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Sport
U 20-Frauen-WM: 3:1 Sieg gegen USA in Herford
Beauty-Sieg ohne Bedeutung
Von Bernd J.R. Henke

Testspiele nennen Offizielle internationaler Fußballverbände solche Abtastduelle zweier Premium Mannschaften mit laufender Wechselmöglichkeit von maximal acht Spielern pro Team. Auf dem Weg zur Juniorinnen-Weltmeisterschaft im eigenen Land trafen die U 20-Frauen des DFB vor 1611 Zuschauern im Herforder Ludwig-Jahn-Stadion auf das Team der Titelverteidigerinnen der USA.


Torschützin Dzenifer Marozsán (10) gegen Crystal Dunn (4) und Christine Nairn (11)
Foto: Yvonne Gottschlich / SportFoto-OWL.de
 
Die Amerikanerinnen galten noch im Vorjahr neben der Mannschaft aus Nordkorea als einer der Top-Favoriten der diesjährigen Weltmeisterschaft in Deutschland. Trotzdem sollte der 3:1 (2:1) Sieg für Deutschland nicht überbewertet werden. Kenner der US-amerikanischen Auswahlverfahren in den Colleges und Universitäten stellten schon im Vorfeld fest, dass in der Nachwuchsarbeit des amerikanischen Frauenfußballes eine Phase der Stagnation zu verzeichnen gewesen ist. Erfolg macht müde.
 
Drei 1992er im US-Kader
 
Von der wunderbaren U20 Weltmeisterelf der USA 2008 in Chile waren altersbedingt nur noch die Stürmerin Sydney Leroux von der University of California Los Angeles (UCLA) sowie Mittelfeldass Christine Nairn von der Penn State University (PSU) übrig geblieben. Sydney Leroux beschäftigte schon sehr früh die deutsche Abwehr mit einem gefährlichen Schuss von rechts, der aber knapp verfehlte. Anfangs fanden die Amerikanerinnen, die mit einem 21-köpfigen Kader angereist waren, besser ins Spiel. Eine der drei jüngsten US Spielerinnen im Aufgebot aus einer High School Mannschaft war die Verteidigerin Chrystal Dunn. Sie startete in der Anfangsformation. Die Zweite, die Youngsterin Samantha Mewis, Mittelfeldspielerin von der College Mannschaft SC Scorpions/Whitman Hanson, wurde in der zweiten Halbzeit (46.) eingewechselt für Amber Brooks (University North Carolina UNC). Die Dritte im Bunde aus dem Jahrgang 1992, Stürmerin Maya Hayes vom Team der Aristocats der Newark Academy, wurde gegen Ende (71.) für Tiffany McCarty von den Freestate Shooters der Florida State University (FSU) eingewechselt.

Kim Kulig (19) beglückwünscht Stefanie Mirlach (2) zum 2:0, geschlagen v. li. Kendall Johnson (6), Christine Nairn (11), Samantha Mewis (2)
Foto: Yvonne Gottschlich / SportFoto-OWL.de
 
Trotz der guten Leistung war das Spiel der deutschen Mannschaft im Duell mit den USA sicher verbesserungswürdig. Luft nach oben sieht Bundestrainerin Maren Meinert vor allem im Zweikampf- und Abwehrverhalten. Ihre US-Kollegin sah in der Niederlage vor allem einen Lerneffekt. „Wir wollten unbedingt in Deutschland spielen, um ein Gefühl für das Land zu bekommen“, so Cheftrainerin Jill Ellis im Hinblick auf die WM, bei der ihre Mannschaft nach dem Spiel in Herford nicht unbedingt zum engsten Favoritenkreis gezählt werden muss. Die Kalifornierin Ellis aus Santa Monica und ihr Assistenztrainer B.J. Snow aus Hermosa Beach (Kalifornien) übten sich aber im sonnigen Westküsten-Optimismus. Beim letzten Triumpf stand noch Tony di Cicco an der Seitenlinie, der mittlerweile in der amerikanischen Profiliga die Boston Breakers trainiert. Seit 2009 hat die gebürtige Engländerin Jillian Ellis die Verantwortung für die U20 inne. Bereits 2007 war sie zuständig, aber als Pia Sundhage die A-Nationalmannschaft übernahm, rückte Ellis in ihren Trainerstab auf und verließ die amerikanische U20. Mittlerweile hat sie beide Jobs zusammen, dazu trainiert sie das L.A. Team der University of California, eine der Eliteuniversitäten des Landes.
 
