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Entscheidungsschlacht des Spanischen Bürgerkriegs 1938
Die Schlacht am Ebro
Von Ann Rupp
Zum 75sten Jahrestag der Schlacht am Ebro reiste auf Einladung spanischer Antifaschisten Ende Oktober 2013 eine Delegation der deutschen Organisation „Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1936-1939 (KFSR)“ nach Barcelona, wo sie mit gleichgesinnten Gruppen aus Frankreich, Italien und Russland zusammentraf. Der mitgereiste Professor Serge Wolikow von der Universität Dijon bezeichnete die in den Geschichtsbüchern als „Spanischer Bürgerkrieg“ bekannt gewordene ausländische Invasion mit direkter Unterstützung deutscher und italienischer Faschisten und verdeckter Einflußnahme und Duldung der USA, Englands und Frankreichs als „erste bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Demokratie und Faschismus“. Autorin Ann Rupp erkennt Parallelen zum verdeckten imperialistischen Krieg in Syrien: „Wie einst die Spanische Republik muss sich heute auch die Regierung in Syrien hauptsächlich gegen vom Ausland finanzierte Kräfte wehren.“ Den Bericht verfaßte Ann Rupp auf Anregung von Arbeiterfotografie – übersetzt aus dem Englischen von Rainer Rupp. (Die Redaktion)
Alle Fotos und Repros: Ann Rupp
Barcelona-Carmel: Josep Almudéver, an der Gedenkstätte "David and Goliath", mit einer Hommage für die Internationalen Brigaden
Carmel: Auszüge aus der Rede von Dolores Ibárruri, genannt "La Pasionara", in Barcelona am 15. November 1938
Mme Cecil Rol-Tanguy, Witwe des inzwischen verstorbenen, französischen Spanienkämpfers und späteren Anführers der Resistance
Republikanische Soldaten entfernen nach Ankunft in einem befreiten Dorf frankistische Poster. Aus der Ausstellung "Schlacht am Ebro" im Gewerkschaftshaus der CCOO, Barcelona
Josep Almudéver (94jähriger Interbrigadist) warnt vor neuen faschistischen Gefahren - Carmel/Barcelona, an der Gedenkstätte "David and Goliath" mit einer Hommage für die Internationalen Brigaden.
Festung Castell de Montjuic: Gedenkplakette für Lluis Company i Jover, katalanischer Regierungspräsident, am Ort seine Hinrichtung
Plakat
Festungsgraben Castell de Montjuic: An dieser Mauer wurde Lluis Companys i. Jover, katalanischer Regierungspräsident nach einem frankistischen Schnellgerichtsverfahren hingerichtet
Fossar de la Padrera, Montjuic Friedhof: Die Namen der zahllosen Opfer
Fossar de la Padrera. Montjuic Friedhof Barcelona: Kleine Säulen mit den Namen deutscher Konzentrationslager
Fossar de la Padrera: Montjuic Friedhof Barcelona. Der Ort ist nach allen Seiten hin durch steile Felswände begrenzt
Fossar de la Padrera, Montjuic Friedhof : Die Toten werden geehrt
Fossar de la Padrera: Hans Beimler, deutscher Politiker (KPD), Politischer Kommissar des „Thälmann-Bataillons“ der XI. Internationalen Brigade im Spanischen Bürgerkrieg. Er fiel am 1. Dezember 1936 vor Madrid
Besuch im Poble Espanyol, Barcelona, gebaut für die Weltausstellung von 1929
Im Poble Espanyol: Voller Lebensfreude
Mittagessen im Poble Espanyol
Vincent Almudever (96) im Gemeindesaal des Rathauses von Tortosa
Campredo: Auf dem Weg zum alten Torre, Ort des aufopfernden Ablenkungsangriffs der Internationalen Brigaden zum Auftakt der Schlacht am Ebro
Interbrigadisten.
Foto: Robert Capa
Campredo: die Internationale wird angestimmt
Interbrigadisten.
Foto: Robert Capa
Campredo: Cecile Rol-Tanguy und der Bürgermeister weihen den Gedenkstein ein. Links im Bild: die Brüder Josep und Vincent Almudever
COTA 402: Aussicht Richtung Corbera d'Ebre
COTA 402: Nach der Einweihung des Gedenksteins
Rückzug der Interbrigadisten. Aus Ausstellung mit Bildern von der Ebroschlacht. Tortosa, Universidat Rovira Virgili
Corbera d'Ebre: Die total zerbombte und nicht wiederaufgebaute Altstadt
Auf den blutigen Spuren des Kampfes zwischen Demokratie und Faschismus
Von Barcelona startete in drei großen Bussen eine einwöchige, gemeinsame Reise zu den wichtigsten Schlachtfeldern am unteren Teil des Ebro, des spanischen Schicksalsflusses, an dem im Sommer 1938 die letzte Großoffensive der von den Internationalen Brigaden unterstützten Streitkräfte der Spanischen Republik gegen die vordrängenden, von Hitler und Mussolini unterstützten Franco-Faschisten stattfand.
Diesem Text beigefügt sind fotographische Eindrücke dieser informativen und bewegenden Reise. Unvergesslich wurde sie auch durch die Teilnahme von zwei französischen Zeitzeugen, den Brüdern Josep und Vincent Almudéver, die damals als junge Kommunisten in den Interbrigaden auch am Ebro für Spaniens Freiheit gekämpft hatten. Obwohl sie inzwischen 94 und 96 Jahre alt sind, erklommen sie mit verblüffendem Elan die alten Stellungen, erläuterten den Mitreisenden die damalige Lage, um immer wieder in Erinnerung an ihre gefallenen Kameraden zu verstummen.
Festung Montjuic über Barcelona und der nahe Fossar de la Pedrera
Ein dumpfer grauen Himmel und Nieselregen begleitet unseren Besuch auf der mit schweren Kanonen aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts bestückten Festung Montjuic hoch über dem Hafen von Barcelona. Der an einem klaren Tag sicher spektakuläre Blick auf Gaudis berühmte Kathedrale „Sagrade Familia“ war von Dunst verhangen, und das blaue Meer und die langen Sandstrände jenseits des Hafens in Richtung Nordosten konnten nur erahnt werden. Der Festungsgraben, in den wir hinabstiegen, heute eine gepflegte Parkanlage, war feucht und kalt. Hier war am 15. Oktober 1940 Lluís Companys i Jover, demokratisch gewählter Präsident der Katalanischen Regierung, hingerichtet worden, nachdem er von einem franquistischen Schnellgericht zum Tode verurteilt worden war.
