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Kölner Spielkasinopläne drohen Gestalt anzunehmen
Keine Zockerbude in Deutz
Von Michael Scheffer
Die Pflöcke sind eingeschlagen: Drei Jahre nachdem die Landesregierung die Lizenz zum Betrieb eines fünften landeseigenen Spielkasinos nach Köln vergeben hat, nehmen die Pläne der Westdeutschen Spielbanken GmbH & Co. KG konkrete Form an. Demnach ist die Stadt bereit, der Westspiel GmbH, die eine hundertprozentige Tochter der NRW-Bank ist, ein prominentes Grundstück am Deutzer Ottoplatz zu überlassen. Noch 2016 soll ein architektonischer Entwurf stehen, bis 2017 soll Baurecht geschaffen werden, um 2018 den ersten Spatenstich zu setzen. Während sich mancher vor dem geistigen Auge schon den gradus ad parnassum erklimmen sieht – den Weg zum höchsten Glück – warnen Kritiker vor einem weiteren finanz-, gesundheits-, wohnungs- und stadtentwicklungspolitischen Desaster.
Von 2006 bis 2009 wurde in Köln-Deutz das Barmer Viertel abgerissen und damit Wohnraum für mehr als 1000 Menschen vernichtet (Foto: arbeiterfotografie.com)
Erst vor wenigen Tagen hat das Kölner Gesundheitsamt ein „Handlungskonzept zur Verhinderung und Reduzierung der pathologischen Glücksspielsucht in der Stadt Köln“ vorgelegt. Erstmals werden hier belastbare Zahlen über ein lange Zeit belächeltes Problem zusammengetragen und das Phänomen empirisch durchleuchtet. Demzufolge hat sich die Zahl der Menschen mit der Hauptdiagnose Glücksspielsucht in den vorgehaltenen Beratungs- und Betreuungsangeboten zwischen 2009 und 2013 fast verdoppelt. Die Zahl der Menschen mit einer entsprechenden Nebendiagnose erhöhte sich um 150 Prozent. Den Umstand, dass fast zehntausend Kölner*Innen an Glücksspielsucht litten, bezeichnete Uschi Röhrig, die DIE LINKE im Gesundheitsausschuss vertritt, als "Ohrfeige für die Befürworter des Kölner Spielkasinos". Es ist davon auszugehen, dass rund 60 Prozent der Fläche des Kasinos mit Spielautomaten bestückt sein wird.
Suchtberatungsstellen sprechen sich dagegen aus, ihre Dienste der Institution zur Verfügung zu stellen, "die als Verursacher der Gefährdung und Abhängigkeit von Glücksspielsucht gelten", weil sie durch eine Rückausschüttung von 80 Prozent der eingeworfenen Münzen immer wieder das Belohnungszentrum stimulieren und die hohe Taktung von Kick-Momenten für effektive Betäubung sorgt.
Der Mangel an städtischen Flächen ist in keinem Kölner Stadtbezirk so eklatant wie in der Innenstadt. Im Prinzip würde die Überlassung des Grundstücks am Deutzer Bahnhof an die Westspiel GmbH einen weiteren stadtentwicklungspolitischen Offenbarungseid darstellen. Zurzeit diskutieren die politischen Gremien neue Flächen für den Wohnungsbau, die im Rahmen des Stadtentwicklungskonzepts Wohnen (STEK) kurz-, mittel und langfristig noch requiriert werden könnten. Dass es dabei im Bereich Innenstadt eher mau aussieht, liegt eben auch daran, dass fast sämtliche städtischen Grundstücke in den letzten Jahren meistbietend verscherbelt und der kommerziellen Verwertung unterworfen worden sind. Die Möglichkeit, hier noch irgendwie kommunalpolitischen Einfluss geltend zu machen, tendiert gerade gegen Null.
Die Stadt hat sich sukzessive eigener Gestaltungsmöglichkeiten beraubt und die Grundstücksbevorratung sträflich vernachlässigt. Die Frage, warum der Spielbankbetreiber, der ja über den landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW über zahlreiche brachliegende Flächen im Kölner Stadtgebiet verfügen könnte, ausgerechnet auf das zentrale Deutz fokussiert, bleibt bisweilen unbeantwortet. Die Linksfraktion in der BV Innenstadt Köln hat eine entsprechende Anfrage eingebracht.
Köln braucht keinen Tempel des mäandernden Raubrittertums, keinen Götzen des allenthalben triumphierenden Kasino-Kapitalismus. Eher schon ein symbolträchtiges Mahnmal für völlig verkorkste Wohnungspolitik: Es sei daran erinnert, dass gleichsam in der Nähe des Deutzer Bahnhofs vor exakt 10 Jahren der Barmer Block geräumt und niedergelegt wurde. Ein ganzes kleines Viertel, bestehend aus ca. 350 intakten Wohnungen, deren Verlust schon damals schmerzlich war (die NRhZ berichtete). Heute wird der "teuerste Parkplatz der Republik" lediglich einmal im Jahr als Aufmarschplatz für marodierende Hooligans und Neonazis missbraucht.
