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"Fake news – eine Herausforderung des freien Denkens" - Kolloquium der Weltunion der Freidenker
Gegen „Fake News“ – nicht immer ein Kampf für die Wahrheit (Teil 1)
Von Klaus Hartmann
Das englische Wort Fake News ist vor gut einem Jahr in Mode gekommen und bezeichnet etwas, für das wir schon vorher ziemlich exakte Begriffe hatten: Falschmeldungen und Desinformation. Auch das Wort „Zeitungsente“ war in Deutschland geläufig, klingt aber natürlich nicht so cool und trendy wie die Neuschöpfung in Englisch. Ursprünglich bedeutet Fake gefälscht oder Fälschung, schon länger bekannt ist fake fur, das ist Kunstpelz, ein fake painting ist ein gefälschtes Gemälde, oder eine fake pistol ist keine echte Waffe; sondern eine Attrappe. Anfang 2017 wurden „Fake News“ zum „Anglizismus des Jahres“ gewählt. Die Jury der Aktion erkennt ab November 2016 im Zusammenhang mit einer Bedeutungsverschiebung hin zu politisch motivierten Falschmeldungen, in Täuschungsabsicht hergestellt. (1)
Mit Fake News sind keineswegs alle Falschmeldungen und Desinformationen gemeint, der Vorwurf zielt speziell auf Nachrichten im Internet und den so genannten „sozialen Medien“. „Besonders im Internet wird heute gelogen, dass sich die Balken biegen“, verkündet das Erste Deutsche Fernsehen; „Hasskommentare und gezielte Falschmeldungen“ beklagt der Norddeutsche Rundfunk, und meldet: „Die Bundesregierung will im Wahlkampf ein Abwehrzentrum gegen Desinformationen“. (Magazin „Zapp“, 01.02.2017)
Der Vorwurf bedeutet implizit einen Freispruch für die so genannten offiziellen Medien wie Rundfunk, Fernsehen und Presse, sowie die Nachrichtenagenturen, aus denen sie alle ihre Weisheiten beziehen. In gewisser Weise ist der Vorwurf „Fake News“ auch eine Retourkutsche für den Vorwurf „Lügenpresse“, der seit ein paar Jahren gegen die etablierten Medien erhoben wird.
Der so genannte Kampf gegen Fake News wurde von offizieller Seite in ein Instrument verwandelt, das gegen innenpolitische Gegner und außenpolitische Konkurrenten gerichtet ist.
Darüber, dass Falschmeldungen unsere Demokratie bedrohen würden, ist eine regelrechte Hysterie entstanden. „Aus dem Modewort zur Beschreibung eines neuen Phänomens ist ein Kampfbegriff geworden“, scheibt das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ in überraschende, weil seltener Offenheit (2). Demnach sei „Fake News ein politisches Schimpfwort, das in allerlei Auseinandersetzungen hin- und hergeschleudert wird, so dass es kaum noch zu greifen ist: zwischen Trump und Medien, zwischen Linken und Rechten.“ Für manche sei „Fake News“ nur „ein bequemes Schlagwort für alles Neue, was einem nicht in den Kram passt“.
Dabei ist der Aspekt nicht unerheblich, dass nämlich die Regierungen und Mainstream-Medien auch unliebsame Wahrheiten mit dem Verdikt „Fake News“ versehen, um sich nicht damit auseinandersetzen zu müssen, sondern die Künder zu diskreditieren und aus dem „seriösen“ Diskurs auszuschließen. Damit ähnelt das Wort der Funktion des Vorwurfs „Verschwörungstheoretiker“, deren Ausgrenzung, Lächerlich- und Verächtlichmachung mit diesem Etikett ebenso angestrebt wird.
Fakes sind keine Neuerscheinung
Wir sollen und können nicht akzeptieren, dass die Debatte um so genannte „Fake News“ als kleine Münze im parteipolitischen Gezänk und im tagespolitischen Schlagabtausch benutzt wird. Wir sollten die Konjunktur des Modewortes dazu nutzen, öffentlich auf Lug und Trug, insbesondere die größeren und großen Lügen hinzuweisen, die uns vorgesetzt werden, und deren Hinterfragen nicht gewünscht ist. Hier sehen wir eine besondere Herausforderung für die Aufklärung, die Freidenker auf ihre Fahnen geschrieben haben.
Deshalb schadet es nicht, ein wenig in der Geschichte zurückzugehen, und auch die Religionen und die Kirchen nicht zu schonen. Beginnen wir mit einer Fake News, die ein zentrales christliches Dogma behandelt: Jesus soll von einer Jungfrau geboren worden sei, nach einer unbefleckten Empfängnis. Die Heiligen Schriften sind voll von genannten Fake News. Das Bistum in Trier veranstaltet regelmäßig Wallfahrten zu seinem so genannten „Heiligen Rock“. «Der Heilige Rock ist echt», sagt der Bischof - allerdings nicht im Sinne des historischen Gewandes Jesu. Nach einem Bad im Wasser von Lourdes sollen Multiple Sklerose, Tuberkulose, Infektionskrankheiten, Knochenkrebs geheilt worden sein. Die römisch-katholischen Kirche hat bis heute 67 angeblicher Heilungen als Wunder anerkannt.
