rekord-Gewinns ein Zehntel der Belegschaft wegzurationalisieren.
 
Die Entscheidung des Gerichts kann bis zur Entscheidung in der Hauptverhandlung nicht angefochten werden; der Prozess wird sich voraussichtlich über mehrere Jahre hinziehen. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert den Konzern daher auf, sich nun endgültig von dem unseligen Projekt zu verabschieden.
 
Erfolgreich Ärzte-Kollegen mobilisiert
 
Zum erfolgreichen Widerstand gegen das Steinkohlekraftwerk sprach ich mit dem Krefelder Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Bernd Kaufmann, der sich in einer Gemeinschaftspraxis auch mit der Chinesischen Medizin beschäftigt. Er war, wie er sagt, „im Grunde immer schon an ökologischen Fragen interessiert“, für einige Jahre im Zukunftsforum Krefeld aktiv und hat u.a. auch den Bau zweier Photovoltaikanlagen initiiert. Über das Zukunftsforum Krefeld bekam er Kontakt zu Ulrich Grubert, der ihm im Februar von der Planung des Kohlekraftwerks berichtete. Dr. Kaufmann: „Er meinte, dass wenn jetzt nicht massiv etwas dagegen unternommen würde, wir wenig Chancen hätten, etwas dagegen zu tun. Da ich mir überlegte, daß die Emissionen eines Kohlekraftwerks sicherlich nicht gesund sind, begann ich mich mit dem Thema zu beschäftigen.“
 

Dr. Bernd Kaufmann: Notfalls noch 
einmal in die Offensive gehen.
Foto: privat
Im Rahmen seiner Recherchen habe ihm, so Dr. Kaufmann, „der Kontakt zu einer Kollegin aus dem GSF-Forschungsinstitutes Neuherberg bei München sehr geholfen, fundierte Studien und Informationen zu diesem Thema zu bekommen. Wir Ärzte wissen, dass wenn Studienergebnisse in gewissen internationalen Journalen veröffentlicht werden, diese dann auch wohlbegründet sind. Das GSF-Forschungsinstitut gehört zu den fünf weltweit größten Forschungsinstituten in diesem Zusammenhang.“
 
Alle Parteien bis auf die FDP überzeugt
 
Zusammen mit seiner Frau verfasste er dann einen Aufruf an alle Ärzte in Krefeld mit Hinweis auf diese Studien. Ergebnis: Bis heute unterstützen 160 Ärzte die Initiative gegen das Kohlekraftwerk öffentlich. Kaufmann: „Ich denke dass das Erscheinen einer Ärzteinitiative vor der Ratssitzung mit dazu beigetragen hat, dass alle Parteien bis auf die FDP gegen ein Kohlekraftwerk und für ein Gaskraftwerk stimmten. Es ist sicherlich neu, dass Ärzte sich zu solchen Themen melden. Unsere Glaubwürdigkeit wird auch dadurch gestärkt, dass wir sicher keine eigenen wirtschaftliche Vorteile aus dieser Aktion ziehen.“ Nicht zuletzt durch diese Initiative, die auch in der Ärztezeitung mit einem großen Artikel bekannt gemacht wurde, und durch immer größere Resonanz findende Internetkontakte mit Kollegen seien auch Ärzteinitiativen im saarländischen Ensdorf (siehe NRhZ 124, 125) und im westfälischen Lünen gegründet bzw unterstützt worden. Aktuell laufe auch eine Ärzteinitiative in Mainz, an deren Aufruf er wesentlich mitgewirkt habe.
 
Hinsichtlich Krefeld ist Dr. Kaufmann optimistisch: „Ich denke, dass der Ratsbeschluss mit höchster Wahrscheinlichkeit den Bau des Kohlekraftwerkes verhindert hat. So meint es auch Herr Grubert, der im politischen Fahrwasser etwas versierter ist. Sollte es dennoch zu weiteren Planungen kommen, werden wir sicher noch einmal in die Offensive gehen und über Veranstaltungen, Handzettel etc über die drohenden Schadstoffbelastungen informieren.“
 
Dass dies in Nordrhein-Westfalen möglicherweise auch an anderen Orten notwendig werden könnte, geht aus Plänen der Düsseldorfer Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) hervor. Die will laut einem Bericht der WAZ das nach dem Bürgervotum in Ensdorf gescheiterte RWE-Kraftwerk nun nach NRW holen. (PK)


Weitere Informationen: nuv-online.de und www.cbgnetwork.de

Online-Flyer Nr. 127  vom 02.01.2008



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