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Kommentar
Meinungsfreiheit für alle - Umfrage des Bayerischen Rundfunks
Pressefreiheit für wenige
Von Ulrich Gellermann
Pressefreiheit ist, wenn die einen was sagen und die anderen zuhören. An das nette Märchen von der Meinungsfreiheit, im Artikel fünf des Grundgesetzes garantiert, glauben immer weniger Menschen: Nur ein Drittel der repräsentativ Befragten einer aktuellen Studie des Bayerischen Rundfunks (BR) hält die deutschen Nachrichtenmedien für unabhängig. Rund 60 Prozent weiß auch, von wem die Medien gelenkt sind: Sie sehen Regierung und Wirtschaft gleichauf bei der Beherrschung der Medien. Weil das Misstrauen in der Bevölkerung tief sitzt, wird seit einiger Zeit kräftig am Bild der Medien gemalt: Vorgeblich enthüllen die wesentlichen Medien neuerdings alles Mögliche. Nichts über sich selbst, versteht sich. Aber den bösen Buben in Panama zum Beispiel, denen geht es jetzt an den weißen Kriminalitätskragen.
Wer dann hinter den gigantischen Vorhang von „400 Journalisten von mehr als 100 Medienorganisationen in rund 80 Ländern“ blickt, die enthüllt und enthüllt und enthüllt haben sollen, der findet „John Doe“. Den geheimen Hacker, den Menschen, der die Daten besorgt hat, die dann später durch eine Überfülle von Journalisten gelesen, ausgewertet und vor allem präsentiert wurden. Aber es sind in Wahrheit die Julian Assanges, die Edward Snowdens und die vielen anonymen Helden des Cyberspace, die dem armen Medienkonsumenten manchmal einen Zipfel zur Lüftung der Herrschaftsgeheimnisse in die Hand geben. – Es seien die „wirtschaftlichen Zwänge“, das politische Kalkül und der Lobbyismus, meinen die Befragten der BR-Studie, die der Meinungsfreiheit im Wege stehen.
Nicht-Berichterstattung, Falschnachrichten und Dauermanipulation
Und weil nun mal gerade die "Rangliste der Pressefreiheit 2016" von den Reportern ohne Grenzen ins öffentliche Gerede gekommen ist, wird von den Meinungsmachern in den Redaktionen auch schnell noch eine Geschichte des eigenen journalistischen Martyriums hinterhergeschoben: Weil einzelne Journalisten, bei den Pegida-Umtrieben zum Beispiel, auch persönlich angegriffen worden sind, sei die Pressefreiheit in den Bundesrepublik gefährdet. „Und Gewalt gegen Journalisten ist natürlich ein wichtiger Faktor", sagte Vorstandssprecherin von den Reportern ohne Grenzen Britta Hilpert. Dass Frau Hilpert nicht nur Mitglied im Reporter-Verein, sondern auch Leiterin des ZDF-Studios Brandenburg ist, erfährt man dann seltener. Und über die formierte Gewalt der Nicht-Berichterstattung, der Falschnachrichten und der Dauermanipulation mag der Verein ohnehin nicht öffentlich nachdenken.
Während die Panama-Wogen immer noch gischten, rinnt eine Nachricht wie nebenbei durch die Medienlandschaft: Deutschland ist noch immer ein „Hort der Geldwäsche“, sagt der auf Wirtschaftskriminalität und Geldwäsche spezialisierte Vize-Chef des Bundes der Kriminalbeamten Sebastian Fiedler. Und weiter weiß er, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nur „wie ein Getriebener“ agiere und auch nur auf Druck von außen. Die ganz normale Wirtschaftskriminalität liegt also schon seit Jahren vor der eigenen Haustür, aber gekehrt wird lieber woanders. Und die wesentlichen, kriminellen Macht-Verhältnisse verschwinden hinter der täglichen Nachricht vom angeblichen Rückgang der Arbeitslosenzahlen und dem Verschweigen der Wirklichkeit elender Ausbeutungsverhältnisse. Rund ein Viertel der vom Bayerischen Rundfunk Befragten sieht keine Übereinstimmung zwischen seiner Wirklichkeit und der von den Medien abgebildet Realität. Und immerhin jeder Zweite hat gemerkt, dass die Medien „eher einen Blickwinkel von oben“ haben.
Sieg eines primitiven Darwinismus
Immer noch stehen die öffentlich-rechtlichen Sender an der Spitze der Medien-Nachrichten-Nutzung. Doch liegt das Internet inzwischen immerhin gleichauf mit den Tageszeitungen. Eine Untersuchung über die Menschenbild-Vermittlung der TV-Anstalten über ihre Unterhaltungsprogramme steht allerdings noch aus. Aber schon ein flüchtiger Blick in das laufende TV-Programm macht deutlich: Wer schneller schießt gewinnt, wenn er nicht gerade den Kampf um Deutschlands besten, schönsten, schnellsten Irgendwas zu bestehen hat. Längst hat in der TV-Unterhaltung ein primitiver Darwinismus gesiegt, der natürlich auch jene erreicht hat, die sich von der „Lügenpresse“ verkauft fühlen: Die Deutschen sind in Deutschland die Stärksten und das sollen sie gefälligst auch bleiben.
