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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Lokales
Verteidigungsrede eines Oppenheim-Bankers, der in Köln vor Gericht steht:
Ich bin unschuldig! Schlagen Sie die Anklage nieder!
Aufgeschrieben von Werner Rügemer*

Hohes Gericht, sehr geehrte Vorsitzende Richterin, sehr geehrte Herren Richter, sehr geehrte Damen und Herren Schöffen, seit über einem halben Jahr stehen wir, die vier ehemaligen persönlich haftenden Gesellschafter der Bank Sal. Oppenheim, hier vor dem Kölner Landgericht. Sie haben uns und zahlreiche Zeugen vernommen. Sie haben drei Dutzend weitere Verhandlungstage bis weit ins nächste Jahr festgelegt, insgesamt 74. Und auch dann, so fürchte ich, wird das Verfahren noch nicht zu Ende sein. Und die verehrte Staatsanwaltschaft führt noch weitere Ermittlungen. Jedes Mal müssen wir uns vor den Kameras und der sensationsgierigen Öffentlichkeit an den Eingangsschleusen des Gerichts überprüfen lassen, als wären wir Terroristen. Ehrlich gesagt, haben wir besseres zu tun als hier einen so umfangreichen Teil unserer Lebenszeit zu verbringen. Auch wir haben ein Menschenrecht auf Privatheit und Lebensqualität. Bitte erlauben Sie mir deshalb, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Ich spreche dabei allein für mich selbst, ich habe dies mit meinen Mitangeklagten nicht abgestimmt. Jeder ist für sich selbst verantwortlich.
 

Bank-Gründer Salomon Oppenheim jr.
Quelle: wikipedia
Hohes Gericht!
Was werfen uns die Staatsanwälte vor? Vor allem Untreue in besonders schwerem Fall, und zwar gegenüber unserer eigenen Bank, jedenfalls unserer Bank, bis sie 2009 in die Insolvenz ging. Die vier Jahre, die wir während der staatsanwaltlichen Ermittlungen und Durchsuchungen durchmachen mussten, waren voll von Vor-Verurteilungen in den Medien. Wir wurden ohne jeglichen Beweis als Bankster, Heuschrecken, Betrüger und Blutsauger bezeichnet. Wir sollen bei vier Immobilienpro-jekten die Bank geschädigt haben. Wir sollen dazu verschiedene Briefkastenfirmen eingerichtet und die Zahlungsströme verheimlicht haben. Wir sollen uns als Bankchefs selbst Vorzugskredite gewährt haben.
Sie selbst, hohes Gericht, haben im Laufe der Verhandlungen immer wieder feststellen müssen, dass die zwei Staatsanwälte trotz jahrelanger Ermittlungen keine Ahnung haben. Deswegen waren Sie, hohes Gericht, gezwungen, eine Unzahl von Zeugen und Experten anzuhören. Bankgeschäfte heute in der globalisierten Welt der Finanzen und der Wirtschaft sind hochkompliziert. Die Sicht des allgemeinen Publikums und auch, leider, der Staatsanwälte, ist immer noch von klischeetriefenden Vorurteilen geprägt, gepaart mit Unwissenheit und Inkompetenz.
„Briefkastenfirmen“ zum Beispiel sollen etwas schlechtes sein. Das ist Unsinn. Außerdem gibt es heutzutage gar keine Briefkastenfirmen. Vielleicht hat es sie früher einmal gegeben, das mag sein. Aber kein Unternehmen, das wir in der Schweiz gegründet haben, hat dort einen Briefkasten. Das sind Vorstellungen aus der Steinzeit. Das, was hier gemeint ist, sind Special Purpose Entities, also rechtliche Einheiten für besondere Zwecke, verstehen Sie? Die können Sie per Mausklick bei einem staatlich geprüften Treuhänder in einem anderen Staat gründen. Da gibt es keine Briefkästen. Rechtlich einwandfrei, ganz legal. Sonst hätten uns die Schweizer Staatsanwälte längst anklagen können. Das taten sie aber nicht, bekanntlich. Das nur als Beispiel.

