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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Globales
HIStory
Der Vormarsch des Organisierten Verbrechens in die Weltpolitik
Von Hermann Ploppa

In unserer heutigen Folge von HIStory befassen wir uns mit dem Vormarsch des Organisierten Verbrechens auf der weltweiten Bühne. Die Zerstörung zivilisatorischer Standards, die nicht mehr zu übersehende Explosion der Korruption in allen Bereichen der Gesellschaft; das vollständige Ignorieren von Recht, Gesetz und Verfassung. Wir sehen es seit der Deklaration der neuen Corona-Welt in verdichteter Form wie durch ein Brennglas. Dieser fast totale Sieg des Organisierten Verbrechens wurde lange Zeit großräumig ignoriert. Jetzt müssen wir uns leider mit dieser Tatsache eingehender auseinandersetzen. Es geht um unser Überleben als Zivilisation. Den Rückfall in eine Steinzeit im High-Tech-Gewand können und wollen wir uns nicht leisten.

Doch zunächst müssen wir die Ursprünge dieser Kriminalisierung unserer Politik genau beleuchten. Am Anfang unserer heutigen Folge soll der Genfer Appell von europäischen Richtern und Staatsanwälten aus den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts stehen:

“Im Schatten des offiziellen Europas versteckt sich ein anderes, ein diskreteres und weniger vorzeigbares Europa. Es ist das Europa der Steuerparadiese, die ohne Barrieren dank des internationalen Kapitals wachsen, ein Europa der Finanzplätze und der Banken, für die das Bankgeheimnis zu oft ein Alibi und einen Schutzschirm darstellt. Dieses Europa der Nummernkonten und der Geldwäscherei wird benutzt, um Geld von Drogen, Terror, Sekten, Korruption und Mafiaaktivitäten in den Wirtschaftskreislauf einzuschleusen. Diese dunklen Umlaufkreise, die von kriminellen Organisationen benutzt werden, entwickeln sich zur gleichen Zeit, in der die internationalen finanziellen Transaktionen explodieren, die Unternehmen ihre Aktivitäten ausbauen oder ihre Hauptsitze über die nationalen Grenzen hinaus verlegen. Gewisse politische Persönlichkeiten und Parteien haben selbst bei bestimmten Gelegenheiten von diesen Umlaufkreisen profitiert. Im Übrigen erweisen sich die politischen Autoritäten aller Länder heute als unfähig, diesem Europa des Schattens klar und effizient entgegenzutreten.” (1)

Klarer kann man die realen Machtverhältnisse in der heutigen Welt kaum noch auf den Punkt bringen. Die Herren, die ihrem Zorn Luft machen, müssen es wissen. Es handelt sich hier um den so genannten Genfer Appell von sieben führenden Richtern und Staatsanwälten aus verschiedenen europäischen Ländern, veröffentlicht im Jahre 1996. Die Presse erwähnte diesen Notruf der Juristen mit keinem Wort. Auch bei Google kann man diesen Appell nur mit größtem detektivischen Geschick finden.

Und auch nur dann, wenn man von der Existenz dieses Appells bereits weiß. Dabei war der spanische Untersuchungsrichter Balthasar Garzon schon Mitte der Neunziger Jahre international bekannt. Er sollte später den chilenischen Horrordiktator Augusto Pinochet mit Haftbefehl verfolgen, und er kümmert sich aktuell um den Wikileaks-Gründer Julian Assange. Weil Garzon so unerschrocken die Mächtigen herausfordert, wurde gegen ihn ein mehrjähriges Berufsverbot verhängt. (2)

Das Elend, das die wackeren Sieben im Genfer Appell für Europa so treffend anprangern, das aber genauso in der ganzen Welt vorherrscht, hat seine Ursprünge in den späten 1960er Jahren aufzuweisen. Durch den Terror des US-amerikanischen

waren integre nationalistische Regierungen in der Dritten Welt gewaltsam gestürzt und durch korrupte Militärregime ersetzt worden. Deswegen erhob der streitbare spanische Richter Garzon auch gegen Henry Kissinger Anklage. Kissinger war der Drahtzieher der Operation Condor: in Lateinamerika wurden reihenweise Horrordiktaturen wie jene des Augusto Pinochet in Chile installiert. Dasselbe traurige Bild ergibt sich für die 1960er und 1970er Jahre für Afrika oder Asien.