Die Spuren, welche die Gewehrsalven der Exekutionskommandos hinterlassen haben, sind heute noch zu erkennen, und eine in die Festungsmauer eingelassene Plakette erinnert an die hier geschehenen Morde, ebenso wie ein Gedenkstein für Lluís Companys i Jover. Die Massenexekutionen gefangener republikanischer Soldaten und Interbrigadisten durch die Frankisten - über 1700 Opfer sind bisher identifiziert worden - fand auf einem Feld außerhalb Barcelonas, dem Camp de la Bota statt. Damals machten in den frühen Morgenstunden die Lastwagen ihre berüchtigte Runde, um die Gefangenen von den verschiedenen Gefängnissen Barcelonas abzuholen, um sie zur regionalen Hinrichtungsstätte des Franco-Regimes, dem Camp de la Bota zu bringen. Ihre Leichen wurden dann im Fossar de la Pedrera, einem ausgedienten Steinbruch am Fuß der Montjuic-Festung, verscharrt und mit gebranntem Kalk abgedeckt, um sicherzustellen, dass sie so schnell wie möglich verrotteten und nicht mehr identifiziert werden konnten.
Der berüchtigte Fossar de la Pedrera liegt in einer versteckten Ecke des Montjuic-Friedhofes am unteren Hang des Festungsberges von Barcelona. Hier liegen in Massengräbern insgesamt 4.000 Opfer, die während der von 1939 bis 1975 dauernden Diktatur des Franco-Regimes hingerichtet wurden. Heute führen breite Stufen zum Eingang des einstmaligen Steinbruchs, wo ein Dutzend hoher Steinobelisken den Weg versperrt. Auf allen vier Seiten dieser Steinsäulen sind die Namen der Opfer eingemeißelt. Erst hinter den Säulen öffnet sich eine große ebene Rasenfläche, die die Massengräber bedeckt.
Wie eine Arena ist der Ort nach allen Seiten hin durch steile Felswände begrenzt. Nur die Silhouetten ehrerbietig hoher Zypressen mildern auf einer Seite den trostlosen Blick auf die nackten Felsen. Im hinteren Teil direkt an der Felswand findet man schließlich Dutzende von Grab- und Gedenksteinen für spanische Republikaner und Interbrigadisten. Einer davon erinnert auch an den Reichstags-Abgeordneten der KPD Hans Beimler, der in Spanien als politischer Kommissar des „Thälmann-Bataillons“ der XI. Internationalen Brigade bekannt geworden war.
Direkt neben dem Eingang zum ehemaligen Steinbruch erinnern Gedenksteine daran, dass auch über 5.000 Juden aus aller Welt entweder im Kampf gegen die spanischen Faschisten gefallen sind oder später von Deutschen ermordet wurden. Kleine Säulen mit den Namen deutscher Konzentrationslager rufen ins Gedächtnis, dass viele, die nach dem Ende der Kämpfe in Spanien sich über Frankreich in Sicherheit bringen wollten, von der französischen Regierung in Lagern interniert und nach der Besetzung Frankreichs an die Nazis ausgeliefert wurden.
Inzwischen hatte es angefangen, stärker zu regnen. Die Reden waren zu Ende. Die mitgebrachten roten Nelken waren bereits an den Gedenksteinen niedergelegt. Peter Mergen, ein Berliner aus unserer Gruppe, dessen spanische Mutter und deutscher Vater beide in Spanien gekämpft und sich dabei kennen und lieben gelernt hatten, spielte den letzten Refrain auf seiner Mundharmonika. Langsam, als wäre es sehr schwer, sich von diesem Ort zu lösen, ging es zurück zu den Bussen. Es gab kaum ein Auge, das nicht etwas feucht geworden war.
Campredo
Vor dem modernen Rathaus des 1.200 Einwohner zählenden Campredo wurden unsere Busse bereits ungeduldig vom Bürgermeister und den aus der Bezirkshauptstadt Tortosa gekommenen Honoratioren erwartet. Der Gemeindesaal war bis auf den letzten Platz gefüllt, als die mit uns angereisten Ehrengäste Cecile Rol-Tanguy, die Witwe des ehemaligen französischen Interbrigadisten und späteren Anführers der französischen Résistance, Oberst Henri Rol-Tanguy und die Brüder Vincent und Josep Almudever besonders gefeiert wurden.
Nach den Reden machten wir uns auf den Weg zum „Turm von Campredo“, der in grauen Vorzeiten bereits als Beobachtungsposten gegen marodierende Seeräuber aber auch in der Schlacht um den Ebro 1938 der Brigade „Commune de Paris“ als Kommandoposten gedient hatte. In einer langen Prozession ging es auf dem letzten Wegstück zu Fuß durch Orangenhaine entlang des Ebro-Tals. Im aufgekommenen warmen Wind flatterten überall die rot, gelb und lila gestreiften Flaggen der Zweiten Spanischen Republik vor dem azurblauen spanischen Himmel.
Bei dem alten Turm auf einer Anhöhe über dem Ebro angekommen, enthüllten Cecile Rol-Tanguy und der Bürgermeister von Campredo eine Gedenktafel, die den über 600 französischen Interbrigadisten gewidmet ist, die hier im Juli 1938 bei einem Ablenkungsangriff gefallen sind. Nachdem die Einheiten der „Commune de Paris“ beim Turm von Campredo den Ebro überquert hatten, blieben sie auf der anderen Seite in fast deckungslosem Terrain im Maschinengewehrfeuer der Faschisten liegen. Es gab kein Vor und kein Zurück mehr. In mehreren Tagen harter Kämpfe wurde fast das ganze Bataillon aufgerieben. Dennoch erlaubte das ungeheure Blutopfer beim Turm von Campredo der republikanischen Armee und den Interbrigaden bei Flix und anderenorts fast widerstandslos den Ebro für ihre Großoffensive zu überqueren.
Der Bürgermeister von Campredo beklagte, dass es in Spanien oft noch verpönt sei, die Republik und ihre Verteidiger zu feiern. Zwar sei in den letzten Jahren die Zahl der den Antifaschisten gewidmeten Denkmäler gewachsen, aber diese würden auch immer wieder geschändet. Zum Schluss der Veranstaltung wurde die Internationale angestimmt, und die Botschaft von der Erkämpfung der Menschenrechte erschallte weit hinaus ins Tal des Ebro.