Attraktiver Torreigen
 
Zu Beginn der Partie tat sich die Mannschaft von DFB-Trainerin Maren Meinert zunächst schwer und hatte Abstimmungsprobleme, dann aber eröffnete die deutsche Sturmspitze mit der Duisburgerin Alexandra Popp (12.) nach feiner Vorarbeit der Wolfsburgerin Selina Wagner den Torreigen und nur wenige Minuten später (17.) erhöhte die Münchnerin Stefanie Mirlach nach Freistoß der Frankfurterin Dzsenifer Marozsán auf 2:0. Damit gewann Deutschland die spielerische Oberhand, und das Team die notwendige Sicherheit. Die Gäste kamen durch einen von Sydney Leroux erfolgreich abgeschlossenen Konter zwar auf 2:1 heran (23.), doch zu Beginn der zweiten Halbzeit stellte Marozsán mit einem sehenswerten Distanzschuss den alten Abstand wieder her (49.). Die deutsche Mannschaft hatte das Spiel danach sicher im Griff. Bundestrainerin Maren Meinert war mit dem Auftritt ihres Teams sehr zufrieden. „Wir haben heute gesehen, dass wir einen guten Kader haben. Egal, wie wir gewechselt haben, es hat keinen Bruch im Spiel gegeben", erklärte sie mit voller Zufriedenheit, „eine US Mannschaft schlägt man nicht jeden Tag. Dieser Sieg hat uns Selbstvertrauen für die nahe Zukunft gegeben, das war wichtig.“
 
Am Abend nach ihrem überzeugenden, aber relativ wertlosen  3:1 Sieg im WM Vorbereitungsspiel gegen den Titelverteidiger aus Nordamerika war die Stimmung der DFB Auswahl im WM Sporthotel 11 der Hotel-Residence Klosterpforte in Marienfeld bei Gütersloh dementsprechend locker und ausgelassen. Erst Weltmeister USA geschlagen, dann den Auftakt-Sieg der Herren-Nationalmannschaft in Südafrika beim gemeinsamen Fernsehabend bejubelt - der Sonntag war ein guter Tag für die U 20-Frauen. Eine Spielerin, die beide Erfolge eher still genoss, war die Münchnerin Stefanie Mirlach. Die 20-Jährige, die das Tor zum 2:0 erzielte, gehört zu den Besonnenen im Team. Und zu den Erfahrenen. Schon 2008 war sie bei der U 20-WM in Chile dabei und erreichte damals den dritten Platz. Die Erinnerungen von Stefanie Mirlach an Chile sind noch wach, denn die DFB Auswahl scheiterte gegen die Nordamerikanerinnen nach einem 0:1 nur knapp im Halbfinale.
 
Vielseitigkeit mit Konzentration
 
Eine Turniererfahrung, die Mirlach bei der kommenden WM einbringen will: „Ich versuche für die Mannschaft da zu sein und eine Führungsrolle zu übernehmen. In Chile habe ich noch zu den Jüngsten gehört. Jetzt, wo ich zu den Älteren zähle, muss ich mehr Verantwortung übernehmen.“Um sich voll auf die WM in Deutschland zu konzentrieren, hat die in Ingolstadt geborene BWL-Studentin an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München ein Urlaubssemester eingelegt. „Gerade zu der Zeit, wenn die WM läuft, hätten Klausuren angestanden. Und das wäre nicht gegangen“, erklärt sieIn der U 20 schätzt man ihre Vielseitigkeit. Stefanie Mirlach ist auf verschiedenen Positionen einsetzbar, kann in der Vierer-Abwehr-Kette und im Mittelfeld spielen und verfügt über ein starkes Kopfballspiel. Gleichwohl ist ihr Bestreben, permanent an sich zu arbeiten. „Man kann sich immer taktisch weiterentwickeln und auch Fähigkeiten weiter ausbilden, die immer wichtiger werden. Athletik ist beispielsweise ein wichtiges Thema”, erklärt die strebsame und gelehrige Verteidigerin. Sie will sich weiterentwickeln und hat dabei ein klares Ziel vor Augen: „So ein WM-Titel wäre nicht ganz so schlecht“, sagt Stefanie Mirlach und lächelt.
 
