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Nach dem Überspringen der Funken aus Arabien nach Spanien:
Wann sind "wir" endlich so weit?
Von Rainer Kippe
Die Proteste gegen die Zumutung des Kapitalismus, die im Frühjahr zuerst in den ehemaligen Kolonialstaaten Ägypten und Tunesien aufgeflammt waren, überspringen das Mittelmeer und entzünden vielleicht nach Spanien auch die angeblich reichen und erfolgsverwöhnten EU-Staaten. Es zeigt sich, dass - anders als in früheren Krisen - die Probleme sich nicht mehr so einfach in die Dritte Welt auslagern lassen, und dass es auch nicht mehr so einfach wie noch zu Beginn unseres Jahrhunderts ist, den wirtschaftlichen Aufschwung durch Kriegsbrandstiftung herbeizuzwingen.
Es hilft auch nichts, wenn man den Chef des Internationalen Währungsfonds in den Knast bringt, dessen Institution in der Dritten Welt viel mehr vergewaltigt hat, als nur eine Asylbewerberin, nämlich ganze Staaten und Kontinente.
In Nordafrika ist von Diktatur und Zensur als Ursache für die Krise die Rede, in Südeuropa von Misswirtschaft. Niemand spricht von der Krise des kapitalistischen Wirtschaftssystems, und wenn, dann so, als könnten die Regierungen, frei gewählte oder Diktaturen, daran etwas ändern.
Hilfsprogramme verpuffen, denn sie ändern nichts an den Grundlagen des Systems. Tatsächlich sind aber nicht nur Tunesien und Ägypten pleite, genauso wie Griechenland, Spanien, Portugal und Island, sondern auch die Paten des "Systems der Freiheit", wie es der Urahn Adam Smith genannt hatte: England und die USA. Sie leben auch nur noch auf Pump. Und das Geld pumpen sie bei denen, denen sie es während der Krise in den Rachen geworfen hatten.
Es wird noch ein harter Weg für die neue Generation der liebenswürdigen jungen Menschen, die in Tunis, in Kairo, in Athen und in Madrid auf die Straße gehen, bis sie begreifen werden, dass es nicht genügen wird, auf facebook und twitter demos zu organisieren, dass es nicht einmal reicht, Regierungen zu stürzen und Gewaltherrscher zu vertreiben, dass wir vielmehr eine neue wirtschaftliche Ordnung brauchen, eine neue Ökonomie, die vom gegenseitigen Nutzen ausgeht und nicht von der gegenseitigen Zerstörung, die nicht auf Gier beruht, sondern auf Zuwendung, nicht auf der Zerstörung der Natur, sondern auf der Erkenntnis, dass wir Teil von ihr sind und dass wir alles, was wir nehmen, auch zurückgeben müssen und nicht als Müll auf die Erde rotzen.
Diese Zukunft hat schon begonnen, in Kommunen, Genossenschaften, Selbsthilfen und Graswurzelbewegungen, überall dort, wo die Erde und ihr Reichtum nicht mehr verbraucht, sondern genutzt werden. Wo der Andere nicht mehr Feind und Konkurrent ist, sondern Genosse - was ja bekanntlich von genießen kommt, und auch mit genesen verwandt ist.
Leider geht das nicht über Nacht, und so werden wir in den nächsten Jahren - deutsche Wachstumsprognosen hin oder her - den Zusammenbruch nicht nur der Umwelt und des Klimas und der Weltgesundheit, sondern - auch wenn's keiner glauben will - des Weltfinanzsystems erleben. Und die globalisierte Geld- und Warenwirtschaft wird, wenn überhaupt, nur in radikal veränderter und erneuerter Form überleben - wenn denn die arabischen Funken über Spanien auch zu uns nach Deutschland rüberspringen. (PK)
Online-Flyer Nr. 303 vom 25.05.2011
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Nach dem Überspringen der Funken aus Arabien nach Spanien:
Wann sind "wir" endlich so weit?