Die Folge: abrupt unterbrochene wirtschaftliche und politische Entwicklungen. An die Stelle einer Aufbruchsstimmung nunmehr Angst, Einschüchterung, Lähmung und innere Kündigung. Über die bleierne Duldungsstarre herrschten ab jetzt Militärdiktatoren und kriminelle Banden. Die Regierung mit dem ihr anvertrauten Volksvermögen war für jene Kreise zum Selbstbedienungsladen verkommen. Gelder und andere Vermögenswerte wurden massenhaft außer Landes geschafft. Anstelle demokratischer Abstimmungsprozesse und regelbasierter Konfliktlösung nunmehr der blanke Terror der Waffen, flankiert von strangulierenden Vorschriften des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank. In jener ohne Not verwüsteten Welt sind nur noch die Kirchen und andere religiöse Gemeinschaften, das Militär sowie kriminelle Netzwerke voll funktionsfähig.

Das alleine für sich gesehen ist ja schon schlimm genug. Es gibt aber einen zusätzlichen Brandbeschleuniger, der das Elend noch weiter verschärft. Dieser Brandbeschleuniger sorgte dafür, dass das Organisierte Verbrechen als vierter großer globaler Spieler neben: erstens den Multinationalen Konzernen; zweitens den Nichtregierungsorganisationen wie zum Beispiel der UNO; und drittens schließlich noch an der Seite der geschwächten Nationalstaaten am Runden Tisch der Weltregierung Platz nehmen konnte. Ermöglicht wurde der Eintritt der Al Capones dieser Welt in das Zentrum der Macht durch das so genannte Clearing-System. 1968 hatte die private Citibank den Dienstleister Clearstream gegründet. 1970 folgten konkurrierende Banken mit der Gründung der Clearingfirma CEDEL im biederen Luxemburg.

Die Clearing-Stellen sind sozusagen die „Notariate des Globalkapitals“. Wenn früher Wertgegenstände, sagen wir mal: ein Goldbarren, den Besitzer wechselte, dann musste der Goldbarren mit allerlei Transportaufwand von Verkäufer A zu Käufer B transportiert werden. Wenn beispielsweise die Nazis ihr Gold, das sie den Zentralbanken unterworfener Staaten oder ermordeten jüdischen Mitbürgern geraubt hatten, zum Umschmelzen zur Bank für Internationalen Zahlungsausgleich mit LKWs nach Basel transportierten, war das eher auffällig.

Die Clearing-Stellen dagegen bürgen ganz einfach dafür, dass die Goldbarren in einem bestimmten Safe deponiert sind. Der Besitzer wechselt, aber nicht der Standort des Wertgegenstandes. Auf diese Weise kann jede Art von Wertgegenstand transferiert werden, ob nun teure Gemälde, Aktienpakete, Devisen, wertvolle Teppiche, teure Pferde. Einfach alles. Clearing kümmert sich nicht um die Herkunft oder gar die Legalität der transferierten Werte. Das wird möglich dadurch, dass die Besitzerwechsel nicht in Textform protokolliert werden, sondern in chiffrierten Zahlencodes, deren Bedeutung nur ganz wenige Mitarbeiter in den höheren Rängen der Clearing-Hierarchie kennen. Der untere Sachbearbeiter verschiebt den ganzen Tag nur stumpfsinnig Zahlenkolonnen. Auf diese Weise gibt es kaum Mitwisser oder gar Whistleblower über die getätigten Transaktionen.

Passend zur Einrichtung dieser Clearingstellen sorgte die Gründung des weltweiten Kontoführungssystems SWIFT, das steht für: Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunications, im Jahre 1973 für sichere Pfade, auf denen Kontobewegungen weltweit über 11.000 angeschlossene Banken abgewickelt werden können. Clearing-System und SWIFT sind sozusagen die Entsprechung zur digitalen Informationsrevolution, für die Finanzwelt: alle Transaktionen sind gleich, ungeachtet der qualitativen und quantitativen Unterschiede. Sie sind nur noch anonyme Zahlenkolonnen: in diesem Zahlenbrei sind Einkünfte aus ehrlicher Arbeit nicht mehr zu unterscheiden von Einkünften aus Verbrechen.

