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Sport
Nordkorea hinterlässt Fragezeichen im Duell gegen Deutschlands Fußballfrauen
Ausflug der Nordkorea U20
Von Bernd J.R. Henke

Asiens Weltklasseteam der Fußballfrauen, Nordkorea, war der gewohnt unbekannte Gegner für die Deutsche Nationalelf im MSV Stadion in Duisburg. Die nordkoreanische Auswahl gehört zu den stärksten Mannschaften in Asien. Bislang wurde sie dreimal Asienmeister. In der FIFA-Weltrangliste stehen sie derzeit auf Rang fünf. Für die Weltmeisterschaft konnte sich das Team bisher zweimal qualifizieren, schied aber regelmäßig in der Vorrunde aus. 2008 nahm die Auswahl erstmals an den olympischen Spielen teil, schied aber als schlechtester Gruppendritter in der Vorrunde aus.

Simone Laudehr und die Nordkoreanerin Ri Ye Gyong (Amrokgang Club) Fotoagentur www.nanopixx.com Natalie Nollert

Aktuell wird die Mannschaft vom ehemaligen Nationalspieler Kim Kwang-Min trainiert. Es war keine Überraschung, dass der nordkoreanische Trainer diesmal eine stark verjüngte Mannschaft präsentierte, da Nordkorea 2008 mit seinen jungen und schnellen U17-Spielerinnen beim WM-Turnier in Neuseeland Weltmeister wurde. Nordkorea schlug damals die Auswahl der USA mit 2:1. Diese ehemaligen U17 Frauen mit dem Altersdurchschnitt von 18 Jahren trafen nun als neu aufgestellte A-Nationalspielerinnen auf den frischgebackenen Europameister mit wesentlich höherem Altersdurchschnitt. Stürmerin Jon Myong Hwa war mit 16 Jahren die jüngste Nordkoreanerin mit immerhin schon zweiundzwanzig Länderspielen und sieben Toren. Die U17 Weltmeisterinnen Yun Hyon Hi, Ho Un Byol, Kim Un Ju, Jang Hyon Sun und Hong Myong Hui, die in Duisburg auch zum Kader gehörten, stellen das mannschaftliche Grundgerüst der Nordkoreanerinnen für die FIFA WM 2011. Nordkorea nutzte das Freundschaftsspiel gegen die Neid-Elf nach Angaben des Trainers ausschließlich, um sich intensiv auf die WM-Gruppenspiele in Deutschland vorzubereiten sowie das Zusammenspiel der Neuen mit den drei älteren Stammspielerinnen Jo Yun Mi, Ra Un Sim und Jon Myong Hui, die 2006 U 20-Weltmeisterinnen wurden, zu fördern. Die älteste angereiste Nordkoreanerin war die Stürmerin Kim Yong Ae mit 26 Jahren.

Wiedersehen bei der WM U20 ?

Ein weiterer Ausdruck der enormen Qualität und des großen Potenzials im Nachwuchsbereich Nordkoreas waren die vier mitgereisten Spielerinnen Ri Ye Gyong, Ryom Su Ok, Choe Yong Sim und Sin Sol Ryon, die 2008 den zweiten Platz bei der U 20-WM in Chile erreichten. Hinter den Erstplatzierten aus USA und Nordkorea wurde das deutsche Team unter DFB Trainerin Maren Meinert Dritte. Ein gutinformierter koreanischer Journalist meinte: "Einige der gezeigten Spielerinnen werden sicher dieses Jahr bei der FIFA WM der U20 auftauchen."

Ping-Pong auf Koreanisch

Abschottung und Schweigsamkeit war die bisherige Devise nordkoreanischer Sportpolitik. Mit den internationalen Erfolgen seiner Mädchen- und Frauenfußballerinnen erhofft sich das stark isolierte nordkoreanische Regime eine vorsichtige Öffnung zur Außenwelt. Die Mannschaft, die in Duisburg auftrat, war ausgestattet von einem der drei bekannten kapitalistischen Ausrüster. Analog der Ping-Pong-Politik der Chinesen, die in den 1960er und 1970er Jahren über den Nationalsport Tischtennis vorsichtige Kontakte zu anderen Ländern aufbauten, nutzen die Nordkoreanerinnen vierzig Jahre später den internationalen Frauenfußball zur Außendarstellung. Kostenlose Sportprogramme in Kindergärten und Schulen zur Talentförderung und erfolgreiche Frauen- und Männerspitzenmannschaften sollen den koreanischen Nationalstolz steigern nach der Devise: "Unsere Spielerinnen spielen nicht für Geld, sondern für ihr Land."