An ihren Fragen sollt ihr sie erkennen: Dieser Leitspruch sollte über jeder Befragung stehen und gilt selbstverständlich auch für die Befragung des Bayerische Rundfunk zum „Vertrauen in die Medien“. Die Einstiegsfrage macht klar, welcher Geist die Studie umtreibt: „Ich kann verstehen, dass manche Leute die Werte Deutschlands in Gefahr sehen“, diesem AfD-Suggestiv-Statement konnten doch glatt 43 „völlig“ und immer noch 33 Prozent „eher“ zustimmen. Mit diesem Unterstellungs-Satz ist es den Studien-Machern sowohl möglich, die Antworten in eine offen rechte Ecke zu sortieren, als auch „die Werte Deutschlands“ für die Programm-Inhalte zu reklamieren, also dem Merkel Wort zu folgen, das vor einer „Verteufeln“ der AfD warnt. Verständlich, immerhin ist die AfD Fleisch von ihrem Fleisch und was „Deutschlands Werte“ sind, das wird immer noch im Kanzleramt und in den Redaktionen der öffentlich-rechtlichen Sender entschieden.
Die Medien blenden berechtigte Meinungen aus
Auch wenn die Medien den Eindruck von Meinungsfreiheit erzeugen, können doch 60 Prozent der Befragten diesen Satz unterschreiben: „Die Medien blenden berechtigte Meinungen aus, die sie für unerwünscht halten.“ In dieser Erkenntnis liegt die Chance für alternative Medien, die zurzeit wesentlich im Internet anzutreffen sind. Immerhin 45 Prozent der Befragten nutzen das Netz inzwischen als Nachrichtenquelle, der Anteil der jüngeren Internet-User ist deutlich höher. Offenkundig - beweisbar auch in den verschiedenen Netz-Foren - wächst der Wunsch selbst etwas zu sagen. Weil Pressfreiheit eben nur für wenige existiert, alle aber eine Meinung haben, die sie gern äußern und verbreiten würden.
Erstveröffentlichung am 05. Mai 2016 bei rationalgalerie.de – Eine Plattform für Nachdenker und Vorläufer
Top-Foto:
Ulrich Gellermann (aus Video-Interview: deutsch.rt.com)
Online-Flyer Nr. 561 vom 11.05.2016
Meinungsfreiheit für alle - Umfrage des Bayerischen Rundfunks
Pressefreiheit für wenige
Von Ulrich Gellermann
Pressefreiheit ist, wenn die einen was sagen und die anderen zuhören. An das nette Märchen von der Meinungsfreiheit, im Artikel fünf des Grundgesetzes garantiert, glauben immer weniger Menschen: Nur ein Drittel der repräsentativ Befragten einer aktuellen Studie des Bayerischen Rundfunks (BR) hält die deutschen Nachrichtenmedien für unabhängig. Rund 60 Prozent weiß auch, von wem die Medien gelenkt sind: Sie sehen Regierung und Wirtschaft gleichauf bei der Beherrschung der Medien. Weil das Misstrauen in der Bevölkerung tief sitzt, wird seit einiger Zeit kräftig am Bild der Medien gemalt: Vorgeblich enthüllen die wesentlichen Medien neuerdings alles Mögliche. Nichts über sich selbst, versteht sich. Aber den bösen Buben in Panama zum Beispiel, denen geht es jetzt an den weißen Kriminalitätskragen.
Wer dann hinter den gigantischen Vorhang von „400 Journalisten von mehr als 100 Medienorganisationen in rund 80 Ländern“ blickt, die enthüllt und enthüllt und enthüllt haben sollen, der findet „John Doe“. Den geheimen Hacker, den Menschen, der die Daten besorgt hat, die dann später durch eine Überfülle von Journalisten gelesen, ausgewertet und vor allem präsentiert wurden. Aber es sind in Wahrheit die Julian Assanges, die Edward Snowdens und die vielen anonymen Helden des Cyberspace, die dem armen Medienkonsumenten manchmal einen Zipfel zur Lüftung der Herrschaftsgeheimnisse in die Hand geben. – Es seien die „wirtschaftlichen Zwänge“, das politische Kalkül und der Lobbyismus, meinen die Befragten der BR-Studie, die der Meinungsfreiheit im Wege stehen.
