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Medien
Eine lockere Folge von Leserbriefen und Kommentaren
Hajos Einwürfe
Von Hajo Kahlke

Darf eine linke Zeitung "Kulturschaffende" auszeichnen, der für einen israelischen Atombombenabwurf plädieren? Wie logisch ist es, wenn eine linke Zeitung Separatismus als hui, Nationalstaat aber als pfui wertet? Ist es gestattet zu entdecken, dass die USA als Besatzer agiert? Wie überzeugend ist es, Deutschtümelei durch eine kaum weniger verkehrte Europatümelei abzulösen? Das sind Fragen, die in "Hajos Einwürfen" zum Thema gemacht sind. Die Neue Rheinische Zeitung versteht sich im Verbund mit der Vierteljahresschrift DAS KROKODIL als ein Forum, das zum Nachdenken anregen, eingefahrene, verkrustete Denkstrukturen aufbrechen bzw. der bewusst lancierten Desorientierung des Denkapparats – besonders der Linken – entgegenwirken will. Hajos kurze Texte sollen dazu ihren Beitrag leisten. Die Neue Rheinische Zeitung bringt deshalb in loser Folge von ihm verfasste Leserbriefe und Kommentare, die bei den Angeschriebenen nur selten das Licht der Öffentlichkeit erblicken.


Plädoyer für israelischen Atombombenabwurf mit jW-Sonderpreis ausgezeichnet


1981 hetzte der Mensch im Sinne der NATO-Hochrüster mit der hirnrissigen Slogan-Abwandlung "Ein Volk, ein Reich, ein Frieden" gegen die Friedenskräfte, und zehn Jahre später redete er sogar einem israelischen Atombombenabwurf auf den - damals noch nicht besetzten - Irak das Wort. Und danach wurde es nicht besser. Die junge Welt würdigt den pro-imperialistischen Irrsinn des nun verstorbenen Wolfgang Pohrt indes als "unnachsichtige Verfolgung der kleinen Lügen, nach Brecht", als "Polemik gegen Konformismus und Wohlfühllügen der Linken" und als "unnachgiebige Gesellschaftskritik". Das liest sich - und jener nun Pohrts Werken zuerkannte "jW-Sonderpreis" (junge Welt vom 31.12.2018, S.10) passt dazu - wie eine Absichtserklärung, den Pohrt'schen Irrsinn gerne fortsetzen zu wollen. Doch während Pohrts jahrzehntelanger Beitrag zur Desorientierung und Zersetzung der Linken auch mit einem gewissen Esprit und gelegentlich sogar mit kluger Einsicht garniert war, steht derlei bei der dem Laffen Pohrt lobhudelnden jungen Welt dann kaum zu befürchten.

Leserbrief zum Artikel "Feinde machte er sich viele - Warum ein ungelebtes Leben hinnehmen? Zum Tod des unnachgiebigen Gesellschaftskritikers Wolfgang Pohrt" von Jakob Hayner in "junge Welt" vom 24./25./26.12.2018, Seite 11, und zum Artikel "Listen der Vernunft" in "junge Welt" vom 31.12.2018, Seite 10

(siehe dazu auch: "Der Anachronistische Zug (2) - Israel und die Linken – oder: Lob des Antikommunismus" von Lucie Sponheimer)



Separatismus hui, Nationalstaat pfui!

Schon seit längerem macht die junge Welt Stimmung für die Abspaltung Kataloniens von Spanien und stellt den dortigen Separatismus als Wunsch nach "Unabhängigkeit" dar. Dass es in Wahrheit da keineswegs um eine Emanzipation aus kolonialer Rechtlosigkeit geht, sondern im Grunde um ein völkisches Bestreben (normalerweise ja die schlimmste Todsünde überhaupt) nach Ab- und Ausgrenzung (auch dies sonst eine Todsünde), übersieht die junge Welt nun großzügig. Das unausgesprochene Motto der jungen Welt in Bezug auf Spanien lautet: Separatismus hui, Nationalstaat pfui!

