NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 01. November 2024  

Fenster schließen

Kultur und Wissen
Deutsche Politiker und Geschichtsverfälschung
Wie deutsche Politik hilft, die Geschichte "richtig" darzustellen
Von Jochen Mitschka

Am 17. Mai 2019 griff der SPD-Abgeordnete Christian Lange auf den 14. Mai 1948 und den von ihm verehrten David Ben Gurion zurück. Seine Rede assoziierte, dass alles, was Israel damals getan hatte, nur der Abwehr eines Angriffes gewesen wäre. Gerade so, als ob es keine Massenmorde, und Vertreibung von hunderttausenden von Palästinensern gegeben hätte. Kein Wort über die Gründe der Gegnerschaft arabischer Länder, kein Wort zu den diversen Bombardierungen, Angriffskriegen, zum Mauerbau und den Siedlungen. Damit erfüllt er, wie die meisten Bundestagsabgeordneten am 17. Mai, genau die Forderungen, welche zionistische israelische Regierungen an deutsche Politiker stellen. Wie diese Regierungen versuchen, innerhalb Israels eine Aufarbeitung der Vergangenheit zu verhindern, darüber gibt ein Artikel der israelischen Zeitung Haaretz ein beredtes Zeugnis ab.

Die Nakba-Geschichte fälschen

Am 5. Juli berichtet ein Artikel in Haaretz, wie Israel systematisch Beweise für die Vertreibung der Araber von 1948 verschwinden lassen will. Seit Anfang des letzten Jahrzehnts, erklärt die Autorin Hagar Shezaf, hätten Teams des Verteidigungsministeriums lokale Archive durchsucht und Schätze historischer Dokumente entfernt, um Beweise für die Nakba zu verbergen.
    »Vor vier Jahren wurde die Historikerin Tamar Novick durch ein Dokument erschüttert, das sie in der Akte von Yosef Waschitz aus der arabischen Abteilung der linken Mapam-Partei im Archiv von Yad Yaari in Givat Haviva fand. Das Dokument, das die Ereignisse während des Krieges von 1948 zu beschreiben schien, begann:

    'Safsaf [ehemaliges palästinensisches Dorf in der Nähe von Safed] - 52 Männer wurden gefangen genommen, aneinander gefesselt, eine Grube gegraben und erschossen. 10 zuckten noch. Frauen kamen, bettelten um Gnade. Man fand die Leichen von 6 älteren Männern. Es waren 61 Leichen. 3 Fälle von Vergewaltigung, einer östlich von Safed, Mädchen von 14, 4 Männer erschossen. Bei einem schnitten sie ihm die Finger mit einem Messer ab, um den Ring zu nehmen.'

    Der Autor beschreibt weitere Massaker, Plünderungen und Misshandlungen, die von israelischen Streitkräften im israelischen Unabhängigkeitskrieg verübt wurden. 'Es steht kein Name auf dem Dokument und es ist nicht klar, wer dahinter steckt', sagt Dr. Novick zu Haaretz. 'Es bricht auch in der Mitte ab. Ich fand das sehr beunruhigend. Ich wusste, dass ich für die Aufklärung der Ereignisse verantwortlich war, als ich so ein Dokument fand.'« (1)
Der Artikel berichtet, dass das Dorf Safsaf in Obergaliläa Ende 1948 von den israelischen Verteidigungskräften bei der Operation Hiram eingenommen wurde. Der israelische Ort Moshav Safsufa entstand dann auf seinen Ruinen. Im Laufe der Jahre wurden Anschuldigungen erhoben, dass die Siebte Brigade in dem Dorf Kriegsverbrechen begangen haben soll. Diese Anschuldigungen würden durch das von Novick gefundene Dokument gestützt, das den Wissenschaftlern bisher nicht bekannt war. Es könnte auch ein zusätzlicher Beweis dafür sein, dass die israelischen Spitzenkräfte in Echtzeit über die Geschehnisse Bescheid wussten.

Novick beschloss dem Autor zufolge, sich mit anderen Historikern über das Dokument zu beraten. Benny Morris, dessen Bücher grundlegende Texte in der Erforschung der Nakba sind, hätte ihr gesagt, dass auch er in der Vergangenheit auf ähnliche Dokumente gestoßen wäre. Er bezog sich auf Notizen des Mapam-Zentralkomiteemitglieds Aharon Cohen auf der Grundlage eines Briefings, das Israel Galili, der ehemalige Stabschef der Haganah-Miliz, die zur IDF wurde, im November 1948 gegeben hatte. In Cohens Notizen in diesem Fall, die Morris veröffentlichte, hieß es: »Safsaf 52 Männer mit einem Seil gefesselt. Wurden in eine Grube geworfen und erschossen. 10 wurden getötet. Frauen flehten um Gnade. [Es gab] 3 Fälle von Vergewaltigung. Gefangen und wieder freigelassen. Ein 14-jähriges Mädchen wurde vergewaltigt. Weitere 4 wurden getötet. Anzeichen von Messern.«

Die Fußnote von Morris (in seinem bahnbrechenden Werk »The Birth of the Palestinian Refugee Problem, 1947-1949«) würde besagen, dass dieses Dokument auch im Yad Yaari Archiv gefunden wurde. Aber als Novick zurückkam, um das Dokument zu untersuchen, wäre sie überrascht gewesen zu entdecken, dass es nicht mehr da war.

Zuerst, erinnerte sich Novick, hätte sie gedacht, dass Morris in seiner Fußnote vielleicht nicht korrekt gewesen wäre, dass er vielleicht einen Fehler gemacht hätte. Es hätte einige Zeit gedauert, bis sie akzeptierte, dass das Dokument tatsächlich verschwunden war. Sie erklärte, dass sie dann die Verantwortlichen gefragt hätte, wo denn das Dokument geblieben wäre, worauf man ihr gesagt hätte, dass es in Yad Yaari hinter Schloss und Riegel aufbewahrt wurde - auf Anordnung des Verteidigungsministeriums.