Ballzauberin mit ungarischen Wurzeln   
                                                                                              
Auffällig bei diesem klaren Sieg gegen die USA war auch Dzenifer Marozsán aus dem Youngster Jahrgang 1992. Während die junge talentierte Ramona Petzelberger (SC 07 Bad Neuenahr) nicht zum Einsatz kam und laut Bundestrainerin Meinert nur Turniererfahrung im Kader mitnehmen soll, so auch die Torhüterin Laura Benkrath (SC Freiburg), ist das gleichaltrige Ausnahmetalent Dzenifer Marozsán als Leistungsträgerin der U20 anerkannt und sicher für die Stammelf gesetzt. Wie oft sie ihren Namen schon buchstabieren musste, kann die Frankfurterin gar nicht mehr sagen. „Aber das passiert mir ziemlich häufig“, sagt die U 20-Nationalspielerin. Kein Wunder. Schließlich hat die 18-Jährige ungarische Wurzeln und vor allem der Nachname geht so manchen nicht allzu leicht über die Lippen. Vom Schreiben ganz zu schweigen.


Jessica Wich (7) im Strafraum, bedrängt von Rachel Quon (3), links Sylvia
Arnold (13)
Foto: Yvonne Gottschlich / SportFoto-OWL.de
 
Im Spiel gegen die USA sahen die Zuschauer von ihr ein sehr geübtes, trickreiches Zusammenspiel mit ihrer Vereinskollegin Svenja Huth, welches zu den Pluspunkten des deutschen Angriffspiels gehört.„Eigentlich geht alles immer besser. Aber insbesondere muss ich noch an der Athletik und der Schnelligkeit arbeiten. Auch das Kopfballspiel ist noch ausbaufähig“, erzählt das junge Talent. Außerdem muss ich noch lernen, mehr Verantwortung zu übernehmen.“ In Frankfurt wie auch in der U 20-Nationalmannschaft schätzt man ihre technischen Fähigkeiten. Vor allem für gefährliche Standards ist die 18-Jährige bekannt. Mit den U 17-Juniorinnen wurde sie 2008 Europameisterin, bei der U 17-WM im gleichen Jahr in Neuseeland war sie die erfolgreichste Torschützin. Das ergab Rang drei nach Nordkorea und den USA. (Nordkorea vs. USA 2:1 n.V.)
 
Sichere Positionen
 
Beim Kontertor der US-Girls traf die deutsche Torhüterin Almuth Schult vom Zeitligaverein Magdeburger FFC keine Schuld, sie wurde wie verabredet in der zweiten Halbzeit von der erfolgreichen Champions League Gewinnerin Desirée Schumann aus Potsdam abgelöst. Beide Keeperinnen sind eine sichere Bank für die Bundestrainerin. Komplett für die Stammelf gesetzt ist das Trio aus der A-Nationalmannschaft: Kulig, Schmidt, Popp. Kim Kulig (Hamburger SV) und Bianca Schmidt (1.FFC Turbine Potsdam) wurden 2009 mit der Frauen-Nationalmannschaft in Finnland Europameister, absolvierten mittlerweile 18 beziehungsweise 14 Länderspiele bei den Frauen. Komplettiert wird das Trio von Alexandra Popp (FCR 2001 Duisburg), die schon sechs Länderspiele im Team von Silvia Neid bestritt. Trainerin Maren Meinert ist zufrieden, das erfahrene Trio in ihren Reihen zu wissen. „Ich bin natürlich froh, sie bei uns zu haben. Denn sie sind nicht nur gute Spielerinnen, sondern auch gute Typen. Sie wissen genau, wie ihre Aufgaben aussehen. Mit ihnen verfügen wir über einen kompletten Kader.“ Während Bianca Schmidt und Kim Kulig schon 2008 in Chile gemeinsam bei der U 20-WM spielten und Dritte wurden, wird Alexandra Popp ihre WM-Premiere feiern


Inka Wesely im U 17 WM Spiel am 4. Nov 2008 gegen Yun Hyon Hi (Nordkorea) in Hamilton
Foto: net
                                                                                                                                                                                      
