NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

zurück  
Druckversion

Literatur
Gerhard Feldbauers neues Buch "Die Resistenza - Italien im II. Weltkrieg"
Antifa-Widerstand – Lehren aus der Geschichte
Von Heinz-W. Hammer

Der Faschismus erhebt, was lange Zeit undenkbar schien, seit einigen Jahren wieder sein Haupt in Europa. Die VVN/BdA analysierte bereits am 01.04.2011: »Die politische Situation in Europa wird durch eine zunehmende Rechtsentwicklung geprägt. Ausdruck davon sind Wahlergebnisse offen rassistischer und faschistischer Parteien in Europa und eine ideologische Offensive der Rechtskräfte, die mit Totalitarismus-Doktrin das historische Gedächtnis verändern und neue geschichtspolitische Orientierungspunkte setzen wollen. In verschiedenen baltischen Republiken erleben wir die Umdeutung der faschistischen Kollaboration in „Freiheitskampf“. Insbesondere in Lettland und Estland können SS-Verbände ungehindert bzw. mit gerichtlicher Erlaubnis ihre Aufmärsche durchführen. In der West-Ukraine gilt Stepan Bandera, der Führer der Organisation Ukrainischer Nationalisten, die mit der faschistischen Wehrmacht kollaborierten und an Massenverbrechen in Lwow/ Lemberg beteiligt waren, als „Nationalheld”.« [1]
 
Die VVN/BdA kommentierte dann drei Jahre später die EU-Wahlen im Mai 2014:
»Schockierende Spitzenwerte erzielten dabei die Parteien der äußersten Rechten in Frankreich (Front National mit 24,9 %), Dänemark (Dansk Folkeparti mit 26,6 %) und Großbritannien (UKIP 26,7 %). Deutlich verbessert oder auf hohem Niveau stabilisiert haben sich die Rechtsparteien in Österreich (FPÖ 19,7 %), Schweden (Schwedendemokraten 9,7%), Griechenland (Goldene Morgenröte 9,4 %), Finnland (Wahre Finnen 12,9 %) und Ungarn (Jobbik 14,7 %). So werden im Gesamtergebnis die Faschisten, Neonazis, Rechtspopulisten und wohlstandchauvinistischen Europaskeptiker in großer Zahl zukünftig die Ressourcen, die ihnen das Europäische Parlament zur Verfügung stellt, nutzen, um von innen heraus anzugreifen, was als Antwort auf die katastrophale Politik ihrer ideologischen Vorväter und Vormütter entstanden ist.«[2]
 
Der jüngste Tabubruch, bei dem die NATO, EU und ausgerechnet der deutsche, sozialdemokratische Außenminister Steinmeier ein von Faschisten durchsetztes Putschregime in der Ukraine installierten, verweist darauf, dass es sich hier nicht um ein »zeitweiliges Phänomen«, sondern wieder um eine strategische Machtvariante des Imperialismus handelt.

Als zentrales Element sieht die VVN/BdA in ihrer o.g. Anaylse aus dem Jahr 2011 hierbei eine »Veränderung des historischen Gedächtnisses« der Völker.
Diese Einschätzung wird geteilt von dem in italienischer Geschichte habilitierten Dr. phil. Gerhard Feldbauer, der in der verdienstvollen Reihe »Basiswissen« des PapyRossa-Verlages soeben das Buch »Die Resistenza – Italien im II. Weltkrieg« veröffentlicht hat. Der Autor sieht auch in Italien die Geschichtsfälscher am Werk und beschreibt im Vorwort seine Motivation:
»Sich dem Thema der Resistenza zu widmen, erweist sich auch unter dem Gesichtspunkt als zwingend geboten, als reaktionäre und rechtsextreme Kräfte versuchen, sie als wichtigste Wurzel der Italienischen Republik aus den Seiten der Geschichte zu löschen. Diese Angriffe haben zugenommen, seit 1994 der faschistoide Medienmonopolist Silvio Berlusconi, einst Mitglied des Dreierdirektoriums der faschistischen Putschloge P 2, dreimal Ministerpräsident (1994/95, 2001-2006, 2008-2011) wurde. Auch nach seiner Entmachtung haben diese aus antikommunistischer Hysterie gespeisten Angriffe nicht aufgehört.« (S. 10). Feldbauer behandelt die Resistenza, also den bewaffneten Widerstand gegen die Okkupation Nord- und Mittelitaliens durch die deutsche Wehrmacht am 8. September 1943, als Befreiungskrieg mit antifaschistischem, nationalem Charakter, der sich über einen Zeitraum von über zwei Jahrzehnten zu einer einheitlich handelnden Front bereits ab 1922 entwickelte, in acht Kapiteln [3]

