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Globales
Der Staat Palästina mit geschichtlichem Hintergrund
Mythos vom "jüdischen Volk"
Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait

Den Konflikt im Nahen Osten lösen zu können, setzt zuallererst voraus, den geschichtlichen Hintergrund primär richtigzustellen. Die Publizistin Evelyn Hecht-Galinski zur Balfour Erklärung: "Hier wurde auch der Grundstein dafür gelegt, dass sich der Mythos vom 'jüdischen Volk' bildete, indem die religiöse jüdische Gemeinschaft zu einem jüdischen 'Volk' deklariert wurde, um die 'nationale Heimat' zu legitimieren. Damit hatte sich auch der schreckliche Traum Theodor Herzls vom 'Judenstaat' und der 'modernen' Lösung der Judenfrage erfüllt. Mit der Balfour-Erklärung wurde Palästina dem 'Jüdischen Volk' als 'nationale Heimstätte' versprochen. Heute haben wir das gleiche Phänomen, indem der 'Jüdische Staat' als Bollwerk des Westens im Nahen Osten gilt und die 'jüdisch-christlichen Werte', gegen den Islam verteidigen soll... Von Anfang an wurden die Rechte der 'bestehenden nicht-jüdischen Gemeinschaften in Palästina' missachtet. Schließlich hatten die britischen Kolonialherren genau die gleichen Ideen wie die jüdischen Kolonialisten. Diesen Zionisten sollte es ermöglicht werden, Palästina zu kolonialisieren... Warum wird heute immer wieder der entscheidende Satz nicht erwähnt? 'Nichts soll getan werden, was die zivilen und religiösen Rechte der existierenden nicht-jüdischen Bevölkerung in Palästina infrage stellen könnte'." (“Es gibt nichts zu feiern“ von Evelyn Hecht-Galinski, 8.11.2017)

Balfour-Erklärung und Vertrag von Sèvres 1920: Kein Staat Israels

Aus dem Wortlaut der Balfour-Erklärung und im historischen Kontext ergibt sich kein Staat Israels, wie der Vertrag von Sèvres 1920 explizit bekräftigte. Das Gegenteil auszulegen verstößt gegen den Wortlaut der Balfour-Erklärung und gegen den historischen Kontext.

"Die regionale Grenzziehung im Nahen Osten geht auf ein Geheimabkommen des britischen Diplomaten Mark Sykes und seines französischen Kollegen François Georges Picot zurück, die noch während des Ersten Weltkriegs 1916 die arabischen osmanischen Provinzen in eigene Interessenszonen umdefinierten. 1917 versprach der britische Außenminister Lord Balfour der Zionistischen Weltbewegung eine 'jüdische Heimstätte in Palästina'. Verhandelt wurde die Aufteilung des Osmanischen Reiches auf der Pariser Friedenskonferenz 1919/1920. Um zu erfahren, was die einheimische Bevölkerung der Region wollte, setzte der damalige US-Präsident Woodrow Wilson eine Kommission ein... Während ihrer dreimonatigen Reise, die sie von Adana bis Jerusalem, von Beirut bis Damaskus führte, war die überwiegende Meinung dieser 2.000 Delegationen, dass Syrien und Palästina nicht geteilt und kein jüdischer Staat errichtet werden sollte. Man wollte für den ungeteilten Staat Syrien-Palästina einen König einsetzen, der das Land zur Unabhängigkeit hätte führen sollen. Vorübergehend stimmte man einem ausländischen Mandat zu, um zu lernen, wie ein Staat politisch und wirtschaftlich entwickelt werden kann. Als Mandatsmacht wünschten sich die Delegationen die USA, die damals keine eigenen Interessen in der Region verfolgten. Auf keinen Fall wollte man ein französisches Mandat akzeptieren. Die Pariser Friedenskonferenz (1919/1920) beschloss in jedem Punkt genau das Gegenteil." ("Angst vor Ausbreitung des Syrien-Krieges" von Karin Leukefeld, junge Welt, 16.12.2013)

Sykes-Picot Geheimabkommen zwischen Frankreich und Großbritannien 1916: Verrat an Arabern

Das Sykes-Picot Geheimabkommen am 16. Mai 1916 zwischen den Regierungen von Frankreich und Großbritannien war der erste Verrat Großbritanniens an der arabischen Sache, für die schon der britische Offizier Lawrence von Arabien mit Bravour, großem Verständnis und Intelligenz stand und sie zusammen mit den Arabern zur Einheit und Unabhängigkeit vorangetrieben hatte.

