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Aktueller Online-Flyer vom 19. April 2024  

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Taffe US-Girls besiegen deutsche Frauennationalmannschaft in Augsburg
Publicity for all
Von Bernd J.R.Henke

Im Fußballklassiker unterlagen die frisch gekürten Europameisterinnen 2009 und Weltmeisterinnen 2007 den Profi-Kickerinnen aus den USA – Olympiasiegerinnen des Jahres 2008 – mit 0:1 Toren in Augsburg. Der Anlass kam gerade recht, um für die heimische WM 2011 die internationale Werbetrommel zu rühren. In der neu eröffneten ausverkauften Impuls Arena gelang US-Stürmerin Abby Wambach nach Abstimmungsfehlern in der deutschen Verteidigung per Kopfball ein glückliches Siegtor, und Obama-Wahkampf-Finanzier Philip D. Murphy, nun US-Botschafter in Berlin, konnte sich als prominenter Gast freuen.



Besser gespielt, trotzdem verloren: Kim Kulig (14) gegen Yael Averbuch (12) – im Hintergrund Linda Bresonik (10) | Foto: Augsburger Allgemeine
 
Im Duell der Giganten vor knapp 29.000 Zuschauern verstanden es die amerikanischen Spielerinnen trotz deutscher Feldüberlegenheit und Chancenreichtum, im entscheidenden Moment den einzigen Abwehrfehler des DFB Teams hellwach zu nutzen.Dennoch lobte Bundestrainerin Silvia Neid ihre Mannschaft nach dem ersten Auftritt seit der EM. „Ich fand Klasse, was die Mannschaft geleistet hat. Sie hat taktisch klug gespielt“, sagte sie. „Wir haben auf ein Tor gespielt. Was uns fehlte, war die Präzision beim Torabschluss und beim letzten Pass.“ Auch Fatmire Bajramaj, auffälligste Spielerin in Augsburg, sah das ähnlich: „Es hat uns einfach das Tor gefehlt. Wir waren die ganze Zeit die bessere Mannschaft, waren aber nicht abgezockt genug.“
 
Tor aus dem Nichts
 
Die Europameisterinnen dominierten ihre Gegnerinnen in der ersten Hälfte nahezu nach Belieben. Allein der Tor-Abschluss von Spielführerin Birgit Prinz und Co. ließ zu wünschen übrig. Prinz selbst, ihre Partnerin im Angriff, Inka Grings, sowie Simone Laudehr, Linda Bresonik, Kim Kulig und Kerstin Garefrekes vergaben gleich reihenweise sehr gute Möglichkeiten zum Führungstreffer. Temperamentvoll, schnell und kombinationsfreudig ging die deutsche Mannschaft zu Werke und sorgte fast im Minutentakt für Torgefahr in der amerikanischen Hälfte.


Am Boden Carli Lloyd (10), in der Luft Annike Krahn (5), daneben Lori Chalupny (17), dahinter stehend Birgit Prinz (9), Bianca Schmidt (22) und Ella Masar (16) | Foto: Augsburger Allgemeine
 
Gleich zu Beginn wurde Deutschlands Mannschaftsführerin Birgit Prinz mal kurz vor dem 16-Meter-Raum der USA zum Fallen gebracht. Beim anschließenden Freistoß von Inka Grings ahnte US-Keeperin Hope Solo aber die richtige Ecke. In der 34. Minute rächte sich dann die mangelnde Chancenverwertung. Als Saskia Bartusiak eine Hereingabe völlig falsch erwischte und eine „Kerze“ produzierte, sprang Abby Wambach am höchsten und verwertete per Kopfball, vorbei an der chancenlosen Nadine Angerer, den Ball zum Führungstor. Der Spielverlauf war auf den Kopf gestellt und die deutschen Frauen brauchten einige Zeit, daran zu knabbern. „Ein verzeihlicher Fehler gegen gut bezahlte Profis, denn die deutsche Elf war spielerisch weitaus die bessere Elf an diesem Tage“, sagte Fußballexperte Johann Blaha nach dem Spiel. In der zweiten Hälfte kam das Team von Silvia Neid zwar wieder druckvoll aus der Kabine, fand aber kein Mittel, den Ball im Gehäuse der US-Frauen unterzubringen. Auch ein Doppelwechsel in der 66. Minute brachte keine neuen Impulse: Fatmire Bajramaj und Inka Grings verließen den Platz, für sie kamen Celia Okoyino da Mbabi und Anja Mittag.
 