Silvio Berlusconi nach seinem Erfolg beim Gericht
Karikatur: Kostas Koufogiorgos
 
In seiner Abhandlung, in der die IKP als führende Kraft der Resistenza herausgestellt wird, wertet der Autor, der auf eine sich über vier Jahrzehnte erstreckende Beschäftigung mit Italien zurückblicken kann, zahlreiche Originalquellen aus, von denen einige auch für jene Leser, die seine bisherigen Veröffentlichungen [4] kennen, neu sind.
Wie gewohnt wird den interessierten Leserinnen und Lesern konzentriertes Wissen, gepaart mit präzisen, klassenmäßigen Analysen geboten, ohne dass der Autor »sich anmaßt, damit ein Urteil zu fällen« (S. 10).
Die historischen Wurzeln und der Kern des Kampfes der Resistenza werden im Risorgimento (Wiedererstehung, Erneuerung der nationalen Bewegung von 1789 bis 1870) verortet. Mit dem Bezug der IKP auf diese nationalen Traditionen »konnten sich die großbourgeoisen Kreise mit keinem wie auch immer gearteten Argument kaum entziehen, wollten sie nicht ihren Einfluss in der Bevölkerung ernsthaft gefährden.« (S. 12).
 

Konrad Adenauer
NRhZ-Archiv
Die Herausbildung eines auch bürgerlichen antifaschistischen Lagers in Italien im Unterschied zu Deutschland wird am Beispiel des bürgerlichen Politikers Alcide de Gaspari dokumentiert. Während dieser vier Jahre im Zuchthaus verbrachte und sich anschließend erneut in der antifaschistischen Opposition engagierte, hatte sein bürgerliches deutsches Pendant in Person des Kölner OB Adenauer sich von Beginn an mit den Nazis und den italienischen Faschisten arrangiert (»Der Name Mussolini wird in goldenen Buchstaben in die Geschichte der katholischen Kirche eingetragen«). (S. 12/13). Solche hilfreichen Vergleiche zwischen der italienischen und deutschen Entwicklung jener Jahre werden an zahlreichen Stellen des Buches dokumentiert.
Gegen die proletarischen Massenkämpfe 1919/1920 entfesselten die von Mussolini geschaffenen Kampfbünde einen bis dahin beispiellosen Terror, unter dem »2.500 Italiener getötet, 20.000 von ihren Arbeitsplätten vertrieben, insgesamt 15 Millionen Italiener des ganzen Landes ständig dem Terror bewaffneter faschistischer Banden ausgesetzt waren« (S. 15).
 
Die im Januar 1921 gegründete IKP hatte daher unmittelbar eine von ihrem großen marxistischen Theoretiker Antonio Gramsci herausgearbeitete antifaschistische Bündniskonzeption (die auf den Seiten 17 ff. detailliert beschrieben wird) umzusetzen.
Der Aufstieg Mussolinis, seine Rettung in der »Matteotti-Krise« (S. 25ff.) und die Errichtung der offen terroristischen Diktatur (S. 29ff.) konnte – und hier gibt es deutliche Parallelen zum Hitlerfaschismus in Deutschland – nur dank der aktiven Unterstützung des Großindustriellenverbandes Confindustria erfolgen. Als italienische Besonderheit kommt jedoch noch die maßgebliche Beteiligung des Vatikans hinzu, die einen entscheidenden Anteil an der Schaffung einer Massenbasis des Faschismus hatte. Hierzu werden in der vorliegenden Abhandlung zahlreiche Belege geliefert.
 