Seit Beginn des letzten Jahrzehnts hätten Teams des Verteidigungsministeriums Israels Archive durchsucht und historische Dokumente entfernt. Aber es wären nicht nur Papiere, die sich auf Israels Nuklearprojekt oder auf die Außenbeziehungen des Landes beziehen, die in die Tresore gebracht worden wären: Hunderte von Dokumenten wären als Teil einer systematischen Bemühung, Beweise für die Nakba zu verstecken, in »Gewahrsam genommen worden«.

Das Phänomen wäre erstmals vom Akevot-Institut für israelisch-palästinensische Konfliktforschung entdeckt worden. Nach einem Bericht des Instituts würde die Operation von Malmab, der geheimen Sicherheitsabteilung des Verteidigungsministeriums (der Name ist ein hebräisches Akronym für »Direktor für die Sicherheit des Verteidigungsapparats«) geleitet, deren Aktivitäten und Budget als geheim klassifiziert sind. Der Bericht behauptet, dass Malmab historische Dokumente illegal und ohne jegliche Autorität entfernt hätte und zumindest in einigen Fällen versiegelte Dokumente besitze, die zuvor von der Militärzensur zur Veröffentlichung freigegeben worden waren. Einige der Dokumente, die in den Tresoren untergebracht wurden, waren bereits veröffentlicht worden. 

Ein Ermittlungsbericht von Haaretz ergab, dass Malmab Aussagen von IDF-Generälen über die Tötung von Zivilisten und die Zerstörung von Dörfern sowie die Dokumentation der Vertreibung von Beduinen während des ersten Jahrzehnts der Staatlichkeit verschwiegen hat. Aus Gesprächen, die Haaretz mit den Direktoren öffentlicher und privater Archive führte, ging hervor, dass Mitarbeiter der Sicherheitsabteilung die Archive als ihr Eigentum behandelt und in einigen Fällen die Direktoren selbst bedroht hatten.

Yehiel Horev, der zwei Jahrzehnte lang, bis 2007, Malmab geleitet hatte, bestätigte Haaretz, dass er das Projekt, das noch immer läuft, ins Leben gerufen hatte. Es sei sinnvoll, die Ereignisse von 1948 zu verschleiern, denn ihre Aufdeckung könnte Unruhe unter der arabischen Bevölkerung des Landes hervorrufen. Auf die Frage nach dem Sinn der Entfernung bereits veröffentlichter Dokumente erklärte er, dass das Ziel darin besteht, die Glaubwürdigkeit von Studien über die Geschichte des Flüchtlingsproblems zu untergraben. Nach Ansicht von Horev ist eine Behauptung eines Forschers, die sich auf ein Originaldokument stützt, nicht dasselbe wie eine Behauptung, die weder bewiesen noch widerlegt werden kann.

Das Dokument, nach dem Novick suchte, so der Artikel, könnte die Arbeit von Morris verstärkt haben. Während der Untersuchung, berichtet Haaretz, wäre tatsächlich das Aharon Cohen-Memo gefunden worden, das eine Sitzung des politischen Komitees von Mapam zum Thema Massaker und Vertreibungen im Jahr 1948 zusammenfasste. Die Teilnehmer des Treffens hätten zur Zusammenarbeit mit einer Untersuchungskommission aufgerufen, das die Ereignisse untersuchen sollte. Ein Fall, über den der Ausschuss diskutiert hätte, betraf »gravierende Aktionen«, die im Dorf Al-Dawayima, östlich von Kiryat Gat, durchgeführt worden wären. Ein Teilnehmer erwähnte Haaretz zufolge in diesem Zusammenhang die damals aufgelöste Lehi-Untergrundmiliz. Es wären auch Plünderungen gemeldet worden: »Lod und Ramle, Be'er Sheva, es gibt keinen [arabischen] Laden, in den nicht eingebrochen worden wäre. Die 9. Brigade sagt 7, die 7. Brigade sagt 8.«

Gegen Ende des Dokuments wäre erwähnt worden, dass die Partei gegen die Ausweisung wäre, wenn keine militärische Notwendigkeit dafür bestehe. Es gäbe verschiedene Ansätze zur Beurteilung der Notwendigkeit. Und eine weitere Klärung wäre die beste Lösung, besagte das Dokument. Was in Galiläa geschehen wäre - das wären Nazi-Taten! »Jedes unserer Mitglieder muss berichten, was er weiß.«

Eines der faszinierendsten Dokumente über den Ursprung des palästinensischen Flüchtlingsproblems wäre von einem Offizier in Shai, dem Vorläufer des Sicherheitsdienstes des Shin Bet, verfasst worden. Es hätte besprochen, warum das Land von so vielen arabischen Bewohnern geleert wurde, wobei die Umstände jedes einzelnen Dorfes eine Rolle spielten. Es wäre Ende Juni 1948 verfasst worden und trägt den Titel »Die Auswanderung der Araber von Palästina«.

Haaretz verlinkt das übersetzte Dokument auf seiner Seite (2). Dieses Dokument war die Grundlage für einen Artikel, den Benny Morris 1986 veröffentlichte, berichtet die Autorin. Nachdem der Artikel erschienen war, wäre das Dokument aus dem Archiv entfernt worden und für Forscher unzugänglich. Jahre später hätte das Malmab-Team das Dokument erneut untersucht, und angeordnet, dass es unter Verschluss bleibt. Sie hätten damals nicht wissen können, dass ein paar Jahre später Forscher aus Akevot eine Kopie des Textes finden und ihn durch die Militärzensur bekommen würden - die seine Veröffentlichung bedingungslos genehmigte. Jetzt, nach Jahren des Verbergens, würde hier das Wesentliche des Dokuments enthüllt.

Das 25-seitige Dokument beginnt mit einer Einleitung, so der Artikel, in der die Evakuierung der arabischen Dörfer ohne Umschweife gebilligt wird. Der Autor meint, dass im April dadurch eine Zunahme der Auswanderung stattgefunden hätte, während der Mai »mit der Evakuierung in enormer Größenordnung gesegnet« wäre. Der Bericht hätte sich dann mit »den Ursachen der arabischen Auswanderung« befasst. Nach dem israelischen Narrativ, die im Laufe der Jahre verbreitet worden war, würde die Verantwortung für den Exodus aus Israel bei den arabischen Politikern liegen, welche die Bevölkerung zur Abwanderung ermutigt hätten. Das Dokument jedoch würde nachweisen, dass 70% der Araber das Land als Folge der jüdischen Militäroperationen verließen.

