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Globales
Diskussion um den Artikel "China–USA: Das Thukydides-Problem"
Können USA und China der Thukydides-Falle entkommen?
Von Markus Gross

Eva Maria Cardoso Maciel und Frank Siol sind in NRhZ-Ausgabe 686 in ihrem zur Diskussion gestellten Artikel "China-USA: Das Thukydides-Problem" der Frage nachgegangen: "Wird es China gelingen, sich dem drohenden Angriff aus den USA zu entziehen? Ist 2018 für China das Jahr, welches 1905 für Deutschland war?" Daran knüpft Markus Gross mit seinen nachfolgend wiedergegebenen Überlegungen an.


Worum geht es in Graham Allisons Buch ,Destined for War: Can America and China Escape Thucydides's Trap?‘ von 2017? Es geht um Planspiele, Chinas Ölversorgung vom Süden her zu kappen. Auf Seite 211 erwähnt Allison die Fähigkeit der USA, der Kommunistischen Partei Chinas durch eine südliche Seeblockade das „Mandat des Himmels“ zu entziehen. Um diese angebliche Fähigkeit zu untermauern, erwähnt er das Erdölembargo gegen Japan 1941. „Inseln“ werden rund hundertmal erwähnt, die Diaoyu-Inseln, die Paracel-Inseln, die Spratly-Inseln, das Scarborough-Riff. Erdöl wird aber im Buch nur fünfmal erwähnt. Ganz nebenbei schreibt Allison von „potentiellen“ Erdölreserven im „Ostchinesischen Meer“.

Wie sieht die Realität aus?

Die Öl-Reserven im Südchinesische Meer werden auf bis zu 30 Milliarden Tonnen Öl geschätzt, das entspräche rund 219 Milliarden Fass. In Syrien wurden Ende 2012, kurz vor Kriegsbeginn, in einer Tiefe von nur 250 Meter 37 Milliarden Tonnen Ölreserven gefunden, das sind rund 270 Milliarden Fass.

Saudi-Arabien verfügt über Reserven von 266 Milliarden Fass, d.h. Syrien liegt etwas darüber, das Südchinesische Meer etwas darunter. Nur Venezuela führt die Liste mit 303 Milliarden als weltweiter Spitzenkandidat an. Iran mit 157 Milliarden und Irak mit 148 Milliarden Fass liegen deutlich zurück.

Die CFR-Publikationen von Graham Allison sind nicht von rein akademischem Interesse, sondern strategischer Natur und Teil einer umfassenden Kriegsplanung der USA zur Sicherung von irreversiblen Ressourcen.

Wer bestimmt die Außenpolitik?

Der Rat für auswärtige Beziehungen – der ‚Council on Foreign Relations‘ (CFR) – formuliert die Außenpolitik der USA seit 1921. Das europäische Pendant ist der ‚European Council on Foreign Relations‘ (ECFR), in Deutschland die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).

Die aktuelle Titelseite der CFR-Zeitschrift ‚Foreign Affairs‘ lautet: „Mike Pompeo: How to confront Iran, do nuclear weapons matter?“ Die Zeitschrift wirft also die Frage auf, wie Iran konfrontiert werden soll und ob Nuklearwaffen dabei eine Rolle spielen.

Auf Seite 229 taucht in Allisons neuem CFR-Buch ein „tödliches Pathogen“ auf: „…antibiotic-resistant smallpox pathogen and releasing it in an airport in Kunming…“.

Eine Seite vorher gelangen Terroristen in den Besitz nuklearer Waffen in der erdölreichen nordwestlichen Provinz Chinas. Bei der Lektüre des Buches von Allison erheben sich Fragen (geo)politischer, aber auch moralischer und rechtlicher Natur.

Graham Allison schrieb mit Philip Zelikow das Buch ‘Essence of Decision: Explaining the Cuban Missile Crisis’ (New York: Longman, 1999). Das ist der Zelikow, der 1998 in ‘Foreign Affairs’ den ‚Pearl-Harbor‘-Artikel mitverfasst hatte und im September 2002 anonym die nationale Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten von Amerika (in Vorbereitung zum Irakkrieg).

Als die 9/11 Kommission im Dezember 2002 zusammengestellt wurde, fiel schon bald sein Name, und Zelikow wurde der verantwortliche Direktor der Kommission. Seine Arbeit bestand darin, sicherzustellen, dass aufgrund von Folter erfolgte „Geständnisse“ von Khalid Sheikh Mohammed Eingang in den Report fanden. Der komplette Report vom März 2003, den er zusammen mit seinem ehemaligen Harvard-Geschichts-Professor Ernest May (1928-2009) verfasst hat, erschien ohne Wissen der Kommissionsmitglieder und vor deren ersten Treffen.

Auch bei Zelikow erscheinen in seinem CFR-Artikel von 1998 Pathogene: „Wenn der Apparat, der 1993 unter dem World Trade Center explodierte, nuklear gewesen wäre oder ein tödliches Pathogen erfolgreich verstreut hätte, hätten der daraus resultierende Schrecken und das Chaos unsere Vorstellungskraft übertroffen.“ […] „Wie Pearl Harbor würde dieses Ereignis unsere Vergangenheit und Zukunft in ein Vorher und Nachher teilen.“ […] „Die Vereinigten Staaten könnten mit drakonischen Maßnahmen reagieren, indem sie die bürgerlichen Freiheiten einschränken, eine umfassendere Überwachung der Bürger veranlassen, die Inhaftierung von Verdächtigen und die Anwendung tödlicher Gewalt ermöglichen. Weitere Gewalt könnte folgen, entweder weitere Terroranschläge oder US-Gegenangriffe. Im Nachhinein würden die Amerikaner die politisch Verantwortlichen der Fahrlässigkeit beschuldigen, weil sie den Terrorismus nicht dringlicher bekämpft haben."