Kontaktdiplomatie

Nordkoreas Fußballplaner hatten, wie schon berichtet, letztes Jahr die beiden besten U17 Weltmeisterinnen Jon Myong Hwa und Kim Un Hyang eine Woche zu einem Probetraining beim Deutschen Meister 1.FFC Turbine Potsdam gesandt. Es muss daher damit gerechnet werden, dass ab Sommer 2010 nordkoreanische Spielerinnen in der deutschen Bundesliga spielen werden, um Erfahrungen zu sammeln. "Gleiches Recht für alle. Internationale Fußballdiplomatie, darf nicht nur bilateral durch den DFB möglich sein. Die Hälfte der zwanzig Nordkoreanerinnen, die als vermeintliche Nationalelf in Duisburg auftraten, waren Spielerinnen des FC 4.25 Sports Group aus der Hauptstadt Pyongyang," erklärte Fußballexperte Johann Blaha.

Weltklasse

Trotz des geringen Durchschnittsalters zählen die Nordkoreanerinnen zu den Top-Teams in der Welt. Bundestrainerin Silvia Neid bekannte im Vorfeld: “Gegen Nordkorea zu spielen, ist eine große Herausforderung.“ Die DFB-Trainerin berief sich dabei auf die in den direkten Vergleichen gesammelten Erfahrungen. Ihr Team gewann im Viertelfinale der WM 2007 mit 3:0 und in der Gruppenphase der Olympischen Spiele 2008 mit 1:0 gegen die Asiatinnen. “Beide Spiele standen auf des Messers Schneide“, erinnert sich Silvia Neid. Die Leistungen der Nordkoreanerinnen beeindruckten sie: “Was die spielen, ist Rasenschach. Die Spielerinnen sind taktisch sehr gut ausgebildet. In der Abwehr findet man bei ihnen kaum eine Lücke. Sie sind ballsicher und ziehen ein sauberes Aufbauspiel auf. Das ist schon eine Weltklasse-Mannschaft.“


Rekordnationalspielerin Birgit Prinz im 200.Länderspiel im Zweikampf mit der Nordkoreanerin Yu Jong Hui (4.25 Club)
Fotoagentur www.nanopixx.com Natalie Nollert

Als die französische Schiedsrichterin Florence Guillemin das Freundschaftsspiel anpfiff,  legten die deutschen Welt- und Europameisterinnen sofort los wie die Feuerwehr. Schon in der ersten Minute hatte Birgit Prinz die erste Gelegenheit, verzog allerdings. Wenig später traf Melanie Behringer nach einer Ecke aus elf Metern die Latte, Babett Peter prüfte die nordkoreanische Keeperin Jon Myong Hui mit dem Nachschuss von der Strafraumgrenze. In der 17. Minute dann eine Schrecksekunde: Torhüterin Nadine Angerer erlitt bei einem Zusammenprall mit einer Angreiferin eine Risswunde am linken Knie und musste ausgewechselt werden. Für die 88-fache Nationalspielerin kam Lisa Weiß von der SG Essen-Schönebeck ins Spiel und damit zugleich zu ihrem Länderspiel-Debüt. Die deutschen Frauen erholten sich von dem Schock schnell und wurden kurz darauf für ihr dominantes Spiel belohnt. Kim Kulig schickte Prinz auf den linken Flügel, und ihre Flanke fand in der Mitte Fatmire Bajramaj, die unbedrängt aus kurzer Distanz zum 1:0 einköpfte (21.). Noch vor der Halbzeit fiel das 2:0. Nach Freistoß von Bajramaj nickte Simone Laudehr aus fünf Metern freistehend ein. Anja Mittag hätte vor der Pause noch weiter erhöhen können, scheiterte jedoch nach feiner Ballstafette aus sechs Metern an Nordkoreas Keeperin (35.).

