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Kommentar
Die moderne sozialistische Gesellschaft ist möglich
Jenseits von "Pest und Cholera"
Von Klaus-Peter Kurch

„Trump oder Clinton“, „Pest oder Cholera“ – es wird suggeriert, wir hätten nur diese Scheinalternative. Neuerdings wird sogar getrommelt, Linke sollten sich (Zähneknirschen ist erlaubt.) ins Lager der Clinton/Nuland/CIA einreihen. Denn Trump sei der Gottseibeiuns persönlich. Ich habe begründet, dass und warum ich jede dieser Nicht-Alternativen ablehne. Mehr noch: Ich finde es an der Zeit, mit dem Beschwören von unklarem Drittem, Ungewissem aufzuhören, nach der Art: „Eine andere Welt ist möglich!“. Was ist denn nun konkret möglich? Keine Antwort? Was notwendig ist, meine ich, ist hinreichend genau bestimmbar – es ist die moderne sozialistische Gesellschaft.

Konkret zu sagen, was moderner Sozialismus sein soll, gelingt nicht, ohne auf bleibende Erkenntnisse der marxistischen Theorie zurückzugreifen und auf die Lehren aus sieben Jahrzehnten der Gesellschaft, die als Realsozialismus oder Frühsozialismus oder stalinistischer Sozialismus bezeichnet wird.

Solche gültigen Erkenntnisse sind:
  • Der Kapitalismus ist eine Gesellschaft der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und des Krieges. Der Sozialismus dagegen überwindet die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und den Krieg.
  • Wesenskern der Ausbeutung ist die kapitalistische Profitproduktion, deren Basis das kapitalistische Privateigentum an den Produktionsmitteln ist.
  • Mächtigster gesellschaftlicher Garant der kapitalistischen Profitproduktion ist der bürgerliche Staat. Er ist wesentliches Herrschaftsinstrument der Kapitalistenklasse.

Dass diese Essentials in unserer modernen Gesellschaft in eine schier unendliche Differenziertheit eingebettet sind, hebt ihre Gültigkeit in keiner Weise auf.

Seit 100, genauer: seit 170 Jahren, ist erkannt, dass es vom Kapitalismus zum Sozialismus/Kommunismus nur mit einer Revolution geht. (Zur Allmählichkeit von Revolutionen gibt es ein Buch von Rainer Thiel, das auf meinem Stapel der bald zu lesenden Bücher weit oben liegt.)

Berühmte Antworten, was es für die sozialistische Revolution braucht, hat bekanntlich Lenin gegeben. Sehr verkürzt gesagt: Es ist die von der wissenschaftlichen marxistischen Theorie (Dialektischer Materialismus) geleitete Partei der Arbeiterklasse mit ihrem Organisationsprinzip des demokratischen Zentralismus. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts arbeitete Lenin theoretisch und praktisch für die sozialistische Revolution und führte 1917/18 mit der bolschewistischen Partei die russische Revolution zum Sieg.

Die Entwicklung nach der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution (und nach Lenin) führte zum Realsozialismus/Frühsozialismus/stalinistischen Sozialismus, der nach gut 70 Jahren unterging, was wesentlich eine lang herangereifte Selbstzerstörung war.

Ich ziehe drei  Schlußfolgerungen:
  • Die Leninsche Partei war ein Gebilde, eine Errungenschaft des Klassenkampfes, das die sich empörenden Unterdrückten 1917 und in den Folgejahren befähigte, die Kampfkraft, Organisiertheit und Bewusstheit aufzubringen, die der Klassenkampf objektiv erforderte, um den Sieg in der Revolution und bei ihrer Verteidigung zu erringen. Die sozialistische Revolution der Zukunft verlangt aus denselben objektiven Gründen ein vergleichbares Maß an Kampfkraft, Organisiertheit und Bewußtheit der die Revolution tragenden Kräfte.
  • Die von Lenin initiierte „Partei neuen Typus“ oder „Kampfpartei der Arbeiterklasse“ oder „Marxistisch-Leninistische Partei des Proletariats“ usw. vollbrachte zwar historische Leistungen bei der Verteidigung der sozialistischen Revolution, erwies sich aber in der Endkonsequenz als unfähig, eine Gesellschaft des modernen Sozialismus aufzubauen.
  • Das Theorem der „Historischen Mission des Proletariats“ ist durch die historische Praxis widerlegt.

Gibt es für unsere angeblich vor der Wahl „Pest oder Cholera“ stehende Gesellschaft, also für diese Gesellschaft der Nicht-Alternativen, bei Anerkennung der letztgenannten drei Schlussfolgerungen einen realistischen Weg zur sozialistischen Revolution? Ich meine: Ja. Diesen Weg zu finden, zumindest erste Schritte, ist nicht nur abstrakt notwendig (wünschenswert), sondern auch konkret möglich.


Erstveröffentlichung am 16. Januar 2017 bei opablog.net

Top-Bild:
Grafik von Thomas J. Richter



Online-Flyer Nr. 596  vom 18.01.2017

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