Der namenlose Autor des Textes hätte die Gründe für den Weggang der Araber in der Reihenfolge ihrer Bedeutung aufgeführt. Der erste Grund: »Direkte jüdische Feindseligkeiten gegen arabische Siedlungsorte«. Der zweite Grund wäre die Auswirkung dieser Aktionen auf die umliegenden Dörfer gewesen. An dritter Stelle standen die »Operationen der Gruppen, die sich abgespalten hatten«, nämlich die Irgun- und Lehi-Untergrundkämpfer. Der vierte Grund für den arabischen Exodus wären Befehle arabischer Institutionen und »Banden« (so nannte das Dokument alle arabischen Widerstandsgruppen) gewesen; der fünfte wären »jüdische 'Flüsteroperationen' gewesen, um die arabischen Bewohner zur Flucht zu bewegen«; und der sechste Faktor wären »Evakuierungsultimaten« gewesen.

Der Autor behauptet dem Bericht zufolge in dem Dokument, dass die feindlichen Operationen die Hauptursache für die Bewegung der Bevölkerung gewesen wären. Darüber hinaus hätten Lautsprecherdurchsagen in arabischer Sprache ihre Wirksamkeit bewiesen, wenn sie richtig eingesetzt wurden. Was die Operationen von Irgun und Lehi betrifft, so würde der Bericht feststellen, dass viele in den Dörfern Zentralgaliläas nach der Entführung der Würdenträger von Scheich Muwannis [ein Dorf nördlich von Tel Aviv] zu fliehen begonnen hätten. Die Araber hätten gelernt, dass es nicht ausreichte, ein Abkommen mit der Hagana zu schließen, und dass es andere Juden [d.h. die abtrünnigen Milizen] gab, vor denen man sich in Acht nehmen müsse.
    »Der Autor dieses Dokuments hätte festgestellt, dass die Ultimaten zum Verlassen des Landes vor allem in Zentralgaliläa und weniger in der Region des Berges Gilboa eingesetzt worden wären. Ein Anhang zu dem Dokument beschreibe die spezifischen Ursachen für die Abwanderung aus jedem der vielen arabischen Orte: Ein Zeitun – 'unsere Zerstörung des Dorfes'; Qeitiya – 'Schikane, Handlungsdrohung'; Almaniya – 'unsere Aktion, viele getötet'; Tira – 'freundlicher jüdischer Rat'; Al'Amarir – 'nach Raub und Mord durch die Abgespaltenen'; Sumsum – 'unser Ultimatum'; Bir Salim – 'Angriff auf das Waisenhaus'; und Zarnuga – 'Eroberung und Vertreibung'.« (3)
Anfang der 2000er Jahre führte das Yitzhak Rabin Center eine Reihe von Interviews mit ehemaligen Persönlichkeiten des öffentlichen und militärischen Lebens im Rahmen eines Projekts zur Dokumentation ihrer Tätigkeit im Dienste des Staates durch. Auch der lange Arm von Malmab griff diese Interviews auf. Haaretz, der die Originaltexte mehrerer der Interviews beschaffte, verglich sie mit den Versionen, die jetzt der Öffentlichkeit zugänglich sind, nachdem große Teile davon für geheim erklärt worden waren.

Die Autorin des Artikels berichtet, dass dazu z.B. Teile der Aussage gehörten, die Brigadegeneral der Reserve  Aryeh Shalev machte, zum Beispiel über die Vertreibung der Bewohner eines Dorfes, das er »Sabra« nannte, über die Grenze. Im weiteren Verlauf des Interviews wären die folgenden Sätze gestrichen worden: »Es gab ein sehr ernstes Problem im Tal. Es gab Flüchtlinge, die in das Tal zurückkehren wollten, in das Dreieck [eine Konzentration arabischer Städte und Dörfer im Osten Israels]. Wir haben sie vertrieben. Ich habe mich mit ihnen getroffen, um sie davon zu überzeugen, dass sie das nicht wirklich wollten. Ich habe Papiere darüber.«

In einem anderen Fall hätte Malmab beschlossen, den folgenden Abschnitt aus einem Interview zu verheimlichen, das der Historiker Boaz Lev Tov mit Generalmajor der Reserve Elad Peled geführt hatte:
    »Lev Tov: 'Wir reden über eine Bevölkerung - Frauen und Kinder?'

    Peled: 'Alle, alle. Ja.'

    Lev Tov: 'Unterscheidest du nicht zwischen ihnen?'

    Peled: 'Das Problem ist sehr einfach. Der Krieg ist zwischen zwei Bevölkerungen. Sie kommen aus ihren Häusern.'

    Lev Tov: 'Wenn die Heimat existierten, dann haben sie einen Ort, an den sie zurückkehren können?'

    Peled: 'Es sind noch keine Armeen, sondern Gangs. Wir sind auch tatsächlich Gangs. Wir kommen aus der Heimat und kehren nach Hause zurück. Sie kommen aus der Heimat und kehren in sie zurück. Es ist entweder ihre Heimat oder unsere Heimat.'

    Lev Tov: 'Skrupel hat die jüngere Generation?'

    Peled: 'Ja, heute. Wenn ich hier im Sessel sitze und darüber nachdenke, was passiert ist, kommen mir alle möglichen Gedanken in den Sinn.'

    Lev Tov: 'War das damals nicht der Fall?'

    Peled: 'Schau, lass mich dir etwas noch weniger Nettes und Grausames erzählen, über den großen Überfall in Sasa [palästinensisches Dorf in Obergaliläa]. Das Ziel war eigentlich, sie abzuschrecken, ihnen zu sagen: 'Liebe Freunde, die Palmach [die Haganah-'Schocktruppen'] kann jeden Ort erreichen, ihr seid nicht immun. Das war das Herz der arabischen Siedlung. Aber was haben wir getan? Mein Zug sprengte 20 Häuser in die Luft, mit allem, was dazugehörte.'