Tortosa
Die alte spanische Stadt Tortosa, die am Ufer des Ebro liegt, wurde von Bombern der deutschen Legion Condor fast völlig dem Erdboden gleichgemacht. Einer der bekanntesten Journalisten jener Zeit, Ernest Hemingway, berichtete damals als Augenzeuge in seinen Depeschen an nordamerikanische Nachrichtenagenturen von der Zerstörung der Stadt ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung und gab damit einen Vorgeschmack auf das, was bald im Zweiten Weltkrieg folgen sollte: "Über uns, im hohen, wolkenlosen Himmel dröhnt eine Bomberflotte nach der anderen über Tortosa hinweg. Als sie dann plötzlich ihre Bombenlasten mit Donner fallen ließen, verschwand die kleine Stadt am Ebro in einer aufsteigenden, gelben Staubwolke. Der Staub legte sich nicht, da immer mehr Bomber kamen, und schließlich hing er wie ein gelber Nebel über dem gesamten Ebro-Tal." (Catalonia: A Cultural History by Michael Eaude)
Das Erste, was wir von Tortosa sahen, war Francos Sieger-Denkmal in der Mitte des Flusses, wo es sich in der Abendsonne im Wasser spiegelte. Bisher sind die vielen lokalen Initiativen, dieses Monstrum zu entfernen, an der knappen Haushaltskasse der Stadt gescheitert. In Erinnerung an das Datum des Einmarsches der Faschisten in Tortosa war damals auch ein Teil der Stadt zum „Stadtviertel des 13. Januar" umgetauft worden. Inzwischen hat dieses Viertel wieder seinen alten Namen "Tempel" bekommen. Die Umbenennung war sicher billiger, als die große Steinsäule mitten im Fluss abzureißen.
Laut der katalanischen Nachrichtenagentur fanden ähnliche Entwicklungen überall in der Region statt: "Tortosa ist kein Sonderfall. Viele Städte haben sich in den letzten Jahren bemüht, das Stadtbild von allen faschistischen Symbolen und Denkmälern zu säubern. Aber der Prozess ist nicht immer einfach. Im Informationsportal für Deutschsprachige in Katalonien schrieb z.B. Clementine Kügler am 13. April 2009: "Der Bürgerkrieg war ein zutiefst traumatisches Ereignis, das bis heute in der spanischen Gesellschaft nicht endgültig überwunden scheint. Den Bemühungen vieler Angehöriger, über den Verbleib ihrer erschossenen und verschwundenen Familienmitglieder Auskunft zu erhalten, wird erst in den letzten Jahren mit dem Öffnen von Massengräbern entsprochen."
Flix
Mit seinem Wasserkraftwerk, seinen elektrochemischen Anlagen und der Eisenbrücke über den Ebro war das Städtchen Flix für die Faschisten ein bedeutendes, strategisches Ziel. So war es auch einer der ersten Orte Kataloniens, der von der faschistischen Luftwaffe, die hauptsächlich aus Hitlers Legion Condor bestand, zerstört wurde. Der Luftangriff dauerte vier Stunden. Viele Zivilisten starben, noch mehr wurden verletzt. Die entsetzten Einwohner suchten Zuflucht in den Höhlen der umliegenden Hügel.
"Normalerweise nehme ich meine Familie zu offiziellen Anlässen nicht mit. Aber dieses Mal ist es anders", sagte Marc Mur Bagés, der Bürgermeister von Flix, als er uns am Denkmal für die Internationalen Brigaden auf einer Anhöhe hoch über dem Ebro empfing. „Meine Kinder müssen sich der Bedeutung dieses Kampfes für Spaniens Freiheit bewusst sein“, unterstrich er mit hoch erhobener geballter Faust. Die Inschrift auf dem von der Stadt errichteten Denkmal lautet: „Hier am Ebro haben 1938 antifaschistische Freiwillige aus Italien und aus der ganzen Welt neben dem spanischen Volk für Gerechtigkeit, Freiheit und Demokratie die letzte große Schlacht der Republikanischen Armee geschlagen".
Am Fuße des Denkmals ist eine Gedenktafel angebracht, die an Milton Wolff erinnert, ein (amerikanischer) Veteran des spanischen Bürgerkrieges, letzter Kommandeur des amerikanischen Lincoln-Bataillons der XV. Internationalen Brigade. Nach dem Krieg wurde Wolff in den USA zu einem prominenten Sozialaktivisten. Er starb 2005.
„Les Masies“
Durch eine abwechslungsreiche Landschaft von Hügeln, Felsen und fruchtbaren Ebenen mit Weinbergen und Wäldern führte unser Weg nach „Les Masies“, zu dem geschichtsträchtigen, ehemaligen Herrensitz in katalanischem Stil, der heute eine Jugendherberge ist. Hier wurden die Internationalen Brigaden am 25. Oktober 1938 vom damaligen Präsidenten der Spanischen Republik, dem Arzt und Führer der Sozialistischen Arbeiterpartei Spaniens, Dr Juan Negrin, und dem Generalstab der Republikanischen Armee verabschiedet. 75 Jahre später erinnerte sich der ehemalige Interbrigadist Josep Almudéver, jetzt 94, der uns während dieser Reise begleitete, noch genau an diesen schmerzlichen Tag, der den Untergang der Spanischen Republik besiegeln sollte: „Dr. Negrin hat uns damals saubere Kleider und 310 Francs mit auf den Weg gegeben.“ So konnten sie kurze Zeit später, am 15. November 1938, in Würde an der großen Abschiedsparade in Barcelona teilnehmen.
Alvah Bessie, ein Amerikaner, der als Freiwilliger in der Abraham Lincoln-Brigade gekämpft hatte, beschrieb damals in seinem Tagebuch die Verabschiedung auf dem Herrensitz „Les Masies“ vom 25. Oktober 1938 wie folgt: »... sie standen im quadratischen Innenhof des Anwesens, wo die Abschiedsreden gehalten wurden. Negrin – ein feiner Intellekt, ein kraftvoller Redner, aber sehr müde, Oberst Modesto, Chef der Ebro-Armee, sichtlich von Gefühlen überwältigt – ein starker, männlicher Kerl, Marty – der Demagoge, alt und schlaff." (“Spanish Civil War Notebooks”, University Press of Kentucky, 2001) In seiner Abschiedsrede versprach Dr. Negrin den ausländischen Freiwilligen, dass sie nach dem Krieg in Spanien immer willkommen sein würden und auf Wunsch auch die spanische Staatsbürgerschaft bekommen würden.
