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Medien
Polizeibeamtin Tania Kambouri reproduziert gefährliche rassistische Stereotype
Alle vor dem Gesetz gleich – oder auch nicht?
Von Ilka Simon, Sabine Schiffer und Constantin Wagner

Das AntiDiskriminierungsBüro (ADB) Köln und das Modellprojekt „Vaterzeit im Ramadan?!", welches vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften e.V. Beratungs- und Geschäftsstelle Leipzig durchgeführt wird, warnen vor den Folgen der Aussagen von Polizeibeamtin Tania Kambouri. Diese berichtet in diversen Artikeln sowie Fernseh- und Radioauftritten über ihre Wahrnehmungen bei ihrer Arbeit. Sie nennt „junge muslimische Männer“ als Hauptverursacher von problematischen Einsätzen, ohne komplexe mögliche Faktoren wie sozioökonomischen Hintergrund oder diskriminierende Faktoren in der Gesellschaft – wie z.B. das racial profiling - zu benennen. 

 


Tania Kambouri und ihr Buch
Quelle: Piper

 

Kambouri stellt damit einen direkten Zusammenhang zwischen Religion, Herkunft und Neigung zur Kriminalität her. Wieder einmal wird versucht, für komplexe Zusammenhänge, einfache Erklärungen anzubieten. Ihre eigenen Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen als Deutsche mit griechischen Wurzeln hindern sie nicht daran, andere Gruppierungen zu diffamieren und so negative Ressentiments gegenüber Muslim_innen zu bekräftigen. Dabei bleibt offen, wie sie die Straftäter als muslimisch identifiziert. 

Ohne zu reflektieren, bieten einige Medien – u.a. der Deutschlandfunk und der Kölner Stadtanzeiger – der Polizeibeamtin eine Plattform, ihre rassistischen Stereotype über muslimische Männer zu verbreiten und ihr frisch erschienenes Buch mit genau diesen Inhalten zu bewerben. 

Besonders die unreflektierten Kommentare und vorauszusehenden Fragen im Interview des Deutschlandfunks an Frau Kambouri liefern simple Steilvorlagen für rassistische Denkmuster und Argumentationen. Der Verdacht einer einseitigen Lenkung lässt sich zudem nicht gänzlich abschütteln. So wird z.B. die Frage gestellt, warum die Polizei nicht robuster auftrete und aus welchem Grunde sich die Polizist_innen beim Einsatz von Gewalt gegenüber Bürger_innen der Rechtfertigungspflicht unterstellen müssen. Eine Pflicht, die zu den fundamentalen Prinzipien und Handlungen eines Rechtsstaates gehört. Hinsichtlich der müßigen Verfahren der Strafprozessordnung, reiht sich der Journalist des Deutschlandfunks mit der Frage "Warum ist die Justiz so nachsichtig?" in die Linie der Populist_innen ein, die nach jeder Straftat nach schärferen Gesetzen rufen. Die Antworten von Kambouri und ihr Wunsch nach härteren Gesetzen offenbaren die heimliche Sehnsucht bestimmter Gruppen nach "Law and Order". Außerdem zeigt es den Wunsch, sozio-ökonomisch schwache Gruppen, die nicht im Sinne sozio-ökonomisch starker Gruppen verwertbar sind, zu marginalisieren und sie zu unterdrücken und dauerhaft aus dem öffentlichen Diskurs auszuschließen. Diese Form von Frage- und Antwortspielen - wie in den genannten Medienberichten - legen zudem den Nährboden dafür, Rassismus und tief verankerte Stereotype der Mehrheitsgesellschaft zu reproduzieren, was oft in Gewalt gegen Migrant_innen mündet, wie viele aktuelle Beispiele zeigen. 

Frau Kambouri konstruiert ein „Wir“ gegen die „Anderen“, indem sie von „unseren Kreisen, Werten und Normen“ spricht und dabei Menschen muslimischen Glaubens explizit nicht miteinschließt. So negiert sie, dass muslimische Menschen uneingeschränkt zur deutschen Gesellschaft dazugehören und spricht ihnen demokratische Einstellungen ab. Zudem unterstellt sie muslimisch gelesenen Menschen Fundamentalismus, Frauenunterdrückung und kriminelle Verhaltensmuster und greift damit auf „rassistisches Wissen“ zurück. Aus einer unreflektierten eurozentrisch christlichen Perspektive imaginiert sie eine einheitliche deutsche Leitkultur, in der Frauen gleichberechtigt und Menschen friedfertig, demokratisch und frei seien. Persönliche Erfahrungen werden verallgemeinert und soziale Spannungsverhältnisse kulturalisiert. 