Man könnte hier von einer „Digitalisierung des Geldes“ sprechen, denn die sich rasch entwickelnde Computertechnologie beschleunigt jene Transaktionen zusätzlich. Die durch CIA, IWF und Weltbank chaotisierte Weltordnung bietet ein ideales Brutbett für unzählige neue Verbrecherorganisationen, die jetzt durch die Clearingstellen ihre Erträge ganz schnell und unauffällig weltweit äußerst gewinnbringend einsetzen und reinwaschen können. Hinzu kommen jetzt die berüchtigten Steueroasen oder Offshore-Banken, wo diese Erträge steuerbefreit für ihre Besitzer arbeiten können.

All diese Entwicklungen zusammengenommen laugen den Nationalstaat immer weiter aus, so dass wir jetzt jener beklagenswerten Ohnmacht ins Auge schauen müssen, die die tapferen sieben Juristen zu ihrem Notruf im Genfer Appell veranlasst hat.

Und was in den Sechziger und Siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts schleichend vorankam, wurde dann immer offenkundiger. Die Jahre 1979 und 1980 waren nämlich Wendepunkte. Der Politikstil sollte sich von da an radikal ändern. Sowohl in den USA als auch in Großbritannien. Auf dem europäischen Kontinent sollte die Umwälzung allerdings noch ein wenig auf sich warten lassen.

Schluss war mit der Rücksichtnahme auf die Schwachen. Mit der Rücksichtnahme auf einen regelbasierten Umgang miteinander. Mit dem Versuch, nicht mit dem Kopf durch die Wand zu rennen, sondern sich mit seinen Widersachern friedlich zu einem Kompromiss zusammenzuraufen. Vorbei sind auch die Zeiten, in denen besonders verantwortungsbewusste Einzelkämpfer wie Franklin Delano Roosevelt, Dwight David Eisenhower, Charles de Gaulle oder Nikita Chruschtschow einen funktionstüchtigen Staatsapparat nutzen konnten, um uneigennützige Ziele wie Solidarität, Entmilitarisierung, Befreiung von Diktatur oder nationale Souveränität durchzusetzen.

Nach den Nichtregierungsorganisationen und den Multinationalen Konzernen klopfen nun die weltweit vernetzten Verbrecherbanden an die Tür der politischen Macht und fordern mit besonders brutalem Röhren sofortigen Einlass.

Der nichts ahnende Wähler gewährt im Jahre 1980 den Verbrechern den begehrten Einlass. Der glücklos agierende bisherige US-Präsident Jimmy Carter hätte seine Wiederwahl eigentlich durchaus erreichen können. Noch im Spätsommer 1980 liegen Carter und sein Herausforderer Ronald Reagan gleichauf in den Umfragen. Und das obwohl in der US-Botschaft im revolutionären Teheran 55 Geiseln von iranischen Garden gefangen genommen wurden. Und obwohl dann der Versuch durch das amerikanische Militär, die Geiseln zu befreien, kläglich im Wüstensand gescheitert war. Carter und sein Team hatten schon lange heimlich Kontakt mit den Geiselnehmern angebahnt. Und es sah ganz so aus, als sollten die amerikanischen Geiseln noch vor dem Wahltermin im November 1980 gegen ein stattliches Lösegeld freikommen.

Das wäre eine wahre Oktober-Überraschung geworden. October Surprise ist in den USA ein fest stehender Begriff: denn schon frühere Präsidenten hatten im Monat vor der Wahl so manches Mal eine Überraschung aus dem Hut gezaubert und damit die Wahl für sich entschieden. Doch Carter war diese Oktober-Überraschung nicht vergönnt. Die Geiseln kamen trotz großzügiger amerikanischer Offerten nicht frei. Herausforderer Reagan gewann die Wahl mit einem erheblichen Vorsprung von zehn Prozent auf den Amtsinhaber. Und, seltsam, seltsam: am 20. Januar 1981 leistet Ronald Reagan seinen Amtseid als neuer Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika – und fünf Minuten später klingelt das Telefon. Die Geiselnehmer sind am Apparat. Sie verkünden, dass soeben die verbliebenen 52 Geiseln frei sind und sich auf den Weg zum amerikanischen Militärhospital im bundesdeutschen Wiesbaden befinden.

