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Kultur und Wissen
Veranstaltung von "Koblenz: Im Dialog" - Dialogpreis 2019 für Lulo Reinhardt
Lulo Reinhardts musikalische Friedensarbeit ist hochemotional
Von Sabiene Jahn

Koblenz: Friedensaktivisten aus ganz Deutschland trafen sich am 16. Dezember 2019 zu einer Abendveranstaltung von "Koblenz: Im Dialog", um gemeinsam den Jahresabschluss zu feiern. Am Abend wurde der Musiker Lulo Reinhardt mit dem „Dialogpreis 2019“ ausgezeichnet. Der nicht dotierte Preis ehrt einmal im Jahr Menschen, die sich für Friedensarbeit und Völkerfreundschaft verdient gemacht haben.


Sabiene Jahn über gibt die Dialogpreis-Urkunde an Lulo Reinhardt, Koblenz, 16.12.2019 (Foto: Volker Bruns)

Die Veranstaltungsreihe „Koblenz: Im Dialog“ ist seit zwei Jahren ein begehrter Bürgeraustausch. Einmal im Monat treffen sich interessierte Menschen, um zu den unterschiedlichsten gesellschaftspolitischen Themen mit Wissenschaftlern und Journalisten zu diskutieren. Höhepunkt der Jahresabschlussfeier war unter anderem ein Vortrag vom Journalisten Dirk Pohlmann. Unter dem Titel "Im Auftrag der Eliten" präsentierte er spannende Rechercheergebnisse zum Mord des ehemaligen Deutsche-Bank-Chefs Alfred Herrhausen, der vor 30 Jahren einem Bombenattentat zum Opfer fiel. Dirk Pohlmann arbeitete über 30 Jahre für ARD, ZDF und ARTE. Er ist Autor, Drehbuchregisseur und veröffentlichte unzählige Dokumentationen über die Arbeit von Geheimdiensten.

Gekrönt wurde die Veranstaltung mit der Verleihung des „Dialogpreis 2019“. Für sein Engagement würdigte die Veranstalterin Sabiene Jahn ihren langjährigen Koblenzer Musikerkollegen Lulo Reinhardt: „Lulos musikalische Arbeit ist hochemotionale Friedensarbeit,“ würdigt sie in der Laudatio. „Er teilt sie mit Menschen unterschiedlichster Völker und verbindet sie so in herausragender Weise. Er berichtete uns von anderen Kulturen, um sie besser verstehen zu lernen.“

Lulo Reinhardt möchte sich nach dem Dokumentarfilm „Newo Ziro“ (Neue Zeit), der insbesondere seine Koblenzer Familie beschreibt und dem Film „Dessert Inspiration“, der von den Berbern in Marokko erzählt, erneut auf eine Reise begeben. „Die Reise führt mich zu den Wurzeln der Sintis nach Indien,“ erzählt Reinhardt. So wird mit ihm im kommenden Jahr ein Film-Tagebuch entstehen, das ihn von Ägypten über Armenien, Russland und über die Ukraine nach Polen führen soll. Lulo möchte die überlieferten Geschichten überprüfen, nachbessern und aufarbeiten.

Die Einzelheiten zur Geschichte der Sinti und Roma in der Vergangenheit sind bislang sehr begrenzt, da es fast keine eigenen Schriftquellen gibt. Fast alle Informationen wurden Jahrhunderte lang von Nicht-Sinti und -Roma gesammelt und weitergegeben, zum Teil aber auch nur abgeschrieben, wie man das wohl auch für die Bibel behaupten könnte. Vieles liegt im Dunkeln. Seit dem späten 18. bzw. frühen 19. Jahrhundert ist aufgrund linguistischer Studien die Herkunft als gesichert anzusehen. Die Vorfahren der heute in Europa lebenden Roma und Sinti stammen ursprünglich aus Indien. Sie wanderten seit dem 8. bis 10. Jahrhundert über Persien, Kleinasien oder den Kaukasus (Armenien), schließlich im 13. und 14. Jahrhundert über Griechenland und den Balkan nach Mittel-, West- und Nordeuropa, und von dort aus auch nach Amerika.

Hintergrund war kein – ihnen lange Zeit unterstellter – Wandertrieb, sondern sie sahen sich durch Kriege, Verfolgung, Vertreibung oder aus wirtschaftlicher Not zu dieser Wanderung gezwungen, die bezogen auf Mitteleuropa über 500 - 600 Jahre dauerte, bis sie in Europa sesshaft wurden. Lulo Reinhardt kann gut die Sorgen von Flüchtenden verstehen und oft auch nicht die große Kritik, die ihnen entgegengebracht wird.

Seine Musik vertont Lulo zurückhaltend und mischt im aktuellen Album die Sprache der Romanes mit jazzigen Hindustani-Stilelementen, Alaap, Raga und Flamenco. Lulo Reinhardt verbindet damit auf einzigartige Weise die kulturellen Einflüsse verschiedener Kontinente. Diese künstlerische Umsetzung brachte ihm kürzlich auch den Preis der deutschen Schallplattenkritik für die interessanteste Neuveröffentlichung klassischer Weltmusik ein. Der „Dialogpreis“ ist gestaltet mit antiken Buchstaben aus Holz, die früher in der Druckkunst verwendet wurden. Sie stehen symbolisch für Kommunikation und das Verbreiten von Wissen.


Dialogpreis-Urkunde an Lulo Reinhardt


Siehe auch:

6. Kölner Karlspreis geht an Sabiene Jahn und Julian Assange
Nicht Zuschauer, sondern verantwortlicher Teil der Geschichte
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 730 vom 18.12.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26464

Respekt und Perspektive
Sechster Kölner Karlspreis der Neuen Rheinischen Zeitung an Sabiene Jahn
Sabiene Jahn – interviewt von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 728 vom 04.12.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26417

Online-Flyer Nr. 730  vom 18.12.2019



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