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Globales
Syrien und Tschetschenien zeigen: Militärische Konfliktlösungen sind katastrophal
Gewaltlose Alternativen wären aktuell
Von Heinrich Frei

In der Schweizer "Vernehmlassung" (1) zum Projekt „Weiterentwicklung der Armee (WAE)“ wurden bisher in der Öffentlichkeit keine grundsätzlichen Kritiken an der militärischen Landesverteidigung bekannt. Die Schweizer Armee soll auf Grund dieses Projektes WAE von 184.000 Mann auf 100.000 Mann reduziert werden. Zum Vergleich: Deutschland, mit etwa zehnmal mehr Einwohnern als die Schweiz, verfügt in seiner Bundeswehr laut Wikipedia nur noch über 182.927 aktive Soldaten.

 

Panzergrenadierbataillon der Schweizer Armee im Jahr 2009
  Quelle: offiziere.ch 

 

Lautstark machen sich jetzt in der Eidgenossenschaft die Gruppe „Giardino“ und Generalstabsoffiziere bemerkbar, die der Meinung sind mit dem neuen Armeekonzept WAE, mit nur 100.000 Mann, sei die Schweizer Armee nicht mehr in Lage „in einem militärischen Konfliktfall zu bestehen“.
 
Wie das aussieht wenn eine Armee mit ganzer Feuerkraft versucht „in einem militärischen Konfliktfall zu bestehen“, in einem internen Konflikt, mit ausländischer Einmischung durch Dschihadisten und ausländischen Geheimdiensten, sehen wir heute in Syrien. Syrien zeigt deutlich: Militärische Konfliktlösungen taugen nichts, sind katastrophal, sowohl gegen innere wie gegen äußere Feinde. Schon über 100.000 Menschen sind in diesem Krieg umgekommen.
 
Es gibt heute Alternativen zur militärischen Verteidigung die durchaus erfolgreich sein können, wie es sich 1990 zum Beispiel in Estland, Lettland und Litauen, im Baltikum zeigte.
 
Der Berliner Friedensforscher Theodor Ebert war auf dem Baltikum als Berater für ein gewaltloses Vorgehen tätig. Ebert verfasste 1972 die Studie "Gewaltfreier Aufstand - Alternative zum Bürgerkrieg" (erschienen auch als Taschenbuch).

 


Berliner Friedensforscher Theodor Ebert
Quelle: Lebenshaus-Alb.de

 

Der Kampf für die Befreiung und die Unabhängigkeit der baltischen Staaten wurde gewaltlos geführt. Im Zuge der Auflösung des sowjetischen Imperiums, die Gunst der Stunde unter Gorbatschow nutzend, erreichten die Balten ohne Krieg die Unabhängigkeit und den Abzug der Roten Armee. Nach 50 Jahren Diktatur gelang es gewaltlos, die russische Besatzung zu beenden. Ein gewaltsames Vorgehen der Esten, Litauer und Letten gegen die russischen Besatzer, mit Bomben und Attentaten, hätte sicher eine blutige Reaktion der Roten Armee ausgelöst, wie in Tschetschenien. Die Sichtweise, ein Regime der Diktatur und der Unterdrückung zu überwinden sei nur mit Gewalt möglich, stellte der friedliche Umbruch in Osteuropa und der Falle der Berliner Mauer in Frage.
 
Theodor Ebert sah die soziale Verteidigung nicht als Allheilmittel für den Weltfrieden, sondern vielmehr als eine vorsichtige Überlebensstrategie in einer, unter anderem durch Atomwaffen, immer stärker bedrohten Welt. In diesem Kontext hatte sich Ebert auch intensiv mit der Bedrohung der westlichen Welt durch den Terrorismus befasst. Er sah durchaus eine Möglichkeit des gewaltfreien Widerstandes gegen terroristische Akte. Priorität hätte dabei die Bekämpfung der Ursachen des Terrorismus.
 
Auch unter extremen Diktaturen, in Norwegen und Dänemark sogar unter dem Naziregime, waren gewaltlose Aktionen oft erfolgreicher als Operationen der bewaffneten Résistance in Frankreich oder Jugoslawien. Dazu gibt es umfangreiche Literatur, zum Beispiel das Buch „Die gewaltfreie Aktion“ von Gernot Jochheim, vom Verlag Rasch und Röhring, 1984. Diese Studien wären gerade heute in unserer so gewaltgläubigen Zeit, des so genannten weltweiten Krieges gegen den Terror aktuell. (PK)
 
(1) Die "Vernehmlassung", auch "Vernehmlassungsverfahren" genannt, ist eine Phase im Gesetzgebungsverfahren der Schweiz
 
Heinrich Frei ist Vizepräsident des Fördervereins “Neue Wege in Somalia“. Affolternstrasse 171, 8050 Zürich, Email: heinrich-frei@bluewin.ch.


Online-Flyer Nr. 429  vom 23.10.2013



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