Frühes Pressing

Nach der Pause änderte sich am Spielverlauf wenig. Die Mannschaft von DFB-Trainerin Silvia Neid zwang die Asiatinnen mit frühem Pressing zu vielen Ballverlusten und erarbeitete sich gleich wieder Chancen. Schon die erste in Durchgang zwei führte zum 3:0: Celia Okoyino da Mbabi traf nach Flanke der ebenfalls erst zur 2. Hälfte eingewechselten Kerstin Garefrekes aus kurzer Distanz - auch sie per Kopf (50.). Mit der klaren Führung im Rücken nahmen die deutschen Frauen das Tempo ein wenig aus der Partie, behielten die Begegnung aber weiter sicher unter Kontrolle. In der 70. Minute feierte auch Alexandra Popp vom FCR 2001 Duisburg ihre Premiere im Trikot der deutschen Frauen-Nationalmannschaft.

Stimmen zum Spiel


Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft hat im 200. Länderspiel von Nationalspielerin und Rekordtorschützin Birgit Prinz ein souveränes 3:0 (2:0) gegen Asienmeister Nordkorea in der MSV-Arena in Duisburg gefeiert. DFB-Trainerin Silvia Neid war "ganz zufrieden für das erste Spiel in diesem Jahr". "Wir haben in der Defensive sehr gut gearbeitet, im Spielaufbau hatten wir aber ein paar Probleme", sagte Neid und ergänzte: "Alle waren engagiert und mit Leidenschaft dabei." Rein sportlich betrachtet war das Freundschaftsspiel gegen Nordkorea für die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft ein voller Erfolg. Mit 3:0 hielten die Frauen von Bundestrainerin Silvia Neid den Asienmeister in Schach. "Wir waren körperlich überlegen und haben verdient gewonnen. Nur im Spielaufbau hat man gesehen, dass uns noch ein wenig die Spielpraxis fehlt“, fasste die deutsche Rekordnationalspielerin Birgit Prinz die Partie treffend zusammen. Fußballexperte Johann Blaha erklärte: "Die drei Kopfballtore durch Fatmire Bajramaj, Simone Laudehr und Célia Okoyino da Mbabi zeigten die Stärke der deutschen Frauen in Standardsituationen. Ob die mangelnde Gegenwehr der Nordkoreanerinnen einer asiatischen Finte entspricht, konnte auch in der Pressekonferenz nicht ermittelt werden, da Interviewfragen an nordkoreanische Spielerinnen nicht üblich sind. Das Rätsel wird wohl erst am Start der WM U20 im Juli dieses Jahres gelüftet werden, wenn Nordkorea sich präsentieren wird.“

Minuspunkte

Sportlich gab es über die Deutsche Mannschaft gegen den verdächtig harmlosen Gegner kaum etwas zu bemängeln. Die Frauenfußballfibel www.framba.de  kritisierte ziemlich klar: "Aus organisatorischer Sicht wurde dem deutschen Frauenfußball hingegen ein kleiner Dämpfer versetzt. Nicht einmal 10.000 Zuschauer verirrten sich ins Stadion. Dabei rangiert Nordkorea in der FIFA-Weltrangliste auf dem fünften Platz. Doch die frühe Anstoßzeit, das kalte Wetter sowie ein - trotz aller Beschwörungen - nicht gerade attraktiv klingender Gegner verströmten offensichtlich keine allzu große Anziehungskraft. Den Organisatoren der FIFA Frauen-WM 2011 sollte der durchschnittliche Zuschauerzuspruch ein rechtzeitiger Warnschuss sein. Frauenfußball ist längst noch kein Selbstläufer.“

Die nächsten Länderspiele der deutschen Frauen-Nationalmannschaft werden nun beim Algarve Cup in Portugal stattfinden, der vom 24. Februar bis zum 3. März 2010 ausgetragen wird. Bedauerlicherweise ohne Beteiligung der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten. Die Winterolympiade in Vancouver frisst alle möglichen Sendetermine, auch die bei Eurosport.
DFB-TV sollte kurzfristig einspringen. (PK)


Online-Flyer Nr. 238  vom 24.02.2010



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