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Aktueller Online-Flyer vom 19. April 2024  

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Sport
Nach 5:1 gegen Frankreich nur ein 1:0 Arbeitssieg gegen Island
Neid-Elf Sieger in Gruppe B
Von Bernd J.R. Henke

Wegen der konsequenten Umsetzung der Direktiven des Trainerteams Silvia Neid und Ulrike Ballweg, mittels hartem Pressing die kombinationsstarke französische Frauenmannschaft frühzeitig zu stören, ging die Taktik der deutschen Spielerinnen voll auf. Der französische sonst nicht wortkarge Nationaltrainer Bruno Bini saß unbeweglich und sichtlich geschockt auf der Trainerbank. Drei Tage danach gewannen die auf zahlreichen Positionen veränderten Deutschen gegen Island nach einer schwachen Leistung 1:0.

Torfrau Nadine Angerer – kann mit sich 
zufrieden sein
Copyright: Horst Hamann, Köln
Den "Les Bleus" von Bruno Bini wurde von Prinz, Grings und Co. im ersten Drittel des Spieles sichtlich der Schneid abgekauft. Körperbetontes Pressing in der ersten Halbzeit war der Weg zum Erfolg. Spielführerin Birgit Prinz strotzte vor Selbstvertrauen. Als in der 9. Minute zum wiederholten Male der Ball vom deutschen Mittelfeld abgefangen wurde, konterte das Team mit einem langen Pass auf Halblinks zu ihr, die zwei Französinnen umspielte und mit Links auf den zweiten Pfosten flankte, wo Sturmspitze Inka Grings instinktiv schon auf das runde Leder wartete und zur 1:0 Führung einköpfte. Das frühe Tor stellte sich später als das „Tor des Tages“ heraus. Schöner geht es nicht.
 
Taktik ging auf
 
Die deutschen Frauen hielten den Druck aufrecht. In der 17. Minute erwischte Verteidigerin Annike Krahn einen abgewehrten Ball der französischen Verteidigerin Laura Georges und überraschte die zu weit vor dem Tor stehende französische Torhüterin Sarah Bouhaddi mit einer leichten Drehung direkt mit einem 25 Meter Distanzschuss ins obere linke Tor-Eck zum 2:0. Alle im Stadion warteten nun schon auf den Halbzeitpfiff der ukrainischen Schiedsrichterin Katerynia Monzul, doch nach einem Foul einer Französin an Birgit Prinz 20 Meter halblinks vor dem französischen Tor schlug Melanie Behringer den Freistoß mit dem rechten Fuß angeschnitten als Aufsetzer mit Effet auf die Tormitte. Unberührt durch Freund und Feind flog der Ball zum 3:0 Halbzeitstand. Behringer gehörte eindeutig wieder zu den Stärksten in der deutschen Elf. Über die linke Seite versuchte sie immer wieder Druck auszuüben. Ihre starken Freistöße und Ecken sorgten immer wieder für Unruhe im französischen Strafraum. Technisch versiert und voller Selbstvertrauen zog im Mittelfeld Linda Bresonik die Fäden und wurde von der UEFA anschließend zur „Spielerin des Spieles“ gewählt. Die athletische Kim Kulig war es zuvor im Spiel gegen Norwegen gewesen.
 
