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Glossen
Das Mittelalter hält Einzug
Mit "Heulen und Zähneknirschen"
Von Mary Ann Christen-Meyer

Die Katze ist aus dem Sack. Das, was seit langem klar ist, aber bisher geleugnet wurde, ist beschlossen: Der Niedriglohn soll offiziell und unbegrenzt in Deutschland Einzug halten.
Osteuropäische Saisonarbeiter sollen nur ganz begrenzt eine Arbeitserlaubnis erhalten; in Zukunft sollen die parasitären Arbeitslosen beim Spargelstechen und Erdbeerernten ran. Die Bauern wird's freuen.

Ganz offiziell fordert auch der frühere Opel-Boss und jetzige Europachef von General Motors, Carl-Peter Forster, von der Politik, den Niedriglohnsektor "attraktiver" zu machen. Auch für wenig Geld zu arbeiten müsse für jeden erstrebenswerter werden, als arbeitslos zu sein.

Was heißt das im Klartext? Arbeitslose werden dazu benutzt, den Sklavenhandel in dieser Republik offiziell einzuführen. Das, was seit langem schon unter der Hand betrieben wird, soll nun erlaubt werden.

In erster Linie wird es Langzeitarbeitslose treffen. Viele von ihnen sind über 50, haben jahrelang in die Sozialkassen eingezahlt, Kinder groß gezogen, dem Staat gegenüber ihre Pflicht erfüllt, sind ihrer Arbeitslosenhilfe beraubt worden und sollen nun zum Dank als Sklaven missbraucht werden.

Gerne wird verbreitet, dass Arbeitslose nur aufgrund ihrer niedrigen Qualifikation von diesem Schicksal ereilt wurden. Lüge! Es gibt inzwischen viele hoch qualifizierte Kräfte, die lediglich aufgrund ihres Alters aussortiert wurden: Ingenieure, Manager, Journalisten, Architekten, Professoren, Wirtschaftswissenschaftler etc. - Menschen, die es gewohnt sind, mit ihrem Kopf zu arbeiten, die gut verdient haben, die viele Jahre in ihre Ausbildung
investiert haben. Die möglicherweise dem Titel "Eliten" eher gerecht werden als jene, die eben diese jetzt auf die Felder jagen wollen.

Kürzlich sah ich einen Bericht im TV, in dem ein Bauer zu Wort kam, der - zum Ärger des Moderators - seine ehrliche Meinung geäußert hat: "Wie kann man uns Menschen schicken, die noch niemals körperlich gearbeitet haben? Wie sollen die diese schwere Arbeit bewältigen? Das ist Dummheit. Die wollen ja, aber sie können nicht!"

Folge des Niedriglohnsektors wird sein, dass erneute Massenentlassungen anstehen, um anschließend Billiglöhner einzustellen. Eine Schraube ohne Ende nimmt ihren Anfang. Massenarmut und Armenghettos werden die Folge sein. Viele Gymnasien können geschlossen werden, weil nur noch einige wenige eine höhere Schulbildung für ihre Kinder finanzieren können. Gähnende Leere in den Universitäten, was für viele Unis das Aus bedeuten wird. Der Weg ist frei für die geforderten privaten Elite-Unis.

Und der Konsum? Der Binnenmarkt? Wird wohl in den Minusbereich abrutschen. Wer soll da noch konsumieren? Viele werden trotz Vollzeitarbeit nicht einmal ihre Kosten bestreiten können, ohne Heizung, Strom und ausreichende Lebensmittel sein. Siehe USA - nimmt dort drastisch zu! Gesunde Ernährung? Sport? Theater? Teilhabe an der Gesellschaft? Nichts von alledem. Medizinische Versorgung, Brillen, Zahnersatz? Unerschwinglich.
Dieses Szenario ist bekannt. Aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Die deutschen "Eliten" greifen tief in die Mottenkiste - obwohl sie die Folgen kennen. Verkaufen es sogar als "Visionen". Es ist ihnen egal - Renditen um 20 und 25 % sind wichtiger. Nach mir die Sintflut - das ist zeitgemäß und "in"!

Das Ganze wird unter dem Deckmäntelchen des "Förderns" verkauft - Schaffung von Arbeitsplätzen für Langzeitarbeitslose. Die Herren Clement, Steinbrück & Co. sollten vor Scham im Boden versinken - diese egomanen "Volksvertreter", die nicht einmal wissen, wie das Wort Verantwortung geschrieben wird!

Roland Koch, seines Zeichens Ministerpräsident von Hessen, hatte ja auch sofort einen Bibelspruch parat: "Heulen und Zähneknirschen" werde es geben. Ob er dabei auch wusste, wie der genaue Text lautet? Vermutlich ja - als bekennender Katholik.

"Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, damit er Überfluss habe.Von dem aber, der nicht hat, wird auch das genommen werden, was er hat.Und den unnützen Knecht werfet hinaus in die äußerste Finsternis. Dort wird das Heulen und Zähneknirschen sein!" (Matthäus - Kapitel 25) Dieser Bibelspruch wird nun umgesetzt. Von ganz oben abgezeichnet. So einfach ist es!

Hier einige der Entlassungen, die schon jetzt beschlossen sind, dazu einige der geplanten:

Telekom 34.000 (weitere 100.000 sind geplant)
Praktiker (nach Börsengang) ca. 8.000
Opel 9.500
VW 10.000 (weitere 30.000 sind geplant)
Mercedes 8.500
Seat 1.350
Ford 1.350
BASF 3.600
Siemens 2.400
Samsung 750
Optik Zeiss 400
Heilcement 220
Lanxess 450
Agfa Foto 700
Norsk Hydro 1.000
Norddt. Landesbank 1.200
Benteler 1.000
Klinik GmbH München 1.000
Bibliotheken Leipzig 165
Handwerk 2006 - 80.000
Das sind also mal locker 85.585 Arbeitsplätze, die gestrichen werden, plus 210.000 geplante Streichungen. Um die aus dem Internet heraus zu suchen, habe ich vielleicht 30 Minuten gebraucht. Wie viele stecken noch darin, von denen die Öffentlichkeit nichts erfährt?
Beim Kölner Gerling Konzern, der demnächst verkauft werden soll, stehen dadurch weitere 6.800 Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Online-Flyer Nr. 17  vom 09.11.2005

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