    Lev Tov: 'Während die Leute dort schliefen?'

    Peled: 'Ich nehme an. Was dort geschah, wir kamen, wir betraten das Dorf, legten eine Bombe neben jedes Haus, und danach blies Homesh in eine Trompete, weil wir keine Funkgeräte hatten, und das war das Signal [für unsere Streitkräfte] zu gehen. Wir laufen im Rückwärtsgang, die Pioniere bleiben, es ist alles primitiv. Sie zünden die Lunte oder ziehen den Zünder und all die Häuser sind weg.'« (4) 
Eine weitere Passage, die das Verteidigungsministerium der Öffentlichkeit vorenthalten wollte, stammt dem Artikel zufolge aus Dr. Lev Tovs Gespräch mit Generalmajor Avraham Tamir:
    »Tamir: 'Ich war unter Chera [Generalmajor Tzvi Tzur, später Stabschef der IDF], und ich hatte ausgezeichnete Arbeitsbeziehungen zu ihm. Er gab mir Handlungsfreiheit - fragen Sie nicht - und ich war zufällig während zweier Entwicklungen, die sich aus der Politik von [Premierminister David] Ben-Gurion ergaben, für die Personal- und Betriebsarbeit verantwortlich. Eine Entwicklung war, als Berichte über Flüchtlingsmärsche aus Jordanien in Richtung der verlassenen Dörfer [in Israel] eintrafen. Und dann legte Ben-Gurion als Politik fest, dass wir [die Dörfer] abreißen müssen, damit sie nirgendwo mehr hingehen können. Das heißt, alle arabischen Dörfer, von denen die meisten in [dem Gebiet, das vom Zentralkommando abgedeckt wird] lagen, die meisten'.

    Lev Tov: 'Diejenigen, die noch standen?'

    Tamir: 'Diejenigen, die noch nicht von Israelis bewohnt waren. Es gab Orte, an denen wir bereits Israelis angesiedelt hatten, wie Zakariyya und andere. Aber die meisten von ihnen waren noch verlassene Dörfer.'

    Lev Tov: 'Die standen?'

    Tamir: 'Es war notwendig, dass es keinen Ort gab, an den sie zurückkehren konnten, also mobilisierte ich alle Ingenieursbataillone des Zentralkommandos und innerhalb von 48 Stunden machte ich alle diese Dörfer dem Erdboden gleich. Punkt. Es gibt keinen Ort, an den man zurückkehren kann.'

    Lev Tov: 'Ohne zu zögern, stelle ich mir vor.'

    Tamir: 'Ohne zu zögern. Das war die Politik. Ich mobilisierte, ich führte sie aus und ich tat es.'« (5)
Das Gewölbe des Forschungs- und Dokumentationszentrums Yad Yaari liegt ein Stockwerk unter dem Erdgeschoss, berichtet die Autorin des Artikels, Hagar Shezaf. In dem Tresor, der eigentlich ein kleiner, gut gesicherter Raum wäre, befänden sich Stapel von Kisten mit klassifizierten Dokumenten. Das Archiv beherberge die Materialien der Hashomer-Hatzair-Bewegung, der Kibbutz-Ha'artzi-Kibbutz-Bewegung, von Mapam, Meretz und anderer Körperschaften, wie Peace Now.

Der Direktor des Archivs ist Dudu Amitai, der auch Vorsitzender der Association of Israel Archivists ist. Laut Amitai besuchten Mitarbeiter von Malmab das Archiv zwischen 2009 und 2011 regelmäßig. Die Mitarbeiter des Archivs berichten, dass die Teams der Sicherheitsabteilung - zwei Rentner des Verteidigungsministeriums ohne Archivatorausbildung - zwei- bis dreimal pro Woche auftauchten. Sie suchten nach Dokumenten mit Stichworten wie »Nuklear«, »Sicherheit« und »Zensur« und widmeten auch dem Unabhängigkeitskrieg und dem Schicksal der arabischen Dörfer vor 1948 viel Zeit.

Am Ende hätten sie ihnen eine Zusammenfassung vorgelegt, in der sie sagten, dass sie ein paar Dutzend sensible Dokumente gefunden hätten, erklärt Amitai in dem Artikel. Da Akten normalerweise nicht aufgeteilt würden, wären so dutzende von Akten in ihrer Gesamtheit aus dem öffentlichen Archiv entfernt worden.

Eine der versiegelten Akten hätte sich mit der Militärregierung befasst, die das Leben der arabischen Bürger Israels von 1948 bis 1966 kontrollierte. Jahrelang wären die Dokumente im gleichen Tresorraum aufbewahrt worden, unzugänglich für Wissenschaftler. Kürzlich hätte Amitai auf Anfrage von Prof. Gadi Algazi, einem Historiker der Universität Tel Aviv, die Akte selbst geprüft und entschieden, dass es keinen Grund gäbe, sie nicht aus der Geheimhaltung zu nehmen, ungeachtet der Meinung von Malmab.

Laut Algazi könnte es mehrere Gründe für die Entscheidung von Malmab geben, die Akte geheim zu halten. Einer davon hätte mit einem geheimen Anhang zu einem Bericht eines Ausschusses zu tun, der die Tätigkeit der Militärregierung untersucht hatte. Der Bericht befasse sich fast ausschließlich mit den Auseinandersetzungen um Landbesitz zwischen dem Staat und arabischen Bürgern und berühre kaum Sicherheitsfragen.

Eine weitere Möglichkeit wäre ein Bericht des Ministerkomitees, das die Militärregierung 1958 beaufsichtigte. In einem der geheimen Anhänge des Berichts erklärt Oberst Mishael Shaham, ein hochrangiger Offizier der Militärregierung, dass ein Grund für die Nichtdemontage des Kriegsrechtsapparats die Notwendigkeit ist, den Zugang der arabischen Bürger zum Arbeitsmarkt zu beschränken und den Wiederaufbau zerstörter Dörfer zu verhindern.

