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Medien
Colin Powell ist wieder da
Jeder Schuss ein Russ´
Von Ulrich Gellermann

Das waren noch Zeiten als der US-Außenminister Colin Powell (heute 77) im Februar 2003 vor der UN-Versammlung seine Rede zur Begründung des Irak-Krieges hielt: Eine Weltbühne, ein eloquenter Minister, eine farbige Power-Point-Präsentation, das Giftgas waberte geradezu von den Wänden und die Willigen meldeten gehorsamst an Bush jr., den obersten Kriegsherren der USA: Jawoll, mein Feldzugs-Führer, wir folgen Dir. Auch die deutschen Medien ließen sich damals nicht lumpen und stimmten, mit ganz, ganz wenigen Ausnahmen, in das Kriegsgeschrei der amerikanischen Lumpen ein. A war was born, eine halbe Million Iraker starben.
 

Ex-General und -Außenminister Colin Powell
Quelle: wikipedia/official portrait
Fast verstohlen schiebt die aktuelle US-Regierung diesmal vier Fotos über die Theke des internationalen Nachrichtenhandels: Schwarz-weiß sollen die angeblichen Satelliten-Aufnahmen beweisen, dass die Russen Stellungen der ukrainischen Armee beschossen haben. Ein paar Raketenwerfer im Irgendwo, ein paar Einschläge im Nirgendwo. Einschlägige Fachleute sagen, das hätte man im Computer-Programm "Photoshop" auch besser hinkriegen können. Dass man eigentlich erwartet hatte, das US-Propaganda-Ministerium würde Bilder vom Abschuss des malaysischen Fluges MH 17 veröffentlichen, den es seit Tagen in unterschiedlichen Varianten den Russen anhängen will. Doch das konnte die deutschen Medien nicht irritieren: Freunde lügen nicht. So wurden die diffusen Fotos fast überall veröffentlicht. 
 
Feinde lügen immer, grundsätzlich. Und da der unerschrockene deutsche Redakteur seit geraumer Zeit den Russen oder den Pro-Russen als Feind ins Visier genommen hat, ist dem nur Schlechtes zuzutrauen: Der Feind spielt mit den Leichen aus MH17 Fangen, ist eine der Varianten. Kühn setzt sich der Redakteur sogar über TV-Bilder hinweg, die sein Konsument eigenäugig gesehen hat: Wie der Pro-Russe brav die unversehrten Flugschreiber abgeliefert hat. Wie der Pro-Russe Leichen in Säcken zu den Kühlwaggons bringt. Aber wenn derselbe Pro-Russe ein Stofftier aus den Flugzeugtrümmern hochhebt und bei Anne Will das Bild gezeigt wird, dann tut er das "triumphierend". Ein "Untermensch" eben, so hat der ukrainische Ministerpräsident ihn und die anderen Pro-Russen ja genannt. Hätte man das Original-Video komplett gezeigt, wie der Mann das Spielzeug respektvoll wieder hinlegt, wie er die Mütze abnimmt und sich bekreuzigt, hätte der Feind zum Menschen werden können. Wer will denn so was? Nur der Feind.
 
Ein Freund, ein guter Freund, ist - nächst allen Erben von Colin Powell - auch der schockoladensüße Poroshenko, der ukrainische Ministerpräsident. Tag um Tag weigert er sich die Aufzeichnungen des Funkverkehrs zwischen dem Flug MH17 und dem Tower Kiew herauszugeben. Die hat der ukrainische Geheimdienst. Dort sitzen Freunde der USA. Und so weiter. Inzwischen hat die Poroshenko-Soldateska die Absturzstelle beschossen. Weil sie "das Absturzgebiet der Boeing 777 von Terroristen befreien (will), um internationalen Experten Sicherheit zu garantieren und die Möglichkeit für ihre Untersuchungen“, behauptet einer aus der Kiewer Regierung. Wenn Poroshenko nicht so ein guter Freund wäre, hätten die totalitär freien deutschen Medien daran erinnert, dass er zwei Tage zuvor eine Waffenruhe im Umkreis von 40 Kilometern um die Unglücksstelle zugesagt hatte.
 
Zwischenzeitlich ist in der Ost-Ukraine eine "Schreckensherrschaft" aufgetaucht, verbreitet eine Presserklärung der UN. Die ist bei den nationalistisch geprägten, zusammengewürfelten Truppen der Separatisten nicht auszuschließen. Schließlich werden sie von den Oligarchen des "Donezker Clan" finanziert. Die sind kaum zimperlicher als ihre Brüder in Kiew. Aber vom Schrecken dieser, der feindlichen Brüder ist in deutschen Medien wenig zu erfahren. Von den rund Tausend zivilen Toten ist fast nur im Zusammenhang mit der "Schreckensherrschaft" der Pro-Russen zu lesen oder zu hören. Man könnte denken, die bringen ständig die eigenen Leute um. Wie sie anscheinend auch die Häuser jener Städte beschießen, in denen sie ihre Basis haben. So die ARD: "Auch in das Zentrum der von Separatisten gehaltenen Stadt Donezk schlugen Artilleriegeschosse ein. ... In allen Fällen ist unklar, wer geschossen hat." Wenn es nicht die Pro-Russen waren, dann werden es eben die Russen gewesen sein. Die fand man in der ARD immer schon unklar.
 
"Es kommt darauf an, wie man es sieht“, meint Mikael Skillt. „Ich wäre ein Idiot, wenn ich sagen würde, dass ich nicht will, dass die weiße Rasse überlebt", erzählte jüngst voll Stolz dieser Sniper und Rassist aus Schweden in das Mikrophon der BBC. Er kämpft zurzeit im Asov-Bataillon, einem pro-ukrainischen, bewaffneten Freiwilligenverband in der Ost-Ukraine. "Ich bin der Führer einer kleinen Aufklärungseinheit, ich bin außerdem Scharfschütze und manchmal arbeite ich als Spezialkoordinator im Häuserkampf gegen Zivilisten." Das ist eine der vielen Nachrichten, die man in den deutschen Medien einfach nicht finden kann. Denn das könnte das Bild von den Freunden beschädigen.
 
"Jeder Schuss ein Russ´", stand auf den Eisenbahnwaggons, mit denen die deutschen Soldaten an die Fronten des Ersten Weltkriegs transportiert wurden. So holprig darf Propaganda heute nicht mehr sein. Und als Colin Powell damals seine angeblichen Beweis-Bilder an die unschuldige UN-Leinwand warf, war der Irak-Krieg längst beschlossene Sache. (PK)
 
Diesen Beitrag haben wir mit Dank von Ulli Gellermanns Blog "Rationalgalerie" übernommen. http://www.rationalgalerie.de/home/colin-powell-ist-wieder-da.html
 


Online-Flyer Nr. 470  vom 06.08.2014



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