Cota 402 und Corbera d'Ebre
Obwohl schon Anfang November, war es immer noch heiß und der Himmel stahlblau. Wir waren unterwegs zur Cota (Anhöhe) 402, dem ehemaligen Kommandostand der 35sten Division der Republikanischen Armee. Am Fuße der Anhöhe, gegenüber dem Friedhof des in der Nähe liegenden, ebenfalls von der Legion Condor zerstörten Städtchens Corbera, ging es für unsere Busse nicht mehr weiter. Die mitgereisten RollstuhlfahrerInnen wurden mit geländegängigen Fahrzeugen zum Ziel transportiert. Für alle anderen ging es zu Fuß weiter, an Olivenhainen vorbei über einen steilen Pfad bergauf, wobei einem im losen Sand immer wieder der Halt wegrutschte. Wie anstrengend musste dieser Weg erst für die Interbrigadisten gewesen sein, die damals ihr schweres Gepäck samt Waffen und Munition hier hoch schleppen mussten?
Je höher wir stiegen desto beeindruckender war der Blick auf die umliegende Landschaft, die Terra Alta. Als wir schließlich unser Ziel erreicht hatten, war die Fernsicht überwältigend. Wir stellten fest, dass Enthusiasten offensichtlich mehrere Monate damit verbracht hatten, die Schützengräben von damals wieder herzustellen. Auch standen einige alte Luftabwehrkanonen in entsprechend hergerichteten Stellungen, und man bekam einen guten Eindruck davon, wie es hier vor 75 Jahren ausgesehen haben musste. Auch hier wurde von Josep und Vincent Almudéver ein Gedenkstein eingeweiht.
Von der Cota 402 konnten wir in der Ferne die Serra de la Cavalls und die Serra de Pandols erkennen, auch das Dorf Gandesa, das jetzt ein relativ moderner Ort ist, damals jedoch fast vollständig zerstört wurde. Das gleiche Schicksal hatte das in der Nähe der Cota 402 liegende, damals 2.500 Einwohner zählende Corbera d’Ebre ereilt, wo eine der blutigsten Episoden der Schlacht am Ebro stattgefunden hat. Die Bewohner verließen damals für immer ihr von deutschen Bomben völlig in Schutt und Asche gelegtes Dorf und bauten weiter unten am Hang ein neues auf. Die Ruinen des alten Dorfes, einschließlich der Kirche, von der nur noch die Außenmauern stehen, dienen heute als Mahnmal und Museum. Als wir in Corbera d’Ebre ankamen, dämmerte es bereits, und die Schatten und Silhouetten der zerstörten Häuser und der stehen gebliebenen Schornsteine machten die Atmosphäre noch ergreifender. Syrien kam in den Sinn. Wie einst die Spanische Republik muss sich heute auch die Regierung in Syrien hauptsächlich gegen vom Ausland finanzierte Kräfte wehren.
Die frei gewählte, demokratische Republik Spanien wurde verraten
Die Schlacht am Ebro begann um Mitternacht am 25. Juli 1938. Es war die längste und blutigste Schlacht des Spanischen Bürgerkriegs. Am Ebro haben die Brigadas Internacionales einen besonders hohen Blutzoll gelassen. Von 1936 bis 1938 strömten 50.000 Männer und Frauen aus mehr als 55 Nationen nach Spanien. Viele Tausende fielen im Kampf zur Verteidigung der ersten, in freien Wahlen zustande gekommenen, sozialistischen Republik.
General Franco, der Führer des Militärputsches gegen die Republik, konnte 1936 nur mit Hilfe von deutschen und italienischen Schiffen, Flugzeugen und weiterer militärischer Unterstützung mit seinen 14.500 Marokkanern und Fremdenlegionären von den nordafrikanischen Kolonien nach Spanien übersetzen und die Invasion beginnen. Unter Francos Invasionsstreitkräften von insgesamt 15.000 Mann befanden sich nur 1.500 Spanier, die meisten waren Faschisten. Daher bestehen heute viele Spaniern darauf, den Begriff „Bürgerkrieg“ durch „ausländische Invasion“ zu ersetzen. So hat z.B. Hitlers berüchtigte Legion Condor eine entscheidende Rolle bei den Erfolgen der Franco-Faschisten im Feld gespielt. Mit Recht merkte der mitgereiste Professor Serge Wolikow von der Universität Dijon an: „Es war die erste bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Demokratie und Faschismus“.
Wenn Franco mit Hilfe der italienischen und deutschen Faschisten letztlich doch den Krieg gewonnen hat, so war es nicht wegen eines Mangels an Solidarität, Mut, Fähigkeiten und Opferbereitschaft auf republikanischer Seite oder bei den Internationalen Brigaden. Die historische Niederlage der spanischen Linken hat andere Gründe: „Hätten 1936-1939 England, Frankreich und die USA die frei gewählte, demokratische Republik Spanien nicht verraten, so wäre wahrscheinlich der Zweite Weltkrieg nicht ausgebrochen. Doch aus Angst vor einer Volksfront halfen sie Franco, Mussolini und Hitler“ schreibt Victor Grossmann in seinem Buch „Madrid du Wunderbare“ (GNN-Verlag).