Geschildert wird der opferreiche, aber zugleich kluge und Wirksamkeit entfaltende Kampf der illegalen IKP unter diesen schwierigen Bedingungen (S. 32 ff.), der schließlich 1941/42 in der Gründung eines Komitees der Nationalen Einheit (mit den Partnern Sozialistische Partei [ISP] und Gruppe Gerechtigkeit und Freiheit [GeL]) mündete, »ein Vorläufer des Nationalen Befreiungskomitees CLN, das nach der Okkupation Italiens durch die Hitlerwehrmacht gebildet wurde« (S. 39). Einen »unwiderstehlichen Schwung« erhielt die Bewegung durch die Antikriegsstreiks im März 1943, bei deren Aktionen »überall die illegal kämpfenden Kommunisten als Organisatoren an der Sitze standen« (S. 40/41).
 
Im 3. Kapitel (S. 42 ff.) wird die Palastrevolte gegen Mussolini, deren Ursachen, Hintergründe und Konsequenzen (»Bruch mit der faschistischen Achse«) beschrieben. Auch bei diesem Vorgang wird ein Vergleich zu Hitlerdeutschland gezogen:
»Spätestens hier drängt sich ein Vergleich mit dem im Juli 1944 in Deutschland unternommenen Attentat gegen Hitler auf. Doch im Gegensatz zu Italien musste der mutige Einsatz des Obersten Graf Schenk von Stauffenberg und weiterer Generäle und Offiziere scheitern, nicht zuletzt deshalb, weil sie keinen Rückhalt unter den herrschenden Kreisen der Wirtschaft hatten. Seitens der faschistischen Partei und ihrer Gliederungen regte sich jedoch keinerlei Widerstand. Der Sturz des »Duce« wurde von der Bevölkerung jubelnd begrüßt. In einigen Großstädten des Nordens stürmten Gegner des Regimes faschistische Parteisitze und Zeitungsredaktionen, in Turin das deutsche Konsulat. Eine beträchtliche Zahl faschistischer Parteigrößen floh nach Deutschland (…) Die Palastrevolte spiegelte den Realitätssinn der herrschenden Kreise Italiens wider, die über 20 Jahre Träger der faschistischen Diktatur waren, aber nicht in die sich abzeichnende Niederlage Hitlerdeutschlands hineingezogen werden wollten. Ein fast noch wichtigeres Motiv war die Furcht dieser Kräfte vor einem Volksaufstand, der das faschistische Regime stürzen und eine antifaschistische Volksregierung hätte an die Macht bringen können. Die angloamerikanischen Alliierten teilten diese Ängste.« (S. 45/46).
Es folgten der »Waffenstillstand und Kriegserklärung an Hitlerdeutschland« einschließlich strategischer Differenzen innerhalb der Linken (S. 46ff.), und der unrühmlichen Rolle des US-Generals Eisenhower nicht nur gegenüber der verbündeten Sowjetunion, sondern auch gegenüber dem italienischen antifaschistischen Widerstand. Auf die »zwiespältige Haltung der angloamerikanischen Alliierten« wird später nochmal auf den Seiten 74ff. detailliert eingegangen.
Nach dem Beginn der Okkupation erfolgte am 9. September 1943 auf Initiative der IKP die Konstituierung des CLN, die zugleich den Beginn des Befreiungskrieges markierte (S. 50ff.) und der bei den italienischen Streitkräften starken Widerhall fand.
 