Eine dritte mögliche Erklärung für das Verstecken der Akte beträfe bisher unveröffentlichte historische Zeugnisse über die Vertreibung der Beduinen. Am Vorabend der Gründung Israels lebten fast 100.000 Beduinen in der Negev. Drei Jahre später war ihre Zahl auf 13.000 gesunken. In den Jahren während und nach dem Unabhängigkeitskrieg wären im Süden des Landes eine Reihe von Vertreibungsaktionen durchgeführt worden. In einem Fall hätten Beobachter der Vereinten Nationen berichtet, dass Israel 400 Beduinen aus dem Stamm der Azazma vertrieben hatte und zitierten Zeugenaussagen von Zeltverbrennungen. Der Brief, der in der Geheimakte erschienen wäre, beschreibe eine ähnliche Vertreibung, die erst 1956 durchgeführt wurde, wie der Geologe Avraham Parnes berichtet:

Die Evakuierung von Iraq al-Manshiyya, in der Nähe des heutigen Kiryat Gat, im März 1949. Sammlung von Benno Rothenberg/Die IDF und die Archive des Verteidigungsministeriums:
    »'Vor einem Monat haben wir Ramon [Krater] besucht. Die Beduinen in der Gegend von Mohila kamen mit ihren Herden und ihren Familien zu uns und baten uns, mit ihnen das Brot zu brechen. Ich antwortete, dass wir sehr viel zu tun hätten und keine Zeit hätten. Bei unserem Besuch in dieser Woche machten wir uns wieder auf den Weg nach Mohila. Anstelle der Beduinen und ihrer Herden herrschte tödliche Stille. Dutzende von Kamelkadavern waren in der Gegend verstreut. Wir erfuhren, dass die IDF drei Tage zuvor die Beduinen 'verarscht' hatten und ihre Herden vernichtet wurden - die Kamele durch Erschießen, die Schafe mit Granaten. Einer der Beduinen, der sich zu beschweren begann, wurde getötet, der Rest floh.'

    Die Zeugenaussage fuhr fort: 'Zwei Wochen zuvor hatte man ihnen befohlen, vorerst dort zu bleiben, danach wurde ihnen befohlen, zu gehen, und um die Dinge zu beschleunigen, wurden 500 Köpfe abgeschlagen .... Die Vertreibung wurde 'effizient' durchgeführt.' Der Brief fährt fort, zu zitieren, was einer der Soldaten nach seiner Aussage zu Parnes gesagt hatte: 'Sie werden nicht gehen, bevor wir nicht ihre Herden getötet haben. Ein junges Mädchen von etwa 16 Jahren näherte sich uns. Sie hatte eine Perlenkette. Wir zerrissen die Kette und jeder von uns nahm eine Perle als Andenken mit.« (6)
Es wäre während der Amtszeit der Historikerin Tuvia Friling als Hauptarchivarin Israels von 2001 bis 2004 gewesen, fährt die Autorin Hagar Shezaf fort, als Malmab seine ersten »Einbrüche« in die Archive durchführte. Was als eine Operation zur Verhinderung des Durchsickerns nuklearer Geheimnisse begann, sagt er, wurde mit der Zeit zu einem groß angelegten Zensurprojekt.

Prof. Friling erklärte, dass sie nach drei Jahren gekündigt hätte, und diese Zensurmaßnahmen wären einer der Gründe gewesen. Die Geheimhaltung, die auf das Dokument über die Auswanderung der Araber im Jahr 1948 erklärt wurde, wäre genau ein Beispiel für das gewesen, was sie befürchtet hätte. Das Aufbewahrungs- und Archivierungssystem wäre kein Teil der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit. Wenn es etwas gäbe, das dem Geheimdienst nicht gefällt - nun, dann müsste er das eben akzeptieren. Eine gesunde Gesellschaft lerne auch aus ihren Fehlern.

Der Artikel fragte, warum Friling dem Verteidigungsministerium den Zugang zu den Archiven erlaubt hätte? Der Grund dafür, so die Antwort, wäre die Absicht gewesen, der Öffentlichkeit über das Internet Zugang zu Archivmaterial zu gewähren. In Diskussionen über die Auswirkungen der Digitalisierung des Materials wäre die Sorge geäußert worden, dass in den Dokumenten irrtümlich Verweise auf ein »bestimmtes Thema« öffentlich gemacht werden könnten. Das Thema ist natürlich das israelische Atomprojekt. Friling würde darauf bestehen, dass die einzige Genehmigung, die Malmab erhalten hätte, die der Suche nach Dokumenten zu diesem Thema war.

Aber Malmabs Aktivität ist nur ein Beispiel für ein breiteres Problem, bemerkte Friling. 1998 wäre die Klassifizierung als »Vertraulich« für die ältesten Dokumente in den Archiven der Geheimdienste Shin Bet und Mossad ausgelaufen. Daraufhin, so die Archivarin hätte man sie aufgefordert das gesamte Material auf 70 Jahre (statt 50 Jahre) für »Vertrauliche« zu erklären. Was lächerlich gewesen wäre.
    »Im Jahr 2010 wurde die Geheimhaltungsfrist auf 70 Jahre verlängert; im vergangenen Februar wurde sie trotz des Widerstands des Obersten Archivrates erneut auf 90 Jahre verlängert. 'Der Staat kann einen Teil seiner Unterlagen vertraulich behandeln', sagt Friling. 'Die Frage ist, ob die Frage der Sicherheit nicht eine Art Deckmantel ist. In vielen Fällen ist es bereits zu einem Witz geworden.'

    Nach Ansicht von Yad Yaari's Dudu Amitai muss die vom Verteidigungsministerium auferlegte Vertraulichkeit angefochten werden. In seiner Zeit an der Spitze, sagt er, war eines der Dokumente, die in den Tresorraum gelegt wurde, der Befehl eines IDF-General während eines Waffenstillstands im Unabhängigkeitskrieg, seine Truppen von Vergewaltigungen und Plünderungen abzuhalten. Amitai beabsichtigt nun, die Dokumente, die im Tresorraum deponiert wurden, insbesondere die Dokumente von 1948, durchzusehen und freizugeben, was immer möglich ist. 'Wir werden es vorsichtig und verantwortungsbewusst tun, aber in der Erkenntnis, dass der Staat Israel lernen muss, mit den weniger angenehmen Aspekten seiner Geschichte umzugehen.'