Mochten die iranischen Revolutionsgarden den zackigen neuen Law-and-Order-Präsidenten Ronald Reagan besonders gerne? Wohl nicht. Die Antwort ist ganz banal. Die Leute aus dem Stab des Herausforderers Reagan hatten ihrerseits Kontakt zu den Revolutionswächtern aufgenommen und in einer perversen Auktion mehr Lösegeld geboten als die Carter-Leute. Reagans Wahlkampfchef William Casey hatte sich mehrmals im Sommer 1980 mit den Iranern in Madrid getroffen (3). Die bedauernswerten Geiseln mussten einige Monate länger leiden und bangen, damit Ronald Reagan Präsident werden konnte! Für diese Heldentat belohnt Reagan seinen Schildknappen Casey mit dem Job des Direktors der CIA.

Und nun kommen wir auf die Clearing-Institute zurück. Bei CEDEL in Luxemburg sitzt der drittwichtigste Mann in der Firmenhierarchie, Ernest Backes, am 18. Januar 1981 in seinem Büro und hat einen Sonderauftrag auszuführen. Er soll von zwei privaten Bankhäusern in New York insgesamt sieben Millionen Dollar abheben und diese sodann auf das Konto der Nationalbank von Algerien überweisen. Backes fragt sich, ob das so in Ordnung ist, von fremden Bankhäusern mal eben Millionenbeträge abzubuchen. Doch die New Yorker haben keine Einwände.

Dagegen weigern sich die Algerier zunächst, das Geld anzunehmen. Doch nach einem kurzen Telefonat mit Teheran nehmen sie das Geld gerne entgegen, um es sodann den Revolutionswächtern im Iran zukommen zu lassen (4). Dank der extremen Geheimniskrämerei des Clearing-Systems erfährt die Öffentlichkeit über viele Jahre nichts von den kriminellen Hintergründen der spektakulären – künstlich und arglistig verspäteten – Heimkehr der gequälten amerikanischen Geiseln. Wenn nicht bei CEDEL-Mitarbeiter Backes der Groschen gefallen wäre. Und wenn nicht acht Jahre später eine ausgestiegene Reagan-Mitarbeiterin die ungeheuerliche Verzögerung der Geiselbefreiung in einem Buch ausführlich beschrieben hätte (5).

Wir sehen: seit Reagans Amtsantritt ist das organisierte Verbrechen mit von der Partie. Mögen auch die Tricks von Kissinger und Nixon besonders schmutzig gewesen sein: diese Tricks wurden noch immer von Staatsbediensteten ausgeführt – was sie natürlich um keinen Deut kuscheliger machten. Aber dass eine US-Regierung ihre Macht aufbaut auf die Unterstützung mafiotischer Vereinigungen, das ist neu. Das färbt auch ab auf die Art und Weise, wie Reagan oder auch seine britische Amtskollegin Margaret Thatcher mit zuvor „Sozialpartner“ genannten Bevölkerungsgruppen umgehen. „Rüde“ ist geprahlt. Reagan lässt streikende Fluglotsen von der Polizei in Handschellen abführen und wirft 11.345 Kollegen mal eben auf die Straße. Maggie Thatcher lässt die streikenden Bergarbeiter brutal in der Winterkälte hungern, bis sie zähneklappernd aufgeben.

Brutale Bilder, die bislang unvorstellbar waren. Sowohl Thatcher als auch Reagan streichen radikal Steuern für die Reichen und senken gleichzeitig den Sozialhaushalt, bis dieser nur noch bronchitisch vor sich hin pfeift. Die Rüstung wird erneut in obszöne und durch die allgemeine Weltlage nicht gerechtfertigte Höhen getrieben. In einem Punkt unterscheiden sich Reagan und seine Schwester im Geist Maggie Thatcher allerdings: ersterer treibt die Staatsverschuldung absichtlich in noch nie gekannte Höhen, letztere achtet dagegen immer noch auf einen einigermaßen ausbalancierten Staatshaushalt.