Ein Teil des „Münchner Abkommens“ beinhaltete, dass Großbritannien und Frankreich Druck auf Madrid ausübten, damit es die internationalen Brigaden nach Hause schickte. Die Interbrigaden wurden am 15. November 1938 in Barcelona verabschiedet. Die im Gegenzug von London und Paris gemachten Versprechen zur Unterstützung der Spanischen Republik wurden nicht erfüllt. So gewannen die Faschisten den Krieg in Spanien. Derart gestärkt war man in Rom und Berlin fest überzeugt, auch aus dem nächsten Krieg als Sieger hervorzugehen.(PK)
Hinweis:
Bedeutende fotografische Dokumente zur Verteidigung der Spanischen Republik schufen der Magnum-Agentur-Mitbegründer Robert Capa und seine Begleiterin und Lebensgefährtin Gerda Taro. Taro kam 1937 im Kampf um Brunete ums Leben. Ihr Grabstein befindet sich auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise. (Arbeiterfotografie-Ausgabe 57: „MAN NANNTE SIE LERCHE VON BRUNETE Vor 50 Jahren starb im spanischen Bürgerkrieg die Fotografin Gerda Taro“)
Online-Flyer Nr. 441 vom 15.01.2014
Entscheidungsschlacht des Spanischen Bürgerkriegs 1938
Die Schlacht am Ebro
Von Ann Rupp
Zum 75sten Jahrestag der Schlacht am Ebro reiste auf Einladung spanischer Antifaschisten Ende Oktober 2013 eine Delegation der deutschen Organisation „Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1936-1939 (KFSR)“ nach Barcelona, wo sie mit gleichgesinnten Gruppen aus Frankreich, Italien und Russland zusammentraf. Der mitgereiste Professor Serge Wolikow von der Universität Dijon bezeichnete die in den Geschichtsbüchern als „Spanischer Bürgerkrieg“ bekannt gewordene ausländische Invasion mit direkter Unterstützung deutscher und italienischer Faschisten und verdeckter Einflußnahme und Duldung der USA, Englands und Frankreichs als „erste bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Demokratie und Faschismus“. Autorin Ann Rupp erkennt Parallelen zum verdeckten imperialistischen Krieg in Syrien: „Wie einst die Spanische Republik muss sich heute auch die Regierung in Syrien hauptsächlich gegen vom Ausland finanzierte Kräfte wehren.“ Den Bericht verfaßte Ann Rupp auf Anregung von Arbeiterfotografie – übersetzt aus dem Englischen von Rainer Rupp. (Die Redaktion)
Alle Fotos und Repros: Ann Rupp
Barcelona-Carmel: Josep Almudéver, an der Gedenkstätte "David and Goliath", mit einer Hommage für die Internationalen Brigaden
Carmel: Auszüge aus der Rede von Dolores Ibárruri, genannt "La Pasionara", in Barcelona am 15. November 1938
Mme Cecil Rol-Tanguy, Witwe des inzwischen verstorbenen, französischen Spanienkämpfers und späteren Anführers der Resistance
Republikanische Soldaten entfernen nach Ankunft in einem befreiten Dorf frankistische Poster. Aus der Ausstellung "Schlacht am Ebro" im Gewerkschaftshaus der CCOO, Barcelona
Josep Almudéver (94jähriger Interbrigadist) warnt vor neuen faschistischen Gefahren - Carmel/Barcelona, an der Gedenkstätte "David and Goliath" mit einer Hommage für die Internationalen Brigaden.
Festung Castell de Montjuic: Gedenkplakette für Lluis Company i Jover, katalanischer Regierungspräsident, am Ort seine Hinrichtung
Plakat
Festungsgraben Castell de Montjuic: An dieser Mauer wurde Lluis Companys i. Jover, katalanischer Regierungspräsident nach einem frankistischen Schnellgerichtsverfahren hingerichtet
Fossar de la Padrera, Montjuic Friedhof: Die Namen der zahllosen Opfer
Fossar de la Padrera. Montjuic Friedhof Barcelona: Kleine Säulen mit den Namen deutscher Konzentrationslager
Fossar de la Padrera: Montjuic Friedhof Barcelona. Der Ort ist nach allen Seiten hin durch steile Felswände begrenzt
Fossar de la Padrera, Montjuic Friedhof : Die Toten werden geehrt
Fossar de la Padrera: Hans Beimler, deutscher Politiker (KPD), Politischer Kommissar des „Thälmann-Bataillons“ der XI. Internationalen Brigade im Spanischen Bürgerkrieg. Er fiel am 1. Dezember 1936 vor Madrid
Besuch im Poble Espanyol, Barcelona, gebaut für die Weltausstellung von 1929
Im Poble Espanyol: Voller Lebensfreude
Mittagessen im Poble Espanyol
Vincent Almudever (96) im Gemeindesaal des Rathauses von Tortosa
Campredo: Auf dem Weg zum alten Torre, Ort des aufopfernden Ablenkungsangriffs der Internationalen Brigaden zum Auftakt der Schlacht am Ebro
Interbrigadisten.
Foto: Robert Capa
Campredo: die Internationale wird angestimmt
Interbrigadisten.
Foto: Robert Capa
Campredo: Cecile Rol-Tanguy und der Bürgermeister weihen den Gedenkstein ein. Links im Bild: die Brüder Josep und Vincent Almudever
COTA 402: Aussicht Richtung Corbera d'Ebre
COTA 402: Nach der Einweihung des Gedenksteins
Rückzug der Interbrigadisten. Aus Ausstellung mit Bildern von der Ebroschlacht. Tortosa, Universidat Rovira Virgili
Corbera d'Ebre: Die total zerbombte und nicht wiederaufgebaute Altstadt
Auf den blutigen Spuren des Kampfes zwischen Demokratie und Faschismus
Von Barcelona startete in drei großen Bussen eine einwöchige, gemeinsame Reise zu den wichtigsten Schlachtfeldern am unteren Teil des Ebro, des spanischen Schicksalsflusses, an dem im Sommer 1938 die letzte Großoffensive der von den Internationalen Brigaden unterstützten Streitkräfte der Spanischen Republik gegen die vordrängenden, von Hitler und Mussolini unterstützten Franco-Faschisten stattfand.
Diesem Text beigefügt sind fotographische Eindrücke dieser informativen und bewegenden Reise. Unvergesslich wurde sie auch durch die Teilnahme von zwei französischen Zeitzeugen, den Brüdern Josep und Vincent Almudéver, die damals als junge Kommunisten in den Interbrigaden auch am Ebro für Spaniens Freiheit gekämpft hatten. Obwohl sie inzwischen 94 und 96 Jahre alt sind, erklommen sie mit verblüffendem Elan die alten Stellungen, erläuterten den Mitreisenden die damalige Lage, um immer wieder in Erinnerung an ihre gefallenen Kameraden zu verstummen.
Festung Montjuic über Barcelona und der nahe Fossar de la Pedrera
Ein dumpfer grauen Himmel und Nieselregen begleitet unseren Besuch auf der mit schweren Kanonen aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts bestückten Festung Montjuic hoch über dem Hafen von Barcelona. Der an einem klaren Tag sicher spektakuläre Blick auf Gaudis berühmte Kathedrale „Sagrade Familia“ war von Dunst verhangen, und das blaue Meer und die langen Sandstrände jenseits des Hafens in Richtung Nordosten konnten nur erahnt werden. Der Festungsgraben, in den wir hinabstiegen, heute eine gepflegte Parkanlage, war feucht und kalt. Hier war am 15. Oktober 1940 Lluís Companys i Jover, demokratisch gewählter Präsident der Katalanischen Regierung, hingerichtet worden, nachdem er von einem franquistischen Schnellgericht zum Tode verurteilt worden war.
