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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Medien
Protestbriefe an Monika Piel, Intendantin des Westdeutschen Rundfunks
Einschüchterungsversuche gegen WDR-Mitarbeiter
Von Lothar Fend und Prof. Dr. Hans-Joachim Lenger

Gestrichen, gekürzt, abgebaut werden im WDR politische und literarische Sendungen wie das „Kritische Tagebuch“ und „Dokumente und Debatten“, „Zeitfragen/Streitfragen“ oder „Funkhausgespräche“ sowie Features und Hörspiele. Wegen der Auswirkungen dieser Zensur- und Sparmaßnehmen  versuchen unter dem Namen "Die Radioretter - Initiative für Kultur im Rundfunk" bisher mehr als 17.000 Journalisten, Schriftsteller, Professoren und WDR-Hörer gemeinsam u.a. durch ihre Unterschriften, diese Entwicklung zu stoppen. Ergebnis im Kölner Funkhaus bisher: Einschüchterungsversuche gegen WDR-Mitarbeiter, die sich offen in dieser Protestbewegung engagiert haben. – Dazu hier zwei Offene Briefe an Intendantin Monika Piel. - Die Redaktion
 
Sehr geehrte Frau Piel, am 14. März hat Ihnen die Redakteursvertretung des Westdeutschen Rundfunks im Auftrag einer großen Zahl von WDR- Mitarbeitern aus Hörfunk und Fernsehen einen Brief zugeleitet, in dem die WDR-Geschäftsführung eingeladen wird, „mit den Programmmitarbeitern des ganzen Hauses die öffentliche Kritik an der Verflachung des Programms zu diskutieren und gemeinsam zu überlegen, wie das öffentlichrechtliche
Profil unseres Senders neu geschärft werden kann, um die Zukunft unseres Hauses zu sichern“. Zudem baten die Unterzeichner im Zusammenhang mit der geplanten WDR3-Reform darum, „dass sich die Hörfunkdirektion die Zeit nimmt für die Entwicklung einer Reformalternative, in der die bislang ignorierten Bedenken und Anregungen der Mitarbeiter Eingang finden“.
 
Der Brief mit den Namen der Unterzeichner wurde am gleichen Tag im WDR-Intranet veröffentlicht, seither haben noch einige weitere Kolleginnen und Kollegen unterschrieben. Inzwischen liegt der Brief auch der „Initiative für Kultur im Rundfunk“ vor, die dieses Dokument nun auf ihrer Homepage dokumentiert. Und zwar ohne die Namen der rund 100 Unterzeichner.
 
Der Anlass, Ihnen zu schreiben, sind beunruhigende Informationen über hausinterne Einschüchterungsversuche gegen einige der Unterzeichner des Briefes. Auf einer Leitungs-Konferenz soll die Fernsehdirektorin Verena Kulenkampff die Namen aller Fernsehkolleginnen und -kollegen vorgelesen haben, die mit ihrer Unterschrift den Inhalt des Briefes unterstützen. Zudem hat Frau Kulenkampff offenbar darum gebeten, dass die direkten Vorgesetzten mit den Unterzeichnern reden und ihnen die Missbilligung der Fernsehdirektorin vermitteln.
 
Um es gleich zu sagen: Wir werden diesen belegbaren Vorgänge öffentlich machen, da wir derartige Einschüchterungsversuche und Angriffe auf die freie Meinungsäußerung für gravierend halten. Wir wissen nicht, sehr geehrte Frau Piel, ob Sie über das Geschehen informiert sind oder das Ganze sogar mit Ihrer Zustimmung durchgeführt worden ist. Wir gehen aber davon aus, dass Sie, schon wegen Ihrer Rolle und Aufgabe als Intendantin eines öffentlich-rechtlichen Senders, die Bedeutung des Rundfunks für eine demokratisch verfasste Gesellschaft überaus hoch einschätzen. Und hoffen uns mit Ihnen einig, dass die Freiheit der Meinungsäußerung vor den Toren einer Sendeanstalt nicht Halt machen kann. Ohne diese Freiheit müsste das Leben aus jeder Institution, erst recht aber aus einem Rundfunksender weichen.
 
Die „Initiative für Kultur im Rundfunk“ und ihre Unterstützer innerhalb und außerhalb des WDR setzen sich mit großer Leidenschaft für den Erhalt bzw. die Wiederbelebung des Kulturradios WDR3, aber auch für den öffentlich-rechtlichen Programmauftrag insgesamt ein. Und das nicht als Gegner, sondern im Gegenteil im Interesse des Rundfunks, des WDR und der Aufgaben, die dieser bedeutende Sender für Nordrhein-Westfalen und die Bundesrepublik hat. Niemand dürfte deshalb von diesem Engagement erfreuter sein als Sie.

Wir bitten Sie also um Aufklärung und eine Position zu den oben genannten Vorfällen. Derartige „Brandmarkungen“ und Einschüchterungen von Mitarbeitern werfen nicht nur ein schlechtes Licht auf Vorgesetzte, sondern auf den ganzen WDR. Leider scheinen sie die inzwischen hundertfach geäußerten Klagen von WDR-Kolleginnen und Kollegen zu bestätigen, die ein Klima der Angst und der Ausgrenzung und die Diffamierung von internen Kritikern beschreiben.
 