Regierungen mit einer derart verrohten kriminellen Denkweise sind noch zu ganz anderen Handlungen fähig. Der Kontakt zu den offiziell verteufelten iranischen Revolutionswächtern wird von der Regierung Reagan weiterhin eifrig gepflegt. Das Sagen hatte allerdings nicht der altersdemente Ronald Reagan, sondern sein Stellvertreter George Herbert Walker Bush. Der ist als ehemaliger CIA-Chef mit allen Wassern gewaschen. Bush hat sich seinen eigenen Sicherheitsrat zusammengestellt, die Special Situation Group. Bush war der wirkliche Chef, wie ein Insider bekannte: „Um es klar zu sagen: Bush betrieb ein Weißes Haus innerhalb des Weißen Hauses.“ (6)

De facto-Präsident Bush inszeniert eine perverse Dreiecksbeziehung zwischen USA, Nicaragua und dem Iran – was als Iran-Contra-Affäre in die Geschichte eingehen sollte. Es gelingt zunächst einmal der sandinistischen Befreiungsbewegung in Nicaragua im Jahre 1979, den bisherigen ultrakorrupten Diktator Somoza zu vertreiben und sodann eine demokratische Koalitionsregierung zusammenzustellen. Die Regierung Reagan-Bush hält es nicht für ratsam, in Nicaragua mit eigenen Truppen einzumarschieren. Sie gründen eine faschistische Terrormiliz, der sie den Namen „Contras“ verleiht, weil ihr einziger Programmpunkt darin besteht, mit aller Gewalt die Sandinisten auszulöschen.

In einem unbeschreiblich brutalen Abnutzungskrieg wird die junge Demokratie in Nicaragua zermürbt: Vergewaltigungen, Ausstechen von Augen, Abschlagen von Gliedern, Brandschatzung – alles ist drin. Der US-Kongress bewilligt im Dezember 1981 Steuergelder in Höhe von 19 Millionen Dollar für die vom CIA gelenkte Aktion. Doch weitere Gelder soll es nicht geben. Das Boland-Gesetz verbietet die Finanzierung von Terrortruppen in anderen Ländern. Doch schon im Jahre 1983 werden die Hilfsgelder wieder bewilligt, jetzt deklariert als „Hilfe gegen Armut“ in Nicaragua. 1986 hat sogar mal der Internationale Gerichtshof in Den Haag den Mut, die USA für ihren völkerrechtswidrigen Stellvertreterkrieg in Nicaragua zu verurteilen und an das kleine Land einen Schadensersatz von 17 Milliarden Dollar zu zahlen. Die Vollstreckung des Urteils kann nur durch die UNO erwirkt werden. Dort bremsen die USA mit ihrem Veto die Durchsetzung des Urteils aus. Und in einer Trotzreaktion bewilligt der Kongress genau zu dieser Zeit weitere 100 Millionen Dollar für die Contras.

Doch jetzt wird auf einmal durch ein unerwartetes Ereignis deutlich, dass der Terror gegen Nicaragua im Zusammenhang steht mit der weltweit organisierten Kriminalität. Am 5. Oktober 1986 schießen die Sandinisten ein Flugzeug der Contras ab. Der einzige Überlebende mit dem schönen Namen Eugen Hasenfus sagt aus, dass die USA die Terroristen mit Waffen versorgt haben. Und es geht weiter. Am 5. November 1986 berichtet eine libanesische Zeitschrift, dass in einem Dreiecksgeschäft die CIA ausgerechnet der iranischen Regierung eine beträchtliche Anzahl von Panzerabwehrlenkwaffen sowie mobile Flugabwehrsysteme verkauft hatte. Im Gegenzug wollten die Iraner bei der Befreiung von amerikanischen Geiseln aus der Gefangenschaft bei islamistischen Terrorgruppen im Libanon behilflich sein. Dieses Geschäftsmodell hatte sich ja schon einmal bewährt. Aus dem Erlös dieses anscheinend recht profitablen Geschäfts wurden wiederum Waffen für die Contras gekauft. Offenkundig waren die vom Kongress bewilligten Geldspritzen nicht ausreichend gewesen. Zwei Wochen später tauchen Dokumente auf, die genau diese Machenschaften schwarz auf weiß belegen.

Doch auch die Contras waren kreativ: sie verschacherten mehrere Tonnen Kokain mit Hilfe der CIA in die Ballungszentren der Vereinigten Staaten. Durch die Umwandlung von Kokain in die extrem süchtig machende und persönlichkeitsverändernde Giftdroge Crack entstand in den Ghettos mit afroamerikanischen Bewohnern ein massives Problem. Die sowieso schon benachteiligten Black Communities hatten mit ganz neuen Phänomenen des sozialen Zerfalls und grassierender Gewalt zu kämpfen. An solidarische Aktionen war von jetzt ab nicht mehr zu denken. Der Journalist Gary Webb hat das verhängnisvolle Zusammenwirken von Contras, CIA und Polizei 1996 akribisch dokumentiert. Im Jahre 2004 wurde Webb in seiner Wohnung erschossen aufgefunden (7). Dennoch beschäftigten sich mit dieser Komplizenschaft von Teilen des US-Staatsapparates, der verselbständigten CIA, den Contras und den Kokainkartellen von Medellin in Kolumbien Kongressausschüsse. Die CIA musste ihre Mittäterschaft schließlich zugeben (8).