Die Spuren, welche die Gewehrsalven der Exekutionskommandos hinterlassen haben, sind heute noch zu erkennen, und eine in die Festungsmauer eingelassene Plakette erinnert an die hier geschehenen Morde, ebenso wie ein Gedenkstein für Lluís Companys i Jover. Die Massenexekutionen gefangener republikanischer Soldaten und Interbrigadisten durch die Frankisten - über 1700 Opfer sind bisher identifiziert worden - fand auf einem Feld außerhalb Barcelonas, dem Camp de la Bota statt. Damals machten in den frühen Morgenstunden die Lastwagen ihre berüchtigte Runde, um die Gefangenen von den verschiedenen Gefängnissen Barcelonas abzuholen, um sie zur regionalen Hinrichtungsstätte des Franco-Regimes, dem Camp de la Bota zu bringen. Ihre Leichen wurden dann im Fossar de la Pedrera, einem ausgedienten Steinbruch am Fuß der Montjuic-Festung, verscharrt und mit gebranntem Kalk abgedeckt, um sicherzustellen, dass sie so schnell wie möglich verrotteten und nicht mehr identifiziert werden konnten.
Der berüchtigte Fossar de la Pedrera liegt in einer versteckten Ecke des Montjuic-Friedhofes am unteren Hang des Festungsberges von Barcelona. Hier liegen in Massengräbern insgesamt 4.000 Opfer, die während der von 1939 bis 1975 dauernden Diktatur des Franco-Regimes hingerichtet wurden. Heute führen breite Stufen zum Eingang des einstmaligen Steinbruchs, wo ein Dutzend hoher Steinobelisken den Weg versperrt. Auf allen vier Seiten dieser Steinsäulen sind die Namen der Opfer eingemeißelt. Erst hinter den Säulen öffnet sich eine große ebene Rasenfläche, die die Massengräber bedeckt.
Wie eine Arena ist der Ort nach allen Seiten hin durch steile Felswände begrenzt. Nur die Silhouetten ehrerbietig hoher Zypressen mildern auf einer Seite den trostlosen Blick auf die nackten Felsen. Im hinteren Teil direkt an der Felswand findet man schließlich Dutzende von Grab- und Gedenksteinen für spanische Republikaner und Interbrigadisten. Einer davon erinnert auch an den Reichstags-Abgeordneten der KPD Hans Beimler, der in Spanien als politischer Kommissar des „Thälmann-Bataillons“ der XI. Internationalen Brigade bekannt geworden war.
Direkt neben dem Eingang zum ehemaligen Steinbruch erinnern Gedenksteine daran, dass auch über 5.000 Juden aus aller Welt entweder im Kampf gegen die spanischen Faschisten gefallen sind oder später von Deutschen ermordet wurden. Kleine Säulen mit den Namen deutscher Konzentrationslager rufen ins Gedächtnis, dass viele, die nach dem Ende der Kämpfe in Spanien sich über Frankreich in Sicherheit bringen wollten, von der französischen Regierung in Lagern interniert und nach der Besetzung Frankreichs an die Nazis ausgeliefert wurden.
Inzwischen hatte es angefangen, stärker zu regnen. Die Reden waren zu Ende. Die mitgebrachten roten Nelken waren bereits an den Gedenksteinen niedergelegt. Peter Mergen, ein Berliner aus unserer Gruppe, dessen spanische Mutter und deutscher Vater beide in Spanien gekämpft und sich dabei kennen und lieben gelernt hatten, spielte den letzten Refrain auf seiner Mundharmonika. Langsam, als wäre es sehr schwer, sich von diesem Ort zu lösen, ging es zurück zu den Bussen. Es gab kaum ein Auge, das nicht etwas feucht geworden war.
Campredo
Vor dem modernen Rathaus des 1.200 Einwohner zählenden Campredo wurden unsere Busse bereits ungeduldig vom Bürgermeister und den aus der Bezirkshauptstadt Tortosa gekommenen Honoratioren erwartet. Der Gemeindesaal war bis auf den letzten Platz gefüllt, als die mit uns angereisten Ehrengäste Cecile Rol-Tanguy, die Witwe des ehemaligen französischen Interbrigadisten und späteren Anführers der französischen Résistance, Oberst Henri Rol-Tanguy und die Brüder Vincent und Josep Almudever besonders gefeiert wurden.
Nach den Reden machten wir uns auf den Weg zum „Turm von Campredo“, der in grauen Vorzeiten bereits als Beobachtungsposten gegen marodierende Seeräuber aber auch in der Schlacht um den Ebro 1938 der Brigade „Commune de Paris“ als Kommandoposten gedient hatte. In einer langen Prozession ging es auf dem letzten Wegstück zu Fuß durch Orangenhaine entlang des Ebro-Tals. Im aufgekommenen warmen Wind flatterten überall die rot, gelb und lila gestreiften Flaggen der Zweiten Spanischen Republik vor dem azurblauen spanischen Himmel.
Bei dem alten Turm auf einer Anhöhe über dem Ebro angekommen, enthüllten Cecile Rol-Tanguy und der Bürgermeister von Campredo eine Gedenktafel, die den über 600 französischen Interbrigadisten gewidmet ist, die hier im Juli 1938 bei einem Ablenkungsangriff gefallen sind. Nachdem die Einheiten der „Commune de Paris“ beim Turm von Campredo den Ebro überquert hatten, blieben sie auf der anderen Seite in fast deckungslosem Terrain im Maschinengewehrfeuer der Faschisten liegen. Es gab kein Vor und kein Zurück mehr. In mehreren Tagen harter Kämpfe wurde fast das ganze Bataillon aufgerieben. Dennoch erlaubte das ungeheure Blutopfer beim Turm von Campredo der republikanischen Armee und den Interbrigaden bei Flix und anderenorts fast widerstandslos den Ebro für ihre Großoffensive zu überqueren.
Der Bürgermeister von Campredo beklagte, dass es in Spanien oft noch verpönt sei, die Republik und ihre Verteidiger zu feiern. Zwar sei in den letzten Jahren die Zahl der den Antifaschisten gewidmeten Denkmäler gewachsen, aber diese würden auch immer wieder geschändet. Zum Schluss der Veranstaltung wurde die Internationale angestimmt, und die Botschaft von der Erkämpfung der Menschenrechte erschallte weit hinaus ins Tal des Ebro.