Laut einem Bericht des Kölner Stadtanzeigers vom 29.10.2015 hat sich die Besucherzahl in den vier NRW-Spielbanken in den vergangenen zehn Jahren halbiert. Der Jahresabschluss 2014 der westdeutschen Spielbanken war deutlich negativ und konnte nur durch den umstrittenen Verkauf zweier Warhol-Gemälde kompensiert werden. Etwaige Prognosen, die Stadt Köln könnte über die Spielbankabgabe vom Betrieb des Kasinos finanziell profitieren, sind mit äußerster Vorsicht zu betrachten - der Schuss kann leicht nach hinten losgehen. Hintergrund sind die zahlreichen Onlineangebote, die in Konkurrenz zu den herkömmlichen Casinos stehen: Hier können Spielsüchtige Tag und Nacht zocken, ohne sich öffentlichen Blicken preiszugeben oder auf das Rauchen verzichten zu müssen. Da nimmt es nicht Wunder, dass die Westspiel zwei Warhol-Gemälde aus öffentlichem Besitz verscheuern musste, um das eigene Defizit auszugleichen und das ungewisse Köln-Abenteuer zu finanzieren. Selbst ein FDP-Landtagsabgeordneter warnt im Stadtanzeiger vom 22. Februar vor einem "Millionengrab", während der zuständige Bereichsleiter bei der NRW-Bank lediglich einen "Kannibalisierungseffekt" befürchtet (KStA, 26.02.2016).
Les jeux sont faits, rien ne va plus. Oder geht da vielleicht noch was? Immerhin sind erste Proteste angekündigt, was nicht nur von Nöten sondern sehr zu begrüßen ist. Ernst Bloch, Vertreter des Prinzips Hoffnung und der konkreten Utopie hat es einst auf seine militant-optimistische Weise formuliert: Eine Flagge kann auch dann noch an den Mast genagelt werden, wenn das Schiff untergeht. Keine Zockerbude in Deutz!
Michael Scheffer ist in Köln Mitglied der Bezirksvertretung Innenstadt.
Siehe dazu u.a.:
Seit dem 8. Januar hat das Barmer Viertel aufgehört zu existieren
Leben im Kapitalismus ist Leben wie im Krieg
NRhZ Nr. 129 vom 16.01.2008
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=11960
Hogesa-Operation am 25.10.2015 in Köln
Ablenkungsmanöver der herrschenden Hooligans
NRHZ Nr. 534 vom 28.10.2015
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22192
Online-Flyer Nr. 558 vom 20.04.2016
Kölner Spielkasinopläne drohen Gestalt anzunehmen
Keine Zockerbude in Deutz
Von Michael Scheffer
Die Pflöcke sind eingeschlagen: Drei Jahre nachdem die Landesregierung die Lizenz zum Betrieb eines fünften landeseigenen Spielkasinos nach Köln vergeben hat, nehmen die Pläne der Westdeutschen Spielbanken GmbH & Co. KG konkrete Form an. Demnach ist die Stadt bereit, der Westspiel GmbH, die eine hundertprozentige Tochter der NRW-Bank ist, ein prominentes Grundstück am Deutzer Ottoplatz zu überlassen. Noch 2016 soll ein architektonischer Entwurf stehen, bis 2017 soll Baurecht geschaffen werden, um 2018 den ersten Spatenstich zu setzen. Während sich mancher vor dem geistigen Auge schon den gradus ad parnassum erklimmen sieht – den Weg zum höchsten Glück – warnen Kritiker vor einem weiteren finanz-, gesundheits-, wohnungs- und stadtentwicklungspolitischen Desaster.
Von 2006 bis 2009 wurde in Köln-Deutz das Barmer Viertel abgerissen und damit Wohnraum für mehr als 1000 Menschen vernichtet (Foto: arbeiterfotografie.com)
Erst vor wenigen Tagen hat das Kölner Gesundheitsamt ein „Handlungskonzept zur Verhinderung und Reduzierung der pathologischen Glücksspielsucht in der Stadt Köln“ vorgelegt. Erstmals werden hier belastbare Zahlen über ein lange Zeit belächeltes Problem zusammengetragen und das Phänomen empirisch durchleuchtet. Demzufolge hat sich die Zahl der Menschen mit der Hauptdiagnose Glücksspielsucht in den vorgehaltenen Beratungs- und Betreuungsangeboten zwischen 2009 und 2013 fast verdoppelt. Die Zahl der Menschen mit einer entsprechenden Nebendiagnose erhöhte sich um 150 Prozent. Den Umstand, dass fast zehntausend Kölner*Innen an Glücksspielsucht litten, bezeichnete Uschi Röhrig, die DIE LINKE im Gesundheitsausschuss vertritt, als "Ohrfeige für die Befürworter des Kölner Spielkasinos". Es ist davon auszugehen, dass rund 60 Prozent der Fläche des Kasinos mit Spielautomaten bestückt sein wird.