Und so berichtet sie jetzt fast eine Seite lang über die Leiden der separatistischen Aktivistin Tamara Carrasco, welche die spanischen Behörden doch tatsächlich in "Hausarrest" gesteckt haben. Im Text selbst jedoch erfährt man, dass der "als Terroristin verfolgten" Carrasco nicht nur gestattet wurde, von ihrem Wohnort Viladecans täglich nach Barcelona zur Arbeit zu fahren (bis sie sich dann doch lieber krankschreiben ließ), sondern dass sie auch das Gespräch mit der jW-Autorin keineswegs in ihrem Haus führen musste, sondern dass man sich dazu in eine im Stadtzentrum gelegene kleine Bücherei begab.

Es ist bezeichnend, dass die junge Welt hier zwischen wirklichem Hausarrest einerseits und einer sonstigen, erheblich weniger gravierenden Beschränkung der Bewegungsfreiheit andererseits offensichtlich nicht unterscheiden kann oder will.

Leserbrief zum Artikel "Als Terroristin verfolgt - Tamara Carrasco setzt sich für unabhängiges Katalonien ein - Sie wurde verhaftet und sitzt seit Monaten im Hausarrest" von Krystyna Schreiber in "junge Welt" vom 27.12.2018, Seite 3



Entdecken, dass die USA als Besatzer agiert?

Auf was die Wissenschaft doch nicht alles kommt! Da entdeckt der einschlägige Dienst des Bundestags jetzt tatsächlich, dass die Türkei als völkerrechtswidriger Besatzer in Syrien agiert - sensationell! Doch noch sensationeller wäre es, würde der Bundestags-Dienst nun auch entdecken, dass die USA bis gerade eben gleichermaßen als ein solcher Besatzer agiert, und dass die Deutsche Staatsraison dies mittlerweile sogar seit 51 Jahren tut.

Leserbrief zum Artikel "Die Türkei - ein Besatzer? Bundestagsexperten kritisieren Vorgehen Ankaras in Syrien" in der Rhein-Neckar-Zeitung vom 27.12.2018, Seite 1


Deutschtümelei von einer kaum weniger verkehrten Europatümelei abgelöst

Man ersetze das Wort "Europa" in der Zitat-Überschrift "Europa läuft Gefahr seine Seele zu verlieren" durch das Wort "Deutschland", und es wird klar, wie fragwürdig diese Rede des Herrn EKD-Ratsvorsitzenden von der ach so wertvollen Seele Europas ist. Was früher die Deutschtümelei war, ist im Zeitalter der neoliberalen EU und ihrer aggressiven Aufrüstungs- und Sanktionspolitik längst von einer kaum weniger verkehrten Europatümelei abgelöst geworden. Der Nationalismus, über hundert Jahre von Bedfords Gott-Mit-Uns-Kirche in seiner schlimmen, chauvinistischen Form untertänig praktiziert, hat nicht nur ausgedient, sondern wird jetzt per 180-Grad-Wendung pauschal als etwas ganz Böses dämonisiert - und dementsprechend nennt Bedford ihn hier auch in einem Atemzug mit "Hass". Dabei werden die wirklich hasserfüllten und durch exzessive Hassgesänge angefeuerten Unternehmen westlicher Staaten gegen den Frieden, vor allem in Gestalt von Interventionen und Angriffskriege gegen andere Länder , mittlerweile fast durchgängig über-national, im Verbund, durchgeführt. Selbst die übermächtigen USA führten 2003 ff. ihren Krieg gegen den Irak eben nicht mit "America First" als Schlachtruf, sondern als übernationale Koalition der Willigen drapiert.

Obrigkeitsfromm wie Bedfords Europatümelei ist dann auch seine - unausbleibliche - sinnbildhafte Gleichsetzung der biblischen Flucht nach Ägypten mit dem heutigen Migrationsdrang nach Westeuropa. Auch hier geht es kaum verkehrter. Denn anders als die übergroße Mehrheit der nach Westeuropa drängenden Asylanten war - glaubt man wie Bedford der Bibel - die ins Ägypterland fliehende Heilige Familie durch Herodes' Kindermord-Befehl tatsächlich akut an Leib und Leben bedroht. Und sehr zum Unterschied zu den Asylanten unserer Tage ging sie dann wieder alsbald in ihre Heimat zurück, als die akute Gefahr dort vorbei war.

Leserbrief zum Artikel "Europa läuft Gefahr seine Seele zu verlieren" Interview mit Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), in der Rhein-Neckar-Zeitung, Weihnachtsausgabe von 2018, Seite 2


Online-Flyer Nr. 689  vom 02.01.2019



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