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Aktueller Online-Flyer vom 01. November 2024  

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Medien
Realos gut – Fundis böse
Die Linkspartei im blinden Medienspiegel
Von Ulrich Gellermann

Früher, als die CDU-CSU noch auf der Jagd nach dem "Rotfunk" war, da wurden die Beiträge der linksverdächtigen öffentlich-rechtlichen Anstalten noch mit der Stoppuhr gezählt. Im Linksverdacht stand insbesondere der WDR, aber auch die ARD mit ihrem TV-Programm war nicht unverdächtig. Also zählte man: Soviel Minuten ins Töpfchen und soundsoviel ins Kröpfchen, um dann den Intendanten die Rechnung zu präsentieren.

Jakob Augstein vertritt in der Gesellschafterversammlung des Spiegel-Verlags den 24-Prozent-Anteil der Familie Augstein
Quelle: wikipedia
 
Heute muss das nicht mehr sein: Viele der Nachrichtensendungen klingen so, als habe der Regierungssprecher sie selbst formuliert, und wer weiß? Wenn damals die Rechnungen präsentiert wurden, konnten die Sender meist beweisen, dass sie längs der parlamentarischen Sitzverteilung auch ihre Sendeminuten verteilten, scheinbar total gerecht. Dieser interessante Brauch ist, spätestens seit es die Linkspartei gibt, verschollen. Man muss sich nur mal die Sitzverteilung der grünen und der linken Partei anschauen: Die GRÜNEN haben nur 68 Sitze, die LINKE verfügt über stattlich 76 Mandate im Deutschen Bundestag. Da wäre es also halbwegs gerecht, wenn die beiden Parteien über annähernd ähnliche Sendeminuten verfügten.
 
Dass dem nicht so ist, dass die kleinere Partei etwa doppelt so viel Sendezeit geschenkt bekommt, weiß eigentlich jeder. Nur denkt der gewöhnliche Medienkonsument längst, dass die GRÜNEN viel größer als die LINKEN seien. Meinen Glückwunsch an die Intendanten: Die letzte echte Oppositionspartei im Parlament fällt hinten runter, das darf man "ausgewogen" nennen. Man hat einfach in den Senderspitzen die Linkspartei lange gewogen und als zu leicht befunden. Pech. Über dieses Pech, über die Sonderbehandlung der Linkspartei in den Medien, hat nun die scharfsinnige Christel Buchinger eine Analyse verfasst, die weit über den LINKE-GRÜNE-Vergleich hinaus der deutschen, politischen Medienlandschaft ein interessantes Zeugnis ausstellt: Einseitig, intellektuell anspruchslos, interessengeleitet.
 
Man sollte annehmen, im schwer zu unterscheidenden Parteien-Brei sei die LINKE journalistisch besonders interessant, wie ferne Ländern in der Reiseberichterstattung ja auch einen interessanteren Platz einnehmen als die wenig exotischen Wanderungen durch die Eifel. Aber nein, stellt Christel Buchinger am Beispiel des "Deutschlandradio Kultur" fest: "Acht bis neun von zehn Meldungen bei Deutschlandradio Kultur, die Partei-Meinungen und Stellungnahmen zu unterschiedlichen Themen beinhalten, lassen - bei vollständiger Nennung der Positionen aller anderen Parteien im Bundestag - konsequent die Meinung der LINKEN weg."
 
Und was bei diesem relativ elitären Medium die Norm ist, das ist bei den populäreren Medien der Alltag. Außer, man kann etwas Abträgliches über die LINKE finden, noch besser erfinden: Dann bekommt sogar die Linkspartei einen Platz in den Blättern. Am Beispiel von Oskar Lafontaine, der schon 1998 von der britischen "Sun" als "gefährlichster Mann Europas" bezeichnet wurde, demonstriert die Autorin den Kampagnencharakter der Berichterstattung. Mal ist es die "taz", die dem linken Spitzenpolitiker "Rechtslastigkeit" vorwirft, dann ist es der "Tagesspiegel", der ihm "verbrannte Erde" unterstellt, assistiert von der "Financial Times", die behauptet, er habe "die Tendenz zu Selbstzerstörung gesät", um dann bei der ach so vornehmen "ZEIT" zu enden, die von Lafontaine behauptet, er wolle "die Eier von Dietmar Bartsch im Glas." Nun wäre es merkwürdig, wenn ein bekannter Politiker nie oder nur selten auf Kritik stossen würde. Aber dass ein Mann, der seine SPD-Minister-Karriere zugunsten einer wirklich linken Alternative aufgegeben hat, im Mainstream ausschließlich Beschimpfung erfährt, sagt mehr über die Mehrheitsmedien aus als über Lafontaine.
 
Damit es aber nicht beim Politischen bleibt, zielt der "Spiegel" auch gern unter die Gürtellinie: "Napoleon und Lady Macbeth" überschreibt die Zeitung einen Artikel, in dem Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine als ein Pärchen düsterer Strippenzieher gezeichnet werden. Der angebliche Informant aus der Linkspartei, so schreibt der "Spiegel", musste für sein Gespräch mit dem Hamburger Blatt eigens "spätabends über die Grenze nach Frankreich fahren, zu tief sitzt die Angst, von Lafontaines Zuträgern gesehen und verpetzt zu werden." Auf die Frage wer denn hinter Lafontaines Parteitagskandidatur stehe, sagt der Spiegel-Informant: "Die Antwort heißt Sahra." Buchinger kommentiert dieses Stück aus einem Mafia-Schauer-Roman mit der trocknen Bemerkung, dass hinter der "Grenze im nahen Frankreich sich mehr Saarländer herumtreiben" als hinter der Grenze der nahegelegenen Pfalz und bescheinigt so den Spiegel-Redakteuren zwar eine blühende Fantasie aber geringe Ortskenntnisse. Dass dem scheinbar linken "Freitag" zu Lafontaine einfällt: "Honecker lässt grüßen", zeigt nur wie weit die Abschreiberei reicht. Bis zum kleinen Augstein.
 
