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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Sport
Nach Ablösung von FFC-Trainer Wegmann Pokalsieg gegen SC 07 Neuenahr
FFC-Alibi und Sieg
Von Bernd J.R. Henke

„Die Chemie stimmte nicht mehr zwischen Trainer und Mannschaft”, analysierte Manager Siegfried Dietrich am Tag der Beurlaubung des Trainers in der Pressemeldung des 1.FFC Frankfurt. Als BILD Frankfurt nach der knappen Niederlage gegen FC Bayern einen Tag nach dem Spiel den “Irrwegmann” verbal abgestraft hatte, war klar, dass sich noch am frühen Abend des Bayernspiels das Machtzentrum der “Vereinsförderer im VIP-Bereich” gemeldet hatte. Der Ritt über den Bodensee für Frankfurts Manager begann.

Vielseitig einsetzbar – 1. FFC-Spielerin 
Kerstin Garefrekes
Foto: Horst Hamann, Köln
Der erfolgsverwöhnte Vorstand des Vereins zog die Reißleine. Der sichtlich enttäuschte Manager parierte und zog mit. Und das in einer Woche mit einem zusätzlichen Pokalspiel gegen die starke Mannschaft des SC 07 Bad Neuenahr. Als Nachfolger wurde kurzfristig Wegmanns Co-Trainer Sven Kahlert auserkoren. Die Entscheidung war in Rücksprache mit Führungsspielerinnen wie Angerer und Prinz gefallen, die das Argument der gestörten Kommunikation bekräftigten. Beobachter des Umfeldes sehen aber die Mängel eher bei der Mannschaft, die im Spiel mit den respektlosen Bayerinnen zögerlichen Fussball boten und immer einen Tick zu brav spielten. Das erhöhte den Druck auf den amtierenden, aber glücklosen Trainer. Die Mannschaft, die unter ihrem Potential spielte, suchte und fand ein Alibi. Aber nur für kurze Zeit. Der Manager handelte, tauschte den glücklosen Trainer aus, dessen Psychologie und Analyse nicht verstanden wurde und inthronisierte den jüngeren 39-jährigen Co-Trainer. Angerer, Prinz und Co. standen nun im Obligo, denn die „Diva Alibi“ verschwand, dank dem Bauernopfer Wegmann. Die Lokalpresse übernahm die neue Metasprache: weniger Theorie und Analyse mittels Wegmann, mehr Mobilisierung und Kampf durch Sven Kahlert.
 
Entschuldigungen
 
Hauptsponsor Commerzbank beschrieb den 1.FFC Frankfurt kurz nach dem großen Triple-Jahr 2008 als ein gut geführtes mittelständisches Unternehmen, welches sich am Markt behauptet und daher ein Investment in den Verein auf mittelfristiger Sicht rechtfertigen würde. Die selbst wirtschaftlich angeschlagene Bank verlängerte den Sponsoren-Vertrag mit der Auflage, Erfolge zu produzieren. Misserfolge in der nachfolgenden Saison ließ der Sponsor gelten, da er in der Finanzkrise selbst stark beschäftigt war, eigene Fehler zu vertuschen und mehr auf das Prinzip Hoffnung bauen musste. Trainer Wegmann und Manager Dietrich konnten daher glaubhaft argumentieren, dass der 1.FFC Frankfurt von einem außergewöhnlichen noch nie da gewesenen Verletzungspech heimgesucht wurde. Die Lokaljournaille gab sich damit weitgehend kritiklos zufrieden und langweilte die Leser monatelang mit Berichten und Chronologien über verletzte Spielerinnen. Entschuldigungen über Entschuldigungen eine ganze Saison lang. Die Verletztenliste per FFC-Pressemeldung war zentrale Metaaussage, aber inspirierte niemand, auch nicht die Fans. Das Gejammere übertrug sich wohl auf das Gemüt und Selbstvertrauen des Mannschaftskaders.. Nach der Niederlage gegen die Zweite Garde des FC Bayern München, die eine ganze Erste Mannschaft ersetzen musste (11 Spielerinnen verletzt) wurde klar, dass es auch anders geht. Die Probleme hatten andere Vereine auch, aber die lösten sie durch erhöhten Mannschaftsgeist. Der 1. FFC Frankfurt. hatte sich mental selbst besiegt.
 