Nach der Kapitulation Italiens nahm der ehemalige Partner Deutschland fürchterliche Rache und entfesselte einen erbarmungslosen Besatzungsterror (S. 53ff.): »Wie Schreiber festhielt, wurden in der Salò-Republik im statistischen Mittel – ohne die gefallenen Partisanen und regulären Soldaten einzubeziehen – täglich 165 Kinder, Frauen und Männer jeden Alters umgebracht« (S.59).
Zugleich entfaltete die »IKP als führende Kraft der Resistenza« (S. 60ff.) eine Massenbasis, u.a., indem sie sich gezielt an die Jugend, die Frauen und Gewerkschafter wandte. Es war auch die IKP, die als erste Partei bewaffnete Abteilungen aufstellte (S.65): »Die Partisanentruppen wuchsen zu einer schlagkräftigen, nach regulären militärischen Grundsätzen aufgebauten Armee an. Bereits im November 1943 wurde auf Initiative der IKP ein einheitliches Generalkommando gebildet, dem alle Partisaneneinheiten unterstellt wurden. Es nahm seinen illegalen Sitz in Mailand. Das Kommando verfügte über einen Aufklärungs- und Sicherheitsdienst, eine Militärgerichtsbarkeit und ein Polizeikorps. Ein „Sicherheitsbericht“ des Wehrmachtskommandos gab im Juni 1944 an, dass im Mai des Jahres 2.035 und im Juni ungefähr 2.200 Partisanenaktionen stattfanden, dabei im Juni 17 Munitionsdepots und 24 Kasernen und Garnisonen des republikanischen Heeres (die faschistischen Hilfstruppen Mussolinis) sowie eine deutsche Kommandantur angegriffen wurden.« (S. 67)
Als Beispiel für die Hingabe, mit der die antifaschistischen Patrioten kämpften, wird aus dem Abschiedsbrief zitiert, den der kommunistische Arbeiter Eusebio Giambone vor der Hinrichtung durch ein Wehrmachtskommando an seine Frau schrieb: »Ich sterbe ungern, aber ich fürchte mich nicht zu sterben. (...) Ich bin ruhig, denn ich bin mir dessen bewusst, dass ich während meines kurzen Lebens Gutes getan habe, nicht nur in den engen Schranken der Nächstenliebe, sondern indem ich mich ganz, all meine Kräfte, waren sie auch nur bescheiden, pausenlos im Kampf für die große heilige Sache eingesetzt habe, für die Befreiung der unterdrückten Menschheit« (S. 73/74).
 
Im Kapitel »Die Wende von Salerno« (S. 74ff.) wird die komplizierte internationale und nationale Gemengelage analysiert, unter der es dazu kam, dass die IKP eine Beteiligung an der vom König eingesetzten Regierung zustimmte, was sowohl bei den Bündnispartnern wie auch der eigenen Mitgliedschaft nicht unwidersprochen blieb. In der Folge »brachen zu diesem Zeitpunkt im CLN die Auseinandersetzungen über den politischen und sozialen Charakter der Nachkriegsordnung offen aus« (S. 86). Die für eine Regierungszusammenarbeit eintretenden DC-Protagonisten »Mattei und Moro fielen 1962 bzw. 1978 von der CIA inszenierten Mordanschlägen zum Opfer« (S.87).
 
Im 6. Kapitel »Der Sieg über den Faschismus« (S. 91ff.) wird über den »Generalstreik und Aufstand im Norden« im April 1945 berichtet sowie die »letzte Offensive der Partisanenarmee« und »die Hinrichtung des „Duce“« geschildert.