Hartnäckig hält sich die Legende, dass die Katholische Kirche Gegnerin des Hitlerfaschismus war. Tatsächlich schlossen der Vatikan und Nazideutschland am 20.7.1933 einen Kirchenstaatsvertrag ab. Dieses „Konkordat“ mit dem Papst war Hitlers erster völkerrechtlicher Vertrag. »Zwar waren fast zwei Drittel der 34 Artikel des Konkordats zu Gunsten der Kirche. Aber das kümmerte Hitler nicht. Immerhin mußten die Bischöfe, laut Artikel 16, einen Treueid ablegen und versprechen, die Regierung zu achten und durch ihren Klerus achten zu lassen. Artikel 27 gab den Nazis Einfluß auf die Ernennung des katholischen Armeebischofs und der katholischen Militärgeistlichen. Artikel 30 sah an allen Sonn- und Feiertagen in sämtlichen Kirchen Deutschlands nach dem Hauptgottesdienst ein Gebet für das Wohlergehen des Hitlerreiches vor.« (Karlheinz Deschner: Mit Gott und den Faschisten. Der Vatikan im Bunde mit Mussolini, Franco, Hitler u. Pavelic, 1965, S.113) Der Vertrag wurde von der Bundesrepublik nie beendet.
Da wollte die Evangelische Kirche in Sachen Treue zum „Führer“ natürlich nicht nachstehen: »Der geistliche Vertrauensrat der deutschen evangelischen Kirche, erstmalig seit Beginn des Entscheidungskampfes im Osten versammelt, versichert Ihnen, mein Führer, in diesen hinreisend bewegten Stunden aufs Neue die unwandelbare Treue und Einsatzbereitschaft der gesamten evangelischen Christenheit des Reiches. Sie haben, mein Führer, die bolschewistische Gefahr im eigenen Lande gebannt und rufen nun unser Volk und die Völker Europas zum entscheidenden Waffengange gegen den Todfeind aller Ordnung und aller abendländisch christlichen Kultur auf. Das deutsche Volk und mit ihm alle seine christliche Glieder danken Ihnen für diese Ihre Tat.« - Telegramm des Vertrauensrates der deutschen evangelischen Kirche vom 30.6.1941 an Adolf Hitler (Kloft, Lieber Onkel Hitler – Briefe an den Führer, Spiegel/MDR/NDR–Filmdokumentation, 2010)
Ein anderes Gerücht besagt, dass der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland ein lupenreiner Demokrat gewesen sei. Konrad Adenauer, Mitglied der katholischen Zentrumspartei war von 1933 Kölner Oberbürgermeister. 1929 schrieb er ein Telegramm an den italienischen Faschistenführer Benito Mussolini, der den Arbeiterführer Giacomo Mateotti hatte ermorden lassen: »Der Name Mussolini wird in goldenen Buchstaben in die Geschichte der katholischen Kirche eingetragen!« (Bernt Engelmann, Schwarzbuch Helmut Kohl, 1998, S.48f.) „Demokrat“ Adenauer: das ist Fake News, die Realität: ein Klerikalfaschist.
Dass die Kirche nach dem verheerenden Krieg auf Frieden gesetzt hätte, ist ebenfalls Fake News: Kardinal Frings aus Köln hat am 23. Juni 1950 auf dem Katholikentag in Bonn als erster öffentlich in Deutschland die Wiederaufrüstung der Deutschen gefordert.« (Karlheinz Deschner: Mit Gott und den Faschisten. Der Vatikan im Bunde mit Mussolini, Franco, Hitler u. Pavelic, 1965, S.115 f.)
Er kann sich dabei auf eine lange kirchliche Tradition berufen: »Die geschichtlichen Tatsachen lehren, daß uns der Krieg größeren Nutzen bringt als der Friede.« - Kirchenvater Theodoret im 5. Jahrhundert (Deschner, Kriminalgeschichte des Christentums, Band 1 von 10, Die Frühzeit, 1986, S. 68)
„Haltet den Dieb!“- au voleur!
Die Europäische Union hat im September 2015 eine „Arbeitsgruppe zur Verfolgung und Analyse von aus Russland nach Europa strömenden Desinformationen“ namens „East StratCom Task Force“ als Ergebnis der eingerichtet, die eine Homepage Disinformation Revue geschaltet hat. Sie durchkämmen das Internet nach Falschnachrichten, die nach ihrer Ansicht aus Russland in die Europäische Union strömen. Diese Kommission beschreibt ihren Zweck selbst höchst entlarvend, nämlich dass die aus Russland kommenden Nachrichten „hier für Unruhe sorgen und Zweifel an der etablierten Politik säen sollen“.
Ja, wo kommen wir denn da hin? Unruhe? Ruhe ist doch bekanntlich erste Bürgerpflicht. Und gar „Zweifel an der etablierten Politik“? Einfach nur frevelhaft. Wo doch die NATO-Deutungshoheit der Wirklichkeit sakrosankt ist und jede Bedrohung dieses Monopols mindestens Majestätsbeleidigung bedeutet!
Wenn man der EU- und NATO-Sicht folgen möchte, würde der Alarm wegen „Unruhe und Zweifel“ doch eher zu Russland passen, aber zur EU, dem Hort der Demokratie, der Meinungsfreiheit, der mündigen Bürger? Da haben offenbar die Russen der EU selbst die Feder geführt, um sie vor aller Augen zu blamieren.
Alternative Medien? „Sie zielen darauf, die Mainstream-Medien auszuhebeln“, klagt die Kulturwissenschaftlerin Eva Kimminich von der Uni Potsdam an, und: „man muss berücksichtigen, dass einfach ‚Gegebenheiten aus Medien‘(!) aufgegriffen und anders dargestellt werden“. („Zapp“, 01.02.2017) „Gegebenheiten“? Die Herrschaft hat‘s gegeben? Und wir haben es nur noch zu schlucken? Der Kommentator: Das kann schon gefährlich sein – wenn Entscheidungen aufgrund von Meinungsmache getroffen werden, die nur noch mit Hetze zu tun hat.“
Die Eiferer gegen „Fake News“ würden besser vor der eigenen Tür kehren.
Am 10.01.2017 meldete „Bild“: „SPD-Chef Gabriel tritt gegen Merkel an“. Solche klassischen Falschmeldungen sind im Prinzip bestenfalls belustigend. Wenn sie sich als falsch herausstellen, werden sie meist kleinlaut dementiert.