Von Rainer Kippe
Die Proteste gegen die Zumutung des Kapitalismus, die im Frühjahr zuerst in den ehemaligen Kolonialstaaten Ägypten und Tunesien aufgeflammt waren, überspringen das Mittelmeer und entzünden vielleicht nach Spanien auch die angeblich reichen und erfolgsverwöhnten EU-Staaten. Es zeigt sich, dass - anders als in früheren Krisen - die Probleme sich nicht mehr so einfach in die Dritte Welt auslagern lassen, und dass es auch nicht mehr so einfach wie noch zu Beginn unseres Jahrhunderts ist, den wirtschaftlichen Aufschwung durch Kriegsbrandstiftung herbeizuzwingen.
Es hilft auch nichts, wenn man den Chef des Internationalen Währungsfonds in den Knast bringt, dessen Institution in der Dritten Welt viel mehr vergewaltigt hat, als nur eine Asylbewerberin, nämlich ganze Staaten und Kontinente.
In Nordafrika ist von Diktatur und Zensur als Ursache für die Krise die Rede, in Südeuropa von Misswirtschaft. Niemand spricht von der Krise des kapitalistischen Wirtschaftssystems, und wenn, dann so, als könnten die Regierungen, frei gewählte oder Diktaturen, daran etwas ändern.
Hilfsprogramme verpuffen, denn sie ändern nichts an den Grundlagen des Systems. Tatsächlich sind aber nicht nur Tunesien und Ägypten pleite, genauso wie Griechenland, Spanien, Portugal und Island, sondern auch die Paten des "Systems der Freiheit", wie es der Urahn Adam Smith genannt hatte: England und die USA. Sie leben auch nur noch auf Pump. Und das Geld pumpen sie bei denen, denen sie es während der Krise in den Rachen geworfen hatten.
Es wird noch ein harter Weg für die neue Generation der liebenswürdigen jungen Menschen, die in Tunis, in Kairo, in Athen und in Madrid auf die Straße gehen, bis sie begreifen werden, dass es nicht genügen wird, auf facebook und twitter demos zu organisieren, dass es nicht einmal reicht, Regierungen zu stürzen und Gewaltherrscher zu vertreiben, dass wir vielmehr eine neue wirtschaftliche Ordnung brauchen, eine neue Ökonomie, die vom gegenseitigen Nutzen ausgeht und nicht von der gegenseitigen Zerstörung, die nicht auf Gier beruht, sondern auf Zuwendung, nicht auf der Zerstörung der Natur, sondern auf der Erkenntnis, dass wir Teil von ihr sind und dass wir alles, was wir nehmen, auch zurückgeben müssen und nicht als Müll auf die Erde rotzen.
Diese Zukunft hat schon begonnen, in Kommunen, Genossenschaften, Selbsthilfen und Graswurzelbewegungen, überall dort, wo die Erde und ihr Reichtum nicht mehr verbraucht, sondern genutzt werden. Wo der Andere nicht mehr Feind und Konkurrent ist, sondern Genosse - was ja bekanntlich von genießen kommt, und auch mit genesen verwandt ist.
Leider geht das nicht über Nacht, und so werden wir in den nächsten Jahren - deutsche Wachstumsprognosen hin oder her - den Zusammenbruch nicht nur der Umwelt und des Klimas und der Weltgesundheit, sondern - auch wenn's keiner glauben will - des Weltfinanzsystems erleben. Und die globalisierte Geld- und Warenwirtschaft wird, wenn überhaupt, nur in radikal veränderter und erneuerter Form überleben - wenn denn die arabischen Funken über Spanien auch zu uns nach Deutschland rüberspringen. (PK)
Rainer Kippe ist Mitbegründer der Sozialistischen Selbsthilfe Köln (SSK) und der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim (SSM).
Online-Flyer Nr. 303 vom 25.05.2011
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