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Vom Sommermärchen zur Schauergeschichte
Betrugs-Weltmeister Deutschland
Von Ulrich Gellermann

Was macht eigentlich Klaus Zumwinkel? Zumwinkel sitzt. Aber nicht im Gefängnis. Sondern in seinem Schloss am Garda-See und im Vorstand der Deutschen Post-Stiftung. Zumwinkel war der Steuerbetrüger, der damals mit einer netten Bewährungsstrafe bedacht wurde. Jetzt bewährt er sich weiter in einer Stiftung der Post AG, deren Hauptaktionär die Bundesrepublik Deutschland ist, jenes Land, das der vormalige Chef der bundeseigenen Post betrogen hatte. Betrug kennt Kontinuität. Heute ist die Post AG Premium-Partner des Deutschen Fußball-Bundes. Alles wird irgendwie gut. Das musste sich damals auch der DFB gedacht haben, als er sich für die Fussballweltmeisterschaft im eigenen Land beworben hatte. Jetzt scheint das "Sommermärchen" von 2006 zur Schauergeschichte zu gerinnen. Warum jetzt erst? Denn schon damals gab es das, was die Kriminalpolizei sachdienliche Hinweise nennt.



Ex-Postchef Klaus Zumwinkel
NRhZ-Archiv

 

Schön pünktlich in Vorbereitung der WM kaufte der Medienunternehmer Leo Kirch für viel Geld TV-Rechte an wertlosen Freundschaftsspielen des FC Bayern München auf Malta, in Tunesien, Thailand und Trinidad. Rein zufällig kamen aus all diesen Ländern Mitglieder des Exekutivkomitees der FIFA. Noch so ein Zufall: Eine Woche vor der WM-Vergabe beschloss die Regierung von Gerhard Schröder die Lieferung von 1.200 Panzerfäusten an Saudi-Arabien. Deutschland habe "kurzfristig das Waffenembargo aufgehoben", sagte Guido Tognoni, damals Fifa-Mitarbeiter, später. Fast versehentlich saß Abdullah Khalid al Dabai aus Saudi-Arabien ebenfalls im Exekutivkomitee des Fußballweltverbandes. Doch offenkundig ist auch direkt Geld geflossen: Louis-Dreyfus, damals Chef der Fußball-Supermarke Adidas, hat 13 Millionen Mark rüberwachsen lassen. Der Mann war einfach nur großzügig, der hat auch dem Steuerbetrüger Uli Hoeneß unter die Arme gegriffen: Fünf Millionen Mark und eine Bürgschaft von weiteren 15 Millionen hatte er Hoeneß 2001 spendiert.

Spenden nahm auch Gerhard Schröder gern an. Der bekam 1998 noch als Ministerpräsident eine Anzeigenkampagne von Carsten Maschmeyer "geschenkt". Die forderte: „Der nächste Kanzler muss ein Niedersachse sein“. Kostenpunkt 650.000 Mark. Und sie war ihr Geld wert. Denn als Schröder Kanzler geworden war, kreierte er mit seiner Rentenpolitik und der "Riester-Rente" erstklassige Instrumente zur Verkaufsförderung von Maschmeyers AWD-Finanzprodukten. Artig bedankte sich der Unternehmer bei Schröder mit zwei Millionen Euro für die Rechte an dessen Buch. Auf die Frage der BILD-Zeitung "Hätten Sie Veronica Ferres (Schauspielerin und Herrn Maschmeyers damalige Angetraute) kennenlernen und erobern können ohne Ihren Erfolg, Ihre Millionen?" sagte der grundehrliche Rentenverkäufer: "Zu 99 Prozent nein". Noch ist ihm kein Prozess wegen Frauenhandels gemacht worden.