So bleibt wohl vor allem die positive Erkenntnis, dass der deutsche Kader aus so vielen starken Spielerinnen besteht, dass es auf einigen Positionen schwer werden wird, die Entscheidungen zu treffen, wer nun schlussendlich spielen soll. Turid Knaak  (FCR 2001 Duisburg) war in diesem Spiel etwas schwächer als Selina Wagner (VFL Wolfsburg). Vermutlich wird es in der deutschen Abwehr noch offene Positionen geben. Gesetzt ist wahrscheinlich Valeria Kleiner (demnächst 1.FFC Frankfurt), währenddessen die diesmal geschonte kopfballstarke Essenerin Inka Wesely, die mit der U 19 erst vor einigen Tagen im Elfmeterschießen gegen die frischgekürten französischen Europameisterinnen in Mazedonien ausschied, sich mit der blonden Duisburgerin Marith Prießen (46. für Kleiner) und Tabea Kemme (1. FFC Turbine Potsdam) um den Einzug in die heimische Stammformation auseinandersetzen muss.
 
Inka Wesely - torgefährlich aus der Defensive
 
„Um ein WM Turnier am Ende als Siegermannschaft zu verlassen, bedarf es eines starken Defensiv Kaders, die Vielseitigste ist wohl Inka Wesely, die auch aus der zweiten Reihe spielentscheidende Tore schießt und bei Ecken im Strafraum des Gegners präzise Kopfballtore zaubern  kann,“ erklärte  Fußballexperte Johann Blaha, der Wesely im Frühjahr für die NRhZ interviewte. “Sie wird die SG Essen-Schönebeck verlassen. Sie hat vor kurzem ihr Abitur geschafft. Inka Wesley wird sich nach Information ihres Umfeldes der Mannschaft des 1. FFC Turbine Potsdam anschließen, denn deren Cheftrainer Bernd Schröder möchte nach dem Weggang der U 20- Nationalspielerin Laura Brosius und U 23-Nationalspielerin Carolin Schiewe zum FF USV Jena wieder ergänzen. Die Spekulationen für einen Wechsel innerhalb NRW nach Duisburg sind hinfällig, denn nur UEFA Champions League Gewinner Potsdam wird Inka Wesely hervorragende Trainingsmöglichkeiten, innerhalb desinternational etablierten Kader einer europäischen Spitzenmannschaft die Chance einer sportlichen Steigerung und bessere berufliche Perspektiven anbieten können.“
 
Stars und Stripes Diplomatie
 
US Cheftrainerin Jillian Ellies betonte in der Pressekonferenz: „ Unsere Deutschlandreise ist ein Testlauf. Das Endergebnis geht in Ordnung. Wir wollen uns an das Klima und an qualitativ hochwertige Gegner gewöhnen. Wir kamen nach Deutschland um Erfahrungen zu sammeln.“ Auf die Frage, ob es auch ein anderes Ziel als einen erneuten Turniersieg geben könnte, antwortete Ellis diplomatisch: „Die Frage wurde mir häufig gestellt. Natürlich ist es unser Ziel zu gewinnen. Aber alle, außer zwei Spielerinnen, sind neu, waren nicht beim letzten WM Sieg dabei. Sie sind hungrig auf Siege, allerdings waren einige noch nie bei der Nationalmannschaft. Es wäre eher ein Titelgewinn als eine Titelverteidigung. Unser U 20-WM-Los ist sehr interessant. Wir werden gegen Ghana, die Schweiz und Südkorea spielen. Es sind drei völlig unterschiedliche Gegner. Wir haben gegen keinen bislang gespielt, es sollte Spaß machen. Allgemein haben wir eine sehr athletische Mannschaft, und um zu gewinnen, müssen wir als Team erfolgreich sein. Das internationale Spiel ist einfach etwas anderes als der Fußball am College. Es liegt in der Natur der Weltmeisterschaft, dass man jede Mannschaft, die sich qualifiziert hat, auch respektieren muss. Bei der WM an 13.Juli in Deutschland wird mich die Trainerin der US Frauen-Nationalmannschaft Pia Sundhage begleiten. Meine beste Spielerin Sydney Leroux, die ich auch an der Universität in L.A. trainiere, hat die Leidenschaft und den Willen, Pia Sundhage für die WM 2011 zur Teilnahme und Nominierung zu überzeugen. Wenn sie sich richtig entwickelt, kann sie es schaffen. Alle wollen Weltmeister werden, wir auch.“ (PK)


Online-Flyer Nr. 255  vom 23.06.2010



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