Andere Fake News haben eine schier ewige Lebensdauer. „Die Rente ist sicher“ versprach der deutsche Arbeits- und Sozialminister Norbert Blüm, erstmals im Wahlkampf 1986, am 10. Oktober 1997 nochmals in einer hitzigen Debatte im Deutschen Bundestag. Er meinte nicht seine eigene Rente, es war ein typisches Versprechen an die Wähler. Inzwischen sagt er kleinlaut: „Wenn das Rentenniveau weiter so sinkt wie in den letzten Jahren, dann kommt man in die Nähe der Sozialhilfe“. (Saarbrücker Zeitung, 01.12.2014)
Das Rentenniveau im Jahr 2028 wird wahrscheinlich nur noch 44 Prozent des Durchschnittseinkommens betragen - im Jahr 2000 waren es noch knapp 53 Prozent. Aktuelle Berechnungen gehen davon aus, dass über 50% der Erwerbstätigen mit Renten unterhalb der Armutsgrenze rechnen müssen.
Eine besondere mediale Behandlung hat in den letzten Jahren Griechenland erfahren. Dem Fernsehzuschauer wurde von der ARD beigebracht, mit Verlängerung des zweiten „Hilfspakets“ habe sich die neue griechische Regierung verpflichtet, die mit der Vorgängerregierung vereinbarten Reformen ausnahmslos umzusetzen. Das ist zwar wahrheitswidrig, sollte aber den Eindruck erwecken, dass Athen (erneut) den Fahrplan nicht einhält, im Zeitverzug ist, nicht liefert, seine Hausaufgaben nicht macht, tatsächlich reformunwillig ist. Korrespondent Krause unternahm es, die Zuschauer davon überzeugen, dass „der Grieche“ sich auf ihre Kosten bereichern will, oder in den Worten Krauses „es für das gottgegebene Recht seines Landes hält, auf Kosten anderer zu leben.“ (Tagesthemen-Kommentar vom 17.02.2015)
Framing - Nach den Fake News müssen wir uns mit weiteren Anglizismen abgeben, zunächst dem Framing: Der vom US-amerikanischen Linguisten George Lakoff aufgestellten Kommunikationsmaxime, Fakten nur innerhalb moralischer Frames zu diskutieren, folgt die ARD-Berichterstattung ebenso wie das von Lakoff inspirierte Diskussionspapier der Bertelsmann Stiftung zu strategischer Regierungskommunikation aus dem Jahr 2006: „Gelungenes Framing zeichnet sich dadurch aus, dass Reformpolitik ihre Gestaltungsanliegen sprachlich mit gesellschaftlichen Sinn- und Wertzusammenhängen verknüpft.“
Die sachliche Debatte um ökonomische Lösungen für eine Schuldenkrise tritt in den Hintergrund zugunsten einer medial inszenierten Frage der Tugendhaftigkeit. Mit Hilfe der so erzeugten „Illusion der Informiertheit“ wird das tatsächliche Informationsvakuum innerhalb der Berichterstattung verdeckt. Die Stärke der Narration ist, dass sie den Werte-Frame subtil transportiert – ohne ihn explizit zu nennen. Der Rezipient erkennt selbständig, dass das Thema einen für ihn bedeutsamen Grundwert tangiert“ [179], führt Herbert Flath in seiner Dissertation zu „Storytelling im Journalismus“ aus. Storytelling ist also der nächste Begriff der schönen neuen Medienwelt, den wir uns merken sollten.
Auch eine „Semantik der Eskalation“ (Frank Schirrmacher), die aus Ausdrücken besteht wie „schrille Töne“, „Affront“, „aufeinanderprallende Welten“, „Eklat“, „heftiger Streit“ und „geballte Faust“ wird einen Großteil der Zuschauer davon überzeugen, dass diese „hemdsärmeligen“, „ruppigen“ (Thomas Roth 04.02.2015), „selbstverliebten“ (Ulrich Deppendorf 27.02.2015) „Halbstarken“ (Claus-Erich Boetzkes 12.02.2015), diese „Schuljungen“ (Thomas Bormann 21.02.2015) mit ihrer „Ruppigkeit-ich-will-nicht-sagen-Arroganz“ (Thomas Roth 16.02.2015), diese „unberechenbaren Teenager“ mit „frechem Grinsen im Gesicht“ (Angela Ulrich 08.07.2015), die ihre „Hausaufgaben“ (Caren Miosga 23.02.2015) nicht machen wollen und es als ihr „gottgegebenes Recht ansehen, auf Kosten anderer zu leben“ (Rolf-Dieter Krause 17.02.2015), „runter von den Bäumen“ (Ulrich Deppendorf 27.02.2015) müssen, „ins Gebet“ (Bettina Scharkus 29.01.2015) genommen werden müssen. Und wenn alle Ermahnung nicht hilft – „Ich-kann-gar-nicht-so-viel-fressen-wie-ich-kotzen-möchte“ [183] (Rolf-Dieter Krause, Presseclub, 14.06.2015) –, dann müssen diese „Schurken“ (Alois Theisen, 27.06.2015), vor allem dieser „irrlichternde Varoufakis“ [184] (Reinald Becker 29.06.2015) mal richtig diszipliniert, am besten „zum Teufel gejagt“[185] werden. (Rolf-Dieter Krause, Hart aber fair, 29.06.2015) (3)
