NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 16. April 2024  

Fenster schließen

Globales
Simbabwe: Wenn Mugabe geht, beginnt der Ausverkauf
Rückwärts in die Zukunft
Von Christian Heinrici

Wie die Präsidentschaftswahlen in Simbabwe am 30. März ausgefallen sind, war bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt. MDC, „die“ Opposition in dem Land, veröffentlichte „ihre Ergebnisse“ schon vor Ende der endgültigen Stimmabgabe – die Regierung hält die ihrigen noch weiter unter Verschluss. Dass Robert Mugabe wiederum zum ausgemachten Bösewicht in der Presse der nördlichen Industrieländer wurde, war zu erwarten – müssen diese doch schließlich ihre „vitalen“ wirtschaftlichen Interessen im südlichen Afrika wahren.

Robert Mugabe Foto: Mangwanani
R. Mugabe | Foto: Mangwanani        
Wenn man den hiesigen Medien Glauben schenken darf, ist Robert Mugabe ein „blutiger Diktator“, der seine Leute unterdrückt, foltert, tötet und Simbabwe durch eine „rassistische Politik“ zu Grunde gewirtschaftet hat. Sicher ist Mugabe kein Unschuldsengel, er regiert mit harter Hand, ließ Gegner aus der Opposition und den eigenen Reihen ins Gefängnis werfen und einige von ihnen wohl auch umbringen. Doch die Attribute, die man ihm anheftet, stehen in keinem Verhältnis – so würden sich dieselben Pressevertreter dagegen verwehren, den pakistanischen Diktator Musharraf als „Diktator“ zu bezeichnen. Der Fall Mugabe liegt anders: Der simbabwische Präsident ist einer der letzten noch regierenden afrikanischen Antikolonialisten.

„Nothing to show for our independence, except overwhelming poverty“

Im Gegensatz zu Mugabe kennt die deutsche Presse für MDC, die „Bewegung für demokratischen Wandel“, unverhohlene Sympathie. Seit Ende der 90er Jahre wurde – finanziert mit Geldern aus Südafrika und den nördlichen Industriestaaten – innerhalb nur weniger Jahre eine lautstarke Opposition aufgebaut, die in vielerlei Hinsicht an die Träger der „orangefarbenen Revolution“ in der Ukraine erinnert: Als Teil ihres Wirtschaftsprogramms („Jobs für Simbabwe“) verspricht „Movement for Democratic Change“ eine investitionsfreundliche Atmosphäre zu schaffen und die (alten) guten Beziehungen zur internationalen Gemeinschaft wieder aufzubauen. Daran dürfte auch die Bundesregierung, die traditionell enge Beziehungen zu dem südafrikanischen Land pflegt, Interesse haben.

Morgan Tsvangirai auf Kundgebung in Chitongwiza
Morgan Tsvangirai auf Kundgebung  
in Chitongwiza | Foto: MDC
„Unsere Unabhängigkeit zeugt von gar nichts, außer von einer überwältigenden Armut!“, hatte MDC-Führer Morgan Tsvangirai gesagt. Die neoliberale Öffnung, die die MDC fordert, steht zu Mugabes Politik mit sozialistischen, panafrikanistischen Ansätze im krassen Gegensatz – noch mehr, „die Opposition“ ging in der Vergangenheit auf Konfrontationskurs: Nach den letzten Wahlen im Jahre 2002, bei denen Mugabe nach offiziellen Angaben 70 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte, bot die Regierung den Kontrahenten an, für eine Übergangszeit die Macht zu teilen. Tsvangirai, der sich von seinen Anhängern schon seit geraumer Zeit als „Präsident“ feiern lässt, lehnte ab: An den Händen Mugabes und der Regierung klebe Blut. Er werde nicht eher ruhen, bis Mugabe verschwände, sagte der ehemalige Gewerkschafter. Wahrscheinlich hätte diese Machtteilung dem mittlerweile 84jährigen Mugabe ermöglicht, friedlich und ohne Gesichtsverlust seinen Posten zu verlassen – die Absage wiederum stürzte das Land weiter in die politische Isolation und ins wirtschaftliche Chaos.


demo money mdc
„Wo ist unser Geld?" – Demo der MDC in Harare | Foto: MDC

Armes reiches Land


Simbabwe ist ein reiches Land – im Vergleich zu vielen seiner Nachbarländer: Es hat eine entwickelte Infrastruktur, ausgebaute Straßen, an zahlreichen Orten kann man sogar das Wasser aus der Leitung trinken. Das Gesundheitswesen ist keine totale Katastrophe, 50 Prozent der Bevölkerung hat Zugang zu medizinischer Versorgung – auch das ist im afrikanischen Vergleich nicht so schlecht. Bis zum Jahre 2000 flossen 24 Prozent der Staatsausgaben in die Bildung, im Vergleich dazu nur 7 Prozent in Militärausgaben. In Simbabwe gibt es ausreichend Schulen, Tausende Studenten genossen ein Stipendium.

All dies sind Faktoren, die Simbabwe sicher zu einem „Filetstück“ für ausländische Investoren machen – wenn nicht der böse „Diktator“ Robert Mugabe (gewesen) wäre, der alle „gutherzigen Geldgeber“ vergrault hätte. Simbabwe hatte auch bis zu Anfang des Jahrzehnts eine florierende Wirtschaft: Im Land gab und gibt es riesige Farmen, auf denen Getreide, Mais, Kaffee, Zuckerrohr und vor allem Tabak und Baumwolle angepflanzt wurde. Die Fleischproduktion war gut – Rindfleisch wurde in viele Nachbarländer geliefert. Aber das afrikanische Wirtschaftswunder hatte einen erheblichen Schönheitsfehler: 80 Prozent des nutzbaren Landes gehörte riesigen Farmbetrieben, die teilweise von weißen Simbabwern bewirtschaftet wurden, teilweise von multinationalen Konsortien wie der „British-American Tobacco“, dem zweitgrößten Zigarettenhersteller der Welt.