Wenn in Berlin Regeln gemacht werden, wenn Unternehmen ihre Mitarbeiter direkt an Ministerien "ausleihen", wenn Gesetze formuliert werden, die ihnen schaden oder nützen könnten, dann sind die schätzungsweise 5.000 Lobbyisten in der Umgebung vom Parlament hektisch tätig. Acht Lobbyisten pro Abgeordnetem, das erleichtert den Parlamentariern die Arbeit beträchtlich. Und wenn bei dieser tatkräftigen Hilfe schließlich Gesetze im Interesse der Wirtschaft herauskommen, dann liegt das ausschließlich am bestechenden Charme der Lobbyisten. Sicher ist die konsequente Blockade der Finanztransaktionssteuer deshalb kein Betrug, sondern nur die Umsetzung des Wählerwillens. - Man darf die Deutsche Bank keinesfalls eine kriminelle Vereinigung nennen. Das würde zu teuer. Aber die US-Justiz ermittelt schon mal gegen die Deutsche Bank wegen Geldwäsche. Kaum einer würde es wagen, die Deutsche Bank mafiös zu nennen. Aber es ist eben diese Bank, die wegen Zinsmanipulationen 2,5 Milliarden Dollar an die Behörden in den USA und Großbritannien zahlen muss. Vorsichtshalber, versteht sich. Sitzt Winterkorn von VW? Sitzt Ackermann von der Deutschen Bank? Na klar, gemeinsam nachmittags zur Tea-Time auf dem Schloss von Zumwinkel. Und wenn der DFB-Chef Wolfgang Niersbach, die 6,7 Millionen Euro für ein "Kulturprogramm" – das nie stattgefunden hat, aber vom DFB zur FIFA rübergeschoben worden ist – irgendwann mal wiederfinden sollte, da darf er dann auch dort sitzen.

Anders als im Selbstbild der Bundesrepublik haben Betrug und Schmiergeld Tradition in der Wirklichkeit. Schon 1975 verkaufte der Flick-Konzern Aktien der damaligen Daimler-Benz AG im Wert von 1,9 Milliarden D-Mark an die Deutsche Bank. Flick beantragte in diesem Zusammenhang eine Steuerbefreiung für "volkswirtschaftlich förderungswürdige Reinvestitionen" beim Bundeswirtschaftsministerium. Minister Hans Friedrichs und sein Nachfolger Otto Graf Lambsdorff (beide FDP) genehmigten den Steuervermeidungs-Trick. Erst 1981 wurde dann bekannt, dass das Unternehmen Bargeld an Politiker aller im Bundestag anwesenden Parteien gezahlt hatte. Neben Graf Lambsdorff und Friedrichs waren darunter auch Helmut Kohl (CDU), Walter Scheel (FDP) oder Franz Josef Strauß (CSU) und der Bundesfinanzminister Matthöfer (SPD). – Ob der Daimler-Stern schon damals das Trikot der Deutschen Fußball-Mannschaft zierte?

Ganz sicher flossen in das Sponsoring der deutschen Mannschaft auch jene Daimler-Gewinne, die der Konzern aus Korruption erzielte. Vor ein paar Jahren hatten US-Behörden Daimler vorgeworfen, in den Jahren 1998 bis 2008 Regierungsbeamte in mindestens 22 Ländern bestochen zu haben, um an lukrative Aufträge für Lastwagen, Kleintransporter, Busse und PKWs heranzukommen. Erst 185 Millionen Dollar und ein Schuldeingeständnis konnten die US-Justiz von heftigeren Strafen abhalten. Und ausgerechnet die griechischen Behörden, von denen die Deutschen grundsätzlich Korruption vermuten, beschuldigen diverse Manager von Daimler wegen des Verdachts auf Schmiergeldzahlungen bei Rüstungsaufträgen. Dabei geht es um Gegenleistungen im Volumen von mindestens zwei Millionen.

Von den Lustreisen des VW-Vorstandes – organisiert von jenem Herrn Hartz, der dem größten Sozialraub in der jüngeren deutschen Geschichte seinen Namen gab – bis zum Bischof mit der 15.000-Euro-Badewanne: Längst ist Deutschland zu einem Muster des Betrugs, der Bestechung und der privaten Aneignung öffentlicher Gelder geworden. Über ein Fußball-Sommermärchen, das vor unseren Augen zur Schauergeschichte wird, muss sich niemand wundern. Wundern darf man sich weiter über Angela Merkel, die den US-Amerikanern ohne Geld dafür zu verlangen das Prädikat FREUNDE verleiht. (PK)

Diese Glosse haben wir mit Dank von Ulrich Gellermanns Blog übernommen:
http://www.rationalgalerie.de/kritik/betrugs-weltmeister-deutschland.html

 



Online-Flyer Nr. 533  vom 21.10.2015



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