Diese und viele weitere Medienmanipulationen hat die „Ständige Publikumskonferenz“ öffentlich gemacht, die sich für Medienkompetenz und demokratische Mitsprache bei der Umsetzung des Programmauftrags der Medien stark macht. Ihre Vorsitzende Maren Müller kommentiert: Wir werfen der ARD vor, entgegen der Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrages das Publikum mit Desinformation, Falschaussagen und Auslassungen wichtiger Informationen über Wochen und Monate regelrecht überzogen zu haben:
Die Griechenlandberichterstattung der ARD – explizit von Tagesschau und Tagesthemen – war einseitig, regierungskonform, manipulativ, feindselig, verleumderisch und in Teilen geradezu absurd ob ihrer boulevardesken Erzählweise. Durch die inflationäre Verbreitung national-stereotyper Klischees im Zusammenhang mit den griechischen Staatsschulden wurden bei der deutschen Bevölkerung niedere Instinkte wie Neid, Hass, Zynismus und offener Rassismus geweckt sowie Zwietracht unter den europäischen Nachbarn gesät. „Das stereotypenspezifische Werte-Framing wirkt stark polarisierend. Es aktiviert und bestätigt zugleich das im Langzeitgedächtnis gespeicherte Stereotyp von den chaotischen, unzuverlässigen, trickreichen, unpünktlichen, unbeherrschten, faulen (=reformunwilligen) und verschwenderischen Südeuropäern, die angeblich die (nord-) „europäischen Gepflogenheiten“ (Rolf-Dieter Krause) missachten.“ (4)
In gleicher Richtung wirkt auch das Institut für Medienverantwortung, das von der Freidenkerin Dr. Sabine Schiffer geleitet wird. Sein Anliegen ist die Förderung von Medienkompetenz auf Seiten der Mediennutzer. Sie gab zuletzt unter dem Titel „Ukraine im Visier. Russlands Nachbar als Zielscheibe geostrategischer Interessen“ ein Buch heraus, in dem verschiedenen Autoren die Medienmanipulationen zur Ukraine-Krise untersuchen. https://www.medienverantwortung.de/
Ein weiterer Anglizismus ist der so genannte spin doctor, ein aus den USA importierter Begriff, wo diese Gattung zunächst, seit 1984 als PR-Berater von Präsidentschaftskandidaten in den war rooms tätig war, den Wahlkampfzentralen der Parteien. Ihre Aufgabe: die „Dinge ins richtige Licht zu rücken“, der Berichterstattung den gewünschten Dreh zu geben. Sie sollen Themen setzen, Interpretation vorgeben und den Ereignissen immer einen eigenen Drall, einen spin geben, auch wenn der sich kaum mehr mit den Tatsachen deckt. Personen oder Ereignisse sollen in einem möglichst positiven oder auch negativen Licht erscheinen. (5)
Daher sind die völkerrechtswidrigen Kriege des Westens immer „humanitäre Missionen“, „für Menschenrechte“ und den „Schutz der Zivilbevölkerung, und die Gegner von USA und NATO immer „Verrückte“, „Schlächter“, „Diktatoren“, „Mörder des eigenen Volkes“ und „neue Hitler“.
Wiederholt hat der ehemalige Tagesschau-Redakteur Volker Bräutigam wegen der einseitigen Propaganda und Desinformation der ARD über den Ukraine-Konflikt eine Programmbeschwerde eingereicht. In einem Fall rügte er, dass das Erste Deutsche Fernsehen eine Patrouille von NATO-Soldaten den Zuschauern als „OSZE-Beobachter“ verkaufen wollte.
Die „Stellungnahme“ des ARD-aktuell-Chefredakteurs Gniffke darauf schlägt jede Satire: „Wir haben den Begriff 'OSZE-Militärbeobachter' richtig verwendet. … Die Bezeichnung … steht im Einklang mit dem Wording von Nachrichtenagenturen und Qualitätszeitungen…“
Bräutigam kommentierte: Gniffke kombiniert also Arroganz und Ignoranz. Er merkt nicht mal, dass er ein intellektuelles Null Ouvert spielt und zugleich die zumindest mentale – nachrichtenagenturgestützte – Gleichschaltung der Medien nachweist, indem er das eigene Falschinformieren mit demjenigen der Agenturen und „Qualitätszeitungen“ rechtfertigt. Borniertheit, Arroganz und Kritikunfähigkeit der Staatssender kennen offensichtlich keine Grenzen. (6)
Dank ARD-Gniffke haben wir einen weiteren Anglizismus gelernt: „Wording“. Gemeint ist die Sprachregelung, auf die sich die „im Konkubinat mit der Politik lebenden Medien“ (Bräutigam) verständigt haben, um dem Berichteten den „richtigen Drall“ (Spin) zu geben, der ihre Deutungshoheit über die Ereignisse sicherstellt.
Klaus Hartmann ist Vorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbands und der Weltunion der Freidenker.
