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Aktueller Online-Flyer vom 16. April 2024  

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Wirtschaft und Umwelt
Gedanken zur Zukunft des Humankapitals
Wirtschaft als Schulmeister
Von Harald Schauff

Zieht die öffentliche Hand sich zurück, sind tatkräftig zupackende private Hände als Retter in der Finanznot gefragt. So haben Eltern in Eigenregie überall in der Bildungsrepublik schon sanierungsbedürftige Schulgebäude ausgebessert. Bei derartig vorbildlicher Privatinitiative wollte die Privatwirtschaft nicht außen vor bleiben. Sie entschloss sich, den klammen Schulen mit umfangreichen Lehrmaterialien auszuhelfen. Natürlich nicht ganz uneigennützig, ist doch klar. Wer ist das schon? Kinder sind unsere Zukunft, also auch die unserer Kapitalanlagen. Außerdem profitieren die Schüler in erster Linie selbst davon: Der von ökonomischen Interessen gelenkte Schulunterricht hilft ihnen zu autonomen Wirtschaftssubjekten, sozial kompetenten Teamworkern und verantwortungsbewussten Konsumenten zu gedeihen. Endlich lernen sie praxisorientiert aus erster Hand, wie Wirtschaft funktioniert. Sie erfahren: „Mathematik ist einfach mehr als nur Zahlen“ (Zitat aus Unterrichtsmaterial von ‘Lego’).

In der Tat: Man kann damit prima Sparpläne, Ratenkredite und die eigene Alterversorgung berechnen. Damit die Vermittlung dieser anspruchsvollen Lerninhalte den staatlichen Lehrkörper nicht überfordert, stellt ihm die Finanzindustrie freundlicherweise Vermögens- und Finanzberater zur Seite, die kurzfristig zu Hilfslehrern ausgebildet wurden. Darüber hinaus lernen die Schüler, wie es sich anfühlt, im Chefsessel zu sitzen. Sie arbeiten Businesspläne aus und gründen Schülerfirmen. Kritische Stimmen bemängeln, betriebswirtschaftliches Denken werde zum Dreh- und Angelpunkt von Lernprozessen erklärt. Ja und? In der Volkswirtschaftslehre gelten Haushalte als Urbetriebe. Jeder Mensch ist, ob er will oder nicht, Unternehmer in eigener Sache. Also ist es nur recht und billig, ihm das möglichst früh klar zu machen, in dem man die Unternehmerpersönlichkeiten von Schülern fördert. Gewerkschaften und Alt68er sollen mal nicht so übersensibel reagieren. Mögen sie sich zur Beruhigung einen Kaugummi gönnen, denn: „Kaugummikauen macht Spaß und bietet viele Vorteile“(Schulbuch-Zitat von ‘Wrigley’). Sodann ein Stück Schokolade, denn wie meint ‘Ritter Sport’: „Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Schokolade glücklich macht.“

Aber nein, die linksideologischen Meinungsmacher verzichten auf die Schokolade und ziehen lieber das gut gemeinte pädagogische Engagement der Privatwirtschaft durch den Kakao. DER SPIEGEL (45/2015) beklagt, eine der wichtigsten hoheitlichen Aufgaben des Staates, die Bildung, werde den ‘Interessen profitorientierter Unternehmen’ geopfert. Ist das der Dank für gezielt effizientes Wirtschaften, welches Unternehmen erst in die Lage versetzt, Nothilfe für den leidenden Bildungssektor leisten zu können? Noch undankbarer äußert sich die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) in ihrem für den Wirtschaftsunterricht bestimmten Lehrerbuch ‘Ökonomie und Gesellschaft’: Unternehmen hätten an öffentlichen Schulen nichts zu suchen heißt es u.a. darin. Der Wirtschaft wird vorgehalten, in einem bestechlichen System ihre Interessen in der Politik mit allen Mitteln, vor allem mit Geld, durchzusetzen. Ja, so übel wird denen nachgeredet, die sich vorbildlich für die Zukunft des Humankapitals einsetzen. Immer dieser Vorwurf der Versündigung am Allgemeinwohl. Dabei ist jenes doch nicht mehr und nicht minder als die Summe des Eigenwohls sämtlicher natürlicher und juristischer Personen, zu denen auch Unternehmen zählen. Von deren Erfolg profitiert die Allgemeinheit ebenfalls. Siehe das gestiegene Pro-Kopf-Einkommen. Willkommen in der Welt der Zahl! Traue keiner Bilanz, die du nichts selbst manipuliert hast!


Harald Schauff ist Redakteur der Kölner Obdachlosen- und Straßenzeitung "Querkopf". Sein Artikel ist im "Querkopf", Ausgabe März 2016, erschienen.

Online-Flyer Nr. 553  vom 16.03.2016



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