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Aktueller Online-Flyer vom 19. April 2024  

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Lokales
BAYER verkauft Kunststoff-Sparte - extrem gefährliche Anlagen betroffen
Ein klarer Fall von Erpressung
Von Jan Pehrke

Immer wieder hatten Finanzinvestoren in den letzten Jahren von BAYER den Verkauf der Kunststoff-Sparte gefordert. Bisher hatte sich der Multi dem Druck nicht gebeugt. Noch im Juli hatte der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers in einem Interview betont: „Das Beste ist, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen.“ Aber jetzt hat der Konzern den Traditionsbruch doch vollzogen. Er kündigte an, BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) als selbständige Einheit an die Börse zu bringen.

 

BAYER-Vorstandsvorsitzender
Marijn Dekkers
NRhZ-Archiv
Damit sind alle Opfer umsonst, die der Global Player den Beschäftigten in der Vergangenheit abverlangt hatte, um die angeblich schlechten Geschäftszahlen zu verbessern und die Sparte im Unternehmen zu halten. So hatte er über 2.000 Arbeitsplätze bei BMS vernichtet, Werke geschlossen, unter Tarif entlohnt, Effizienz-Programme gestartet und Bonus-Zahlungen gestrichen. Nun droht das, was bereits bei anderen Ausgliederungen zu beobachten war: weitere Job-Streichungen, Lohnkürzungen und andere Rationalisierungsmaßnahmen.
 
Entsprechend frustriert äußern sich die GewerkschaftsvertreterInnen: „Die durch uns kritisierte Abkehr von der Drei-Säulen-Strategie ist durch die Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat, trotz intensivster Beratungen, nicht zu verhindern gewesen.“ Sonst hätte das Management keine finanziellen Mittel mehr bereitgestellt, womit der Bereich eine äußerst kritische Entwicklung genommen hätte, erläutern die Delegierten. Ein klarer Fall von Erpressung also. Peter Hausmann, der für die IG BCE im Aufsichtsrat sitzt, bringt die Sorgen der Belegschaft auf den Punkt: „Es besteht die Gefahr, dass es künftig ausschließlich um Gewinnmargen gehen wird."
 
Aber die Entscheidung hat nicht nur soziale Folgen. Philipp Mimkes vom Vorstand der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) befürchtet auch Konsequenzen für die Anlagensicherheit: „Die künftigen Besitzer werden versucht sein, die Kosten für Wartung, Personal und Feuerwehr weiter abzusenken. Dies führt automatisch zu höheren Störfallrisiken. Da Bayer MaterialScience einige der – nach Atomkraftwerken – gefährlichsten Industrieanlagen in Deutschland betreibt, ist dies für die Öffentlichkeit von größtem Interesse. BAYER muss sicherstellen, dass die Betriebssicherheit durch den Verkauf nicht verringert wird.“
 
Nach Ansicht der CBG ist es auch denkbar, dass die Sparte in den nächsten Jahren parzelliert und in Teilen weiterverkauft wird – so wie bei der BAYER-Ausgliederung LANXESS geschehen. Im Fall eines größeren Störfalls hätte dies Konsequenzen für AnwohnerInnen und Belegschaft, da kleinere Unternehmen in geringerem Umfang haften.
 
Unter dem Dach der BMS befinden sich zahlreiche hochgefährliche Anlagen, zum Beispiel die Produktion von Polyurethan, bei der große Mengen toxischer Stoffe wie Chlor, Ammoniak, Kohlenmonoxid sowie das ehemalige Kampfgas Phosgen eingesetzt werden. Seit Jahrzehnten in der Kritik steht auch der hormonaktive Kunststoff Bisphenol A, der trotz Warnungen von Toxikologen in Lebensmittelverpackungen, Trinkflaschen, Kassenbons und Zahnfüllungen zum Einsatz kommt.
 
Konsequenzen hat der Schritt auch für die umstrittene CO-Pipeline zwischen Dormagen und Krefeld, die gegenwärtig wegen Gerichtsbeschlüssen auf Eis liegt. Sollte die Pipeline jemals in Betrieb gehen, so wäre völlig unklar, von wem sie in zehn oder zwanzig Jahren betrieben wird. Auch das Sicherheitsniveau und die maximale Haftung stünden in den Sternen.
Das alles aber kümmert weder die Chef-Etage noch die Finanzmärkte. Am Tag der Bekanntgabe der Entscheidung erklomm die BAYER-Aktie ein Allzeit-Hoch. (PK)

Jan Pehrke ist Vorstandsmitglied der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG)



Online-Flyer Nr. 477  vom 24.09.2014



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