Das 7. Kapitel »Die ausgefallene Revolution« analysiert die desolate ökonomische und soziale Situation Italiens nach der Befreiung, wobei der Autor zu dem Schluss kommt: »Ende April 1945 bestand in Italien eine klassische revolutionäre Situation, die bis zum Spätherbst anhielt: Der italienische Imperialismus war militärisch geschlagen, seine ökonomischen und politischen Positionen ernsthaft erschüttert. Er verfügte über keine ihm hörige Regierung mehr. Die großbourgeoisen Vertreter in der antifaschistischen Einheitsregierung befanden sich in der Minderheit und mussten lavieren. Kommunisten und Sozialisten arbeiteten auf der Basis des 1934 geschlossenen Aktionseinheitsabkommens zusammen. Das 1937 in Spanien und im September 1943 erneuerte Abkommen hatte zum Ziel, unter Führung der Arbeiterklasse eine demokratische Republik zu errichten, in der die ökonomischen Grundlagen der Reaktion und des Faschismus durch „Nationalisierung des Monopolkapitals in der Industrie und im Bankwesen“ und „die Vernichtung jeder Art von Feudalismus auf dem Lande“ beseitigt werden sollten (…) Eine zu Beginn des bewaffneten Aufstandes von Togliatti vorgeschlagene Vereinigung beider Parteien, um der Reaktion den „einheitlichen Block der Arbeiterklasse“ entgegenzustellen, war an der Ablehnung des sich herausbildenden rechten Flügels der ISP gescheitert (…)«
 
Während zu diesem Zeitpunkt IKP und ISP auf jeweils 40% der Stimmen zählten, fanden die Kommunalwahlen im März 1946 und die im Juni folgenden Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung »bereits im restaurativen antikommunistischen Klima der zum Gegenangriff übergegangenen Konterrevolution statt« (S. 98). Einer »kampfentschlossenen Basis« standen »unterschiedliche Meinungen in der IKP-Führung« entgegen (S. 99ff.) Zeitgleich erfolgte eine »Umgruppierung der Klassenkräfte« innerhalb der antifaschistischen Einheitsfront: »Aus einem Teil der Verbündeten im Kampf gegen Hitlerdeutschland und seine italienischen Handlanger — das waren vor allem großbourgeoise Kreise, Großagrarier und Monarchisten — wurden in der neuen Etappe Gegner. Sie suchten und erhielten von Anfang an die Unterstützung der angloamerikanischen Besatzungsmacht.« (S. 102). Obwohl die internationalen Faktoren zu diesem Zeitpunkt für die Linke durchaus noch günstig waren (S. 103 – 105), sollte sich die »problematische Kompromissbereitschaft Togliattis gegenüber dem Alliierten Militärkommando (Römisches Protokoll) und dem offen agierenden rechten Flügel des CLN« bitter rächen. Denn die Alliierte Militärregierung der besetzten Territorien (Amgot) verhängte nun rigorose Verbote gegen das Nationale Befreiungskomitee in Norditalien (CLNAI) und untersagte politische Versammlungen und öffentliche Reden vor den Arbeitern in den Fabriken.
 
Feldbauer kommt in Zusammenhang mit der »Entwaffnung der Partisanen« schließlich zu der Einschätzung: »Gegen die Priorität eines parlamentarischen Weges, kombiniert mit einer Massenmobilisierung zur Durchsetzung revolutionär-demokratischer, wohlgemerkt noch nicht sozialistischer, Veränderungen, wäre nichts einzuwenden gewesen. Die IKP schwächte jedoch die eigenen Positionen durch immer neue problematische Zugeständnisse an die großbürgerlichen Rechtskräfte, womit sie deren restaurative Ambitionen zu beschwichtigen suchte, ihnen aber tatsächlich weiteren Auftrieb gab. Parallel dazu fehlte es an einer Mobilisierung der Basis der Partei und der Linken überhaupt, um den parlamentarischen Weg mit revolutionären Massenaktionen zu unterstützen und den Machenschaften der von der Besatzungsmacht begünstigten inneren Konterrevolution zu begegnen. Diese Zugeständnisse wurden in ihrer vollen Tragweite verschwiegen oder verharmlost. Bereits im Mai/Juni 1945 wurde diese Haltung von der Basis als Zurückweichen kritisiert, was Finanzminister Mauro Scoccimarro in der »Rinascita« (Nr. 5/6—1945) zurückwies.« (S. 107ff.) Auf den Folgeseiten wird diese Schlussfolgerung mit weiteren Fakten untermauert.
 
