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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Globales
Gleichberechtigung aller Staaten ohne Ansehen der Staatsform
Friedenssicherheitsprojekt für Europa endlich angehen
Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait

Die Sowjetunion war von Anfang Mitglied der Vereinten Nationen, und zwar als Gründungsmitglied. Sie war gleichberechtigter Staat in der weiterhin in Kraft befindlichen Weltordnung genauso wie die USA, Großbritannien und Frankreich. Beide deutsche Staaten, die Bundesrepublik Deutschland (BRD) und die Deutsche Demokratische Republik (DDR) treten später und gleichzeitig in die Vereinten Nationen ein. Beide am selben Tag (18.9.1973). Die verschiedenen Staatsformen beider deutscher Staaten, ihr unterschiedliches ökonomisch-soziales und politisches System waren kein Hindernis für die Anerkennung beider Republiken auf der Basis der Gleichberechtigung und ihre Aufnahme als Mitgliedsstaat in die Vereinten Nationen.

Frühe Gelegenheit zur deutschen Einheit wegen Adenauer-Regierung versäumt

Aber Deutschland hätte sich schon vorher als einziger Staat konstituieren können. Schon anfangs im Kalten Krieg erhielt die Adenauer-Regierung mit der Stalin-Note 1952 die Chance, ja, die Gelegenheit, sich von der US-Herrschaft zu befreien und die Einheit Deutschlands mit allen damaligen deutschen Territorien zu verwirklichen. Allein eine dumme antisozialistische Haltung, die seit der wilhelminischen Ära überliefert war und sich im Nazi-faschistischen Deutschland noch verstärkte, hat die Adenauer-Regierung geistig blockiert und daran gehindert, die Stalin-Note zu prüfen. Die deutsche Regierung sah sich außerstande, das essentielle Attribut der Souveränität ihres Volkes anzuwenden.

    Die außenpolitische Bilanz der Adenauer Ära - ganz im Gegenteil zum allgemeinen Urteil - fällt problematisch aus. Am Ende seiner Regierungszeit, seit 1958/1959 kommen zunehmende Spannungen und Entfremdungen zur amerikanischen Führungsmacht auf. In einer sich wandelnden Welt und speziell auf die Kennedy-Administration wirkte der Kanzler wie ein Petrefakt (ein versteinerter Mann) vergangener Zeiten. ... viel eher schien dies den Bankrott seiner europäischen Integration zu verdeutlichen... Die sechziger Jahre sind eine Zeit der Stagnation, die zeigen, wie langsam sich politische Wandlungen in Deutschland vollziehen. Sie sind Jahre der Stagnation, der Bemühungen, durch die Hallstein-Doktrin die Anerkennung der DDR zu verhindern. Da in Westdeutschland keine Verstaatlichung von Produktionsmitteln durchgeführt wurde, erscheint die Entstehung der Bundesrepublik als Wiederherstellung der wirtschaftlichen und politischen Macht der „Monopolbourgeoisie“.

    (Aus dem Buch von Eckard Jesse: Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische Republik)

Gemeint ist der einflussreichste, reaktionärste, aggressivste Teil der politischen Klasse, die, gestützt auf die Macht der Monopole, die Wirtschaft und die Politik neoliberaler Regierungen zugunsten ihrer Profitinteressen lenkt und beherrscht. Demokratische Prinzipien einzuschärfen, anzuerziehen und Strukturen zu errichten war sicherlich eine selbstverständliche Notwendigkeit nach der faschistischen Nazi-Herrschaft, eine Notwendigkeit, die heutzutage immer noch eine allgemeine Forderung ist. Eckard Jesse weiter:

    Die Gründung der Bundesrepublik markierte die deutsche Teilung 1949. Damit wurde der erste deutsche Teilstaat gegründet, dem dann einige Monate später der zweite folgte. Die Gründer hatten sicher nicht an die Zementierung der Teilung gedacht, als sie 1949 die Bundesrepublik konstituierten. Mit dem Weststaat entstand der Separatismus, ohne Rücksicht auf Verluste, ohne Rücksicht auf das höhere Ziel der nationalen Einheit. Im Westen hatte nicht nur die CDU auf die Gründung der Bundesrepublik hingearbeitet, sondern auch die SPD.

    In ihrer dreißigjährigen Geschichte hat die DDR die Herrschaft der kommunistischen Partei, der SED, ausgebaut, andererseits auch zahlreiche Reformen durchgeführt. Manche dieser Reformen trugen durchaus einen fortschrittlichen Charakter. Soziale Errungenschaften (etwa im Bildungs- oder Gesundheitswesen) zeigten Ansätze einer solidarischen Gesellschaft.