Welcher Logik folgt diese zweifelhafte CFR-Historiographie?

Der Geschichtsunterricht von Zelikow besteht im Schema „Problem-Reaktion-Lösung“. Thukydides wird meiner Meinung nach nur deshalb herangezogen, um einer Kriegsplanung den Anschein von Wissenschaftlichkeit zu verleihen. Wenn das zuträfe, dann würde sich Allison nur der äußeren Form der Geschichte bedienen, aber deren Inhalt/Kern/Wesensgehalt heimlich verändern, uminterpretieren, umfunktionieren, verdrehen und verbiegen, ohne dass es sichtbar wird.

1) Zuerst wird das Problem künstlich erzeugt und jemand anderes wird dafür verantwortlich gemacht

2) Das Problem wird dann so über die Medien so verbreitet, wie es gerne vom CFR verbreitet werden möchte.

3) Die Öffentlichkeit wird dann dazu gebracht, auf das Problem zu reagieren, indem gesagt wird: "Etwas muss getan werden, das kann so nicht weitergehen, was wird dagegen getan?"

4) An diesem Punkt hat der CFR das Problem verdeckt kreiert und jemand anderes dafür beschuldigt, um von der Öffentlichkeit eine Reaktion herauszubekommen, etwas zu tun, um dann die Lösung für dieses Problem anzubieten, die er selber geschaffen hat.

Ich glaube nicht, dass „Sun Tsu“ einen „Befreiungsschlag gegen Frankreich“ befürwortet hätte. Sunzi ist in erster Linie ein Analyse-Werkzeug.

Strategemisch analysiert entsprechen die Geschichtslektionen von Zelikow und Allison einem Kettenstrategem, Strategem Nr. 35. Die Verkettung besteht aus Strategem Nr. 7, „Aus einem Nichts etwas erzeugen“ einem akademischen Buch, das ein „Nichts“ zum Inhalt hat, Strategem Nr. 11 „dem Sündenbock-Strategem“, andere sind verantwortlich am Krieg, nur nicht die USA (es fehlt jeder Hinweis darauf, dass Krieg keinesfalls eine spontane Veranstaltung ist, in welche die Bevölkerung schlafwandlerisch hineingezogen wird). Die Verbreitung in der Öffentlichkeit entspricht Strategem Nr. 1 „dem Coram Publico Strategem“, die Öffentlichkeit wird darüber getäuscht, was das eigentliche Ziel des künstlich geschaffenen Problems ist. Auf Ebene der Führungseliten ist man sich sehr wohl darüber bewusst, was mit der Publikation „Bestimmt für den Krieg“ erzielt werden soll. Die, welche das Buch geschrieben haben (und Zelikow war sicherlich Mitautor dieses Buches,) sind nicht so naiv, wie sie sich gerne in der Öffentlichkeit geben. Punkt drei, „Lösung“, besteht dann in Strategem Nr. 3 „Mit dem Messer eines anderen töten“. Die Öffentlichkeit wird dazu gebracht, sich selber zu schädigen, ohne dass sich die Eliten selber exponieren müssen; die Publikation „Bestimmt für den Krieg“ entspricht sozusagen einem Alibi-Strategem oder einem Stellvertreter-Strategem: die Bevölkerung soll dazu gebracht werden, „Lösungen“ zu fordern für ein Problem, das nicht existiert oder nur künstlich erschaffen wurde. Die „Lösung“ besteht in einer öffentlichen Befürwortung der Überwachung und einer Einschränkung der Bürgerrechte und in einer Akzeptanz in der Öffentlichkeit von Krieg als Mittel der Außenpolitik. Nicht ohne Grund verkleidet der CFR seine Kriegspläne in ein historisches Gewand. Dahinter verbergen sich aber düsterste Kriegs- und Terrorszenarien, welche die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen sollen, damit sie leicht kontrollierbar wird und das Augenmerk weg vom Völkerrecht auf primitive Planspiele richtet.

Fast jedes Kind kennt die 36 Strategeme in China. In der „Reise nach Westen“ des listigen Affenkönigs kommen alle 36 Strategeme vor, ebenso in der Novelle der drei Königreiche. Zhuge Liàng (181-234), den berühmten Berater von Liu Bei kennen alle. Er lebte Zeit in der Drei Reiche Sanguó, ca. 208–280 n. Chr. einer Epoche in der Geschichte Chinas, die von vielen Kriegen begleitet war, geführt von drei großen Konkurrenten, von denen keiner stark genug war, um seine beiden Rivalen zu vernichten.


Siehe dazu:

Zur Diskussion gestellt
China–USA: Das Thukydides-Problem
Von Eva Maria Cardoso Maciel und Frank Siol
NRhZ 686 vom 12.12.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25482

Online-Flyer Nr. 688  vom 26.12.2018

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