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Aktueller Online-Flyer vom 19. April 2024  

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Medien
Syrien ist nicht das erste Opfer westlicher Interventionspolitik
Extremisten auch an den Medien-Schreibtischen
Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait

Wie üblich geht Stefan Kornelius, Ressortleiter Außenpolitik der Süddeutschen Zeitung, vollkommen oberflächlich mit dem menschlichen Leiden in Syrien um. Er will die Hauptursache der humanitären Katastrophe nicht einsehen. Eigentlich markiert Syrien nicht die erste große humanitäre Katastrophe, die eine verheerende westliche Interventionspolitik verursacht. NATO-Staaten haben jahrzehntelang sogenannte „Regime-changes“, Sturz von Regierungen, betrieben, oder durch Bombardierung dieser Länder „Regime-changes“ mit Millionen von Opfern herbeigeführt: Jugoslawien, mehrfach Irak, Afghanistan, Libyen, Syrien u.a..

Das Leiden der Menschen interessiert den Interventen und Urheber solcher unmenschlichen Handlungen nicht. Kornelius manifestiert sich durch eine darwinistische Erziehung geprägt: "Macht, Stärke, Selbsterhalt". Gerade die Kategorien, die Europa im letzten Jahrhundert in die reine Barbarei gestürzt haben. Das Urteil von Nürnberg lässt er beiseite. Zivilisatorische Kategorien, das Völkerrecht, die Charta der Vereinten Nationen verurteilen Macht-Gewalt-Kategorien, desavouieren sie vollständig für die normalen internationalen Beziehungen. Keine "moderne Interpretation des Völkerrechts" degradiert den menschlichen Verstand auf ein mörderisches aggressives Niveau. Welche "historische Erfahrung gebietet die Intervention von außen" nach Kornelius Vorstellung? Aus dem Versagen einer gemeinsamen Politik in Deutschland gegen die Nazi-Barbarei sollte kein normaler Mensch ein unerwünschtes Interventionsmuster ableiten wollen, vor allem nicht, wenn klar ist, dass eine solche militärische Intervention von außen die totale Destruktion und Vernichtung des Landes mit sich brachte. Ist das die menschliche Sensibilität und Intelligenz eines Redakteurs, der sich im 21. Jahrhundert für ein völlig neues Kapitel der Menschheitsgeschichte öffnen sollte?
 
Der Leitartikler lügt und desinformiert weiter - zu welchem Zweck auch immer - und zwar eklatant und krass: "...der amerikanische Präsident windet sich öffentlich: Diplomatie führe zu nichts. Was also würde helfen?" Diese fahrlässigen leichtsinnigen Worte sind Original-Ton von Stefan Kornelius bzw. von seinem Auftraggeber im dunklen Hintergrund. Der US-Präsident Obama hat niemals die Diplomatie derartig bagatellisiert. Gerade er hat sich zusammen mit dem Präsidenten Russlands, Wladimir Putin, stark engagiert, um die zweite Genfer Syrien-Konferenz zu ermöglichen. Dass er die gegenwärtige Stagnation der Genfer Gespräche erkennt, bedeutet nicht, dass er die Diplomatie nichtig machen will. Im Gegenteil, bei seiner Pressekonferenz machte der US-Präsident klar, dass er keine Pläne für eine Intervention habe. Besonders relevant ist die präsidentielle amerikanische Erklärung gegenüber dem lästigen inopportunen Franzosen Hollande, der sicherlich erneut und unverschämt für eine Intervention im Weißen Haus plädierte. Obama ließ ihn platt. Dass der US-Präsident der Öffentlichkeit nicht anvertraute, welche weiteren Schritte die US-Diplomatie verfolgen wolle, erklärt sich von selbst: Der US-Präsident will vermeiden, in das Wespen-Nest des neokonservativ-republikanischen und reaktionär-demokratischen Milieus zu stechen. In dieses Milieu gehören auch der SZ-Redakteur Stefan Kornelius und einige seiner Kollegen. Instrumentalisiert von der NATO hat er niemals eine politische Initiative gewürdigt, weder die von Kofi Annan noch die von Brahimi, auch nicht die früheren der Vereinten Nationen (UN), um Konflikte zu entschärfen. Für das Leiden der anderen zeigt er reinen Zynismus und Gleichgültigkeit.
 