Frankreichs glücklose Offensive
 
Trainerin Silvia Neid konnte im Mittelfeld aus dem Vollen schöpfen und brachte in der zweiten Halbzeit für Behringer die kreative Simone Laudehr, die, bedingt durch eine Verletzungspause, Spielpraxis sammeln sollte für die nächsten Turnierspiele. Die „Equipe Tricolore" verlagerte ihr Spiel in der zweiten Spielhälfte mehr in die Offensive. Doch dann spielte unglücklicherweise beim ersten deutschen Angriff nach der Pause Verteidigerin Sonia Bompastor im Strafraum den Ball mit der Hand. Den fälligen Elfmeter (46.) zum 4:0 erzielte Linda Bresonik. Pechvogel Sarah Bouhaddi kam noch mit den Fingern dran. Nun schaltete die deutsche Mannschaft auf Grund der klaren Führung mental zwei Gänge zurück. Durch Fehler im Mittelfeld kam die unermüdliche Camille Abily an den Ball, spielte direkt auf die im 16 Meter stehende Gaétane Thiney, die sofort mit Rechts ins linke Tor-Eck flach zum 1:4 einschoss. Die hervorragende Torfrau Nadine Angerer konnte dieses erste Gegentor nicht verhindern. Nach Einwechselung von Verteidigerin Saskia Bartusiak für Kim Kulig wurde Frankreich noch aktiver und gefährlicher. Elodie Thomis verzog in der 56. Minute aus 13 Metern nur knapp. In der 71. Minute verpasste die Angreiferin eine Hereingabe von Eugenie Le Sommer nur haarscharf. Und kurz darauf traf Torschützin Thiney aus 20 Metern die Querlatte, nachdem Angerer das runde Leder noch kurz touchiert hatte. Die nächsten Torgelegenheiten hatten die deutschen Frauen.
 
Drop-kick in letzter Minute
 
In der 87. Minute vergab Kerstin Garefrekes nach Hereingabe von Birgit Prinz am kurzen Pfosten knapp, setzte sich aber in der Schlussminute wie so oft im Spiel gegen zwei französische Abwehrspielerinnen durch und flankte von links auf die eingewechselte neue Sturmspitze Célia Okoyino Da Mhabi, die den Ball mit dem Kopf knapp verfehlte. Die agile Simone Laudehr lauerte aber sieben Meter hinter ihr und schoss den Ball im Drop-kick mit dem linken Fuß zum 5:1 zum Jubel der deutschen Bank ins Netz.
 
Stimmen nach dem Spiel
 
Fußballexperte Johann Blaha: „Nach diesem Spiel muss jeder Mannschaft, die im Viertelfinale stehen wird, klar sein, dass die deutsche Abwehr überwindbar ist.“ Die überragend spielende Spielführerin Birgit Prinz bemerkte kritisch: „Wir haben Frankreich in der zweiten Halbzeit im Mittelfeld zu viele Räume gelassen. Aber nach zwei Spielen haben wir sechs Punkte, das war so nicht zu erwarten gewesen. Unsere Stärke ist der ausgeglichene Kader." Die neu motivierte Simone Laudehr erklärte: „Mein Knie hat gehalten. Ich fühlte mich in der Mannschaft, als ob ich nie abwesend war. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase habe ich schnell ins Spiel gefunden. Das war ein positiver Schritt für mich. Das Tor zum 1:5 war nicht mein Letztes." 
 

Simone Laudehr - Ballartistin mit Torinstinkt
Copyright: Horst Hamann, Köln
Hannelore Ratzeburg (DFB-Vizepräsidentin und Delegationsleiterin) befand: „Wir stehen im Viertelfinale, das war das, was wir uns erhofft hatten, aber es wird jetzt nicht einfacher. Die Mannschaft hat sich viel vorgenommen, wir wollen den Titel verteidigen". Eine selbstsichere Silvia Neid sagte in der Pressekonferenz auf Fragen internationaler Journalisten: „Das Schöne ist, dass wir uns nach zwei Spielen schon qualifiziert haben und den Luxus haben, uns im dritten Spiel nicht mehr ganz so aufzuregen.Wir wissen, dass in der zweiten Halbzeit die Konzentration etwas nachgelassen hat, das ist ganz normal.“ Melanie Behringer blickte in die Zukunft: „Schweden sehe ich als Hauptkonkurrent.“
 