    John F. Kennedy war der erste, der die Realität zweier deutschen Staaten, nämlich die deutsche Frage nicht als Konflikt für seine Deutschlandpolitik betrachtet. Im Schlagschatten der Berlin- und Kuba-Krise galt es vor allem, pragmatisch Supermachtskonfrontation zu verhindern und das „Gleichgewicht des Schreckens“ durch Rüstungskontrolle zu stabilisieren.

Der US-Präsident John F. Kennedy selbst erkannte richtig, dass Moskaus Sicherheitsinteressen zu beachten waren. In der Tat betonte der US-Präsident John F. Kennedy dieses unentbehrliche Gebot der praktischen Vernunft in seiner Rede vor der American University am 10. Juni 1963, indem er die Strategy of Peace (Friedensstrategie) ankündigte wegen der Erkenntnis, „alles, was wir aufgebaut haben, … würde in den ersten 24 Stunden zerstört werden“.

Kuba-Krise und Rüstungskontrollvereinbarung zwischen Washington und Moskau

Schon im Herbst 1962 wusste Kennedy, das US-Militär, sein Oberbefehlshaber zu stoppen, die darauf bestanden, die Kuba-Krise militärisch eskalieren zu lassen bis hin zum Einsatz von Atomwaffen gegen die Sowjetunion. Kennedy konnte die Kriegstreiber seiner Umgebung ausbremsen, indem er mit dem Kreml verhandelte und am 28. Oktober 1962 mit dem sowjetischen Staatsoberhaupt Nikita Sergejewitsch Chruschtschow den Abzug der gegeneinander gerichteten Mittelstreckenraketen vereinbarte: Rüstungskontrolle zur Verhinderung des Atomkriegs!

Für diese erste Rüstungskontrollvereinbarung zwischen Washington und Moskau entschied sich John F. Kennedy 1962 – entgegen dem schlimmen irrationalen Rat seiner meisten Berater und des Pentagon, mit Ausnahme des Verteidigungsministers Robert McNamara. Danach wurden die sowjetischen Atomraketen aus Kuba sowie die US-amerikanischen Atomraketen aus der Türkei und Italien abgezogen.

Kennedy: Einvernehmliche russisch-amerikanische Verachtung von Krieg


Einige Auszüge aus der aufgeklärten Rede vom Präsidenten John F. Kennedys vor der American University, Washington, D.C. am 10. Juni 1963 offenkundigen seine Friedensstrategie:

    Welche Art Frieden streben wir an? Es geht hier nicht um eine Pax Americana, die der Welt durch amerikanische Kriegswaffen aufgezwungen wird. … Ich spreche von echtem Frieden, von der Art Frieden, die das Leben auf der Erde lebenswert macht, ….Totaler Krieg ist in einem Zeitalter sinnlos, in dem Großmächte viele und relativ unbezwingbare Atomwaffen unterhalten können und sich weigern, ohne Einsatz dieser Waffen zu kapitulieren. Er ist sinnlos in einem Zeitalter, in dem die Explosion einer einzigen Atomwaffe nahezu zehnmal so stark ausfällt wie die Waffen aller alliierten Luftstreitkräfte des Zweiten Weltkriegs zusammen. …

    Unter all den Charakteristika, die die Menschen unserer beiden Länder (Russland und die USA) gemeinsam haben, ist keines so stark wie unsere einvernehmliche Verachtung von Krieg. Wir haben noch nie gegeneinander Krieg geführt, was unter den wichtigsten Weltmächten fast einzigartig ist. Und in der Kriegsgeschichte hat noch nie eine Nation dermaßen viel Leid ertragen müssen wie die Sowjetunion im Laufe des Zweiten Weltkriegs. …

    Sollte heutzutage noch einmal ein totaler Krieg ausbrechen, egal wie, dann wären unsere beiden Länder die Hauptangriffsziele. … Alles, was wir aufgebaut haben, alles, wofür wir gearbeitet haben, würde in den ersten 24 Stunden zerstört werden. …

    Kurzum, sowohl die Vereinigten Staaten und ihre Alliierten als auch die Sowjetunion und ihre Alliierten haben ein tiefes, auf Gegenseitigkeit beruhendes Interesse daran, dass ein gerechter und ehrlicher Frieden herrscht und dem Wettrüsten Einhalt geboten wird.