Tortosa
Die alte spanische Stadt Tortosa, die am Ufer des Ebro liegt, wurde von Bombern der deutschen Legion Condor fast völlig dem Erdboden gleichgemacht. Einer der bekanntesten Journalisten jener Zeit, Ernest Hemingway, berichtete damals als Augenzeuge in seinen Depeschen an nordamerikanische Nachrichtenagenturen von der Zerstörung der Stadt ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung und gab damit einen Vorgeschmack auf das, was bald im Zweiten Weltkrieg folgen sollte: "Über uns, im hohen, wolkenlosen Himmel dröhnt eine Bomberflotte nach der anderen über Tortosa hinweg. Als sie dann plötzlich ihre Bombenlasten mit Donner fallen ließen, verschwand die kleine Stadt am Ebro in einer aufsteigenden, gelben Staubwolke. Der Staub legte sich nicht, da immer mehr Bomber kamen, und schließlich hing er wie ein gelber Nebel über dem gesamten Ebro-Tal." (Catalonia: A Cultural History by Michael Eaude)
Das Erste, was wir von Tortosa sahen, war Francos Sieger-Denkmal in der Mitte des Flusses, wo es sich in der Abendsonne im Wasser spiegelte. Bisher sind die vielen lokalen Initiativen, dieses Monstrum zu entfernen, an der knappen Haushaltskasse der Stadt gescheitert. In Erinnerung an das Datum des Einmarsches der Faschisten in Tortosa war damals auch ein Teil der Stadt zum „Stadtviertel des 13. Januar" umgetauft worden. Inzwischen hat dieses Viertel wieder seinen alten Namen "Tempel" bekommen. Die Umbenennung war sicher billiger, als die große Steinsäule mitten im Fluss abzureißen.
Laut der katalanischen Nachrichtenagentur fanden ähnliche Entwicklungen überall in der Region statt: "Tortosa ist kein Sonderfall. Viele Städte haben sich in den letzten Jahren bemüht, das Stadtbild von allen faschistischen Symbolen und Denkmälern zu säubern. Aber der Prozess ist nicht immer einfach. Im Informationsportal für Deutschsprachige in Katalonien schrieb z.B. Clementine Kügler am 13. April 2009: "Der Bürgerkrieg war ein zutiefst traumatisches Ereignis, das bis heute in der spanischen Gesellschaft nicht endgültig überwunden scheint. Den Bemühungen vieler Angehöriger, über den Verbleib ihrer erschossenen und verschwundenen Familienmitglieder Auskunft zu erhalten, wird erst in den letzten Jahren mit dem Öffnen von Massengräbern entsprochen."
Flix
Mit seinem Wasserkraftwerk, seinen elektrochemischen Anlagen und der Eisenbrücke über den Ebro war das Städtchen Flix für die Faschisten ein bedeutendes, strategisches Ziel. So war es auch einer der ersten Orte Kataloniens, der von der faschistischen Luftwaffe, die hauptsächlich aus Hitlers Legion Condor bestand, zerstört wurde. Der Luftangriff dauerte vier Stunden. Viele Zivilisten starben, noch mehr wurden verletzt. Die entsetzten Einwohner suchten Zuflucht in den Höhlen der umliegenden Hügel.
"Normalerweise nehme ich meine Familie zu offiziellen Anlässen nicht mit. Aber dieses Mal ist es anders", sagte Marc Mur Bagés, der Bürgermeister von Flix, als er uns am Denkmal für die Internationalen Brigaden auf einer Anhöhe hoch über dem Ebro empfing. „Meine Kinder müssen sich der Bedeutung dieses Kampfes für Spaniens Freiheit bewusst sein“, unterstrich er mit hoch erhobener geballter Faust. Die Inschrift auf dem von der Stadt errichteten Denkmal lautet: „Hier am Ebro haben 1938 antifaschistische Freiwillige aus Italien und aus der ganzen Welt neben dem spanischen Volk für Gerechtigkeit, Freiheit und Demokratie die letzte große Schlacht der Republikanischen Armee geschlagen".
Am Fuße des Denkmals ist eine Gedenktafel angebracht, die an Milton Wolff erinnert, ein (amerikanischer) Veteran des spanischen Bürgerkrieges, letzter Kommandeur des amerikanischen Lincoln-Bataillons der XV. Internationalen Brigade. Nach dem Krieg wurde Wolff in den USA zu einem prominenten Sozialaktivisten. Er starb 2005.
„Les Masies“
Durch eine abwechslungsreiche Landschaft von Hügeln, Felsen und fruchtbaren Ebenen mit Weinbergen und Wäldern führte unser Weg nach „Les Masies“, zu dem geschichtsträchtigen, ehemaligen Herrensitz in katalanischem Stil, der heute eine Jugendherberge ist. Hier wurden die Internationalen Brigaden am 25. Oktober 1938 vom damaligen Präsidenten der Spanischen Republik, dem Arzt und Führer der Sozialistischen Arbeiterpartei Spaniens, Dr Juan Negrin, und dem Generalstab der Republikanischen Armee verabschiedet. 75 Jahre später erinnerte sich der ehemalige Interbrigadist Josep Almudéver, jetzt 94, der uns während dieser Reise begleitete, noch genau an diesen schmerzlichen Tag, der den Untergang der Spanischen Republik besiegeln sollte: „Dr. Negrin hat uns damals saubere Kleider und 310 Francs mit auf den Weg gegeben.“ So konnten sie kurze Zeit später, am 15. November 1938, in Würde an der großen Abschiedsparade in Barcelona teilnehmen.
Alvah Bessie, ein Amerikaner, der als Freiwilliger in der Abraham Lincoln-Brigade gekämpft hatte, beschrieb damals in seinem Tagebuch die Verabschiedung auf dem Herrensitz „Les Masies“ vom 25. Oktober 1938 wie folgt: »... sie standen im quadratischen Innenhof des Anwesens, wo die Abschiedsreden gehalten wurden. Negrin – ein feiner Intellekt, ein kraftvoller Redner, aber sehr müde, Oberst Modesto, Chef der Ebro-Armee, sichtlich von Gefühlen überwältigt – ein starker, männlicher Kerl, Marty – der Demagoge, alt und schlaff." (“Spanish Civil War Notebooks”, University Press of Kentucky, 2001) In seiner Abschiedsrede versprach Dr. Negrin den ausländischen Freiwilligen, dass sie nach dem Krieg in Spanien immer willkommen sein würden und auf Wunsch auch die spanische Staatsbürgerschaft bekommen würden.