Ex-Banker von Sal.Oppenheim vor Gericht
Quelle: WDR
 
Hohes Gericht,
ich glaube, dass sich schon bisher eindeutig herausgestellt hat: Wir sind unschuldig. Gut, ich habe gesagt, dass ich hier nur für mich allein sprechen kann. Über meine Mitangeklagten will ich nichts sagen. Ich weiß nicht, was sie in unserer gemeinsamen Zeit als Verantwortliche der Bank gemacht haben. Ich jedenfalls, ich habe niemanden und auch nicht meine Bank bewusst und absichtlich geschädigt. Ich wollte immer das Beste für unsere Bank, für unsere Aktionäre und für unsere Kunden, natürlich auch für mich.
Ich habe aufmerksam zugehört, was die Zeugen gesagt haben. Zum Beispiel die Mitglieder des Aktionärsausschusses, die zur traditionsreichen Gründerfamilie derer von Oppenheim gehören, wie zum Beispiel Friedrich Carl von Oppenheim. Er war Vorsitzender des Aktionärsausschusses, lebt in London, reiste kurz an und wollte schnell möglichst hohe Gewinnausschüttungen beschließen lassen. Vor Gericht sagte er jetzt nichts, er nahm sein Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch, der Feigling. Nicolaus von Oppenheim, ein anderer Zeuge aus dem Oppenheim-Clan, gab sich harmlos und fühlte sich zu der Aussage bemüßigt, die Bank unter unserer Führung sei „an Eigennutz, Überheblichkeit und Arroganz zugrunde gegangen“. Dabei war dieser Herr selbst im Aktionärsausschuss, hat sich um nichts gekümmert und wollte möglichst schnell die Beschlüsse über die Gewinnausschüttungen durchziehen, bevor er wieder abreiste. Wenn das nicht Eigennutz, Überheblichkeit und Arroganz ist!
Andere Zeugen aus den Eigentümerfamilien verhielten sich ähnlich. So der Herr Baron Georg von Ullmann. Er hatte die meiste Macht in der Bank. Er hatte wesentlich mehr zu sagen als ich. Er war Vorsitzender des Aufsichtsrats, stellvertretender Vorsitzender des Aktionärsausschusses und dazu noch des Kredit- und Prüfungsausschusses und auch noch Mitglied des Poolsekretariats. Er hatte die Aufsicht. Er tat nichts und wollte möglichst viel Gewinn ausgeschüttet sehen, damit er schnell wieder seinen Hobbies nachgehen und sich mit seinen Zuchtpferden auf den teuersten Rennbahnen der Welt vergnügen konnte. Er gab uns freie Hand für die Drecksarbeit. Und jetzt sagt er nichts. Er ist nicht angeklagt. Offensichtlich hält ihn die Staatsanwaltschaft für unschuldig. Aber ich soll schuldig sein?
 
Hohes Gericht,
lassen Sie mich auf andere Zeugen eingehen, die unsere Geschäfte gerne mitgetragen haben. Beispielsweise das auch heute noch für die Bank tätige Wirtschaftsprüfungsunternehmen Treuhand Niederrhein. Deren Chef, ein gewisser Herr Schotter oder Schlotter oder wie er heißt, erläuterte ausführlich die Immobiliengeschäfte der Bank, die sie zusammen mit dem Bauunternehmer Josef Esch in der Esch-Oppenheim-Holding gemacht hat. Ja, jetzt tat er schlau und ehrlich. Er erklärte, wie wir die Nebenkosten berechnet haben, damit die Mieten möglichst hoch waren, auch zum Beispiel für die Stadt Köln bei den Messehallen. Die Messehallen haben wir bekanntlich für die Stadt Köln gebaut und dann für 30 Jahre an sie vermietet. Jetzt legte der Herr Schotter oder Schlotter als allwissender Zeuge genüsslich dar, wie wir da zum Beispiel sieben Millionen Euro veranschlagt haben, für einen Makler, der für die Messehallen einen Mieter finden sollte, obwohl der Mieter, die Stadt Köln, natürlich längst feststand. Richtig, so haben wir die Mieten kalkuliert, ganz professionell. Aber warum hat der Herr schlaue Wirtschaftsprüfer damals nichts gesagt, sondern ohne Zögern sein Testat erteilt? Er hat gut mitverdient. Und die Staatsanwaltschaft hat wegen dieses angeblichen Betrugs bis heute nicht ermittelt, also handelt es sich gar nicht um einen Betrug. Warum aber soll ich dann schuldig sein?
 
