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Globales
US-Luftangriff auf Syrien:
Biden setzt Obamas Kriegspolitik fort
Von Wolfgang Effenberger

Gerade mal einen Monat im Amt, befiehlt Joe Biden schon einen Luftangriff auf Syrien und bezeichnet diesen Angriff auf angeblich vom Iran unterstützte Milizionäre als Warnung an den Iran. Bidens Erklärung dafür stammt aus der Mottenkiste unzähliger völkerrechtswidriger Angriffe: Er habe bei Bedrohung das Recht, „zu einem von ihm gewählten Zeitpunkt und nach eigenem Ermessen aktiv zu werden." (1) Die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Jennifer „Jen“ Psaki nannte den Angriff eine "unmissverständliche Botschaft", dass der US-Präsident "handeln wird, um die Amerikaner zu beschützen". Mit der Fratze des Krieges kommt auch die Kriegspropaganda zurück.

Die umstrittene "Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte"

Die seit 2013 aktive "Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte" (Syrian Observatory for Human Rights; SOHR) – von der man in den letzten Jahren kaum noch etwas gehört hat – erscheint schlagartig wieder auf der Bildfläche und berichtet von 22 Toten. (2) Wer oder was verbirgt sich hinter dem wohlklingenden Namen? Ihr Gründer, der syrischstämmige sunnitische Muslim Osama Suleiman (Pseudonym Rami Abdul Rahman), 53, ein Änderungsschneider, ist vor 24 Jahren vor Assad aus Syrien geflohen und steht auf der Seite der Rebellen. Er arbeitet von einem Reihenhaus in Coventry aus und unterhält nach eigenen Angaben an die 200 Handykontakte. (3) Auf dem Höhepunkt des Syrienkrieges war die Beobachtungsstelle in den deutschen Medien nahezu täglich als "Quelle der Wahrheit" (4) präsent – tatsächlich handelt es sich nach wie vor um eine Propagandaagentur gegen die syrische Regierung.

Kritik aus aller Welt

Auf Bidens Luftangriff wurde aus Teheran, Damaskus und Moskau mit scharfer Kritik geantwortet. Das iranische Außenministerium verurteilte den US-Angriff als "illegale Aggression" sowie als Verletzung der Menschenrechte und des Völkerrechts; Syriens Regierung sah in der "feigen amerikanischen Aggression" ein "schlechtes Vorzeichen der Politik der neuen US-Regierung". Das russische Außenministerium kritisierte die Angriffe "auf das Schärfste" und rief die Regierung in Washington dazu auf, Syriens territoriale Integrität zu respektieren. (5) Laut Außenminister Sergei Lavrov wurde das russische Militär erst fünf Minuten vor den US-Schlägen gewarnt. Da befand sich die US-Luftwaffe bereits auf dem Zielanflug. Nach seiner Einschätzung haben die USA weder die Absicht, Syrien zu verlassen, noch Interesse an einem Frieden in Syrien. Das Land solle offensichtlich "zerbrochen" werden. (6)

Sogar UN-Generalsekretär Antonio Guterres zeigte sich angesichts der volatilen Lage besorgt und forderte alle Konfliktparteien zur Zurückhaltung auf. Überraschend ist die Kritik aus dem US-Kongress. Mehrere Demokraten äußerten ihren Unmut darüber, in die Entscheidung Bidens nicht einbezogen worden zu sein. „Eine offensive Militärhandlung ohne Zustimmung des Kongresses ist nicht verfassungsgemäß, es sei denn, es gibt außergewöhnliche Umstände“ (7), kritisierten die demokratischen Senatoren Tim Kaine und Chris Murphy. Und die Juristin Mary Ellen O'Connell von der Universität Notre Dame ging noch weiter. Sie warf der US-Regierung vor, gegen die Charta der Vereinten Nationen verstoßen und damit das Völkerrecht verletzt zu haben. Danach sei der Einsatz von Militär auf fremdem Territorium nur als Reaktion auf einen bewaffneten Angriff erlaubt, für den der betreffende Staat verantwortlich war. Das treffe für den Luftangriff in Syrien aber nicht zu. (8) In seinen verschiedenen Beiträgen hat der Autor eindringlich darauf hingewiesen, dass Biden die aggressive Politik Obamas fortsetzen wird. (9)

Die Kriegsgefahr steht im Raum

Zwei Tage vor Bidens Angriff auf Syrien bezeichnete der designierte CIA-Chef William Burns bei der Anhörung im Senat China als gewaltigen autoritären Feind mit boshaften Absichten. Die nationale Sicherheit der USA erfordere es, Chinas räuberischer Führung entgegenzutreten. (10)

Das ist alles nicht neu! Die US-Außenpolitik steuert unter Biden auf die schon von Obama eingeleitete Konfrontation mit China und Russland hin. Sie Außenpolitik scheint also nur eine Neuauflage der US-Politik aus dem Herbst 2014 zu sein: Unter Barack Obama, Hillary Clinton und Joe Biden wurde damals mit dem Langzeitstragiepapier "TRADOC 525-3-1 Win in a Complex World 2020-2040" eine unverhohlene Drohung in Richtung Russland und China formuliert (11).