Zwei widersprüchliche inkompatible Haltungen brechen jeden Maßstab von Normalität, nämlich mit kriegerischen mörderischen Mitteln etwas "humanitäres" erreichen zu wollen. Perfider kann es nicht sein gegenüber dem humanen Desaster von größtem Ausmaß, das allein die Drohung mit Militärschlägen und die in Gang gesetzte Kriegsmaschinerie in Zentralasien schon seit dem 11.9.01 und heute in Syrien verursachte.
 
Alle UN-humanitären Organisationen, UN-Generalsekretär Kofi Annan und UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon hatten sich extrem besorgt darüber geäußert und riefen die Weltgemeinschaft auf, sich diesem humanen Problem zu widmen. Die größte Herausforderung an den Westen, an die Weltstaatengemeinschaft ist heute, den Terrorismus in Syrien zu stoppen, ihn zu bekämpfen, indem die Bewaffnung und Finanzierung der gewalttätigen, um sich schießenden Banden aufhört. Definitiv. Gerade dieser gewalttätige Zustand macht die sogenannte "Opposition" in den Genfer Verhandlungen handlungsunfähig.
 
Die allgemeine Skepsis gegenüber einer UN-Sicherheitsresolution, die "humanitäre Hilfe für die syrische Zivilbevölkerung ermöglichen soll", ist absolut begründet. Humanitäre Hilfe zu leisten, braucht keine UN-Sicherheitsresolution. Niemals war das nötig. Keine UN-Sicherheitsresolution ist dafür notwendig. Der syrische Präsident war immer mit der UN-humanitären Hilfe einverstanden und die syrische Armee schützt sie. Der amerikanische General Robert Mood bestätigte das schon 2012 und konnte auch mitteilen, dass Überfälle und Hindernisse für die Hilfskonvois von den bewaffneten Rebellen kamen, nicht von der syrischen Armee. Wozu dann die US-amerikanische Anstrengung für eine UN-Sicherheitsratsresolution? Hat das State Department sein Versprechen eingelöst, die Terror-Banden in Syrien nicht zu unterstützen? Oder paktiert es immer weiter mit Extremisten?
 
Der UN-Sicherheitsrat ist für Angelegenheiten des Weltfriedens zuständig. Humanitäre Hilfe für die Syrer findet statt, aber sie ist durch die Attacken der Banden gefährdet. Angesichts der bekannten wiederholten Böswilligkeit, ja des Grolls der alten Kolonialherren gegenüber Syrien sind westliche Staaten (Frankreich, Großbritannien und die USA) keine verlässlichen Länder, die den Frieden garantieren können. Im Gegenteil, wegen ihrer bewiesenen Feindseligkeit gibt es Grund genug, ihnen zu misstrauen. Daher zeigen sich nicht nur Russland, sondern auch China und viele andere UN-Staaten vorsichtig und gewarnt, nicht in die Falle einer angeblich "humanitären" Resolution zu tappen, die den hinterhältigen Vorwand für ein militärisches Eingreifen liefern könnte und die gerade von den Gewalt-Sponsoren vorgelegt wird. Die Weltstaatengemeinschaft hat schon schlechte Erfahrungen in dieser Hinsicht.
 
Die von EU/USA verhängten Sanktionen gegen Syrien sind auf die Tagesordnung der Genfer-Gespräche zu setzen. Sie sind unmenschlich, unrechtmäßig und absolut nicht zu rechtfertigen. Humanitäre Hilfe beginnt mit der Aufhebung der unmenschlichen Sanktionen. Hier kann sich der deutsche Außenminister Walter Steinmeier profilieren und Menschlichkeit zeigen.
 
Allerdings versteht Deutschland im Schlepptau der USA überhaupt nicht, seine eigene Verantwortung wahrzunehmen und macht es sich selbst unmöglich, eine führende Außenpolitik zu gestalten. Von wertvollen Lösungsideen und konkreten Beiträgen ganz zu schweigen. CDU-SPD-Regierungsvertreter schaffen so keinen außenpolitischen Rahmen, für den das Recht Vorrang hat, wenn sie keinen Funken von gesundem Menschenverstand zeigen, geschweige denn Sensibilität für die Menschen, Verständnis und Respekt für Recht und internationale Regeln.
 