Im letzten Kapitel »8. Was erreicht wurde« wird zunächst konstatiert, dass, nachdem die revolutionäre Chance verpasst wurde, somit auch die sozialökonomischen Wurzeln des Faschismus nicht beseitigt, die Macht des Großkapitals nicht beschnitten und die des Grundbesitzes der Latifundistas nicht eliminiert wurden. Bei dem im Juni 1944 stattgefundenen Referendum über die Staatsform (also die Beseitigung »der Monarchie als einem Träger der faschistischen Diktatur von 1922 bis 1943«) fand laut Feldbauer mit 54,3% der Stimmen für die Republik der »letzte Sieg der Resistenza« statt (S.115). In der Folge »wurde die Verfassungsgebende Versammlung zu einem entscheidenden Terrain des Kampfes um demokratische Veränderungen« (S. 116/117). Auch hier rächte sich die ambivalente Haltung der IKP-Führung: »Wie bereits ausgeführt, stimmte die IKP den zwischen Mussolini und dem Vatikan 1929 geschlossenen Lateranverträgen zu, was eine nachträgliche Rehabilitierung der über 20jährigen Mussolini-Diktatur darstellte. Dieses Zugeständnis widersprach allen Erfahrungen, welche die revolutionäre Arbeiterbewegung seit ihrer Geburt mit dem katholischen Klerus und der Kurie als ihrem entschiedenen Feind und Verbündetem der kapitalistischen Ordnung gemacht hatte. Die antikommunistische Kampagne des Vatikans zur Unterstützung der DC bei den Parlamentswahlen im Frühjahr 1948 verdeutlichte, wie verhängnisvoll das Zugeständnis der IKP war. Die katholische Kirche rückte keinen Fußbreit von ihrem Hass gegen Sozialisten und Kommunisten ab. Pius XII. ließ Kommunisten und Sozialisten massenhaft exkommunizieren, um von der Wahl der Arbeiterparteien abzuschrecken. Aus dem Vatikan wurde gefordert, die im Dezember 1946 wiedergegründete Mussolini-Nachfolgepartei MSI in ein „nationales Bündnis“ einzuschließen.« (S. 117/118)
Gleichwohl wird den Linken attestiert, durchaus Erfolge bei der Verankerung antifaschistisch-demokratischer und politisch-sozialer Grundsätze in der Costituzione errungen zu haben, was an einige Beispielen erläutert wird. Der Autor kommt zu dem Schluss, dass man zwar keine Illusionen haben dürfe, die italienische Verfassung aber als Ergebnis des Kampfes der Resistenza »insgesamt zu den fortschrittlichsten Gundgesetzen westeuropäischer Staaten dieser Zeit« zu zählen ist.
 
Das vorliegende Buch bietet in seinem komprimierten Format einen sehr guten Überblick über die Entwicklung unseres südlichen Nachbarlandes in jener Zeit, aber auch grundsätzliche Anregungen zu Fragen des antifaschistischen Kampfes und der Bündnispolitik in unserer Zeit, in der die antifaschistischen Herausforderungen ebenso zwingend werden wie der Kampf gegen neue Kriege.
 
Formal sehr hilfreich sind die Fußnoten auf den jeweiligen Seiten mit knapp zusammengefassten Vorstellungen der handelnden Personen ebenso wie der Anhang mit häufig verwendeten Abkürzungen, Literaturhinwiesen und einem Personenregister. Weiterführende und vertiefende Literatur zum Thema Italien siehe Fußnote [4] (PK)
 
Gerhard Feldbauer, "Die Resistenza – Italien im II. Weltkrieg", PapyRossa Verlag, Köln, 2014, ISNB 978-3-89438-559-0, € 9,90, www.papyrossa.de
 