    Im Gegensatz zu Yad Yaari, wo Mitarbeiter des Ministeriums nicht mehr zu Besuch sind, sehen sie in Yad Tabenkin, dem Forschungs- und Dokumentationszentrum der Vereinigten Kibbuz-Bewegung, weiterhin Dokumente durch. Der Direktor, Aharon Azati, hat sich mit den Malmab-Teams darauf geeinigt, dass die Dokumente nur dann in den Tresorraum gebracht werden, wenn er davon überzeugt ist, dass dies gerechtfertigt ist. Aber auch in Yad Tabenkin hat Malmab seine Recherchen über den Bereich des Atomprojekts hinaus auf Interviews von Archivmitarbeitern mit ehemaligen Palmach-Mitgliedern ausgeweitet und sogar Material über die Geschichte der Siedlungen in den besetzten Gebieten durchgesehen.

    So hat Malmab beispielsweise Interesse an dem hebräischsprachigen Buch 'Ein Jahrzehnt der Diskretion' gezeigt: Siedlungspolitik in den Territorien 1967-1977', das 1992 von Yad Tabenkin veröffentlicht wurde und von Yehiel Admoni, dem Direktor der Siedlungsabteilung der Jewish Agency in dem Jahrzehnt, über das er schreibt, verfasst worden war. Das Buch erwähnt einen Plan zur Ansiedlung palästinensischer Flüchtlinge im Jordantal und zur Entwurzelung von 1.540 Beduinenfamilien aus dem Gebiet von Rafah im Gazastreifen im Jahr 1972, einschließlich einer Operation, die die Versiegelung von Brunnen durch die IDF beinhaltete. Ironischerweise zitiert Admoni im Fall der Beduinen den ehemaligen Justizminister Yaakov Shimshon Shapira mit den Worten: 'Es ist nicht notwendig, die Sicherheitsargumente zu weit zu dehnen. Die ganze Beduinen-Episode ist kein glorreiches Kapitel des Staates Israel.'

    Azati: 'Wir bewegen uns immer mehr dazu, die Reihen zu schließen. Obwohl dies eine Ära der Offenheit und Transparenz ist, gibt es offenbar Kräfte, die in die entgegengesetzte Richtung ziehen'.« (7)
Unter dem Subtitel: »Unerlaubte Geheimhaltung« berichtet der Artikel dass die Rechtsberaterin des Staatsarchivs, die Rechtsanwältin Naomi Aldouby im Jahr 2018 ein Gutachten mit dem Titel »Ohne Genehmigung geschlossene Akten in öffentlichen Archiven« verfasst hätte. Ihr zufolge wäre die Zugangspolitik der öffentlichen Archive ausschließlich Sache des Direktors der jeweiligen Institution.

Entgegen Aldoubys Meinung hätten  Archivare, die auf unvernünftige Entscheidungen von Malmab gestoßen wären, jedoch in den allermeisten Fällen keine Einwände erhoben - das heißt, bis 2014, als Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums im Archiv des Harry S. Truman Research Institute an der Hebräischen Universität Jerusalem eingetroffen wären. Zur Überraschung der Besucher wäre der Antrag auf Einsichtnahme in das Archiv - das Sammlungen des ehemaligen Ministers und Diplomaten Abba Eban und des Generalmajors der Reserve Shlomo Gazit enthält - von dessen damaligem Direktor Menahem Blondheim abgelehnt worden.

Blondheim, so der Artikel hätte den Besuchern gesagt, dass die fraglichen Dokumente Jahrzehnte alt seien und dass er sich nicht vorstellen könnte, dass es irgendein Sicherheitsproblem gebe, das es rechtfertigen würde, ihren Zugang für Forscher zu beschränken. Daraufhin hätten sie geantwortet, dass sie annehmen würden, dass es Zeugenaussagen gäbe, dass die Brunnen im Unabhängigkeitskrieg vergiftet worden wären. Worauf Blondheim geantwortet hätte, dass dann die Leute eben vor Gericht gestellt werden müssten.

Blondheims Ablehnung hätte dann zu einem Treffen mit einem höher gestellten Ministerialbeamten geführt, nur war diesmal die Haltung, auf die er traf, eine andere und es wären explizite Drohungen ausgesprochen worden. Schließlich wären beide Seiten zu einer Einigung gekommen.
    »Benny Morris ist über Malmabs Aktivitäten nicht überrascht. 'Ich wusste davon', sagt er, 'nicht offiziell, niemand hat mich informiert, aber ich bin darauf gestoßen, als ich entdeckte, dass Dokumente, die ich in der Vergangenheit gesehen hatte, jetzt der Geheimhaltung unterliegen. Es gab Dokumente aus dem IDF-Archiv, die ich für einen Artikel über Deir Yassin verwendet habe und die jetzt versiegelt sind. Als ich ins Archiv kam, durfte ich das Original nicht mehr sehen, also wies ich in einer Fußnote [in dem Artikel] darauf hin, dass das Staatsarchiv den Zugang zu Dokumenten verweigert hatte, die ich 15 Jahre zuvor veröffentlicht hatte'.« (8)
Der Fall Malmab wäre nur ein Beispiel für den Kampf um den Zugang zu Archiven in Israel. Laut dem Geschäftsführer des Akevot-Instituts, Lior Yavne, wäre das IDF-Archiv, das größte Archiv in Israel, fast hermetisch verschlossen. Etwa 1 Prozent des Materials wäre nur geöffnet worden. Das Shin-Bet-Archiv, das Material von immenser Bedeutung [für Wissenschaftler] enthalten würde, wäre bis auf eine Handvoll Dokumente völlig verschlossen.