Harmloser Sonntag

Drei Tage danach waren die Deutschen vor 3100 Zuschauern in Tampere Deutschen in der Anfangsphase überlegen. Wie angekündigt, hatte die Trainerin gegen die Isländerinnen ihr Team kräftig durcheinander gewirbelt und hatte auf sechs Positionen frische Akteurinnen gebracht, um die Stammkräfte für das Viertelfinale am kommenden Freitag in Lahti zu schonen. Die beiden jeweils gelb-vorbelasteten Linda Bresonik und Kim Kulig wurden im defensiven Mittelfeld durch Saskia Bartusiak und Simone Laudehr ersetzt. Zudem rückten die beiden Potsdamerinnen Anja Mittag und Fatmire Bajramaj ebenso wie Sonja Fuss und Martina Müller in die Startelf, in der mit Babett Peter eine weitere Spielerin aus Potsdam stand. Martina Müller vergab allerdings die sich bietenden ersten Chancen, und auch im Anschluss konnte die deutsche Mannschaft kaum noch überzeugen. Die körperlich robusteren Isländerinnen standen gut gestaffelt in der eigenen Hälfte. Der Europameister kontrollierte zwar das Spiel, doch gerade in der Offensive fehlten die Ideen. Lediglich Anja Mittag hatte in der 44.Minute noch eine Gelegenheit zur Führung. Die Kölnerin Sonja Fuss erwischte keinen guten Tag und wurde in der zweiten Hälfte durch Kerstin Stegemann ersetzt. 
 

Birgit Prinz - Rekordnationalspielerin mit 
Power und Charme
Copyright: Horst Hamann, Köln
Nach der Pause wechselte Bundestrainerin Neid Birgit Prinz aus und brachte Inka Grings, was sich bereits nach fünf Minuten bezahlt machte, als Grings erst den Pfosten und dann nach einer Flanke von Bajramaj zum 1:0 ins Tor traf. Dabei verletzte sich die Mittelstürmerin, so dass sie nach nur nach 9 Spielminuten gegen Célia Okoyino Da Mhabi ausgetauscht werden musste.
 
Es blieb bis zum Ende beim 1:0. „Ich habe beim Tor ein Knie abbekommen. Es war so extrem, dass ich nicht weiterspielen konnte,“ so Grings hinterher. Ihr Einsatz im Viertelfinale sei jedoch nicht in Gefahr. Silvia Neid äußerte sich nach dem Abpfiff kritisch zur Leistung ihrer Mannschaft: „Das war nicht berauschend“. Im “Endspiel“ um den zweiten Platz in Gruppe B hinter Deutschland trennten sich Frankreich und Norwegen in Helsinki 1:1 (1:1). Die Französinnen treffen im Viertelfinale am Donnerstag auf EM-Neuling Niederlande. Deutschlands nächster Gegner (England, Schweden, Italien oder Russland) wird in den letzten Partien der Gruppe C ermittelt.

Erfolgreicher als die Männer
                                                                                                            
Im Durchschnitt verfolgten 2,25 Millionen Fernseh-ZuschauerInnen die ARD-Übertragung vom 5:1 der deutschen Frauen gegen Frankreich. Damit erreichte die Sendung einen Marktanteil von 20,2 Prozent. Obwohl die Partie in Tampere noch früher angepfiffen wurde, als der erste Auftritt der DFB-Auswahl bei der EURO 2009 in Finnland am vergangenen Montag beim 4:0-Sieg gegen Norwegen, konnte das Erste seine Werte noch steigern. Beim Auftakt-Match sahen durchschnittlich 2,14 Millionen Zuschauer zu, was einer Quote von 20,1 Prozent entsprach. „Das Interesse der deutschen Fernsehzuschauer bedeutet ohne Zweifel, dass der Frauenfußball endlich einen größeren gesellschaftlichen Stellenwert bekommen hat. „Deutschlands Fußballfrauen sind international erfolgreicher als die Teams der Männer“, so Fußballexperte Johann Blaha. (PK)

Online-Flyer Nr. 213  vom 02.09.2009



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