Etat-Erhöhung
 
Wehleidigkeit passt wohl eher zum Männerfußball, aber nicht zum Frauenfußball. Die meisten Teams der 1. Frauenbundesliga verloren weitgehend den Respekt vor dem Rekordmeister, der sportlich alles verlor, was es zu verlieren gab. Keinen einzigen Titel. In der Winterpause entschloss sich das Management des Vereins zur Verpflichtung hochkarätiger Nationalspielerinnen wie Torfrau Nadine Angerer und Mittelfeld-Ass Ariane Hingst. Das belastete natürlich Kassenlage und Liquidität des 1.FFC Frankfurt (1 Million Euro Basis-Etat). Nur der Erfolg blieb aus, da nur Angerer spielen konnte, und wenn sie spielte, im Gegensatz zu makellosen Partien in der deutschen Nationalmannschaft, einige Male selbst verschuldet das runde Leder hinter der Torlinie herausholen musste. Man denke hier an das Heimspiel gegen Duisburg. Die Neuverpflichtung der talentierten Spielerin Dzenifer Marozsan war der Schritt in die richtige Richtung. Die spanische Stürmerin und Nationalspielerin Laura del Rio Garcia bedeutete Anfang der Saison ein weiteres kluges Investment des Vereins. Sie schaffte schon vier Tore. Die offensive Weltklasseverteidigerin Sara Thunebro aus Schweden fand auch den Weg nach Frankfurt. Sie verstärkte die Abwehr. Zusätzliche 300.000 Euro Zusatzetat waren notwendig.
 
Anspruchsdenken                                                                                                                                      
 
„Die Professionalisierung der gesamten Bundesliga schreitet fort, nur die Zuschauerzahlen stagnieren. Ohne TV-Einnahmen in naher Zukunft führt das in die Überschuldung der Vereine“, meint der Fußballexperte Johann Blaha, „die schwedische Liga zeigt dies zur Zeit mit aller Schärfe. Der Umeå IK vermeldet einen Einbruch bei den Sponsorengeldern um vierzig Prozent.“ In Wirklichkeit ist der UIK nicht der einzige Verein, der mit finanziellen Problemen kämpft. Ein Drittel der schwedischen Liga, neben Umeå auch Djurgården, Kristianstad und Linköping, hat in diesem Jahr bereits seine Finanznot publik gemacht. Das Management in Frankfurt setzt auf Risiko. Ein sportlich einwandfreier vierter Platz am Saisonende wurde von der erfolgsverwöhnten FFC Vereinsführung als Niederlage empfunden. Fehlerhaftes Anspruchsdenken kann zu Realitätsverlust.führen. Vizemeister und Konkurrent FC Bayern München hat es da sicher einfacher in der Zukunft.
 
Der DFB sollte endlich dafür sorgen, eine lukrative TV-Vermarktung des Frauenfußballs zu erreichen (jedenfalls damit beginnen), und die Vereine sollten außer sportlichen Aufgaben nicht die eigene Werbung für die notwendige Erhöhung der Zuschauerzahlen vernachlässigen. Das Potential für Zuschauer ist vorhanden. Punkto Zuschauerzahlen leistet der FC Bayern München relativ wenig in Aschheim. Punkto Kostendeckung durch den Bratwurstverkauf: bei Spitzenspielen wartet man in Frankfurt im Stadion am Brentanobad volle 15 Minuten.
 
Bewährungsprobe                            
 
Die Öffentlichkeit erwartete nun von der erfahrenen Mannschaft des 1.FFC Frankfurt eine Antwort auf dem Platz. Und das geschah einen Tag nach dem Trainerwechsel beim Pokalspiel in Koblenz gegen den FC 07 Bad Neuenahr. Vor 1600 Zuschauern im Stadion Oberwerth erwischten die Gastgeberinnen, die mit vier Siegen glänzend in die Bundesliga-Saison gestartet sind, den besseren Auftakt, doch Celia Okoyino da Mbabi vergab zweimal in aussichtsreicher Position (7., 16.). Als Bad Neuenahrs Abwehr nach einem Freistoß der Schwedin Sara Thunebro den Ball nicht aus der Gefahrenzone bringen konnte, staubte Kerstin Garefrekes zur 1:0-Führung für Frankfurt ab.


Neuer Mannschaftsgeist in Frankfurt - von links: Alexandra Krieger, Sara Thunbro, Dezenifer Marozsan
Bildagentur A2 Hartenfelser, Neu-Isenburg
 
Eine taktische Änderung des neuen Trainers fiel sofort ins Auge: Kerstin Garefrekes rückte in diesem Spiel vom offensiven Mittelfeld nach hinten in die Vierer-Abwehrkette..Sie stabilisierte die Abwehr und konterte mit schnellen Gegenzügen. Birgit Prinz spielte endlich wieder Sturmspitze und tat das, was sie am besten drauf hat: Tore schießen. In der 63. Minute sorgte die Spanierin Laura del Rio dann für die Vorentscheidung, nachdem die Gastgeberinnen den Ball in der Vorwärtsbewegung verloren hatten. Acht Minuten vor Spielende markierte Dzsenifer Marozsan mit einem sehenswerten Schuss unter die Querlatte das 3:0 (82.). Drei Minuten später traf Birgit Prinz zum 4:0-Endstand (85.).