Diese Rede hätte das Ende des Kalten Kriegs markiert, wäre Präsident Kennedy nicht ermordet worden.
 
Nach der Kuba-Krise erkannte Robert Kennedy, wie verheerend die militärische Einschüchterung, Druck und Drohung weltweit ist, denn sie führt zur Eskalation der Lage, bis zur vernichtenden Konfrontation. Der Kuba-Krise im Oktober 1962, die 13 Tage dauerte, folgte eine Neuordnung der internationalen Beziehungen. Beide Supermächte kamen während dieser Krise einer direkten militärischen Konfrontation so nahe wie nie zuvor. Einer breiten Öffentlichkeit wurden dadurch erstmals die ungeheuren Gefahren eines möglichen Atomkrieges bewusst. Robert Kennedy hatte diese klare Erkenntnis: "Das ist die Aufgabe unserer Generation: Amerika zu verändern. Die atlantische Gemeinschaft ist auch zu verändern. Für den Frieden", d.h. im Sinne des Mandats der UN-Charta. Trotzdem haben die NATO-Mächte keine folgerichtigen Korrekturen vorgenommen.

Friedens- und Sicherheitssystem für Europa ohne US-Herrschaftsinstrument NATO


Nachdem die staatliche Einheit Deutschlands 1991 mit großem Last und Defizite erreicht wurde, hatte die Regierung Kohl/Genscher die Chance, die Integration Europas voran zu bringen. Beide deutsche Staatsmänner verstanden, dass ein Friedens- und Sicherheitssystem für Europa ohne die NATO als US-Herrschaftsinstrument zu errichten war, und zwar gemeinsam mit Russland.

Selbstbestimmung für Europa

Anständig und konsequent wäre der sofortige Austritt aus diesem aggressiven US-Bündnis. Diesen Schritt endlich zu tun, würde den Weg frei machen zur Unabhängigkeit und Selbstbestimmung für Europa, den Weg zur Erneuerung der hiesigen Verhältnisse, ein vollständiges Heraus aus der Besatzungswelt der Nachkriegszeit, aus der fremdbestimmten Pseudo-Union Europas, aus dem europäischen US-Vasallen-Dasein. Freiheit, den europäischen Interessen nachzugehen ohne US-Einmischung, -Bevormundung, -Erpressung und -Propaganda, Emanzipation für Fortschritt und Sicherheit von Lissabon bis Wladiwostok, das muss das offen ausgesprochene Ziel sein!

Souveränität ausüben

Die Bundesrepublik hat bis heute die Ausübung der Souveränität des deutschen Volkes selbst aufgegeben. Was hindert sie jetzt nach der Wende 1991, also nach fast dreißig Jahren, daran, das Friedenssicherheitsprojekt endlich anzugehen? Es ist ein Projekt, das seit der Kohl/Genscher-Regierung fertig in den Schubladen des Auswärtigen Amtes liegt, als Dr. Frank Elbe dort Leiter des Planungsstabes war.


Verfasst am 17.9.2020

Luz María de Stéfano Zuloaga de Lenkait ist chilenische Rechtsanwältin und Diplomatin (a.D.). Sie war tätig im Außenministerium und wurde unter der Militärdiktatur aus dem Auswärtigen Dienst entlassen. In Deutschland hat sie sich öffentlich engagiert für den friedlichen Übergang der chilenischen Militärdiktatur zum freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat, u.a. mit Erstellen von Gutachten für Mitglieder des Deutschen Bundestages und Pressearbeit, die Einheit beider deutschen Staaten als ein Akt der Souveränität in Selbstbestimmung der beiden UN-Mitglieder frei von fremden Truppen und Militärbündnissen, einen respektvollen rechtmäßigen Umgang mit dem vormaligen Staatsoberhaupt der Deutschen Demokratischen Republik Erich Honecker im vereinten Deutschland, für die deutsche Friedensbewegung, für bessere Kenntnis des Völkerrechts und seine Einhaltung, vor allem bei Politikern, ihren Mitarbeitern und in Redaktionen. Publikationen von ihr sind in chilenischen Tageszeitungen erschienen (El Mercurio, La Epoca), im südamerikanischen Magazin “Perfiles Liberales”, und im Internet, u.a. bei Attac, Portal Amerika 21, Palästina-Portal. Einige ihrer Gutachten (so zum Irak-Krieg 1991) befinden sich in der Bibliothek des Deutschen Bundestages.


Online-Flyer Nr. 754  vom 30.09.2020



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