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Aktueller Online-Flyer vom 19. April 2024  

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Krieg und Frieden
Friedensveranstaltung der Initiative "Nie wieder Krieg!" am 31.08.2019 in Berlin
Die Raffinesse der Abschreckung systemisch unerwünschter Positionierungen zum Thema machen
Von Ingrid Koschmieder

Am Vorabend des Antikriegstags 2019 fand am 31. August in Berlin im Haus der Demokratie und Menschenrechte eine Veranstaltung der Initiative "Nie wieder Krieg!" statt. Sie stand in Zusammenhang mit dem neuen von Reiner Braun verantworteten Aufruf "Nie wieder Krieg – Frieden und Zusammenarbeit statt Aufrüstung und Konfrontation!". Veranstalter war die Initiative „Nie wieder Krieg!“ c/o "International Peace Bureau" (IPB), Marienstr. 19/20, 10117 Berlin, vertreten durch den IPB-Co-Präsidenten Reiner Braun, der bereits im Büro der „Krefelder Initiative“ gearbeitet hatte, und den ver.di-Gewerkschaftssekretär Ralf Krämer. Ingrid Koschmieder war dabei und berichtet für die NRhZ von der Veranstaltung.

Die Veranstaltung war eine interessante, lebendige und einigermaßen gut besuchte (es hätten noch 30 Leute mehr reingepasst). Die Breite des Programms signalisierte die Bereitschaft mit anderen gesellschaftlichen Kräften zusammenzuarbeiten, das ist den Organisatoren Rainer Braun und Ralf Krämer gut gelungen. Mit Ausnahme von MdEp Özlem Demirel waren alle Eingeladenen gekommen. MdB Zaklin Nastic moderierte die Gesprächsrunde im zweiten Teil.

In einem von Thilo Gräser verfassten Sputnik-Artikel über diese Veranstaltung von „Erinnerung an 1.9.1939: Warnung vor Kriegspolitik und Aufruf zu neuer Entspannung“ wird der erste Veranstaltungsteil prägnant beschrieben. (1)

Relativ früh stellte ich an Ralf Krämer die Frage, warum noch ein weiterer Friedensaufruf – nach einer ganzen Reihe von allgemeinen und speziellen Aufrufen zum Thema – gemacht worden sei und die Gefahr des Auseinanderdividierens in der Friedensbewegung/Linken immer auch bestehe. Er, als auch später ein leicht gereizter Reiner Braun erklärten, nein, es gehe nicht um Konkurrenz, dass, ja, es zwar schon Aufrufe gäbe, nicht aber einen solchen, der mit Links die Hintergründe aufkläre und gerade viele Akteure und Aspekte zusammenbringen wolle... Ehrlich gesagt, ist es natürlich beeindruckend, wenn ein Aufruf viele und prominente Erstunterzeichner hat. Aber ist er in der Sache hilfreich? (Ich selbst finde zum Beispiel unseren FriKo-Aufruf zum 1.9.2019 in Berlin (2) klar positioniert in Bezug auf die deutsche Situation, was hätte dagegen gesprochen, diesen Aufruf zu unterstützen und damit Kräfte zusammenzuführen?)

Neben dieser organisationspolitischen Frage war für mich sehr wichtig, dass Christiane Reymann in der zweiten Diskussionsrunde ausdrücklich die Kampagne "NATO raus – raus aus der NATO" beziehungsweise die Kündigung von Nato-Mitgliedschaft und des Truppenstationierungsvertrages befürwortete: Das geht doch, das kann man sehr wohl machen, sagte sie. Die Kündigung müsse halt in Washington erfolgen, nicht in Brüssel! – sowie die Kündigungen der vielen, überkommenen Einzelverträge rund um die Truppenstationierung müssten einfach angegangen werden. Am Ende ihres längeren Redebeitrags erhielt sie donnernden Applaus.

Der Gewerkschafter Uwe Wötzel (ver.di) erhielt nur matten Beifall, obwohl er schilderte, wie die Gewerkschaften jetzt anfangen, sich (wieder) friedenspolitisch zu bewegen. Zu nah noch die Enttäuschung über die lange Zurückhaltung der DGB-Organisationen?