Celia Okoyino da Mbabi - nach der 0:4-Klatsche im Gespräch mit dem SWF Fernsehen
Bildagentur A2 Hartenfelser
 
Fünf Minuten vor dem Abpfiff gab es für die vielen mitgereisten FFC-Fans einen weiteren Grund für Ovationen: Conny Pohlers kam nach ihrer langen Leidenszeit für Dzsenifer Marozsan ins Spiel und wurde frenetisch gefeiert. Der anwesende DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger drückte sie in seine Arme und lobte sie für ihre Geduld und ihre Tapferkeit, die langwierige Verletzung zu überwinden. Die Koblenzer Region bedeutet für die älteren Fans die Wiege des Deutschen Fußballs. Hervorzuheben sind dort der SC 07 Neuenahr und Zweitligist TUS Wörrstadt. Der DFB-Präsident und gebürtiger Altendiezer sollte das einmal mit einem Benefit-Länderspiel für die Nachwuchsarbeit der Region in Koblenz würdigen. Die fußballerische Entwicklung der Koblenzerin Okoyino da Mbabi und der derzeitige Erfolg des SC 07 Bad Neuenahr in der 1. Frauenbundesliga sind Beispiele hierfür.
 
Der Sieg, der allen gut tat

Die Frankfurterinnen ziehen nun ins Pokal-Achtelfinale ein. „Nach etwa 20 Minuten hatten wir die Partie im Griff und spielten so, wie wir uns das vorgenommen hatten“, sagte FFC-Trainer Sven Kahlert nach dem Schlusspfiff. „Wir haben den Gegner permanent beschäftigt und Druck ausgeübt. Schließlich konnten wir auch unsere Torchancen konsequent nutzen,“ resümierte er. „Erstes Spiel, erster Sieg für FFC-Trainer Sven Kahlert. „Das ist ein Zeichen, dass die Mannschaft für den Trainer spielte und die Lektion der letzten vier Tage verstanden hat“, ergänzte Fußballexperte Johann Blaha. Die glückliche Kerstin Garefrekes äußerte in einem Interview mit der DFB-Pressefrau Annette Seitz: „Nachdem wir vergangene Saison so früh ausgeschieden sind – damals schon in der zweiten Runde gegen die Bayern – war es heute umso wichtiger, dass wir weiter gekommen sind. Denn es ist ja so: DFB-Pokal-Begegnungen sind K.O-Spiele. Da kannst du dir an einem Tag die ganze Runde verderben. Es ist schwierig, jetzt zu sagen, dass unsere Leistung ausschließlich und generell mit dem Trainerwechsel zusammenhing. Dazu hat sich diese Situation zu kurzfristig ergeben. Man muss schauen, wie sich das Ganze in den nächsten Tagen entwickelt, wie sich der neue Trainer präsentiert und sich alles einspielt. Das wird auf jeden Fall eine spannende Zeit. Dass wir in den bisherigen Spielen nicht das gezeigt haben, was in der Mannschaft steckt, war jedem klar. Erst die nächsten Spiele werden allerdings zeigen, wo wir wirklich stehen. Ich hoffe aber, dass jetzt endlich der Knoten geplatzt ist.“
 
Pokalfinale 2010 in Köln
 
Das Achtelfinale im DFB-Pokal der Frauen wird am 15. November ausgetragen. Die Paarungen dafür wird Nationalspieler Lukas Podolski am 21. Oktober in Köln ziehen. Jeden Kölner freut das, aber eine Frau als Glücksfee würde besser zum Frauenfußball passen. Das Endspiel findet am 15. Mai 2010 erstmals in der Kölner Arena statt. Die FF-Redaktion der NRhZ wird also ein Heimspiel haben, denn sie ist ja eine Kölner Online-Zeitung. Vielleicht schafft es ja der 1. FC Köln ins Pokalendspiel zu kommen. Tags zuvor gewannen die Domstädterinnen im Pokal auswärts gegen den TSV Crailsheim mit 5:2 (3:1). (PK)

Bericht über Spiele der 2. Frauenfußball-Bundesliga Gruppe Süd mit 1.FC Köln und Bayer 04 Leverkusen: http://www.kulturexpress.de.
Direkter Kontakt zur FF-Redaktion 
www.myspace.com/frauenfussball2011

Online-Flyer Nr. 220  vom 21.10.2009



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