Befürworter der Verschleierung hätten mehrere Argumente vorgebracht, stellt Lozowick fest. Da wäre die Behauptung gewesen, dass die Freigabe der Tatsachen den Feinden Israels eine Waffe gegen sie bieten würde und die Entschlossenheit ihrer Freunde schwächen könnte; sie wäre geeignet, die arabische Bevölkerung aufzuwiegeln; sie könnte die Argumente des Staates vor Gericht schwächen; und was aufgedeckt würde, könnte als israelische Kriegsverbrechen interpretiert werden. Lozowick hätte jedoch erklärt, dass alle diese Argumente zurückgewiesen werden müssten. Dass dies ein Versuch wäre, einen Teil der historischen Wahrheit zu verbergen, um eine bequemere Version der Geschichte zu konstruieren.

Der Artikel beschreibt dann auch, was Malmab zu dem Thema sagte.
    »Yehiel Horev war mehr als zwei Jahrzehnte lang der Hüter der Geheimnisse des Sicherheitsestablishments. Von 1986 bis 2007 leitete er die Sicherheitsabteilung des Verteidigungsministeriums und hielt sich natürlich aus dem Rampenlicht heraus. Zu seiner Ehre erklärte er sich nun bereit, mit Haaretz offen über das Archivierungsprojekt zu sprechen.

    'Ich weiß nicht mehr, wann es begann', sagt Horev, 'aber ich weiß, dass ich es begonnen hatte. Wenn ich mich nicht irre, begann es, als man Dokumente aus dem Archiv veröffentlichen wollte. Wir mussten Teams zusammenstellen, die alles ausgehende Material untersuchen.'

    [Anmerkung: Frage des Interviewers:] Aus Gesprächen mit den Archivdirektoren geht hervor, dass ein Großteil der Dokumente, über die Vertraulichkeit auferlegt wurde, mit dem Unabhängigkeitskrieg zu tun hat. Gehört das Verschweigen der Ereignisse von 1948 zum Zweck von Malmab?

    [Anmerkung: Antwort Horev] 'Was bedeutet 'Teil des Zwecks'? Das Thema wird auf der Grundlage eines Ansatzes untersucht, ob es den Außenbeziehungen Israels und dem Verteidigungsestablishment schaden könnte. Das sind die Kriterien. Ich denke, es ist immer noch relevant. Seit 1948 gab es keinen Frieden mehr. Ich mag mich irren, aber der arabisch-israelische Konflikt ist meines Wissens nicht gelöst worden. Also ja, es könnte sein, dass problematische Themen bestehen bleiben.'« (9)
Auf die Frage, inwiefern solche Dokumente problematisch sein könnten, hätte Horev von der Möglichkeit der Agitation unter den arabischen Bürgern des Landes gesprochen. Aus seiner Sicht muss jedes Dokument durchgesehen und jeder Fall nach seinem Inhalt entschieden werden. Wären die Ereignisse von 1948 nicht bekannt, könnte man darüber streiten, ob dieser Ansatz der richtige ist, meint der Autor des Artikels. Aber das wäre nicht der Fall. Es gäbe viele Zeugenaussagen und Studien über die Geschichte des Flüchtlingsproblems. Was würde es bringen, Dinge zu verheimlichen?
    »'Die Frage ist, ob es schaden kann oder nicht. Es ist eine sehr heikle Angelegenheit. Es ist nicht alles über die Flüchtlingsfrage veröffentlicht worden, und es gibt alle möglichen Arten von Erzählungen. Manche sagen, es gab gar keine Flucht, nur die Ausweisung. Andere sagen, es gab eine Flucht. Es ist nicht schwarz-weiß. Es gibt einen Unterschied zwischen Flucht und denen, die sagen, dass sie gewaltsam vertrieben wurden. Es ist ein anderes Bild. Ich kann jetzt nicht sagen, ob es totale Vertraulichkeit verdient, aber es ist ein Thema, das auf jeden Fall diskutiert werden muss, bevor eine Entscheidung über die Veröffentlichung getroffen wird.'« (10)
Seit Jahren hätte das Verteidigungsministerium ein detailliertes Dokument, das die Gründe für die Ausreise der Flüchtlinge beschreibt, vertraulich behandelt. Benny Morris hätte bereits über das Dokument geschrieben, was wäre also die Logik, es geheim zu halten?
    »'Ich erinnere mich nicht an das Dokument, auf das Sie sich beziehen, aber wenn er daraus zitiert hat und das Dokument selbst nicht da ist [d.h. dort, wo Morris sagt, dass es ist], dann sind seine Fakten nicht stark. Wenn er sagt: 'Ja, ich habe das Dokument', kann ich nicht widersprechen. Aber wenn er sagt, dass es dort geschrieben steht, könnte das richtig sein oder es könnte falsch sein. Wenn das Dokument bereits draußen wäre und im Archiv versiegelt wäre, würde ich sagen, dass das eine Torheit ist. Aber wenn jemand daraus zitiert - es gibt einen Unterschied zwischen Tag und Nacht in Bezug auf die Gültigkeit der Beweise, die er zitiert hat.'« (11)
In dem Interview wird immer klarer, dass es darum ging, die Aussagen von Historikern abzuschwächen, sie als »umstritten« zu deklarieren, um ein eigenes, von den Tatsachen abweichendes Narrativ zu verbreiten.
    »'Ich habe Ihnen ein Beispiel dafür gegeben, dass dies nicht der Fall sein muss. Wenn jemand schreibt, dass das Pferd schwarz ist, kann man nicht beweisen, dass es wirklich schwarz ist, wenn das Pferd nicht vor der Scheune steht.'« (12)
Auf den Hinweis, dass es Rechtsgutachten gäbe, dass die Tätigkeit von Malmab in den Archiven illegal wäre, lautete die Antwort im Artikel:
    »'Wenn ich weiß, dass ein Archiv geheimes Material enthält, bin ich befugt, der Polizei zu befehlen, dorthin zu gehen und das Material zu beschlagnahmen. Ich kann auch die Gerichte einschalten. Ich brauche keine Genehmigung des Archivars. Wenn es geheimes Material gibt, habe ich die Befugnis zu handeln. Hören Sie, es gibt Vorschriften. Dokumente werden nicht grundlos versiegelt. Und trotz alledem sage ich nicht, dass alles, was versiegelt ist, zu 100 Prozent gerechtfertigt ist [in Bezug auf die Versiegelung].'
    Das Verteidigungsministerium weigerte sich, auf konkrete Fragen zu den Ergebnissen dieses Untersuchungsberichts zu antworten und begnügte sich mit folgender Antwort: 'Der Sicherheitsdirektor des Verteidigungsministeriums ist aufgrund seiner Verantwortung für den Schutz der Staatsgeheimnisse und der Sicherheitsbestände des Staates tätig. Die Malmab macht keine Angaben über ihre Tätigkeit und ihre Aufgaben.'« (13)
Deutsche Politik als Diener der Geschichtsfälschung?