Jutta Kausch von der Friedenskoordination Berlin (FriKo) schilderte den Entstehungskontext der Friedensarbeit in Berlin, die auf die Kontinuität von knapp 40 Jahren zurückblicken kann! Seither ist die Anzahl von friedenspolitischen Basisgruppen allerdings zurückgegangen und in der FriKo arbeiten überwiegend engagierte Einzelpersonen, diese aber kompetent und unermüdlich. Sie bedauert, dass es nicht gelungen ist, jüngere Menschen in die Strukturen einzubinden. Für Frieden sind zwar alle, aber sich dafür zu engagieren, dazu entschließen sich nur wenige. Jutta ist skeptisch, ob die generelle Kriegsgegnerschaft der großen Bevölkerungsmehrheit nicht am Ende doch aufgeweicht werden könnte und plädiert deshalb dafür, überall, wo es geht, in die Diskussion zu gehen, aufzuklären und nach Wegen für eine größere Öffentlichkeit für Abrüstung und gegen Militarisierung zu suchen.

Annika Hombücher von "Friday for Future" (FfF) Berlin erklärte, dass sie zur antikapitalistischen Strömung innerhalb der Bewegung gehöre. Sie sei auch schon zuvor im SDS (Linken-Studierendenverband) aktiv gewesen. Sie war nicht allein gekommen, sondern hatte ein paar KommilitonInnen dabei, die aufmerksam der Veranstaltung folgten (und mit denen wir nach der Veranstaltung ins Gespräch kamen). Wie Annika weiter ausführte, sind die FfF sehr vorsichtig, über „Klima“ hinaus sich zu positionieren, aus Sorge, dass die Bewegung dann auseinander fällt. Ein Bewusstsein darüber, dass die „Klima“-Probleme mit dem neoliberalen Globalismus zu tun hätten, bestünde zwar intern, aber es gäbe den Konsens, um der Geeintheit willen nach außen sehr zurückhaltend zu bleiben. Sehr viel Energie gehe in Organizing-Aktionen ein, um den Unterhaltungswert der Fridays zu sichern, idealerweise versuchten sie jedes Mal „etwas weiter zu gehen“, mehr Leute mehr einzubinden, neue Erfahrungs- und Reflektionsräume zu schaffen. Bei Einzelnen sei das mit hohem persönlichen Einsatz verbunden (ein Semester drangeben oder das Abi um ein Jahr verschieben).

Ich schildere diesen letzten Punkt relativ ausführlich, weil ich über die FfF als Gruppierung kaum etwas weiß. Der Streit, wie mit dieser Bewegung umzugehen sei, ist in der Friedensbewegung ja auch noch zugange...

Wie wir alle wissen, bedeutet Friedensarbeit oft, „an die Wurzel zu gehen“, ein Ringen um das Sagbare, aber auch, dem gesellschaftlich Gehör zu verschaffen. Ist unsere „splendid isolation“ nur Ausdruck davon, dass seither die Raffinesse des unsichtbaren Drucks auf „unembedded“ politisches Engagement zugenommen hat, die Raffinesse der Abschreckung systemisch unerwünschter Positionierungen? Die Friedensbewegung wird sich damit intensiv auseinanderzusetzen haben.


Fußnoten:

1 https://de.sputniknews.com/gesellschaft/20190901325679639-kriegsausbruch-erinnerung-jahrestag/
2 http://www.frikoberlin.de/tmp/2019_antikriegstag_flyer.pdf


Siehe auch:

Aufruf zum Antikriegstag 2019
Nie wieder Krieg - Frieden und Zusammenarbeit statt Aufrüstung und Konfrontation!
Von nie-wieder-krieg.org
NRhZ 717 vom 04.09.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26173

Kommentar zum Aufruf "Nie wieder Krieg! Frieden und Zusammenarbeit statt Aufrüstung und Konfrontation!"
Teufelskreis endlich durchbrechen
Von Beate Brockmann
NRhZ 717 vom 04.09.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26173

Online-Flyer Nr. 717  vom 04.09.2019



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