Fussnoten:
1 Anglizismus des Jahres 2016, verantwortlich im Sinne des Presserechts: Anatol Stefanowitsch, abgerufen am 8. Februar 2017, lt. https://de.wikipedia.org/wiki/Fake_News#cite_ref-9
2 http://www.spiegel.de/netzwelt/web/bild-1129628-1093845.html
3 https://publikumskonferenz.de/blog/2016/08/20/auswertung-ueber-taeuschung-tugend-und-teenager/
4 https://publikumskonferenz.de/blog/
5 https://de.wikipedia.org/wiki/Spin-Doctor
6 https://propagandaschau.wordpress.com/2014/07/10/volker-brautigam-uber-den-umgang-der-ard-mit-seiner-programmbeschwerde/
Siehe auch:
Teil 2 des Vortrags von Klaus Hartmann (zum Thema Krieg)
NRhZ 630 vom 27.09.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24182
"Fake news – eine Herausforderung des freien Denkens" - Kolloquium der Weltunion der Freidenker
Herrschaftsmittel Fake
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 627 vom 06.09.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24103
Gegen die Macht um Acht
Beschwerden gegen manipulierende Berichterstattung von ARD-aktuell
Von Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer
NRhZ 629 vom 20.09.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24166
Online-Flyer Nr. 629 vom 20.09.2017
"Fake news – eine Herausforderung des freien Denkens" - Kolloquium der Weltunion der Freidenker
Gegen „Fake News“ – nicht immer ein Kampf für die Wahrheit (Teil 1)
Von Klaus Hartmann
Das englische Wort Fake News ist vor gut einem Jahr in Mode gekommen und bezeichnet etwas, für das wir schon vorher ziemlich exakte Begriffe hatten: Falschmeldungen und Desinformation. Auch das Wort „Zeitungsente“ war in Deutschland geläufig, klingt aber natürlich nicht so cool und trendy wie die Neuschöpfung in Englisch. Ursprünglich bedeutet Fake gefälscht oder Fälschung, schon länger bekannt ist fake fur, das ist Kunstpelz, ein fake painting ist ein gefälschtes Gemälde, oder eine fake pistol ist keine echte Waffe; sondern eine Attrappe. Anfang 2017 wurden „Fake News“ zum „Anglizismus des Jahres“ gewählt. Die Jury der Aktion erkennt ab November 2016 im Zusammenhang mit einer Bedeutungsverschiebung hin zu politisch motivierten Falschmeldungen, in Täuschungsabsicht hergestellt. (1)
Mit Fake News sind keineswegs alle Falschmeldungen und Desinformationen gemeint, der Vorwurf zielt speziell auf Nachrichten im Internet und den so genannten „sozialen Medien“. „Besonders im Internet wird heute gelogen, dass sich die Balken biegen“, verkündet das Erste Deutsche Fernsehen; „Hasskommentare und gezielte Falschmeldungen“ beklagt der Norddeutsche Rundfunk, und meldet: „Die Bundesregierung will im Wahlkampf ein Abwehrzentrum gegen Desinformationen“. (Magazin „Zapp“, 01.02.2017)
Der Vorwurf bedeutet implizit einen Freispruch für die so genannten offiziellen Medien wie Rundfunk, Fernsehen und Presse, sowie die Nachrichtenagenturen, aus denen sie alle ihre Weisheiten beziehen. In gewisser Weise ist der Vorwurf „Fake News“ auch eine Retourkutsche für den Vorwurf „Lügenpresse“, der seit ein paar Jahren gegen die etablierten Medien erhoben wird.
Der so genannte Kampf gegen Fake News wurde von offizieller Seite in ein Instrument verwandelt, das gegen innenpolitische Gegner und außenpolitische Konkurrenten gerichtet ist.
Darüber, dass Falschmeldungen unsere Demokratie bedrohen würden, ist eine regelrechte Hysterie entstanden. „Aus dem Modewort zur Beschreibung eines neuen Phänomens ist ein Kampfbegriff geworden“, scheibt das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ in überraschende, weil seltener Offenheit (2). Demnach sei „Fake News ein politisches Schimpfwort, das in allerlei Auseinandersetzungen hin- und hergeschleudert wird, so dass es kaum noch zu greifen ist: zwischen Trump und Medien, zwischen Linken und Rechten.“ Für manche sei „Fake News“ nur „ein bequemes Schlagwort für alles Neue, was einem nicht in den Kram passt“.
Dabei ist der Aspekt nicht unerheblich, dass nämlich die Regierungen und Mainstream-Medien auch unliebsame Wahrheiten mit dem Verdikt „Fake News“ versehen, um sich nicht damit auseinandersetzen zu müssen, sondern die Künder zu diskreditieren und aus dem „seriösen“ Diskurs auszuschließen. Damit ähnelt das Wort der Funktion des Vorwurfs „Verschwörungstheoretiker“, deren Ausgrenzung, Lächerlich- und Verächtlichmachung mit diesem Etikett ebenso angestrebt wird.
Fakes sind keine Neuerscheinung
Wir sollen und können nicht akzeptieren, dass die Debatte um so genannte „Fake News“ als kleine Münze im parteipolitischen Gezänk und im tagespolitischen Schlagabtausch benutzt wird. Wir sollten die Konjunktur des Modewortes dazu nutzen, öffentlich auf Lug und Trug, insbesondere die größeren und großen Lügen hinzuweisen, die uns vorgesetzt werden, und deren Hinterfragen nicht gewünscht ist. Hier sehen wir eine besondere Herausforderung für die Aufklärung, die Freidenker auf ihre Fahnen geschrieben haben.
Deshalb schadet es nicht, ein wenig in der Geschichte zurückzugehen, und auch die Religionen und die Kirchen nicht zu schonen. Beginnen wir mit einer Fake News, die ein zentrales christliches Dogma behandelt: Jesus soll von einer Jungfrau geboren worden sei, nach einer unbefleckten Empfängnis. Die Heiligen Schriften sind voll von genannten Fake News. Das Bistum in Trier veranstaltet regelmäßig Wallfahrten zu seinem so genannten „Heiligen Rock“. «Der Heilige Rock ist echt», sagt der Bischof - allerdings nicht im Sinne des historischen Gewandes Jesu. Nach einem Bad im Wasser von Lourdes sollen Multiple Sklerose, Tuberkulose, Infektionskrankheiten, Knochenkrebs geheilt worden sein. Die römisch-katholischen Kirche hat bis heute 67 angeblicher Heilungen als Wunder anerkannt.