Auch die Stadt Köln hat uns wegen der Mieten für die Messehallen bis heute nicht wegen Betrugs oder auf Schadenersatz verklagt. Oberbürgermeister Schramma von der CDU hat damals nicht nachgefragt, wie die Höhe der Miete bei den Messehallen zustande kommt. Warum hätten wir auf Fragen antworten sollen, die der Herr Volksvertreter gar nicht gestellt hat? Die Stadtverwaltung und der Stadtrat haben inzwischen zwar die Miete ein bisschen gemindert, aber die städtischen Herren und Damen nehmen weiter freundlicherweise Rücksicht auf den Immobilienfonds, damit die Anleger wie Frau Schickedanz, Herr Middelhoff und die Familie Deichmann nicht ihre Steuervorteile verlieren. Ich finde das übrigens sehr anständig. Die Anleger sind schließlich mit der hochverschuldeten Stadt Köln ein hohes Risiko eingegangen.
Ich darf noch darauf hinweisen, dass die Stadtsparkasse uns bei diesen Projekten ebenfalls sehr gut unterstützt hat. Sie hat unseren Anlegern Kredite für ihre Einlagen in den Immobilienfonds gewährt. Und dabei natürlich auch selbst gut verdient. Da kam nie Kritik auf, auch nicht aus dem Verwaltungsrat der Stadtsparkasse, in dem Mitglieder des Stadtrats sitzen und auch der Herr Oberbürgermeister, jetzt ist das der Herr Rothers von der SPD. Wenn ein Verfallsdatum überschritten ist, dann doch wohl bei diesen Politikern, meinen Sie nicht auch?
 
Sie könnten jetzt einwenden, Frau Vorsitzende, dass es in dem jetzigen Gerichtsverfahren gar nicht um diese großen Immobilienprojekte wie die Kölner Messehallen und die Karstadt-Kaufhäuser geht. Richtig. Diese großen Projekte sollen ja erst in einer zweiten Welle von Verfahren verhandelt werden. Im jetzigen Verfahren geht es nur um pea nuts-Projekte, bei denen die bedauernswerten Herren Staatsanwälte und ihre zweieinhalb zugeordneten Kriminalbeamten erstmal ihr Handwerkszeug lernen sollten.
Jetzt geht es zum Beispiel um so ein Kleinprojekt wie die Villa unseres verstorbenen früheren Bankchefs Alfred Freiherr von Oppenheim im Kölner Stadtteil Marienburg. Wir haben die Villa mit dem knapp tausend Quadratmeter großen Grundstück und dem Park für die Witwe des Freiherrn fachgerecht durch unseren hochgeschätzten Geschäftspartner Josef Esch sanieren, erweitern und modernisieren lassen, Tiefgaragen, Raumeinteilung, neuer Zufahrtsweg, selbstverständlich auch die für solche gefährdeten Personen heute notwendigen Sicherheitsanlagen und vieles andere. Jetzt wird uns vorgeworfen, die Miete von 28.000 Euro pro Monat sei eine viel zu niedrige Gefälligkeitsmiete, angesichts der Investitionen, die wir durch unsere Bank dort ausführen ließen. Aber bitte: Hier sollte eine gewisse Pietät herrschen. Wir glaubten diese Aufwendungen der Witwe von Alfie, wie wir den ehemaligen Chef und unser Vorbild nennen durften, schuldig zu sein. Eine gewisse Würde und Sicherheit des Wohnens muss ja wohl gestattet sein. Ich erlaube mir die Zusatzbemerkung, dass wir auch das hübsche zweistöckige Fachwerkhaus, das auf dem Gelände für die jeweilige Hausmeisterfamilie zur Verfügung steht, ebenfalls haben schön herrichten lassen. Das war doch selbstverständlich.
 
Ich habe die Bank nicht geschädigt. Ich habe die üblichen Bankgeschäfte gemacht, die von allen, die in der Bank eine Funktion hatten, bis zuletzt gebilligt wurden, bewusst oder unbewusst, jedenfalls rechtsgültig. Ich habe auch nicht die renditegierigen Anleger wie die Frau Schickedanz und den einschlägig bekannten Herrn Middelhoff geschädigt, auch nicht die als Anleger beteiligten Mitglieder der Bank-Eigentümer-Familien derer von Oppenheim, derer von Ullmann und Pferdmenges. Sondern ich habe auf deren eigenen Wunsch solche Geldanlagen für sie getätigt, deren Risiken sie kannten. Und da soll ausgerechnet ich schuldig sein? Wo bleibt die Gleichbehandlung vor dem Gesetz?
 