Deutschland und Europa spüren aber, wie sich die Arabische Welt von ihnen entfremdet, und zwar die bisher bekanntesten Alliierten, wie Saudi-Arabien, die Golf-Emirate und Ägypten. Nicht nur Russland und China sind für diese Länder verlässlicher, sondern auch alle anderen BRICS-Staaten (Brasilien, Indien, Südafrika). Die USA haben das Vertrauen der Weltstaatengemeinschaft als Hüterin von Recht und Ordnung verspielt und an ihrer Seite und in ihrer dummen bedingungslosen Gefolgschaft auch Deutschland und Europa, die in die mörderischen Fußstapfen der USA treten und sich nicht von ihnen distanzieren wollen. Die USA/EU Staaten werden dafür mit dem Verlust "globaler Macht" bezahlen müssen wegen ihrer menschenfeindlichen Außenpolitik.
 
Die Reaktion der USA auf die allgemeine Reserviertheit bis offene Ablehnung ihrer neuen Resolutionsvorlage zu Syrien im Weltsicherheitsrat ist irreführend und zeigt größten Zynismus eines frustrierten Versagers, der nicht in der Lage ist, seine fehlgeschlagene Außenpolitik grundsätzlich zu korrigieren. Haltlos und mit Arglist belügen die USA die Öffentlichkeit und machen Russland mit seiner offenen Ablehnung dieses jüngsten UN-Resolutionsentwurfes ebenso wie die Syrer selbst für verhungernde Zivilisten in Syrien verantwortlich. In diesem Zusammenhang ist der Kommentar des russischen Außenamtssprechers Alexander Lukaschewitsch aus dem Kreml aufklärerisch: "Mit „kategorischen Erklärungen“ wollen die USA einen „propagandistischen Hintergrund für ihre kontraproduktive Syrien-Resolution“ schaffen. Lukaschewitsch beschuldigt die USA laut RiaNowosti vom 12.2., die russische Haltung in der Syrien-Krise mit Absicht „verzerrt“ darzustellen und die Weltgemeinschaft zu „desinformieren“.
 
Die USA hatten zusammen mit einigen westlichen Staaten dem UN-Sicherheitsrat einen Resolutionsentwurf vorgelegt, der Sanktionen androht, sollte Damaskus die Forderungen zur Verbesserung der humanitären Lage im Land in einer 15-Tage-Frist nicht erfüllen. Die UN-Vetomacht Russland lehnt das Papier ab, weil es ein Ultimatum an Damaskus enthält. Laut UN-Botschafter Vitali Tschurkin befürchtet Russland, dass diese Resolution die humanitären Bemühungen bei den Friedensgesprächen in Genf untergräbt. Die USA und ihre europäische Eskorte haben schon jede Glaubwürdigkeit verloren und deshalb ist es verständlich, dass die Weltstaatengemeinschaft, nicht nur Russland, jedes amerikanische bzw. britische oder französische Papier ablehnen, denn die USA/EU haben längst aufgehört, verlässliche Friedensstifter im Sinne der Vereinten Nationen zu sein, vor allem gegenüber Syrien. Schließlich haben sich die westlichen Mächte fortwährend als Verweigerer eines friedlichen Prozesses für Syrien manifestiert: Die USA, Großbritannien und Frankreich weigerten sich, die Genfer Vereinbarung in eine UN-Resolution umzuwandeln, wie Russland und China es vorgeschlagen hatten und wie es angemessen wäre. Die erste Genfer Vereinbarung selbst spricht an keiner Stelle von der Rolle des syrischen Präsidenten, geschweige denn von Al-Assad. An erster Stelle auf dem Dokument steht die Umsetzung des "Sechs-Punkte-Plans", die der Vorgänger von UN-Vermittler Brahimi, Kofi Annan, im April 2012 für einen Waffenstillstand in Syrien vorgelegt hatte. Diesen wichtigen Hauptpunkt haben deutsche Medien nicht aufgearbeitet. Ihre Unkenntnis darüber macht sie labil und empfänglich für gezielte US-Manipulationen und Desinformation darüber.
 
Es ist schon ein Erfolg des UN-Vermittlers Lakhdar Brahimi, endlich die Bekämpfung des Terrorismus in den Vordergrund der weiteren Diskussionen in Genf gestellt zu haben. Hier müssen die Vereinigten Staaten ihren Hebel ansetzen, und zwar die Obama-Administration gegen die bekannten Gewalt-Sponsoren. Extremisten gehören isoliert, und zwar auf allen Ebenen, auch solche an den Schreibtischen der Medien. (PK)
 

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait war chilenische Diplomatin und lebt seit dem Putsch gegen Salvador Allende in Deutschland.



Online-Flyer Nr. 446  vom 19.02.2014



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