Kalkulierte Aufmerksamkeiten
                                                                                                                                 Nach dem fußballerischen Schock bestimmten die Europameisterinnen im sportlichen Teil des Duells der Superlative vor den Augen zahlreicher prominenter Gäste - darunter US-Botschafter Philip D. Murphy und die ehemalige amerikanische Nationalspielerin Mia Garciaparra - weiterhin klar Tempo und Rhythmus der Partie. Mia Garciaparra - bekannter unter ihrem Mädchennamen Mia Hamm - war gekommen, um in Begleitung ihres Ehemanns Nomar Garciaparra, einem Baseballprofi der Oakland Athletics, und ihrer beiden noch nicht schulpflichtigen Kinder Ava und Grace, als Botschafterin für die WM 2011 in Deutschland gekürt zu werden. Es war ein Festival der kalkulierten Aufmerksamkeiten.


Ex-Nationalspielerin Mia Hamm-Garciaparra (rechts), nun Botschafterin für die WM 2011, im Gespräch mit Tammy Murphy, Frau des US-Botschafters und ihren fußballbegeisterten Kindern | Alle folgenden Fotos: Johann Blaha
 
Mia, weltweit bekannt als Glamour Girl und Vorbild der Fußballfrauen, gehörte zu den Großverdienern im amerikanischen Frauenfußball. In ihrer Aktivenzeit hatte die Emanzipation schon sehr früh auf das runde Leder übergegriffen: Nach einem mehrmonatigen Streik im Jahre 2001 erhielten die Soccer-Stars um Mia Hamm die gleiche Bezahlung wie die US-Männer in der Nationalelf. Sie bekommen seitdem monatlich umgerechnet mindestens rund 5.000 € plus ca. 1.000 € pro Spieleinsatz. „Der US-Fußballverband legt großen Wert auf die Gleichberechtigung der Geschlechter und ist stolz auf seine Frauen", sagte der damalige Verbandspräsident Robert Contigulia Anfang 2002 bei der Bekanntgabe der Vereinbarung in New York  „Ziel ist, den Weltcup 2007 zurückzuholen. Wir sind mit dem Programm bis 2012 führend in der Welt und setzen innovative Maßstäbe“, bekräftigte er die Maßnahmen.


FIFA Podium mit (von rechts): Mia Hamm-Garciaparra, WM-OK-Präsidentin Steffi Jones, US-Botschafter und Frauenfußballfan Philip D. Murphy und Pressesprecher Jens Grittner

Mit Mia Hamm, die mittlerweile als Werbe-Ikone vom Sportartikelhersteller Nike genau soviel Geld verdient wie früher als Spielerin, verloren die US-Girls 2003 dann aber im eigenen Land die Weltmeisterkrone, die sie seit 1991 erkämpf hatten, wieder an Deutschland. Durch das „Golden Goal“ der deutschen Stürmerin Nia Künzer wurde die DFB-Auswahl Fußballweltmeister. Die amerikanische Sportwelt, Öffentlichkeit und Sponsoren waren schockiert, im eigenen Land eine Niederlage erlitten zu haben. Und das im Trend- und Vorzeigesport der amerikanischen Mittelklasse und Konsumenten. Darauf entschloss sich der amerikanische Fußballverband zur Revanche, um die an Deutschland verlorene Vorherrschaft im Frauenfußball zurückerobern. Vor der 5. Fußball-Weltmeisterschaft 2007 in China wurden in den Vereinigten Staaten alle Kräfte gebündelt, um das “Unternehmen Gold“ zu realisieren. Grundlage für die Kampfansage an die deutsche Elf, die das US-Team entthront hatte, war der spektakuläre Vertrag zwischen dem damaligen US-Soccer-Verband und den Nationalspielerinnen.