Bitte sorgen Sie dafür, dass Einschüchterungen oder auch nur Handlungen, die damit verwechselt werden könnten, unterbleiben. Und stehen Sie für die freie Entfaltung aller innerhalb und außerhalb des Hauses geführten Diskussionen über die Zukunft des Rundfunks ein.
 
Mit freundlichen Grüßen
Lothar Fend
Prof. Dr. Hans-Joachim Lenger
für die Initiative für Kultur im Rundfunk
 
Brief von WDR-Mitarbeitern an die Intendantin
 
Am 14. März hat die Redakteursvertretung den folgenden Brief an die Intendantin des WDR weitergeleitet. Gleichzeitig wurde der Brief mit allen Unterschriften im Intranet eingestellt. Wer sich den (Erst-)Unterzeichnern anschließen möchte, kann sich bei der Redakteursvertretung melden. Bis zum heutigen Tag (30. März 2012) haben rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des WDR unterschrieben.
 
Sehr geehrte Frau Piel,
wir Mitarbeiter des Westdeutschen Rundfunks sehen in der Aufforderung des Rundfunkrates, die geplanten Veränderungen bei WDR 3 zu überdenken, eine Chance für einen offenen Diskussionsprozess, der nicht nur die Kultur im Radio betrifft.
 
In den Tausenden von Unterschriften, gesammelt von der „Initiative für Kultur im Rundfunk", artikuliert sich - über die Kritik an der Reform bei WDR 3 hinaus - großer Unmut von Zuhörern und Zuschauern über den Profilverlust des öffentlich-rechtlichen Rundfunks allgemein. Wir möchten die Geschäftsführung einladen, mit den Programmmitarbeitern des
ganzen Hauses die öffentliche Kritik an der Verflachung des Programms zu diskutieren und gemeinsam zu überlegen, wie das öffentlich-rechtliche Profil unseres Senders neu geschärft werden kann, um die Zukunft unseres Hauses zu sichern.
 
Für WDR 3 bitten wir darum, dass sich die Hörfunkdirektion die Zeit nimmt für die Entwicklung einer Reformalternative, in der die bislang ignorierten Bedenken und Anregungen der Mitarbeiter Eingang finden. (PK)
 
Mehr zu der Auseinandersetzung über die sogenannte Programmreform im WDR finden Sie unter http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17546, http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17530.
Durch Ihre Unterschrift können Sie sich hier an den Protesten beteiligen: http://www.die-radioretter.de/cms/front_content.php
 
Antwort des WDR
Auf diesen Artikel hat der WDR drei Stunden später wie folgt geantwortet:

Sehr geehrte Damen und Herren,
zu Ihrer heutigen Online-Veröffentlichung "Einschüchterungsversuche
gegen WDR-Mitarbeiter" bitte ich darum, die folgende Erklärung zu
veröffentlichen:

Wir weisen die Vorwürfe der Initiative "Radioretter" zurück.

Wir begrüßen eine offene und auch kontroverse Diskussion innerhalb des
WDR um die Zukunft des Kulturprogramms. Fernsehdirektorin Verena
Kulenkampff hat der Diskussion über die Reform des Kulturprogramms WDR 3 Raum gegeben. Im WDR ist es üblich, kontrovers zu diskutieren. Und das
ist auch gut so. Im Übrigen wäre jedermann schlecht beraten, in einem
journalistischen und traditionell liberalen Unternehmen wie dem WDR mit einer sehr selbstbewussten Belegschaft und Redakteurschaft -
"Einschüchterungsversuche" zu unternehmen.

Diskussionen müssen auch zum Handeln führen. Es geht darum,
zukunftsfähige Programmstrukturen und Angebote zu entwickeln, die
Hörerinnen und Hörer binden und neue hinzu gewinnen.

Die Kultur selbst ist ein Spiegel der Modernität und der
Veränderungsfähigkeit von Gesellschaft. Insofern muss die
Kulturberichterstattung in besonderer Weise auf die Veränderungsimpulse
aus der Kultur reagieren können und zu strukturellen Veränderungen fähig
sein und bleiben. Wir arbeiten beim WDR auch weiterhin daran, eine
zeitgemäße, zukunftsorientierte und kritische Kulturberichterstattung in
unseren Programmen anzubieten.

Intendantin Monika Piel hat bereits vor einiger Zeit angeregt, über die
Kulturberichterstattung zu diskutieren und einen Erfahrungsaustausch
über den besten Weg herzustellen. Eine Veranstaltung hierzu ist
bereits geplant.
Mit freundlichen Grüßen
Gudrun Hindersin
Unternehmenssprecherin

Westdeutscher Rundfunk Köln
Presse und Information
50600 Köln
Tel. 0221/220-7110
Fax 0221/220-7114
gudrun.hindersin@wdr.de

 


Online-Flyer Nr. 347  vom 30.03.2012

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