Cota 402 und Corbera d'Ebre
Obwohl schon Anfang November, war es immer noch heiß und der Himmel stahlblau. Wir waren unterwegs zur Cota (Anhöhe) 402, dem ehemaligen Kommandostand der 35sten Division der Republikanischen Armee. Am Fuße der Anhöhe, gegenüber dem Friedhof des in der Nähe liegenden, ebenfalls von der Legion Condor zerstörten Städtchens Corbera, ging es für unsere Busse nicht mehr weiter. Die mitgereisten RollstuhlfahrerInnen wurden mit geländegängigen Fahrzeugen zum Ziel transportiert. Für alle anderen ging es zu Fuß weiter, an Olivenhainen vorbei über einen steilen Pfad bergauf, wobei einem im losen Sand immer wieder der Halt wegrutschte. Wie anstrengend musste dieser Weg erst für die Interbrigadisten gewesen sein, die damals ihr schweres Gepäck samt Waffen und Munition hier hoch schleppen mussten?
Je höher wir stiegen desto beeindruckender war der Blick auf die umliegende Landschaft, die Terra Alta. Als wir schließlich unser Ziel erreicht hatten, war die Fernsicht überwältigend. Wir stellten fest, dass Enthusiasten offensichtlich mehrere Monate damit verbracht hatten, die Schützengräben von damals wieder herzustellen. Auch standen einige alte Luftabwehrkanonen in entsprechend hergerichteten Stellungen, und man bekam einen guten Eindruck davon, wie es hier vor 75 Jahren ausgesehen haben musste. Auch hier wurde von Josep und Vincent Almudéver ein Gedenkstein eingeweiht.
Von der Cota 402 konnten wir in der Ferne die Serra de la Cavalls und die Serra de Pandols erkennen, auch das Dorf Gandesa, das jetzt ein relativ moderner Ort ist, damals jedoch fast vollständig zerstört wurde. Das gleiche Schicksal hatte das in der Nähe der Cota 402 liegende, damals 2.500 Einwohner zählende Corbera d’Ebre ereilt, wo eine der blutigsten Episoden der Schlacht am Ebro stattgefunden hat. Die Bewohner verließen damals für immer ihr von deutschen Bomben völlig in Schutt und Asche gelegtes Dorf und bauten weiter unten am Hang ein neues auf. Die Ruinen des alten Dorfes, einschließlich der Kirche, von der nur noch die Außenmauern stehen, dienen heute als Mahnmal und Museum. Als wir in Corbera d’Ebre ankamen, dämmerte es bereits, und die Schatten und Silhouetten der zerstörten Häuser und der stehen gebliebenen Schornsteine machten die Atmosphäre noch ergreifender. Syrien kam in den Sinn. Wie einst die Spanische Republik muss sich heute auch die Regierung in Syrien hauptsächlich gegen vom Ausland finanzierte Kräfte wehren.
Die frei gewählte, demokratische Republik Spanien wurde verraten
Die Schlacht am Ebro begann um Mitternacht am 25. Juli 1938. Es war die längste und blutigste Schlacht des Spanischen Bürgerkriegs. Am Ebro haben die Brigadas Internacionales einen besonders hohen Blutzoll gelassen. Von 1936 bis 1938 strömten 50.000 Männer und Frauen aus mehr als 55 Nationen nach Spanien. Viele Tausende fielen im Kampf zur Verteidigung der ersten, in freien Wahlen zustande gekommenen, sozialistischen Republik.
General Franco, der Führer des Militärputsches gegen die Republik, konnte 1936 nur mit Hilfe von deutschen und italienischen Schiffen, Flugzeugen und weiterer militärischer Unterstützung mit seinen 14.500 Marokkanern und Fremdenlegionären von den nordafrikanischen Kolonien nach Spanien übersetzen und die Invasion beginnen. Unter Francos Invasionsstreitkräften von insgesamt 15.000 Mann befanden sich nur 1.500 Spanier, die meisten waren Faschisten. Daher bestehen heute viele Spaniern darauf, den Begriff „Bürgerkrieg“ durch „ausländische Invasion“ zu ersetzen. So hat z.B. Hitlers berüchtigte Legion Condor eine entscheidende Rolle bei den Erfolgen der Franco-Faschisten im Feld gespielt. Mit Recht merkte der mitgereiste Professor Serge Wolikow von der Universität Dijon an: „Es war die erste bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Demokratie und Faschismus“.
Wenn Franco mit Hilfe der italienischen und deutschen Faschisten letztlich doch den Krieg gewonnen hat, so war es nicht wegen eines Mangels an Solidarität, Mut, Fähigkeiten und Opferbereitschaft auf republikanischer Seite oder bei den Internationalen Brigaden. Die historische Niederlage der spanischen Linken hat andere Gründe: „Hätten 1936-1939 England, Frankreich und die USA die frei gewählte, demokratische Republik Spanien nicht verraten, so wäre wahrscheinlich der Zweite Weltkrieg nicht ausgebrochen. Doch aus Angst vor einer Volksfront halfen sie Franco, Mussolini und Hitler“ schreibt Victor Grossmann in seinem Buch „Madrid du Wunderbare“ (GNN-Verlag).
Ein Teil des „Münchner Abkommens“ beinhaltete, dass Großbritannien und Frankreich Druck auf Madrid ausübten, damit es die internationalen Brigaden nach Hause schickte. Die Interbrigaden wurden am 15. November 1938 in Barcelona verabschiedet. Die im Gegenzug von London und Paris gemachten Versprechen zur Unterstützung der Spanischen Republik wurden nicht erfüllt. So gewannen die Faschisten den Krieg in Spanien. Derart gestärkt war man in Rom und Berlin fest überzeugt, auch aus dem nächsten Krieg als Sieger hervorzugehen.(PK)
Hinweis:
Bedeutende fotografische Dokumente zur Verteidigung der Spanischen Republik schufen der Magnum-Agentur-Mitbegründer Robert Capa und seine Begleiterin und Lebensgefährtin Gerda Taro. Taro kam 1937 im Kampf um Brunete ums Leben. Ihr Grabstein befindet sich auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise. (Arbeiterfotografie-Ausgabe 57: „MAN NANNTE SIE LERCHE VON BRUNETE Vor 50 Jahren starb im spanischen Bürgerkrieg die Fotografin Gerda Taro“)
Online-Flyer Nr. 441 vom 15.01.2014