Was sagte noch mal Christian Lange laut Bundestagsprotokoll am 17. Mai, nachdem er aus dem Notizbuch des von ihm verehrten David Ben Gurion zitiert hatte?
    »Wir wissen, dass nach der Ausrufung des Staats Israel der sogenannte Unabhängigkeitskrieg stattfand. Der nur wenige Stunden alte Staat konnte den Angriff seiner Nachbarn glücklicherweise abwehren.« (14)
Für die Gründerväter Israels waren die rund 1,3 Millionen Araber, die sich 1947 auf dem Gebiet Palästinas befanden, ein Problem. (15) Die Politik der zionistischen Bewegung war von Anfang an – d.h. schon lange vor der Gründung des Staates und noch vor der Shoa – auf Landgewinn ausgerichtet. Das belegt u.a. ein Brief, den Ben Gurion 1937 an seinen Sohn schrieb. Darin machte er deutlich, dass eine Teilung des Landes in ein jüdisches und ein arabisches Gebiet nicht von Dauer sein würde:
    »Anmerkung: Meine Vermutung ist … dass der jüdische Staat auf nur einem Teil des Landes nicht das Ende, sondern der Beginn ist … Und zwar nicht nur weil dieser Zuwachs für sich selbst genommen von Bedeutung ist, sondern weil wir dadurch unsere Stärke erhöhen, und jede Zunahme der Stärke uns hilft, das Land als Ganzes in Besitz zu nehmen. Die Errichtung eines Staates, selbst nur auf einem Teil des Landes, ist die höchstmögliche Verstärkung unserer heutigen Macht und eine starke Unterstützung unserer historischen Bemühungen, das gesamte Land zu befreien.« (16)
Christian Lange vergaß also zu erwähnen, dass die Gründung von Israel auf einem partiellen Völkermord und ethnischer Säuberung der nicht der jüdischen Religion angehörenden Bevölkerung von Palästina gebaut wurde. Was selbst Ben Gurion zugab. Wie der ehemalige Präsident des Weltkongresses der Juden, Nahum Goldmann, über Aussagen von David Ben Gurion berichtete:
    »Warum sollten die Araber Frieden machen? Wenn ich ein arabischer Führer von ihnen wäre, wäre ich niemals bereit, mit Israel Frieden zu schließen. Das ist ganz natürlich: Wir haben ihr Land genommen … Sie sehen nur eine Sache: Wir sind gekommen und haben ihr Land gestohlen. Warum sollten sie das akzeptieren? Sie mögen es vielleicht in ein oder zwei Generationen vergessen, aber im Augenblick gibt es dafür keine Chance.« (17)
Christian Lange hatte das Pech, als Beispiel ausgewählt zu werden. Aber er ist stellvertretend für die Reden im Deutschen Bundestag am 17. Mai, über die ich in meinem Buch (18) ausführlicher berichte. Schade, dass deutsche Politiker wieder einmal nicht auf der Seite von Wahrheit, Menschenrechten, Völkerrecht und Gerechtigkeit stehen, sondern, überzeugt das Richtige zu tun, der verkündeten Staatsräson folgen, "nur ihrem Gewissen verantwortlich".


Fußnoten:

1 https://www.haaretz.com/israel-news/.premium.MAGAZINE-how-israel-systematically-hides-evidence-of-1948-expulsion-of-arabs-1.7435103
2 https://www.haaretz.co.il/st/inter/Heng/1948.pdf
3 https://www.haaretz.com/israel-news/.premium.MAGAZINE-how-israel-systematically-hides-evidence-of-1948-expulsion-of-arabs-1.7435103
4 https://www.haaretz.com/israel-news/.premium.MAGAZINE-how-israel-systematically-hides-evidence-of-1948-expulsion-of-arabs-1.7435103
5 Ebd.
6 Ebd.
7 Ebd.
8 Ebd.
9 Ebd.
10 Ebd.
11 Ebd.
12 Ebd.
13 Ebd.
14 http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/19/19102.pdf#P.12504 Seite 12484
15 Angelika Timm: »Die Gründung des Staates Israel«, Bundeszentrale für politische Bildung, 28. März 2008,
http://www.bpb.de/internationales/asien/israel/44995/gruendung- des-staates-israel
16 Wikipedia: »1937 Ben-Gurion letter«,
https://en.wikipedia.org/wiki/1937_Ben-Gurion_letter
17 Nahum Goldman: »The Jewish Paradox«, A Personal Memoir, Grosset & Dunlap, New York, 1978: 99
18 https://www.alitheia-verlag.de/Politik/Die-vergessenen-Lehren-von-Auschwitz-Jochen-Mitschka::18.html


Siehe auch:

Deutschlands Umgang mit Apartheid
Israels Persilschein für Verbrechen nichts Neues
Von Jochen Mitschka
NRhZ 706 vom 22.05.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25924

Dem Kampf gegen Apartheid und Völkerrechtsbruch in den Rücken gefallen
Rassistische Querfront im Reichstag
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 707 vom 29.05.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25936

Manchmal fragt man sich, ob Bundestagsabgeordnete absichtlich nichts wissen wollen
Wenn eine Bundestagsabgeordnete Ahnungslosigkeit mit Totschlagargument krönt
Von Jochen Mitschka
NRhZ 708 vom 05.06.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25963

Wenn deutsche Politiker behaupten, Israel Apartheid-Staat zu nennen wäre Antisemitismus
Der Apartheid-Staat
Von Jochen Mitschka
NRhZ 728 vom 04.12.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26407

Online-Flyer Nr. 731  vom 01.01.2020



Startseite           nach oben