Hartnäckig hält sich die Legende, dass die Katholische Kirche Gegnerin des Hitlerfaschismus war. Tatsächlich schlossen der Vatikan und Nazideutschland am 20.7.1933 einen Kirchenstaatsvertrag ab. Dieses „Konkordat“ mit dem Papst war Hitlers erster völkerrechtlicher Vertrag. »Zwar waren fast zwei Drittel der 34 Artikel des Konkordats zu Gunsten der Kirche. Aber das kümmerte Hitler nicht. Immerhin mußten die Bischöfe, laut Artikel 16, einen Treueid ablegen und versprechen, die Regierung zu achten und durch ihren Klerus achten zu lassen. Artikel 27 gab den Nazis Einfluß auf die Ernennung des katholischen Armeebischofs und der katholischen Militärgeistlichen. Artikel 30 sah an allen Sonn- und Feiertagen in sämtlichen Kirchen Deutschlands nach dem Hauptgottesdienst ein Gebet für das Wohlergehen des Hitlerreiches vor.« (Karlheinz Deschner: Mit Gott und den Faschisten. Der Vatikan im Bunde mit Mussolini, Franco, Hitler u. Pavelic, 1965, S.113) Der Vertrag wurde von der Bundesrepublik nie beendet.
Da wollte die Evangelische Kirche in Sachen Treue zum „Führer“ natürlich nicht nachstehen: »Der geistliche Vertrauensrat der deutschen evangelischen Kirche, erstmalig seit Beginn des Entscheidungskampfes im Osten versammelt, versichert Ihnen, mein Führer, in diesen hinreisend bewegten Stunden aufs Neue die unwandelbare Treue und Einsatzbereitschaft der gesamten evangelischen Christenheit des Reiches. Sie haben, mein Führer, die bolschewistische Gefahr im eigenen Lande gebannt und rufen nun unser Volk und die Völker Europas zum entscheidenden Waffengange gegen den Todfeind aller Ordnung und aller abendländisch christlichen Kultur auf. Das deutsche Volk und mit ihm alle seine christliche Glieder danken Ihnen für diese Ihre Tat.« - Telegramm des Vertrauensrates der deutschen evangelischen Kirche vom 30.6.1941 an Adolf Hitler (Kloft, Lieber Onkel Hitler – Briefe an den Führer, Spiegel/MDR/NDR–Filmdokumentation, 2010)
Ein anderes Gerücht besagt, dass der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland ein lupenreiner Demokrat gewesen sei. Konrad Adenauer, Mitglied der katholischen Zentrumspartei war von 1933 Kölner Oberbürgermeister. 1929 schrieb er ein Telegramm an den italienischen Faschistenführer Benito Mussolini, der den Arbeiterführer Giacomo Mateotti hatte ermorden lassen: »Der Name Mussolini wird in goldenen Buchstaben in die Geschichte der katholischen Kirche eingetragen!« (Bernt Engelmann, Schwarzbuch Helmut Kohl, 1998, S.48f.) „Demokrat“ Adenauer: das ist Fake News, die Realität: ein Klerikalfaschist.
Dass die Kirche nach dem verheerenden Krieg auf Frieden gesetzt hätte, ist ebenfalls Fake News: Kardinal Frings aus Köln hat am 23. Juni 1950 auf dem Katholikentag in Bonn als erster öffentlich in Deutschland die Wiederaufrüstung der Deutschen gefordert.« (Karlheinz Deschner: Mit Gott und den Faschisten. Der Vatikan im Bunde mit Mussolini, Franco, Hitler u. Pavelic, 1965, S.115 f.)
Er kann sich dabei auf eine lange kirchliche Tradition berufen: »Die geschichtlichen Tatsachen lehren, daß uns der Krieg größeren Nutzen bringt als der Friede.« - Kirchenvater Theodoret im 5. Jahrhundert (Deschner, Kriminalgeschichte des Christentums, Band 1 von 10, Die Frühzeit, 1986, S. 68)
„Haltet den Dieb!“- au voleur!
Die Europäische Union hat im September 2015 eine „Arbeitsgruppe zur Verfolgung und Analyse von aus Russland nach Europa strömenden Desinformationen“ namens „East StratCom Task Force“ als Ergebnis der eingerichtet, die eine Homepage Disinformation Revue geschaltet hat. Sie durchkämmen das Internet nach Falschnachrichten, die nach ihrer Ansicht aus Russland in die Europäische Union strömen. Diese Kommission beschreibt ihren Zweck selbst höchst entlarvend, nämlich dass die aus Russland kommenden Nachrichten „hier für Unruhe sorgen und Zweifel an der etablierten Politik säen sollen“.
Ja, wo kommen wir denn da hin? Unruhe? Ruhe ist doch bekanntlich erste Bürgerpflicht. Und gar „Zweifel an der etablierten Politik“? Einfach nur frevelhaft. Wo doch die NATO-Deutungshoheit der Wirklichkeit sakrosankt ist und jede Bedrohung dieses Monopols mindestens Majestätsbeleidigung bedeutet!
Wenn man der EU- und NATO-Sicht folgen möchte, würde der Alarm wegen „Unruhe und Zweifel“ doch eher zu Russland passen, aber zur EU, dem Hort der Demokratie, der Meinungsfreiheit, der mündigen Bürger? Da haben offenbar die Russen der EU selbst die Feder geführt, um sie vor aller Augen zu blamieren.
Alternative Medien? „Sie zielen darauf, die Mainstream-Medien auszuhebeln“, klagt die Kulturwissenschaftlerin Eva Kimminich von der Uni Potsdam an, und: „man muss berücksichtigen, dass einfach ‚Gegebenheiten aus Medien‘(!) aufgegriffen und anders dargestellt werden“. („Zapp“, 01.02.2017) „Gegebenheiten“? Die Herrschaft hat‘s gegeben? Und wir haben es nur noch zu schlucken? Der Kommentator: Das kann schon gefährlich sein – wenn Entscheidungen aufgrund von Meinungsmache getroffen werden, die nur noch mit Hetze zu tun hat.“
Die Eiferer gegen „Fake News“ würden besser vor der eigenen Tür kehren.
Am 10.01.2017 meldete „Bild“: „SPD-Chef Gabriel tritt gegen Merkel an“. Solche klassischen Falschmeldungen sind im Prinzip bestenfalls belustigend. Wenn sie sich als falsch herausstellen, werden sie meist kleinlaut dementiert.