Kleinbauer in Simbabwe Foto: Steve Evans
Kleinbauer in Simbabwe | Foto: Steve Evans  
Allerdings wurde oft nur ein geringer Teil der riesigen Landflächen genutzt, ein Großteil lag brach. Auffallend war auch die Diskrepanz zwischen den rund 4.000 landbesitzenden weißen Farmern zur Zeit der Unabhängigkeitserklärung und der millionenstarken „restlichen“ Bevölkerung, die ohne Land und Perspektiven war. Nach mehreren Jahren Befreiungskrieg gegen das rhodesische Apartheidsregime Ian Smiths, musste Robert Mugabe 1980 als frisch gekürter Präsident Simbabwes der damaligen britischen Premierministerin Thatcher in den Friedensverhandlungen versprechen, die Landverteilungsfrage für zehn Jahre ruhen zu lassen. Bis zum Ablauf dieser Frist erfuhr das blockfreie Simbabwe – auch durch erfolgreiche „Hilfsprogramme“ aus West und Ost – einen bemerkenswerten Aufschwung.

Ab 1990 wurden erste Landreformen eingeleitet, die selbstverständlich nicht ohne Konflikte vonstatten gehen konnten und die sich seit dem Jahre 2000 verschärften: Mugabe versuchte bei der Landbevölkerung zu punkten, die traditioneller Weise einen Großteil seiner Wählerschaft ausmacht. Er versprach den Landlosen, Kleinbauern und „Veteranen“ aus dem Befreiungskrieg, dass sie ein Stück des „weißen Farmlandes“ bekämen.

Es kam zu Farmbesetzungen, (wenigen) gewaltsamen Auseinandersetzungen, in deren Folge sieben weiße Farmer starben, viele das Land verließen, was die nördliche Hemisphäre zu einem Aufschrei veranlasste. Die USA und die EU, darunter auch Deutschland, verhängten 2002 ein Teilembargo – maßgeblich auf Druck Großbritanniens. Seitdem galoppiert die Inflation, der IWF schätzt sie auf 25.000 Prozent, es gibt kein Benzin, die Menschen hungern. Simbabwe ist ein armes Land.

Zimbabwe Embassy London 2005 Foto: Copyright Kaihsu Tai
Proteste weißer Simbabwer gegen die „rassistische Politik" Mugabes 2005
in London | Foto: Kaihsu Tai

Auch Deutschland will ein Stück Simbabwe

Aber nicht allein die zunehmende Isolation des südafrikanischen Landes ist Grund für den wirtschaftlichen Niedergang. Seit den 90er Jahren hatten „Strukturanpassungsprogramme“ von Weltbank und IWF für einen harten neoliberalen Kurs gesorgt: „Löhne wurden gesenkt, staatseigene Unternehmen privatisiert und ihre Beschäftigten entlassen, der Sozialetat zusammengestrichen, die kostenlose Krankenversorgung ebenso abgeschafft wie der kostenlose Schulbesuch – die Errungenschaften des antikolonialen Entwicklungswegs nach der Befreiung 1980 gekappt. Robert Mugabes Politik der Enteignung weißer Großgrundbesitzer ab dem Jahr 2000 ist Folge, nicht Ursache dieses Niedergangs.“, schrieb Gerd Schumann in der Tageszeitung Junge Welt.

Frank-Walter Steinmeier Foto: Armin Kübelbeck
Außenminister Steinmeier                
Foto: Armin Kübelbeck
Das sieht Frank-Walter Steinmeier ganz anders: Die „Umstellung von einer planwirtschaftlichen auf eine marktwirtschaftliche Politik“ sei nur unvollkommen geschehen, heißt es im Deutschen Außenministerium über die Ursachen der Wirtschaftskrise – von einem Embargo kein Wort. Die simbabwische Regierung zeige nur fehlende Bereitschaft „zu einer von Internationalem Währungsfonds, Weltbank und Gebern gestützten wirtschaftlichen Strukturreform mit den Kernelementen Preisstabilisierung, Reduzierung des öffentlichen Dienstes, Subventionsabbau, Liberalisierung des Wechselkursregimes, Stärkung der Eigentümerrechte...“

Genauso kritisierte das Auswärtige Amt das im Oktober 2007 beschlossene „Indigenisierungsgesetz“, das eine Mehrheitsbeteiligung von geborenen Simbabwern in allen Unternehmen vorsieht. So verwundert es auch nicht mehr zu lesen, dass sich die „Technische Zusammenarbeit“ der Bundesrepublik auf „die Förderung der ländlichen Entwicklung, auf die Bildung und die Privatwirtschaft“ konzentriert – oder wohl auf eine Kombination aller drei Gebiete zu ihrem Vorteil.

Willkommensschild in Südafrika an der Grenze zu Simbabwe Quelle: sokwanele.com
Zynisches pro-MDC „Willkommensschild" in Südafrika an der Grenze zu Simbabwe | Quelle: sokwanele.com

Wie sich die Situation in dem südafrikanischen Land nach den Präsidentschaftswahlen entwickeln wird, ist ungewiss. Sicher ist, dass vielen Simbabwern eine Veränderung ihrer schwierigen Lage willkommen sein wird. Es bleibt zu hoffen, dass sie nicht mit dem totalen Ausverkauf ihres Landes endet. (CH)

Online-Flyer Nr. 142  vom 16.04.2008



Startseite           nach oben