Der seit Jahrzehnten aktive investigative Journalist Seymour Hersh hat herausgefunden, dass die Idee zum Iran-Contra-Deal ursprünglich vom persönlichen Geheimdienst des Vizepräsidenten George Bush, der Special Situation Group, ersonnen wurde. Reagans Stellvertreter hatte tatsächlich an den Geheimdiensten und dem Nationalen Sicherheitsrat vorbei ein extrem geheimes Netzwerk aufgemacht, das immerhin 35 Aktionen im Ausland durchgeführt hatte. Viele Militärs machten hier mit, weil sie frustriert waren über die extreme Dummheit und Faulheit des Präsidenten Reagan und über die Unberechenbarkeit des CIA-Chefs William Casey, den sie für zu geschwätzig hielten. Die extremen Heimlichtuer von Bushs Special Situation Group wollten auf eigene Faust der wahrgenommenen Expansion des sowjetischen Einflusses in der Dritten Welt begegnen. Doch als sie vor Ort den sowjetischen Dämonen persönlich begegnen, können sie kaum glauben, was sie sehen. Denn sie konnten die sowjetischen Berater vor Ort leicht ausboten, wie ein ehemaliger SSG-Agent Seymour Hersh verriet: „Die Russen wurden dort einfach nicht geschätzt. Sie waren Bauerntölpel mit schäbigen Klamotten und Schuhen aus Pappe. Ihre Waffen waren nicht funktionstüchtig … Wir begriffen immer mehr, dass die amerikanische Geheimdienstszene die Bedrohung aus Russland brauchte, um an Geld ranzukommen.“ (9)

Die SSG-Leute hatten selber die Iran-Contra-Geschichte an die libanesische Zeitung Ash-Shiraa geleakt, weil ihr Verbindungsmann Oliver North vollkommen tollpatschig die falschen Leute für eine Kooperation in der Iran-Contra-Geschichte kontaktierte, und so über kurz oder lang die Verschwörung auffliegen würde und George Bush seine Ambitionen auf eine eigene Präsidentschaft hätte begraben müssen. Die SSG wurde jetzt in aller Stille wieder aufgelöst. Die öffentliche Aufmerksamkeit konzentrierte sich jetzt auf Reagan und Oliver North. Bevor CIA-Chef William Casey vor dem Kongress aussagen konnte, stellte sein Militärarzt bei ihm einen Hirntumor fest. Bei der Operation am nächsten Tag beschädigte der Chirurg Caseys Sprachzentrum, so dass Casey nichts mehr zur Aufklärung der Iran-Contra-Affäre beitragen konnte (10). Vizeadmiral Moreau, der Chef von George Bushs Geheimtruppe SSG, wurde nach Übersee versetzt, raus aus dem Washingtoner Trubel, und starb im Dezember 1986, gerade vierundfünfzigjährig, an einem Herzinfarkt.

Ein wichtiges Instrument für die finanziellen Transaktionen all dieser Dirty Jobs der offiziellen und inoffiziellen Geheimdienste war die erste Globalbank aus der Dritten Welt, die 1972 in Pakistan gegründete Bank of Credit and Commerce International. Dass dieses Geldinstitut in der Peripherie der damaligen Finanzwelt kurzfristig zum Global Player aufsteigen konnte, verdankte sie nicht zuletzt den neuen finanziellen Schnellstraßen des Clearing-Systems. Ihr Gründer Agha Hasan Abedi hatte durchaus ehrenwerte Motive: er wollte armen Ländern in der Dritten Welt Kredite ermöglichen, die die arroganten westlichen Bankhäuser niemals gewähren würden. Leider geriet die Bank sehr schnell auf die schiefe Bahn.