Dass die Mehrheitsmedien auch anders können, beweisen sie gern und immer wieder an Dietmar Bartsch, einem Kontrahenten Lafontaines in der LINKEN, der in der "taz" als "großer, schlanker Junge" gelobt wird, um dann in der "FAZ" weiter aufzusteigen: "Bartsch ist die personifizierte PDS: Diszipliniert, pragmatisch, unsektiererisch." Dass Buchinger fragt, warum denn die "FAZ", Jahre nach dem Ende der PDS, zu deren Sympathisant wird, ist gemein. Denn die Antwort hieße, dass die FAZ das natürlich nie war, neuerdings aber auf dem Instrument: Böse West-Linke, gute Ost-Linke spielt, nachdem das Instrument "alles-Stasi" offenkundig für eine konzertierte Aktion gegen die LINKE nicht mehr taugt.
 
"Im Osten ist sie (die LINKE) die Partei der Einheitsverlierer, die gestalten will. Im Westen die der Radikalgewerkschafter und Sektierer, die sich im Fundamentalwiderstand suhlen", zitiert Christel Buchinger den "Tagesspiegel", und wir alle wissen wer sich suhlt: Die Schweine. Dass die linken Schweine das ausgerechnet im Widerstand gegen Lohndumping und diverse Kriege tun, macht sie besonders verdächtig. Damit der mediale Wechsel von der "Linke-gleich-Stasi-Kampagne" zu "Nur-die-Westlinke-ist-dämonisch" auch wirklich sitzt, darf man in der "Welt" lesen: "Linke Pragmatiker aus dem Osten (...) linke Sektierer aus dem Westen." Dass den Redakteuren dieser Presse-Widergänger aus den 80er Jahren - grüne Realos gut - grüne Fundis böse - nicht langweilig ist, kann mit den GRÜNEN zu tun haben: Die Fundis sind dort weitgehend ausgestorben.
 
Solch vergleichbar filigrane Positionen leistet sich das wahre Leitmedium des vereinigten Deutschland natürlich nicht. Aus der BILD-Zeitung zitiert Christel Buchinger: Am 5.6.2012 titelt Bild: "Zoff geht auch nach Parteitag weiter - Richtet der Krieg zwischen Gysi und Lafo die Linke zugrunde?“ und "Neue Umfrage: Chaos-Partei fällt unter Fünf-Prozent-Hürde“. Damit sind die Wünsche klar artikuliert und die Strategie vorgegeben. Schaut man bei den Lesermeinungen nach, zeigt sich, dass bei den Konsumenten von Bild.de die Zuschreibungen „Chaospartei“, „Lafontaine, der Versager, der noch nichts geschafft hat, der immer flieht“, die „Ewiggestrigen“, die „Überflüssigen“, „Tagträumer“, "verkrachte Existenzen“ usw. fest verankert sind. - Als Zugabe reicht die Autorin noch Kapitel über die "Vierte Gewalt", den Zusammenhang von Wirtschaftsmacht und den Medienkonzernen Bertelsmann und Gruner & Jahr nach, ergänzt um Kapitel über Think-Tanks und die Macht des Lobbyismus.
 
Christel Buchinger ist klug genug neben der fundierten Medienkritik auch die Linkspartei zu kritisieren. Sie biete zuviel Angriffsfläche, insbesondere mit ihren Personalquerelen: "Die Zeit vor dem Parteitag hat gezeigt, wie erfolgreich die Medien die Hässlichkeiten in der innerparteilichen Kultur ausnutzen können", schreibt sie. Und widmet sich einem inhaltlichen Widerspruch in dieser Partei, der nicht nur von außen konstruiert wird: Jenem zwischen "Kümmererpartei" und "Programmpartei", der auch in der Linkspartei diskutiert wird, als sei er ein Gegensatz obwohl beides zusammengehört. Was in Buchingers Analyse fehlt, ist die kritische Auseinandersetzung mit der Medienpolitik der Linkspartei: Denn die Partei wird nicht auf die Mehrheitsmedien setzen können, wenn sie ihre Botschaften an die Leute bringen will, sondern eine eigene Medienmacht entwickeln und die Menschen unmittelbar ansprechen müssen.
 
Doch wer sich zum Beispiel jene von der Rosa-Luxemburg-Stiftung moderierte Internetseite "Linksnet" ansieht, die stolz darauf verweist, dass sie "Ein Projekt von über 40 Zeitschriften" ist, der weiß, dass Stiftung und Partei nicht in der Medienmoderne angekommen sind: Wo bitte ist das Angebot an die vielen, vielen progressiven Sites und Blogs im Netz zur Vernetzung und zum Austausch? Wo ist das dingliche Begreifen der neuen, direkten Rolle, die Sites wie "Nachdenkseiten", "Indymedia" oder auch "NetzTV" in einer vernetzten Welt spielen, aus der immer mehr Impulse für den linken Widerstand resultieren? In der Antwort liegt kein kleiner Teil der linken Medienprobleme. (PK)
 
Diesen Beitrag haben wir aus dem Blog "Rationalgalerie" http://www.rationalgalerie.de/archiv/index_2_388.html
von Ulrich Gellermann übernommen.
 


Online-Flyer Nr. 383  vom 05.12.2012



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