Ausrufung des Staates Palästina 2012 auf Vollversammlung der Vereinten Nationen


Doch inzwischen hat sich endlich die Selbstbestimmung der Palästinenser ausdrücken können. Auf der UN-Vollversammlung am 29. November 2012 wurde der Staat Palästina ausgerufen. Dafür gab es die erforderliche Zustimmung einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Weltstaatengemeinschaft. Die blockfreien Staaten unterstützten einstimmig die Gründung des Staates Palästinas. Damit ist die Staatsgründung Palästinas legitim und legal zustandegekommen, ohne Fremdbestimmung. Damit ist die Zeit gekommen, die schwierigsten und heikelsten Fragen auf die Tagesordnung der Vereinten Nationen zu setzen, nämlich die Räumung der illegalen Siedlungen, die Anerkennung Palästinas als ungeteiltes Land und gemeinsamer Staat für alle seine Einwohner, die Unterstützung Palästinas von allen zivilisierten Ländern, die Verschrottung sämtlicher Atomwaffen und anderer Massenvernichtungswaffen in der Region, über die Israel verfügt.

Ausschluss Israels aus den Vereinten Nationen auf die Tagesordnung

Der Ausschluss Israels aus den Vereinten Nationen ist auch auf die Tagesordnung zu setzen, da Israel darauf beharrt, gegen das Völkerrecht zu verstoßen, wie der neue israelische UN-Botschafter, Gilat Erdan, unverschämt bekräftigte. Evelyn Hecht-Galinski klagt ihn an als "gefährlichster Scharfmacher, der ganz frech 2018 Israel aufforderte, die Zeit, in der Trump an der Macht ist, zu nutzen, um die Siedlungen im Westjordanland zu annektieren und 'unser biblisches Recht auf das Land' zum Ausdruck zu bringen. Als künftiger Botschafter bei der UNO machte er auch deutlich, dass er das Völkerrecht und die Weltmeinung nicht respektiert mit den Worten: 'Wir sagen der Welt, dass es keine Rolle spielt, was die Nationen der Welt sagen'."

Nur Völkerrecht bei den Vereinten Nationen, kein biblisches Recht

Der UN-Generalsekretär Antonio Guterres ist herausgefordert, die Ehre und Würde der Vereinten Nationen zu retten und diesen unverschämten israelischen Auftritt scharf zurückzuweisen. Wären die Mitglieder des Sicherheitsrates vom Völkerrechtsbewusstsein geprägt und gründlich davon überzeugt, wäre der UN-Rat an der Reihe, dieses absonderliche Subjekt zurückzuweisen. Ansonsten ist die UN-Vollversammlung bestimmt, ein solches sittenloses und verachtenswertes Individuum heraus zu komplimentieren, weil es bei der Weltstaatengemeinschaft rein gar nichts zu suchen hat. Biblisches Recht ist lediglich in einer Synagoge anzusprechen oder in einem christlichen Kloster. Bei den Vereinten Nationen gilt nur das Völkerrecht, das er ignoriert und nicht respektieren will. Also ist sein Platz nicht bei den Vereinten Nationen. Allerdings wagt diese abscheulich impertinente Person seine unerträgliche Frechheit gegen die Weltstaatengemeinschaft zu richten, weil er hinter sich den größten Gangster der Welt weiß.

Arabische Union fördern

Es sollte Vorrang haben, die Arabische Union zu fördern. Eine Arabische Union wäre in der Lage, Israel, das westliche Bollwerk im Nahen Osten, wirksam in seine Schranken zu weisen.

Winston Churchill 1922: Staat mit Regierung mit Vorherrschaft der arabischen bzw. palästinensichen Mehrheit

Die damalige begründete britische Perspektive bzw. das Churchill-White-Paper 1922, einen unabhängigen bi-nationalen arabisch-jüdischen Staat mit Vorherrschaft der damaligen Mehrheit, nämlich der Araber, an der Regierung beweist, dass es keine Zustimmung für Israels staatliches Gebilde gab. Churchill hatte eher die Vorstellung eines Staates für beide Völker unter arabischer Regierung, weil sie die Mehrheit der Einheimischen Araber bzw. die Palästinenser bildeten.

Kein „legaler Anspruch“ der Juden auf Palästina

London war von Anfang an gegen die Gründung eines jüdischen Staates in Palästina. Vor allem Winston Churchill, damals Großbritanniens Kolonial-Sekretär, war sich im Klaren, dass jeder Keim eines möglichen Problems von Anfang an zu vermeiden war. Deshalb wollte er vom angeblichen „legalen Anspruch“ der Juden auf Palästina nichts wissen und sorgte dafür, diesen Wortlaut zu streichen.