Profifußball                                                                                                                              
Mit Hilfe der Gewerkschaft U.S.Women's National Soccer Team Players' Association  (USWNSTPA) wurde ein Kontrakt ausgehandelt, der den Akteurinnen des Kaders noch professionellere Arbeitsbedingungen bis 2012 garantierte. Er sah vor, dass 20 Spielerinnen als Profis beim Verband angestellt wurden. 14 von ihnen wurde ein Grundgehalt von 70.000 Dollar pro Jahr garantiert, sechs Spielerinnen erhielten zunächst ein Salär von 50.000 Dollar. Darüber hinaus wurde ein üppiges Prämiensystem ausgehandelt. Mitglieder des WM-Qualifikationskaders erhielten einen Bonus von 10.000 Dollar. Das Doppelte winkte für eine Berufung in den WM- oder Olympia-Kader. Für eine Silbermedaille bei einem großen Turnier wurden zusätzlich je 20.000 Dollar ausgehandelt. Ein Sieg bei einer WM oder Olympischen Spielen war dem US-Verband sogar eine Pro-Kopf-Prämie von 50.000 Dollar sowie eine zusätzliche Teamprämie von 1,2 Millionen Dollar wert. Sollten die US-Girls schon 2007 den WM-Titel oder im Jahr darauf olympisches Gold gewinnen, würden die Prämien für die Turniere 2011 und 2012 sogar noch einmal um 25 Prozent angehoben werden Dieses kapitalistische Bonussystem brachte aber keineswegs die Erringung des Weltmeistertitels. Denn auf dem Spielfeld gewann wiederum die deutsche Nationalmannschaft die Weltmeisterschaft, da die entnervten US-Girls schon im Halbfinale mit 0:4 gegen Brasilien ausgeschieden waren.

Neuester Anlauf                                                                                                                             
Mit dem Prämiensystem wollten die Verantwortlichen auch verhindern, dass

Phil Murphy - Ex-Goldman Sachs-Banker,
Obama-Freund, Diplomat und Miteigentümer
des US-Frauenfußball-Meisters Sky Blue FC
US-Spielerinnen ins Ausland abwanderten. Mittlerweile hatte die damalige US-Frauenprofiliga WUSA aus finanziellen Gründen den Spielbetrieb eingestellt. Erst wurde das „WUSA Reorganization Comitee“ gegründet. Die Arbeit des Komitees führte zur Gründung der Organisation „Women’s Soccer Initiative, Inc.“ (WSII), deren Ziel die Förderung des Frauenfußballs in den Vereinigten Staaten und die Gründung einer neuen Liga war. Die Einigung zu einem Business Modell gelang aber erst im Januar 2008. Als Name und Logo der neuen Liga vorgestellt wurden, diente die Silhouette der legendären Mia Hamm als Vorlage. Die neue Women Professional Soccer (WPS) begann im Hinblick auf die Revanche bei der WM 2011 in Deutschland mit dem Spielbetrieb vor knapp sieben Monaten.

Diplomatie                                                                                                                                            
Erster und amtierender Meister wurde der Sky Blue FC aus dem Großraum New York. Der nun im Augsburger Stadion anwesende amerikanische Botschafter Murphy gilt als begeisterter Fußballfan. Er arbeitete über 23 Jahre als internationaler Investmentbanker bei Goldman Sachs, investierte bei der Gründung der WPS in den Sky Blue FC und ist Miteigentümer des Vereins. Als zentraler Wahlkampfhelfer und Finanzier der neuen Obama-Administration ausgeguckt, wechselte er rechtzeitig vorher seine Rollen und verließ vor der Finanzkrise die Position bei Goldman Sachs. Zum Dank für seinen Job als größter Fundraiser der Demokratischen Partei wurde er nach der Wahl von Präsident Obama zum Botschafter der USA in Deutschland ernannt. Als “Obamas Werbeagentur“ in Berlin nutzt er nahezu jede Gelegenheit, sich auch mittels des Fußballsports bei der deutschen Bevölkerung angenehm ins Gespräch zu bringen. In Augsburg steigerte er die Show, indem er seine komplette Familie mitbrachte und dort in die Medienarbeit integrierte.