Fußnoten:
[1] »Europäische Erinnerungspolitik in Europa im 21. Jahrhundert«, http://vvn-bda.de/europaische-erinnerungspolitik-in-europa-im-21-jahrhundert/
 
[2] Martin Schirdewan in: »antifa – Magazin der VVN/BdA«, Ausgabe 07-14 (Juli 2014), http://antifa.vvn-bda.de/2014/07/25/rechtsruck-in-europa/
 
[3] 1. Historische Wurzeln, 2. Die antifaschistische Einheitsfront, 3. Bruch mit der faschistischen Achse, 4. Der Befreiungskrieg, 5. Die Wende von Salerno, 6. Der Sieg über den Faschismus, 7. Die ausgefallene Revolution, 8. Was erreicht wurde
 
[4] siehe u.a.:
-          »Von Mussolini bis Fini. Die extreme Rechte in Italien«, Elefantenpress, Berlin 1996.
-          »Agenten, Terror, Staatskomplott. Der Mord an Aldo Moro, Rote Brigaden und CIA«, PapyRossa, Köln 2000;
-          »Marsch auf Rom. Faschismus und Antifaschismus in Italien«, PapyRossa, Köln 2002;
-          »Berlusconi ein neuer Mussolini?«, 2. Auflage. Neue Impulse, Essen 2003;
-          »Aldo Moro und das Bündnis von Christdemokraten und Kommunisten im Italien der 70er Jahre. Aldo Moro gewidmet«, Neue Impulse, Essen, 2003;
-          »Zum Opportunismus in der kommunistischen und sozialistischen Bewegung Italiens. Von den Anfängen bis zur Gegenwart«, zwei Teile, Offensiv-Verlag, Hannover 2003;
-          »Mussolinis Überfall auf Äthiopien. Eine Aggression am Vorabend des Zweiten Weltkrieges«, Pahl Rugenstein Nachf., Bonn 2006;
-          »Benedikt XVI. und das Bündnis der Kurie mit Reaktion und Faschismus«, Offensiv-Verlag, Hannover 2007;
-          »Warum Aldo Moro sterben musste – Die Recherchen des Commisario Pallotta« , Kriminalerzählung, Juni 2008 als Sonderheft 4/2008 der Zeitschrift »offen-siv, Zeitschrift für Sozialismus und Frieden« (Rezension siehe: http://www.cubafreundschaft.de/Internationale%20Solidaritaet/Rezension%20Moro.pdf); überarbeitete und erweiterte Ausgabe , Dezember 2011, in der Reihe »Literaturbeiträge in der Erich-Weinert-Bibliothek der DKP Berlin«;
-          »Geschichte Italiens. Vom Risorgimento bis heute«, Papyrossa. Köln 2008 (Rezension siehe: http://www.cubafreundschaft.de/Internationale%20Solidaritaet/Italien%20-%20Rezension%20Geschichte%20Italiens,%20Sonja%20Ryll,%20jW,%2011.08.08.pdf);
-          »Benedikt XVI. - Ein Papst und seine Traditionen - Streiflichter aus der Geschichte des Vatikans«, Januar 2010. PapyRossa-Verlag;
-          »Wie Italien unter die Räuber fiel – Und wie die Linke nur schwer mit ihnen fertig wurde«, PapyRossa Verlag, 2011 (Rezension siehe: http://www.cubafreundschaft.de/Vermischtes/Versch.,%20Literatur,%202011-11-30,%20NRhZ%20-%20Rezension%20Italien-Raeuber.pdf);
-          »1945 fiel in Italien die Revolution aus«, offen-siv-Sonderheft 6/2012, Juli 2012);
-          Weitere Veröffentlichungen/Artikel siehe: http://www.cubafreundschaft.de/Internationale%20Solidaritaet/Internationale%20Solidaritaet.html#Italien


Online-Flyer Nr. 471  vom 13.08.2014

Druckversion     



Startseite           nach oben

KÖLNER KLAGEMAUER


Für Frieden und Völkerverständigung
FOTOGALERIE