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Aktueller Online-Flyer vom 01. November 2024  

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Medien
Beschwerden gegen manipulierende Berichterstattung von ARD-aktuell mit ihrer Tagesschau
Gegen die Macht um Acht
Von Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer

ARD-aktuell bringt einen vollkommen unkritischen, wertlosen und überflüssigen Beitrag über die so genannten Jamaika-Koalitionsgespräche, der an keiner Stelle einen Bezugspunkt zu den Interessen der Bevölkerung hat. Darum geht es in dieser Woche bei den Programmbeschwerden, die Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer beim NDR-Rundfunkrat eingereicht haben. "Die ARD-Nachrichten sind der Taktgeber für die meisten Medien der Bundesrepublik Deutschland. Wer sich kritisch mit ihnen auseinandersetzt, der kritisiert den Kern des deutschen Journalismus. Die Tagesschau-Maschine ist weder verlässlich noch neutral und keinesfalls seriös. Sie ist nur wenig Anderes als eben fünfzehn Minuten Staatsfunk." So heißt es im Vorwort des im Mai 2017 erschienenen Buches "Die Macht um acht - Der Faktor Tagesschau" von Uli Gellermann, Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam. Die eingereichten Programmbeschwerden sind zu den "fünfzehn Minuten Staatsfunk" ein notwendiger Kontrapunkt.


"Jamaika-Show-Laufen" - Programmbeschwerde gegen den Beitrag "Jamaika-Sondierungen: Parteien ziehen Zwischenbilanz" in der 20-Uhr-Tagesschau vom 03.11.2017 - eingereicht am 05.11.2017


Screenshot aus 20-Uhr-Tagesschau vom 03.11.2017

Sehr geehrte Rundfunkräte, wir alle wissen, dass eine Minute Tagesschau knapp 2.000,0 Euro kostet, aufzubringen aus den Rundfunkgebühren. Diese 2.000,0 Euro pro Minute, das ist zum Verständnis unserer Beschwerde und als gedankliche Kulisse wesentlich, sollen der sachgerechten Information der Rundfunkteilnehmer dienen. Nun schauen wir uns vor diesem Hintergrund die o.g. Sendung vom 3. November um 20 Uhr an (Min 00:21 bis Min 03:35): ein dreieinviertel Minuten langer Beitrag in der Tagesschau über die Sondierungsgespräche zur Bildung einer Koalitionsregierung von CDU, CSU, FDP und Grünen. Wortreich, doch bei kritischer Würdigung vollkommen inhaltslos. Ein Programmangebot über ein Show-Laufen der Berliner Polit-Prominenz, die ebenfalls nichts Inhaltliches mitzuteilen hatte. Die Rahmen-Information darüber, dass die „Jamaika-Verhandlungen“ stattfänden, hatte nullkommakeinen Neuigkeitswert.

Nichts Gehaltvolles gab es darüber, welche Themen inwieweit zwischen den Parteien strittig waren und wer da in welcher Frage welche Positionen vertritt. Es hieß lediglich, es habe in den "Kernthemen der Parteien Konflikte" gegeben. Ach ja? Diese Konflikte wurden allerdings mit keinem Wort benannt, geschweige denn dargelegt, und sei es auch nur mit ein paar skizzenhaften Schlüsselbegriffen. Zumindest wäre zu erwarten gewesen, dass die an diesen Tag diskutierten zentralen Konfliktlinien (in der Flüchtlingspolitik, Klimapolitik, Verkehrspolitik, Steuerpolitik?) zwischen Grünen, der CSU und der FDP nachgezeichnet würden, ein Faktenangebot en miniature, auf dass das Publikum nicht im Sessel vor der Wunderlampe einschlafe. Nichts dergleichen wurde geliefert ...

Stattdessen nur inhaltloses Geschwätz über die Befindlichkeiten der Gesprächsteilnehmer (Christian Lindner als Sprachschöpfer: "Kollateralnutzen"). Dazwischen O-Ton einer Kanzlerin, die wie immer leeres Stroh drosch, Kostprobe: "Ich glaube nach wie vor, dass wir die Enden zusammenbinden können..." Und diese Plattitüden wurden, das war der Gipfel, vom Tagesschau-Personal auch noch als "offenbar positive Wende“ interpretiert.

Zusammenhanglos der ebenfalls vollkommen faktenfreie Hinweis auf die "Finanzen" und auf die Befindlichkeit des "unter Druck stehenden" Horst Seehofers. Als krönender Abschluss schließlich die "Einschätzungen" der Berliner „Nachrichten-Queen", Studio-Leiterin Tina Hassel (Mitglied der Atlantikbrücke): "... nach zahllosen Fouls (???), gezielten Indiskretionen (warum nicht?), hat die Kanzlerin intern heute noch einmal ein klares Machtwort (???) gesprochen und einen anderen Umgang eingefordert.“ Angela die Große. Das ARD-aktuell-Bild des „hosenanzugtragenden Sprechblasen-Automaten“ (Volker Pisper).

Unter informationellen Aspekten bot die Tagesschau hiermit einen vollkommen unkritischen, wertlosen und überflüssigen Beitrag an, denn an keiner Stelle war ein Bezugspunkt zu den Interessen der Bevölkerung sichtbar. Nicht einmal die Minimalinformation wurde vermittelt, dass da in Berlin eine Truppe aus Steuermitteln hoch bezahlter Politiker sich selbst und ihrer Mitwelt die Zeit stahl. Der Verstoß gegen alle Programmverpflichtungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks war nicht zu übersehen. Weder das Hauptstadtstudio der ARD in Berlin noch die Tagesschau-Zentrale in Hamburg verfügten über irgendwelche handfesten Erkenntnisse darüber, was da hinter verschlossenen Türen in Berlin wirklich besprochen worden war. Demzufolge hätte eine 20-Sekunden-Nachricht genügt: dass die Koalitionäre in spe ihre Gespräche in Berlin fortgesetzt, aber keinerlei konkretes Ziel erreicht hatten.

Die 6.500,00 Euro für diesen Beitrag waren zum Fenster hinausgeworfenes Geld. Was soviel bedeutet, als dass zusätzlich gegen § 31 NDR-Staatsvertrag verstoßen wurde, in dem die Pflicht zur sparsamen Haushaltsführung vorgegeben ist.

Online-Flyer Nr. 637  vom 15.11.2017



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