Andere Fake News haben eine schier ewige Lebensdauer. „Die Rente ist sicher“ versprach der deutsche Arbeits- und Sozialminister Norbert Blüm, erstmals im Wahlkampf 1986, am 10. Oktober 1997 nochmals in einer hitzigen Debatte im Deutschen Bundestag. Er meinte nicht seine eigene Rente, es war ein typisches Versprechen an die Wähler. Inzwischen sagt er kleinlaut: „Wenn das Rentenniveau weiter so sinkt wie in den letzten Jahren, dann kommt man in die Nähe der Sozialhilfe“. (Saarbrücker Zeitung, 01.12.2014)
Das Rentenniveau im Jahr 2028 wird wahrscheinlich nur noch 44 Prozent des Durchschnittseinkommens betragen - im Jahr 2000 waren es noch knapp 53 Prozent. Aktuelle Berechnungen gehen davon aus, dass über 50% der Erwerbstätigen mit Renten unterhalb der Armutsgrenze rechnen müssen.
Eine besondere mediale Behandlung hat in den letzten Jahren Griechenland erfahren. Dem Fernsehzuschauer wurde von der ARD beigebracht, mit Verlängerung des zweiten „Hilfspakets“ habe sich die neue griechische Regierung verpflichtet, die mit der Vorgängerregierung vereinbarten Reformen ausnahmslos umzusetzen. Das ist zwar wahrheitswidrig, sollte aber den Eindruck erwecken, dass Athen (erneut) den Fahrplan nicht einhält, im Zeitverzug ist, nicht liefert, seine Hausaufgaben nicht macht, tatsächlich reformunwillig ist. Korrespondent Krause unternahm es, die Zuschauer davon überzeugen, dass „der Grieche“ sich auf ihre Kosten bereichern will, oder in den Worten Krauses „es für das gottgegebene Recht seines Landes hält, auf Kosten anderer zu leben.“ (Tagesthemen-Kommentar vom 17.02.2015)
Framing - Nach den Fake News müssen wir uns mit weiteren Anglizismen abgeben, zunächst dem Framing: Der vom US-amerikanischen Linguisten George Lakoff aufgestellten Kommunikationsmaxime, Fakten nur innerhalb moralischer Frames zu diskutieren, folgt die ARD-Berichterstattung ebenso wie das von Lakoff inspirierte Diskussionspapier der Bertelsmann Stiftung zu strategischer Regierungskommunikation aus dem Jahr 2006: „Gelungenes Framing zeichnet sich dadurch aus, dass Reformpolitik ihre Gestaltungsanliegen sprachlich mit gesellschaftlichen Sinn- und Wertzusammenhängen verknüpft.“
Die sachliche Debatte um ökonomische Lösungen für eine Schuldenkrise tritt in den Hintergrund zugunsten einer medial inszenierten Frage der Tugendhaftigkeit. Mit Hilfe der so erzeugten „Illusion der Informiertheit“ wird das tatsächliche Informationsvakuum innerhalb der Berichterstattung verdeckt. Die Stärke der Narration ist, dass sie den Werte-Frame subtil transportiert – ohne ihn explizit zu nennen. Der Rezipient erkennt selbständig, dass das Thema einen für ihn bedeutsamen Grundwert tangiert“ [179], führt Herbert Flath in seiner Dissertation zu „Storytelling im Journalismus“ aus. Storytelling ist also der nächste Begriff der schönen neuen Medienwelt, den wir uns merken sollten.
Auch eine „Semantik der Eskalation“ (Frank Schirrmacher), die aus Ausdrücken besteht wie „schrille Töne“, „Affront“, „aufeinanderprallende Welten“, „Eklat“, „heftiger Streit“ und „geballte Faust“ wird einen Großteil der Zuschauer davon überzeugen, dass diese „hemdsärmeligen“, „ruppigen“ (Thomas Roth 04.02.2015), „selbstverliebten“ (Ulrich Deppendorf 27.02.2015) „Halbstarken“ (Claus-Erich Boetzkes 12.02.2015), diese „Schuljungen“ (Thomas Bormann 21.02.2015) mit ihrer „Ruppigkeit-ich-will-nicht-sagen-Arroganz“ (Thomas Roth 16.02.2015), diese „unberechenbaren Teenager“ mit „frechem Grinsen im Gesicht“ (Angela Ulrich 08.07.2015), die ihre „Hausaufgaben“ (Caren Miosga 23.02.2015) nicht machen wollen und es als ihr „gottgegebenes Recht ansehen, auf Kosten anderer zu leben“ (Rolf-Dieter Krause 17.02.2015), „runter von den Bäumen“ (Ulrich Deppendorf 27.02.2015) müssen, „ins Gebet“ (Bettina Scharkus 29.01.2015) genommen werden müssen. Und wenn alle Ermahnung nicht hilft – „Ich-kann-gar-nicht-so-viel-fressen-wie-ich-kotzen-möchte“ [183] (Rolf-Dieter Krause, Presseclub, 14.06.2015) –, dann müssen diese „Schurken“ (Alois Theisen, 27.06.2015), vor allem dieser „irrlichternde Varoufakis“ [184] (Reinald Becker 29.06.2015) mal richtig diszipliniert, am besten „zum Teufel gejagt“[185] werden. (Rolf-Dieter Krause, Hart aber fair, 29.06.2015) (3)
Diese und viele weitere Medienmanipulationen hat die „Ständige Publikumskonferenz“ öffentlich gemacht, die sich für Medienkompetenz und demokratische Mitsprache bei der Umsetzung des Programmauftrags der Medien stark macht. Ihre Vorsitzende Maren Müller kommentiert: Wir werfen der ARD vor, entgegen der Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrages das Publikum mit Desinformation, Falschaussagen und Auslassungen wichtiger Informationen über Wochen und Monate regelrecht überzogen zu haben:
Die Griechenlandberichterstattung der ARD – explizit von Tagesschau und Tagesthemen – war einseitig, regierungskonform, manipulativ, feindselig, verleumderisch und in Teilen geradezu absurd ob ihrer boulevardesken Erzählweise. Durch die inflationäre Verbreitung national-stereotyper Klischees im Zusammenhang mit den griechischen Staatsschulden wurden bei der deutschen Bevölkerung niedere Instinkte wie Neid, Hass, Zynismus und offener Rassismus geweckt sowie Zwietracht unter den europäischen Nachbarn gesät. „Das stereotypenspezifische Werte-Framing wirkt stark polarisierend. Es aktiviert und bestätigt zugleich das im Langzeitgedächtnis gespeicherte Stereotyp von den chaotischen, unzuverlässigen, trickreichen, unpünktlichen, unbeherrschten, faulen (=reformunwilligen) und verschwenderischen Südeuropäern, die angeblich die (nord-) „europäischen Gepflogenheiten“ (Rolf-Dieter Krause) missachten.“ (4)
In gleicher Richtung wirkt auch das Institut für Medienverantwortung, das von der Freidenkerin Dr. Sabine Schiffer geleitet wird. Sein Anliegen ist die Förderung von Medienkompetenz auf Seiten der Mediennutzer. Sie gab zuletzt unter dem Titel „Ukraine im Visier. Russlands Nachbar als Zielscheibe geostrategischer Interessen“ ein Buch heraus, in dem verschiedenen Autoren die Medienmanipulationen zur Ukraine-Krise untersuchen. https://www.medienverantwortung.de/
Ein weiterer Anglizismus ist der so genannte spin doctor, ein aus den USA importierter Begriff, wo diese Gattung zunächst, seit 1984 als PR-Berater von Präsidentschaftskandidaten in den war rooms tätig war, den Wahlkampfzentralen der Parteien. Ihre Aufgabe: die „Dinge ins richtige Licht zu rücken“, der Berichterstattung den gewünschten Dreh zu geben. Sie sollen Themen setzen, Interpretation vorgeben und den Ereignissen immer einen eigenen Drall, einen spin geben, auch wenn der sich kaum mehr mit den Tatsachen deckt. Personen oder Ereignisse sollen in einem möglichst positiven oder auch negativen Licht erscheinen. (5)
Daher sind die völkerrechtswidrigen Kriege des Westens immer „humanitäre Missionen“, „für Menschenrechte“ und den „Schutz der Zivilbevölkerung, und die Gegner von USA und NATO immer „Verrückte“, „Schlächter“, „Diktatoren“, „Mörder des eigenen Volkes“ und „neue Hitler“.
Wiederholt hat der ehemalige Tagesschau-Redakteur Volker Bräutigam wegen der einseitigen Propaganda und Desinformation der ARD über den Ukraine-Konflikt eine Programmbeschwerde eingereicht. In einem Fall rügte er, dass das Erste Deutsche Fernsehen eine Patrouille von NATO-Soldaten den Zuschauern als „OSZE-Beobachter“ verkaufen wollte.
Die „Stellungnahme“ des ARD-aktuell-Chefredakteurs Gniffke darauf schlägt jede Satire: „Wir haben den Begriff 'OSZE-Militärbeobachter' richtig verwendet. … Die Bezeichnung … steht im Einklang mit dem Wording von Nachrichtenagenturen und Qualitätszeitungen…“
Bräutigam kommentierte: Gniffke kombiniert also Arroganz und Ignoranz. Er merkt nicht mal, dass er ein intellektuelles Null Ouvert spielt und zugleich die zumindest mentale – nachrichtenagenturgestützte – Gleichschaltung der Medien nachweist, indem er das eigene Falschinformieren mit demjenigen der Agenturen und „Qualitätszeitungen“ rechtfertigt. Borniertheit, Arroganz und Kritikunfähigkeit der Staatssender kennen offensichtlich keine Grenzen. (6)
Dank ARD-Gniffke haben wir einen weiteren Anglizismus gelernt: „Wording“. Gemeint ist die Sprachregelung, auf die sich die „im Konkubinat mit der Politik lebenden Medien“ (Bräutigam) verständigt haben, um dem Berichteten den „richtigen Drall“ (Spin) zu geben, der ihre Deutungshoheit über die Ereignisse sicherstellt.
Klaus Hartmann ist Vorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbands und der Weltunion der Freidenker.
Fussnoten:
1 Anglizismus des Jahres 2016, verantwortlich im Sinne des Presserechts: Anatol Stefanowitsch, abgerufen am 8. Februar 2017, lt. https://de.wikipedia.org/wiki/Fake_News#cite_ref-9
2 http://www.spiegel.de/netzwelt/web/bild-1129628-1093845.html
3 https://publikumskonferenz.de/blog/2016/08/20/auswertung-ueber-taeuschung-tugend-und-teenager/
4 https://publikumskonferenz.de/blog/
5 https://de.wikipedia.org/wiki/Spin-Doctor
6 https://propagandaschau.wordpress.com/2014/07/10/volker-brautigam-uber-den-umgang-der-ard-mit-seiner-programmbeschwerde/
Siehe auch:
Teil 2 des Vortrags von Klaus Hartmann (zum Thema Krieg)
NRhZ 630 vom 27.09.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24182
"Fake news – eine Herausforderung des freien Denkens" - Kolloquium der Weltunion der Freidenker
Herrschaftsmittel Fake
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 627 vom 06.09.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24103
Gegen die Macht um Acht
Beschwerden gegen manipulierende Berichterstattung von ARD-aktuell
Von Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer
NRhZ 629 vom 20.09.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24166
Online-Flyer Nr. 629 vom 20.09.2017