Hohes Gericht,
lassen Sie mich allmählich zum Schluss kommen. Die Kosten dieses aufwendigen Gerichtsverfahrens gehen in die Millionen. Ich spreche dabei nicht von den Millionenhonoraren, die wir den von uns engagierten fünfzehn Spitzenanwälten, dann noch den Medienberatern und Finanzexperten zahlen müssen. Davon will ich gar nicht reden, obwohl uns das jetzt, da all unser Vermögen verloren ist, sehr schwer fällt.
Worauf will ich hinaus? Ich gebe Ihnen dringlich zu bedenken, dass hier die öffentliche Hand Aufwendungen in Millionenhöhe hat, schon bisher und, wenn es so weitergeht, unabsehbar in der Zukunft. Die Staatsanwaltschaft ermittelt noch zu weiteren Immobilienprojekten. Dadurch fühlen sich inzwischen schon ein Dutzend unserer früheren Kunden dazu ermutigt, Schadenersatzklagen gegen uns und gegen den neuen Eigentümer unserer Bank, die Deutsche Bank, zu betreiben. Unabsehbare Kosten kommen da auf den Staat zu, der, wie wir alle wissen, hoffnungslos überschuldet ist. Wollen Sie diese Schulden immer noch weiter in die Höhe treiben?
Wir als verantwortungsvolle Bankiers sind immer dafür eingetreten, dass der Staat wirtschaftlich handelt und sparsam mit den Geldern der Steuerzahler umgeht. Soll der Staat auf Kosten der braven Steuerzahler die verspekulierten Millionen für diese Schnäppchenjäger zurückholen?
 
Bitte erlauben Sie mir, noch auf folgendes hinzuweisen. Sämtliche Anklagen, unter denen ich hier stehe und zukünftig noch stehen könnte, beziehen sich auf Immobilienprojekte. Das war aber nur ein eher kleiner Teil unserer Geschäfte. Wir waren beispielsweise wohl die erste Bank, die in Deutschland Anteile an Hedgefonds verkauft hat, so die OP Hedge Multi Strategies und OP Hedge Multi Strategies Plus. Wir haben zwei Private Equity-Firmen aufgebaut, mit Namen Argantis und Triton, die vom unwissenden Publikum gern als Heuschrecken diffamiert werden. Da haben wir mittelständische Unternehmen aufgekauft, die dann manchmal nicht den Härtetest bestanden haben, insolvent wurden und ihre Arbeitnehmer entlassen mussten. Das war und ist weiter legal. Wir haben Wetten auf Wertpapiere verkauft, wie das bei allen großen Banken üblich und zulässig war. Wir haben für unsere Kunden Niederlassungen in geschützten Territorien eingerichtet, die von Mißgünstigen und Unkundigen als Finanzoasen diskriminiert werden, obwohl sie seit Jahrzehnten von allen Regierungsparteien geduldet werden.
Vor allem mit diesen Finanzgeschäften ist unsere Bank in die Schieflage geraten. Aber da ist nirgendwo ein Staatsanwalt tätig, wohl wissend, dass hier keine Schuldigen zu finden sind. Die Justiz setzt sich, ich sage das mit aller gebotenen Zurückhaltung, dem Vorwurf des Populismus aus. Eine Bankiersvilla im Prominentenviertel Marienburg ist dem Publikum und den Medien gefälliger zu vermitteln. Verstehen Sie mich nicht falsch: Das ist keine Aufforderung an die sowieso überlasteten Staatsanwälte, in den genannten Bereichen zusätzlich tätig zu werden. Aber der Rechtsstaatlichkeit dienen diese ebenso laienhaften wie selektiven Anklagen nicht. Lassen Sie sie fallen!
 
Hohes Gericht,
aus weiteren Gründen plädiere ich für einen Schlussstrich. Hat sich etwa die Mutter des vereinigten deutschen Standorts, unsere geschätzte Bundeskanzlerin, von unserer Bank in irgendeiner Weise, direkt oder indirekt, distanziert? Unsere Bank hat ihrer Partei über die Jahrzehnte viele Millionen Demark und Euro zukommen lassen, heimlich und ganz offiziell. Auch die Bundeskanzlerin haben wir mit einem großen Betrag unterstützt. Sie kritisiert uns nicht, sie klagt uns nicht an. Ich sage Ihnen, warum: Die bisherige und hoffentlich auch künftige Kanzlerin ist auch durch unsere Großzügigkeit in die Lage versetzt worden, den Standort Deutschland in Europa und der Welt zu unser aller Vorteil zu stärken.
 