Staat Israel auf Basis des Zionismus und Unrechts in Europa zustandegekommen


Der ehemalige US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum, äußerte sich völlig zutreffend, als er sagte, der Staat Israel komme „auf der Basis des Zionismus und aus dem Unrecht unserer Länder“ zustande. (BR-Fernsehsendung „Münchner Runde“, 16.5.2018)

In der Sache Israel müssen Recht und Unrecht angesprochen werden, ohne Vorurteile, von Anfang Israels an. Evelyn Hecht-Galinski bezeichnet diesbezüglich Antizionismus als demokratische Überzeugung und die jüdische Soziologin Judith Butler warnt vor den zionistischen Kolonialisten, wie Evelyn Hecht-Galinski informiert: "Ebenso, wie man sich gegen die hegemoniale Kontrolle des Judentums durch den Zionismus wehren muss, muss man sich auch gegen die koloniale Unterdrückung wehren, die der Zionismus dem palästinensischen Volk gebracht hat." Hecht-Galinski weiter: "Die 'Demontage des politischen Zionismus' wird so die Voraussetzung für Koexistenz. Eine neue postzionistische Ethik könnte die Grundlage für eine Zeit nach der Besetzung bilden – als besetzt gilt für Butler ganz Israel, da sie bereits die Staatsgründung für unrechtmäßig hält." („Existenzrecht für ein freies Palästina“ von E. Hecht-Galinski) Also eine zivilisierte Nahost-Außenpolitik und die Weltstaatengemeinschaft sollten sich gegen die hegemoniale Kontrolle des Judentums durch den Zionismus wehren und den politischen Zionismus demontieren.

Ausbleibende Kritik in den Medien an Israel

Das aktuelle propagandistisch vergiftete mediale Klima in Deutschland hinsichtlich Israel und Palästina wird im Kommentar von Andreas Friedrich (23.7.2020) entlarvt und angeprangert. Es schreibt: "Seitdem der jüdische Staat aufgrund dessen 'Annexionspläne' ... in der Kritik steht, kommen nicht nur die Unterstützer der Palästinenser mehr und mehr in den Focus derjenigen, die schon immer der zionistischen Lobby nahegestanden haben. Es ist aber mittlerweile auch Palästina selber, was mittlerweile von den Medien offenbar abgelehnt wird, wahrscheinlich auf politischem Druck, um vom eigentlichen Besatzungsproblem abzulenken.… Kritik, die durchaus berechtigt wäre, blieb bislang aus.… Die Frage, was die Politik des Landraubs, Siedlungsbau, Zerstörung von Ländereien der Palästinenser und die Pläne der Annexion seitens des jüdischen Staates für die Palästinenser bewirkt, scheint sich dagegen nicht zu stellen, stattdessen erfolgt wieder mal ein Frontalangriff u.a. mit der Antisemitismuskeule."

Zukunft

Die Verhältnisse im Nahen Osten sind stark im Umbruch begriffen. Die Lage kann sich schneller ändern als gedacht. Die USA werden sich zukünftig weit weniger einbringen können, weil sie zunehmend mit innenpolitischen Problemen beschäftigt sein werden und der Nahe Osten an geopolitischer Wichtigkeit verliert. Öl und Erdgas sind nicht mehr lange die entscheidenden Quellen der Energieversorgung. Der Petrodollar als Quasi-Ersatz für die frühere Golddeckung des US-Dollars ist ohne Zukunft. Die Israelis werden sich mit allen seinen direkten und indirekten Nachbarn auf friedliche und völkerrechtmäßige Weise verständigen müssen. Dazu gehört die Erfüllung aller internationalen Verpflichtungen, wie sie in UN-Resolutionen bestimmt sind, und die Anerkennung eines Staates Palästina. Letztendlich kann Israel genauso als Staat verschwinden wie er geschaffen wurde. Das entspricht einem Rechtsgrundsatz.


Verfasst am 25.7.2020

Luz María de Stéfano Zuloaga de Lenkait ist chilenische Rechtsanwältin und Diplomatin (a.D.). Sie war tätig im Außenministerium und wurde unter der Militärdiktatur aus dem Auswärtigen Dienst entlassen. In Deutschland hat sie sich öffentlich engagiert für den friedlichen Übergang der chilenischen Militärdiktatur zum freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat, u.a. mit Erstellen von Gutachten für Mitglieder des Deutschen Bundestages und Pressearbeit, die Einheit beider deutschen Staaten als ein Akt der Souveränität in Selbstbestimmung der beiden UN-Mitglieder frei von fremden Truppen und Militärbündnissen, einen respektvollen rechtmäßigen Umgang mit dem vormaligen Staatsoberhaupt der Deutschen Demokratischen Republik Erich Honecker im vereinten Deutschland, für die deutsche Friedensbewegung, für bessere Kenntnis des Völkerrechts und seine Einhaltung, vor allem bei Politikern, ihren Mitarbeitern und in Redaktionen. Publikationen von ihr sind in chilenischen Tageszeitungen erschienen (El Mercurio, La Epoca), im südamerikanischen Magazin “Perfiles Liberales”, und im Internet, u.a. bei Attac, Portal Amerika 21, Palästina-Portal. Einige ihrer Gutachten (so zum Irak-Krieg 1991) befinden sich in der Bibliothek des Deutschen Bundestages.


Online-Flyer Nr. 750  vom 30.07.2020



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