Nicht-Berichterstattung, Falschnachrichten und Dauermanipulation
Und weil nun mal gerade die "Rangliste der Pressefreiheit 2016" von den Reportern ohne Grenzen ins öffentliche Gerede gekommen ist, wird von den Meinungsmachern in den Redaktionen auch schnell noch eine Geschichte des eigenen journalistischen Martyriums hinterhergeschoben: Weil einzelne Journalisten, bei den Pegida-Umtrieben zum Beispiel, auch persönlich angegriffen worden sind, sei die Pressefreiheit in den Bundesrepublik gefährdet. „Und Gewalt gegen Journalisten ist natürlich ein wichtiger Faktor", sagte Vorstandssprecherin von den Reportern ohne Grenzen Britta Hilpert. Dass Frau Hilpert nicht nur Mitglied im Reporter-Verein, sondern auch Leiterin des ZDF-Studios Brandenburg ist, erfährt man dann seltener. Und über die formierte Gewalt der Nicht-Berichterstattung, der Falschnachrichten und der Dauermanipulation mag der Verein ohnehin nicht öffentlich nachdenken.
Während die Panama-Wogen immer noch gischten, rinnt eine Nachricht wie nebenbei durch die Medienlandschaft: Deutschland ist noch immer ein „Hort der Geldwäsche“, sagt der auf Wirtschaftskriminalität und Geldwäsche spezialisierte Vize-Chef des Bundes der Kriminalbeamten Sebastian Fiedler. Und weiter weiß er, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nur „wie ein Getriebener“ agiere und auch nur auf Druck von außen. Die ganz normale Wirtschaftskriminalität liegt also schon seit Jahren vor der eigenen Haustür, aber gekehrt wird lieber woanders. Und die wesentlichen, kriminellen Macht-Verhältnisse verschwinden hinter der täglichen Nachricht vom angeblichen Rückgang der Arbeitslosenzahlen und dem Verschweigen der Wirklichkeit elender Ausbeutungsverhältnisse. Rund ein Viertel der vom Bayerischen Rundfunk Befragten sieht keine Übereinstimmung zwischen seiner Wirklichkeit und der von den Medien abgebildet Realität. Und immerhin jeder Zweite hat gemerkt, dass die Medien „eher einen Blickwinkel von oben“ haben.
Sieg eines primitiven Darwinismus
Immer noch stehen die öffentlich-rechtlichen Sender an der Spitze der Medien-Nachrichten-Nutzung. Doch liegt das Internet inzwischen immerhin gleichauf mit den Tageszeitungen. Eine Untersuchung über die Menschenbild-Vermittlung der TV-Anstalten über ihre Unterhaltungsprogramme steht allerdings noch aus. Aber schon ein flüchtiger Blick in das laufende TV-Programm macht deutlich: Wer schneller schießt gewinnt, wenn er nicht gerade den Kampf um Deutschlands besten, schönsten, schnellsten Irgendwas zu bestehen hat. Längst hat in der TV-Unterhaltung ein primitiver Darwinismus gesiegt, der natürlich auch jene erreicht hat, die sich von der „Lügenpresse“ verkauft fühlen: Die Deutschen sind in Deutschland die Stärksten und das sollen sie gefälligst auch bleiben.
An ihren Fragen sollt ihr sie erkennen: Dieser Leitspruch sollte über jeder Befragung stehen und gilt selbstverständlich auch für die Befragung des Bayerische Rundfunk zum „Vertrauen in die Medien“. Die Einstiegsfrage macht klar, welcher Geist die Studie umtreibt: „Ich kann verstehen, dass manche Leute die Werte Deutschlands in Gefahr sehen“, diesem AfD-Suggestiv-Statement konnten doch glatt 43 „völlig“ und immer noch 33 Prozent „eher“ zustimmen. Mit diesem Unterstellungs-Satz ist es den Studien-Machern sowohl möglich, die Antworten in eine offen rechte Ecke zu sortieren, als auch „die Werte Deutschlands“ für die Programm-Inhalte zu reklamieren, also dem Merkel Wort zu folgen, das vor einer „Verteufeln“ der AfD warnt. Verständlich, immerhin ist die AfD Fleisch von ihrem Fleisch und was „Deutschlands Werte“ sind, das wird immer noch im Kanzleramt und in den Redaktionen der öffentlich-rechtlichen Sender entschieden.
Die Medien blenden berechtigte Meinungen aus
Auch wenn die Medien den Eindruck von Meinungsfreiheit erzeugen, können doch 60 Prozent der Befragten diesen Satz unterschreiben: „Die Medien blenden berechtigte Meinungen aus, die sie für unerwünscht halten.“ In dieser Erkenntnis liegt die Chance für alternative Medien, die zurzeit wesentlich im Internet anzutreffen sind. Immerhin 45 Prozent der Befragten nutzen das Netz inzwischen als Nachrichtenquelle, der Anteil der jüngeren Internet-User ist deutlich höher. Offenkundig - beweisbar auch in den verschiedenen Netz-Foren - wächst der Wunsch selbst etwas zu sagen. Weil Pressfreiheit eben nur für wenige existiert, alle aber eine Meinung haben, die sie gern äußern und verbreiten würden.
Erstveröffentlichung am 05. Mai 2016 bei rationalgalerie.de – Eine Plattform für Nachdenker und Vorläufer
Top-Foto:
Ulrich Gellermann (aus Video-Interview: deutsch.rt.com)
Online-Flyer Nr. 561 vom 11.05.2016