Denn Abedi und seine Mitarbeiter spekulierten mit dem angelegten Vermögen der Kunden und verloren dabei immens viel Geld. Sie benutzten frisch angelegtes Geld, um die alten Löcher zu stopfen. Die CIA bekam Wind von der Schieflage und benutzte das Bankhaus, um schmutzige Transaktionen außerhalb der Kontrolle des Washingtoner Kongresses durchführen zu können. 1991 flog der faule Zauber auf und die BCCI wurde liquidiert. Der demokratische Senator John Kerry leitete einen Untersuchungsausschuss, der die Machenschaften der BCCI unter die Lupe nahm (11). Eine heuchlerische Empörung brach aus über das Ausmaß an Geldwäsche, Waffenschmuggel, Steuerhinterziehung, Beeinflussung von Politikern, die sich in diesem pakistanischen Bankhaus zusammenballten; am Ende waren zudem 13 Milliarden Dollar einfach verdampft! Dass ein erklecklicher Teil der Transaktionen der CIA zuzuordnen waren, wollte man lieber nicht zum Thema machen. Wie gut, dass man die eigenen schmutzigen Finanzen in die Dritte Welt ausgegliedert hatte!

Diese Geschichten aus dem Genre der Politkrimis werfen ein wenig schmeichelhaftes Licht auf unsere heutigen Eliten. Nachdem in früheren Zeiten ein funktionstüchtiger Staat und eine gebildete Öffentlichkeit der Kriminalität ihre Grenzen aufzeigen konnten, durchdringt die Organisierte Kriminalität alle Bereiche unseres Lebens: die öffentlichen Sparkassen sind von ihr genauso durchdrungen wie unser Gesundheitswesen. Da diese Zusammenhänge wenig bekannt sind, fällt es logischerweise der Bevölkerung sehr schwer, die kriminellen Strukturen der aktuellen Corona-Kampagne zu erkennen. Und dann zu akzeptieren, dass Kriminalität mittlerweile alle unsere gesellschaftlichen Prozesse durchdringt, das ist schmerzhaft, aber eben auch heilsam.

Wir lernen aus der Vergangenheit, wie wir die Zukunft besser machen.


Fußnoten:

1 Zitiert nach Bundeszentrale für Politische Bildung. Jürgen Roth: Netzwerke des Terrors
http://www.bpb.de/veranstaltungen/dokumentation/130099/netzwerke-des-terrors?p=all
31.10.2002
2  Die Welt, 24.1.2012: Baltasar Garzón – Letztes Opfer der Franco-Diktatur?
https://www.welt.de/politik/ausland/article13831006/Baltasar-Garzon-letztes-Opfer-der-Franco-Diktatur.html
3 The Observer, 19.1.1997, The Secret Price of Terrorism
https://fas.org/irp/news/1997/msg00034e.htm
Gary Sick: October Surprise – America’s Hostages in Iran and the Election of Ronald Reagan. Sick war Mitarbeiter von Jimmy Carter. Beim Amtsübergang zu Reagan saß er im Situation Room im Weißen Haus. 5 Minuten nach Amtseid von Reagan Bescheid aus Iran, dass Geiseln freikommen. Seite 4. William Casey war im Wahlkampf in Madrid, um mit Iranern zu verhandeln.
4 Ernest Backes/ Denis Robert, Das Schweigen des Geldes. Die Clearstream-Affäre. Zürich 2003, S. 39ff
5 Barabara Honegger, October Surprise, New York 1989. Honegger war zu der Zeit im Team von Reagan tätig.
6 John Loftus/ Mark Aarons, The Secret War against the Jews – How Western Espionage betrayed the Jewish people. London 1997. S.409
7 Alfred McCoy, Die CIA und das Heroin – Weltpolitik durch Drogenhandel. Frankfurt/Main 2003. S.631ff
8 a.a.O., S641ff
9 London Review of Books, 24.1.2019, Seymour Hersh: The Vice President’s Men.
https://www.lrb.co.uk/v41/n02/seymour-m-hersh/the-vice-presidents-men
10 Suspicious Deaths, 10.8.2010, William Casey – https://suspiciousdeaths.blogspot.com/2010/08/william-casey.html
11 John Kerry/Hank Brown, The BCCI Affair
https://fas.org/irp/congress/1992_rpt/bcci/


Mit Dank übernommen von apolut.net - dort veröffentlicht am 6. September 2021

Online-Flyer Nr. 776  vom 08.09.2021



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