Suchtberatungsstellen sprechen sich dagegen aus, ihre Dienste der Institution zur Verfügung zu stellen, "die als Verursacher der Gefährdung und Abhängigkeit von Glücksspielsucht gelten", weil sie durch eine Rückausschüttung von 80 Prozent der eingeworfenen Münzen immer wieder das Belohnungszentrum stimulieren und die hohe Taktung von Kick-Momenten für effektive Betäubung sorgt.
Der Mangel an städtischen Flächen ist in keinem Kölner Stadtbezirk so eklatant wie in der Innenstadt. Im Prinzip würde die Überlassung des Grundstücks am Deutzer Bahnhof an die Westspiel GmbH einen weiteren stadtentwicklungspolitischen Offenbarungseid darstellen. Zurzeit diskutieren die politischen Gremien neue Flächen für den Wohnungsbau, die im Rahmen des Stadtentwicklungskonzepts Wohnen (STEK) kurz-, mittel und langfristig noch requiriert werden könnten. Dass es dabei im Bereich Innenstadt eher mau aussieht, liegt eben auch daran, dass fast sämtliche städtischen Grundstücke in den letzten Jahren meistbietend verscherbelt und der kommerziellen Verwertung unterworfen worden sind. Die Möglichkeit, hier noch irgendwie kommunalpolitischen Einfluss geltend zu machen, tendiert gerade gegen Null.
Die Stadt hat sich sukzessive eigener Gestaltungsmöglichkeiten beraubt und die Grundstücksbevorratung sträflich vernachlässigt. Die Frage, warum der Spielbankbetreiber, der ja über den landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW über zahlreiche brachliegende Flächen im Kölner Stadtgebiet verfügen könnte, ausgerechnet auf das zentrale Deutz fokussiert, bleibt bisweilen unbeantwortet. Die Linksfraktion in der BV Innenstadt Köln hat eine entsprechende Anfrage eingebracht.
Köln braucht keinen Tempel des mäandernden Raubrittertums, keinen Götzen des allenthalben triumphierenden Kasino-Kapitalismus. Eher schon ein symbolträchtiges Mahnmal für völlig verkorkste Wohnungspolitik: Es sei daran erinnert, dass gleichsam in der Nähe des Deutzer Bahnhofs vor exakt 10 Jahren der Barmer Block geräumt und niedergelegt wurde. Ein ganzes kleines Viertel, bestehend aus ca. 350 intakten Wohnungen, deren Verlust schon damals schmerzlich war (die NRhZ berichtete). Heute wird der "teuerste Parkplatz der Republik" lediglich einmal im Jahr als Aufmarschplatz für marodierende Hooligans und Neonazis missbraucht.
Laut einem Bericht des Kölner Stadtanzeigers vom 29.10.2015 hat sich die Besucherzahl in den vier NRW-Spielbanken in den vergangenen zehn Jahren halbiert. Der Jahresabschluss 2014 der westdeutschen Spielbanken war deutlich negativ und konnte nur durch den umstrittenen Verkauf zweier Warhol-Gemälde kompensiert werden. Etwaige Prognosen, die Stadt Köln könnte über die Spielbankabgabe vom Betrieb des Kasinos finanziell profitieren, sind mit äußerster Vorsicht zu betrachten - der Schuss kann leicht nach hinten losgehen. Hintergrund sind die zahlreichen Onlineangebote, die in Konkurrenz zu den herkömmlichen Casinos stehen: Hier können Spielsüchtige Tag und Nacht zocken, ohne sich öffentlichen Blicken preiszugeben oder auf das Rauchen verzichten zu müssen. Da nimmt es nicht Wunder, dass die Westspiel zwei Warhol-Gemälde aus öffentlichem Besitz verscheuern musste, um das eigene Defizit auszugleichen und das ungewisse Köln-Abenteuer zu finanzieren. Selbst ein FDP-Landtagsabgeordneter warnt im Stadtanzeiger vom 22. Februar vor einem "Millionengrab", während der zuständige Bereichsleiter bei der NRW-Bank lediglich einen "Kannibalisierungseffekt" befürchtet (KStA, 26.02.2016).
Les jeux sont faits, rien ne va plus. Oder geht da vielleicht noch was? Immerhin sind erste Proteste angekündigt, was nicht nur von Nöten sondern sehr zu begrüßen ist. Ernst Bloch, Vertreter des Prinzips Hoffnung und der konkreten Utopie hat es einst auf seine militant-optimistische Weise formuliert: Eine Flagge kann auch dann noch an den Mast genagelt werden, wenn das Schiff untergeht. Keine Zockerbude in Deutz!
Michael Scheffer ist in Köln Mitglied der Bezirksvertretung Innenstadt.
Siehe dazu u.a.:
Seit dem 8. Januar hat das Barmer Viertel aufgehört zu existieren
Leben im Kapitalismus ist Leben wie im Krieg
NRhZ Nr. 129 vom 16.01.2008
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=11960
Hogesa-Operation am 25.10.2015 in Köln
Ablenkungsmanöver der herrschenden Hooligans
NRHZ Nr. 534 vom 28.10.2015
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22192
Online-Flyer Nr. 558 vom 20.04.2016