Ich komme zum letzten Punkt.
Die von uns geführte Bank ist 2009 wegen der allgemeinen Finanzkrise, die niemand hat vorhersehen können, in die Insolvenz gegangen. Aber damit waren wir nicht wertlos. Die Deutsche Bank hat uns aufgekauft. Sie legt Wert darauf, den renommierten Markennamen Oppenheim bestehen zu lassen und die Vermögensverwaltung der Leistungsträger der oberen Kategorie auch in Zukunft fortzuführen. Dazu gehört übrigens auch das Erzbistum Köln. In meiner Amtszeit hatten wir als Zielgruppe die 10.000 reichsten Familien Deutschlands, die über 50 Prozent des gesamten Vermögens der deutschen Bevölkerung verfügen. Glauben Sie mir, der größte Teil dieser Zielgruppe lässt sich durch die Turbulenzen und Widrigkeiten der letzten Zeit, denen wir ausgesetzt sind, nicht zuletzt durch dieses Gerichtsverfahren, nicht beeindrucken. Und hätte die Deutsche Bank, dieses größte deutsche und zugleich weltweit renommierte Finanzinstitut, unsere Bank aufgekauft, wenn wir Kriminelle wären?
Ich darf noch folgendes erwähnen, Frau Vorsitzende. Sie gehören zu den Mitbegründern der Initiative Forum Zukunft. Es vergibt jährlich Preise. Preisträger bisher waren zum Beispiel unsere geschätzte Bundeskanzlerin und Klaus Zumwinkel. Die Deutsche Bank gehört zu den Sponsoren. Sie, Frau Vorsitzende, hatten als Vize-Vorsitzende für den Preis 2008 den Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, mit auserkoren. Ich darf also annehmen, dass Sie wissen, was die Deutsche Bank für Deutschland bedeutet.
 
Hohes Gericht!
Beenden Sie diese aufwendige und teure Veranstaltung mit einem Freispruch - oder beenden Sie es, wenn es der Gesichtswahrung dient, mit einem Vergleich und einem Bußgeld. Wir sind zwar völlig vermögenslos. Aber irgendwoher werden wir den Betrag aufbringen können. Die Deutsche Bank hat uns versprochen, im Laufe der nächsten beiden Jahre den Rest des Kaufpreises auszuzahlen, wenn keine Anleger mehr auf Schadenersatz klagen.
Ich danke Ihnen für Ihre Geduld und Ihr Verständnis! Ich bin überzeugt, dass sich vor Ihrem inneren Auge allmählich eine Vorstellung von dem herausbildet, was man ein gerechtes Urteil nennen wird! Vielen Dank!
 
*Der Journalist eines einflussreichen deutschen Mediums hat seit Februar 2013 alle bisherigen Verhandlungen vor dem Kölner Landgericht verfolgt. Es ist der bisher längste Prozess wegen Wirtschaftskriminalität in Deutschland. Der Journalist, wie er kürzlich sagte, langweilte sich schon bald. Er habe bisher nur einige Male darüber berichtet, müsse aber im Auftrag seines Mediums weiter die Verhandlungen besuchen. Dieses, so sagte er, sei nicht unbedingt daran interessiert, über alles berichten zu lassen; aber er müsse jede Einzelheit über jeden Angeklagten, aber auch über alle Zeugen, Geschäftspartner, Anwälte und Geschädigte genau aufschreiben. Sein Medium lege auf Vorrat Dossiers an, auch über Personen, die zunächst unwichtig erscheinen. Ob das Medium damit auch andere als journalistische Interessen verfolge, wisse er nicht, sagte der Journalist. Wegen der Langeweile sei er im Übrigen dazu übergegangen, seine Aufmerksamkeit nicht so sehr den ohnehin spärlichen und eher unwahren Worten der Angeklagten zu widmen, sondern ihren Körperbewegungen und Blicken. Daraus habe er aus lauter Langeweile und um seine Beobachtungen festzuhalten, u.a. die Verteidigungsrede rekonstruiert, die die Banker sozusagen in sich bzw. auf ihrem Körper tragen. Insgesamt habe er, sagte der Journalist, den Eindruck, dass diese Banker einerseits unverschämt, gleichzeitig aber auch feige und zutiefst opportunistisch seien. Er könne in seinem Medium, das ihn gut bezahle, diese Verteidigungsrede natürlich nicht veröffentlichen. Er übergab sie, aufgesprochen auf ein Diktiergerät, dem Publizisten Werner Rügemer, weil der die Praktiken dieser Banker schon seit anderthalb Jahrzehnten aufgedeckt habe. (PK)
 
Lesenswert zu diesem Prozess: Werner Rügemers Buch "Der Bankier (3. geschwärzte Ausgabe). Ungebetener Nachruf auf Alfred Freiherr von Oppenheim" ist bereits 2006 bei Nomen erschienen. ISBN 978-3-939816-00-3, 14 Euro


Online-Flyer Nr. 433  vom 20.11.2013



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