Steffi Jones in der Mixed Zone der Impuls Arena im ARD-Interview
                                          
Steffi Jones, Präsidentin der WM-Organisationskomitees, überreichte seinen Kindern die deutschen Nationaltrikots mit den Farben Schwarz-Rot-Gold. „Ist Fußball die neue atlantische Brücke und Klammer der US-Diplomatie in Deutschland?“ fragte ein Teilnehmer des FIFA-Empfangs. „Sicher nicht, bei den Problemen der Welt mit Finanzkrise, Afghanistankrieg und GM-Insolvenz mit Opel-Entlassungen in Europa. Der Botschafter frönt wohl nur seinem Hobby und seinem Drang zur Selbstdarstellung und Ablenkung“, ergänzte ein Arbeiter eines US-Unternehmens in Deutschland, der von Arbeitslosigkeit bedroht ist. Einen anderen Eindruck vermittelte die erfolgreiche Profispielerin Abby Wambach, die das entscheidende Siegestor schoss. Sie genießt als Sportlerin weltweit hohes Ansehen und weist mit 130 Länderspielen die meisten Einsätze im US-Team auf.
 
Buch über die US-Politik in Afghanistankrieg
 
Wir trafen Abby Wambach im Untergeschoß der Impuls Arena in der Mixed-Zone. Aus ihrer Reisesporttasche ragte ein kritisches Buch über den Afghanistankrieg und die dazu gehörenden Vertuschungen gegenüber der amerikanischen Bevölkerung durch die abgewählte Bush-Adminstration - "Where Men Win Glory" von Jon Krakauer. Das Aufarbeiten der nahen Vergangenheit beschäftigt die junge Generation in den USA, offenbar auch die sympathische Abby. Das lässt hoffen.


Abby Wambach im Interview mit US-TV-Team - in der Hand das Buch "Where Men Wins Glory"



Jon Krakauers Buch "Where Men Wins Glory" in dem Abby Wambach liest, wenn sie mal Fußballpause hat.

Entspannt und zufrieden äußerte sich Abby Wambach über die immer näher kommende Fußballweltmeisterschaft 2011: „Die WM wird vom hohen Stellenwert des Frauenfußballs in Deutschland profitieren. Ich finde es sehr interessant, welche Leidenschaft die Deutschen für den Frauenfußball entwickelt haben. Der Frauenfußball hat in Deutschland sein eigenes Publikum, was in den USA nicht der Fall ist. Wir haben ein Event-Publikum. Es macht schon einen Unterschied, wenn man vor einem Frauenfußball-Publikum spielt. Die WM in Deutschland ist unser großes Ziel, und unsere Arbeit im Verein und in der Nationalmannschaft ist auf 2011 ausgerichtet. Wir wollen in Topform antreten. Die USA, Deutschland und Brasilien werden um den Titel kämpfen. Zudem muss man mit Japan rechnen. Unsere Trainerin, Pia Sundhage, hat die Euro 2009 in Finnland verfolgt und war von den Fortschritten einiger Mannschaften begeistert. 2011 wird eine sehr spannende WM.“ (PK)


US-Goalkeeper Hope Solo nach dem Spiel im Interview mit Aaron Heifetz, Pressesprecher des US Teams


Small Talk der Frauenfußball-Berichterstatter: Coach und PR-Vertreter des US Teams Aaron Heifetz (Mitte) und NRhZ FF-Reporter Bernd J.R. Henke (rechts)


 





 

 
 








 
 
 
 




 


 
 
 


Online-Flyer Nr. 222  vom 04.11.2009



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