Am 4. Dezember 2014 wurde dann im US-Kongress mit überwältigender Mehrheit (nur 10 Gegenstimmen) die Resolution H. Res. 758 angenommen. Noch am gleichen Tag nahm die Kongresslegende Ron Paul auf seiner Homepage mit dem Artikel "Reckless Congress 'Declares War' on Russia" dazu Stellung: „Heute wurde im US-Repräsentantenhaus meiner Meinung nach eines der übelsten Gesetze verabschiedet“. (12)

Mit H. Res. 758 wurde eine Resolution vorgelegt, die, so wörtlich, "das Vorgehen der russischen Föderation unter Präsident Wladimir Putin als eine Politik der Aggression gegen Nachbarstaaten mit dem Ziel der politischen und wirtschaftlichen Dominanz scharf verurteilt." (13) Der Vorbemerkung folgt ein umfangreiches Sündenregister Russlands. Gebetsmühlenartig wird die Russische Föderation u.a. beschuldigt,
  • in die Ukraine einmarschiert zu sein und deren Souveränität verletzt zu haben,
  • 2008 in Georgien einmarschiert zu sein,
  • an Syrien Waffen verkauft zu haben, etc.
Dem aus Halbwahrheiten und dreisten Lügen bestehenden Sündenregister folgen 22 Forderungen, die den Kongress und den Präsidenten zu Handlungen zwingen sollen. So soll der Präsident unter anderem
  • „auf die US-Verbündeten und Partner in Europa und die anderen Staaten der Welt hinwirken, gezielte Sanktionen gegen die Russische Föderation und ihre Führung zu verhängen, sowie den Abzug der russischen Truppen samt ihrer Ausrüstung von ukrainischem Territorium durchsetzen,
  • in Abstimmung mit dem Kongress den Zustand und die Einsatzbereitschaft der US-Streitkräfte und der Streitkräfte der anderen NATO-Staaten überprüfen sowie die aus der Beistandsklausel (Art. 5) erwachsene Verpflichtung zur kollektiven Verteidigung ernst nehmen und dafür Sorge tragen, dass eventuelle Mängel abgestellt werden.“ (14)
Angesichts der fragilen Lage in der Ukraine, in Syrien und im Chinesischen Meer können schnell Kriegsvorwände aus dem Hut gezaubert werden – erinnert sei an den Vietnam (Tonking-Vorfall) oder an den Irak (die angeblichen Massenvernichtungswaffen). Die Situation ist bereits angespannt genug – nun könnte ein drittes Mal – nach Wilson und Franklin D. Roosevelt – ein Demokrat einen Weltkrieg lostreten. Das würde eine weltweite Katastrophe bedeuten: Kriege lösen keine Probleme! Sie schaffen auf der einen Seite unendliches Leid, Zerstörung und Chaos, während auf der anderen Seite ein kleiner Kreis von Mächtigen im Hintergrund, die sich unangreifbar wähnen, davon profitiert und noch mehr Einfluss gewinnt.


Fussnoten:

1) Luftschlag auf Ziele in Syrien - Biden: US-Luftangriff war Warnung an den Iran vom 27.2.2021 unter https://www.zdf.de/nachrichten/politik/usa-biden-luftschlag-syrien-iran-100.html
2) Syrien: Biden verärgert eigene Parteimitglieder mit Luftangriffen in Syrienvom 27.2.2020 unter https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-02/syrienkrieg-luftschlaege-usa-biden-kritik-demokraten?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F
3) Neil MacFarquhar: A Very Busy Man Behind the Syrian Civil War’s Casualty Count vom 9. April 2013 https://www.nytimes.com/2013/04/10/world/middleeast/the-man-behind-the-casualty-figures-in-syria.html?pagewanted=all&_r=0
4) Deutschland im Krieg unter https://kenfm.de/deutschland-im-krieg/
aufgerufen 1.3.2021
5) Guterres ruft zu Zurückhaltung auf vom 27.2.2021 https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/biden-luftschlag-usa-syrien-103.html
6) Kornelia Kirchweger: Inakzeptable Willkür: Heftige Kritik an Bidens Luftangriff in Syrien https://www.wochenblick.at/inakzeptable-willkuer-heftige-kritik-an-bidens-luftangriff-in-syrien/
7)Kritik von Demokraten an Luftgangriff in Syrien vom 27.2.2021 unter
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/usa-biden-luftschlag-syrien-iran-100.html
8) Ebenda
9)Joe Biden – Ein Wolf im Schafspelz?  Essay von Wolfgang Effenberger vom 30. November 2020 unter https://www.futura99phoenix.de/joe-biden/ sowie Trump geht – Biden kommt: Grund zur Hoffnung auf eine friedlichere Welt?
17.1.2021 https://kenfm.de/trump-geht-biden-kommt-grund-zur-hoffnung-auf-eine-friedlichere-welt/
10) Künftiger CIA-Chef sieht KP China als „Autoritärer Feind“ https://www.youtube.com/watch?v=4CpdVNgpDF0
11) The U.S. Army Operating Concept: Win in a Complex World: 2020-2040 TRADOC Pamphlet 525-3-1 vom 7. Oktober 2014 (Englisch) Taschenbuch – 25. September 2019
12)http://www.ronpaulinstitute.org/archives/featured-articles/2014/december/04/reckless-congress-declares-war-on-russia/ aufgerufen 1.3.2021
13) H.Res.758 - Strongly condemning the actions of the Russian Federation, under President Vladimir Putin, which has carried out a policy of aggression against neighboring countries aimed at political and economic domination. Unter https://www.congress.gov/bill/113th-congress/house-resolution/758
aufgerufen 1.3.2021
14) Ebenda

Online-Flyer Nr. 763  vom 10.03.2021



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