Der Blick in die Geschichte zeigt, dass es kein neues Phänomen ist, den Islam als Gegenbild zu instrumentalisieren. Der antimuslimische Rassismus kann als eine spezifische Form des kolonialen Rassismus gesehen werden, der dazu dient(e), Privilegien der Eigengruppe zu legitimieren. Besonders das Bild der unterdrückten muslimischen Frau wird immer wieder als Anlass genommen, den Islam zu verurteilen, obwohl die eigene Gesellschaft selbst noch weit von der Gleichstellung von Mann und Frau entfernt ist. Schon zu Zeiten der Verfolgung von Jüdinnen und Juden, bemerken Schiffer und Wagner [1], wurden diese Arten der Rechtfertigungen für feindliche Einstellungen gegenüber einer Fremdgruppe herangezogen. So wurden Grundsätze des orthodoxen Judentums, die wohlgemerkt auch heute noch existieren, denen der „Deutschen“ gegenübergestellt. 

Das Misstrauen, das Muslim_innen in Deutschland entgegengebracht wird, bekommen diese und jene, denen diese Religion zugeschrieben wird, jeden Tag zu spüren. Sie stehen aufgrund ihres Namens, ihres Aussehens, aufgrund von Kleidungsstücken oder (unterstellter) Herkunft unter dem Generalverdacht religiös fanatisch, frauenfeindlich und intolerant zu sein. 

Die Ursachen für die sogenannte „gescheiterte Integration“ werden allein den Migrant_innen zugeschrieben. Dass Kambouri mit so pauschalisierenden und stark vereinfachten Kausalitäten Gräben vertieft, Vertrauen weiter zerstört, Diskriminierungen und Anfeindungen heraufbeschwört sowie Konflikte befördert statt löst, reflektiert sie nicht. Sie trägt mit ihren unreflektierten Äußerungen dazu bei, dass muslimisch geprägte Menschen nicht als gleichberechtigte Bürger_innen wahrgenommen werden. In Anbetracht der stetig steigenden rassistischen Übergriffe und Brandanschläge gegenüber Migrant_innen und Geflüchtetenunterkünfte, ist es wichtig, pauschalisierenden und hassfördenden Aussagen keinen Raum zu geben. 

Wir fordern daher Medienschaffende auf, solche Aussagen nicht unkommentiert stehen zu lassen und Muslim_a vermehrt selbst zu Wort kommen zu lassen. 

Tania Kambouris Aussagen und die große Zustimmung, die sie scheinbar innerhalb der Polizei erfährt, zeigen, dass antirassistische Seminare und Antibias-Fortbildungen in der Polizeiausbildung unverzichtbar sind, um die Menschen in unserer Gesellschaft vor Vorverurteilungen und dem sogenannten “racial profiling” zu schützen. Wir fordern daher, dass solche Fortbildungen zusätzlich zu den Seminaren zu interkultureller Kompetenz, verpflichtend in die Ausbildung aufgenommen werden. Die unreflektierten Fragen und Kommentare des Journalisten vom Deutschlandfunk zeigen zudem die Notwendigkeit solcher Seminare und Fortbildungen auch für Medienschaffende, vor allem in öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die einen besonderen Programmauftrag haben. 

Das AntiDiskriminierungsBüro (ADB) Köln in Trägerschaft des Vereins Öffentlichkeit gegen Gewalt e.V., setzt sich seit 1995 aktiv dafür ein, eine Kultur der Gleichbehandlung zu verwirklichen. Das Büro berät und begleitet Menschen, die von Ausgrenzung und Benachteiligung betroffen sind, und ermutigt diese, für ihre Rechte einzustehen. 

Das Modellprojekt „Vaterzeit im Ramadan?!“ wird seit 2015 vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften e.V. Beratungs- und Geschäftsstelle Leipzig durchgeführt. Das Modellprojekt wird vom Bundesprogramm "Demokratie leben!" vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und dem Landesprogramm "Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz" gefördert. Ziel des Projektes ist es, Vorurteilsstrukturen und diskriminierende Zuschreibungen gegenüber muslimischen Vätern herauszuarbeiten und nachhaltig zu verändern. Durch Vielzahl von Aktivitäten soll ein Perspektivenwechsel angestoßen und die vielfältigen Lebensentwürfe muslimischer Männer und Väter sichtbar gemacht werden. (PK) 

[1] Schiffer, Sabine/Wagner, Constantin 2009: "Antisemitismus und Islamophobie – ein Vergleich." - Wassertrüdingen: HWK Verlag, S.96

 

 



Online-Flyer Nr. 534  vom 28.10.2015



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