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Kommentar
Zum "Nahost-Konflikt"
Der Missbrauch des Gedankens der Völkerverständigung
Von Yavuz Özoguz
Jedes Mal, wenn auf deutschem Boden irgendwelche islamischen Vereine verboten werden, ist das Argument des Innenministers das Gleiche: Jener Verein habe gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoßen [1]. Das deutsche Recht kennt das Verbot von Bestrebungen gegen den „Gedanken der Völkerverständigung“. Was das heißen soll, ist nicht klar [2]. Selbst in wissenschaftlichen Artikeln zum Thema wird der wahre Inhalt jenes Gedankens zur Völkerverständigung nicht deutlich [3], so dass er offensichtlich beliebig eingesetzt und missbraucht werden kann. Zudem muss ein möglicher Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung mit anderen Rechtsgütern wie der Meinungs- und Religionsfreiheit abgewogen und die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen gewahrt werden. Tatsächlich fällt es daher sehr schwer, eine vernünftige Definition des angeblichen Straftatbestands wiederzugeben, zumal jene Verstöße sich im Wesentlichen nur gegen Israel richten und ein Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung gegenüber anderen Staaten und Völkern kaum Relevanz besitzt.
Da es im juristischen Sinn nicht klar definiert ist, was dem Gedanken der Völkerverständigung widerspricht, soll hier im Folgenden dargelegt werden, was nach Ansicht der Bundesregierung nicht dem Gedanken der Völkerverständigung widerspricht.
Zunächst einmal widerspricht 70 Jahre lang andauernde Besatzung mit der Ankündigung, diese niemals beenden zu wollen, nicht dem Gedanken der Völkerverständigung. Alle Vereinigungen und Organisationen, die in Deutschland eine über 70 Jahre andauernde Besatzung befürworten und zudem die Ausweitung jener Besatzung propagandistisch wie auch finanziell unterstützen, stehen nach Ansicht jeder Bundesregierung nicht im Verdacht, dem Gedanken der Völkerverständigung entgegenzuwirken. Die völkerrechtswidrige Landnahme, die verbrecherische Besiedlung von besetzten Gebieten, die ethnische Säuberung seit 70 Jahren, Massenmorde, Massenvertreibung, Waffeneinsatz gegen Kinder und Zivilisten, tägliche Grenzverletzungen und Luftraumverletzungen der Nachbarländer, Bombardierungen von Nachbarländern als reine „Präventivmaßnahme“, Gesetze, die von der Mehrheit der Welt als Apartheidgesetze eingestuft werden, die Degradierung der einheimischen Bevölkerung zu Bürgern zweiter Klasse, weil sie keine Juden sind, alle diese Maßnahmen widersprechen gemäß Bundesregierung nicht dem Gedanken der Völkerverständigung. Und Organisationen in Deutschland dürfen sie problemlos propagieren.
Die Bundesregierung gewährt dem „jüdischen Staat“ ein so genanntes Selbstverteidigungsrecht. Das sieht in der aktuellen Praxis so aus, dass für jeden im Krieg gestorbenen Juden 25 Palästinenser, darunter Frauen und Kinder getötet werden dürfen, ohne dass irgendein Maß der Verhältnismäßigkeit tangiert wäre. Während dem Besatzerstaat Israel das Recht auf Selbstverteidigung zugebilligt wird, wird den besetzten Palästinensern jegliches Recht auf Selbstverteidigung abgesprochen.
Zu dem Gedanken der Völkerverständigung gehört auch, dass zionistische Besatzungssoldaten, ohne jegliche Konsequenzen befürchten zu müssen, eines der größten Heiligtümer der Muslime mit ihren Stiefeln stürmen und innerhalb der Moschee Blendgranaten auf unbewaffnete Betende abfeuern dürfen, an denen einige Betende erblinden. Das reiht sich nahtlos ein in eine Pilgerstätte, die in Israel gepflegt wird: Das Grab eines zionistischen Offiziers, der ein Massaker an völlig unbewaffneten Betenden in der Abraham-Moschee in Hebron angerichtet hat [4], wird von seinen Anhängern wie ein Heiligtum behandelt. Es ist in Deutschland absolut problemlos möglich, solch eine „Pilgerstätte“ zu rechtfertigen, ohne gegen den Gedanken der Völkerverständigung zu verstoßen.
Von den 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen haben 138 (72 %) den Staat Palästina als unabhängigen Staat anerkannt, darunter auch europäische Staaten wie Schweden. Die Gesamtbevölkerung der anerkennenden Staaten beträgt mehr als 5,5 Milliarden Menschen, was in etwa 80 % der Weltbevölkerung entspricht [5]. Dennoch weigert sich Deutschland beharrlich, Palästina anzuerkennen. Auch diese Weigerung Deutschlands widerspricht nicht dem Gedanken der Völkerverständigung.
Um den Text nicht mit zu vielen klaren Belegen für eine besondere juristische Schieflage zu füllen, hier noch ein letztes Beispiel: Jegliche Unterstützung der Kolonialisten, die unter dem Gewand „Siedler“ völkerrechtswidrig besetztes Land in Palästina annektieren und die einheimische Bevölkerung vertreiben, gilt in Deutschland als mit dem Gedanken der Völkerverständigung vereinbar, aber jegliche Unterstützung für die Vertriebenen und Entrechteten gilt als mit dem Gedanken der Völkerverständigung nicht vereinbar.
Zusammengefasst lässt sich feststellen: Israel darf alles, Palästina nichts! Das Problem bei solch einer Vorstellung ist, dass die Mehrheit der eigenen Bevölkerung das nicht bereit ist mitzutragen, selbst wenn sich die gesamte Elite der Politiker und sämtliche Presstituierten dahinter stellen. Um den nicht zu übersehenen unverhältnismäßig brutalen Einsatz zionistischer Soldaten zu rechtfertigen, wird derzeit die Propaganda verbreitet: „Wenn die Hamas die Waffen niederlegte, hätten wir Frieden … Wenn die israelische Armee die Waffen niederlegen würde, würde es den Staat Israel nicht mehr geben.“ Das sagt unter anderem ein Antisemitismusbeauftragter in Deutschland [6]. Damit legen alle jene, die diese Propaganda weitertragen, offen, was sie unter Frieden für Palästinenser verstehen: Die widerstandslose Hinnahme von 70 Jahren Besatzung und ihr Einverständnis für jede völkerrechtswidrige Handlung Israels. Und das alles soll dem Gedanken der Völkerverständigung dienen.
Ist es angesichts dieser Ausgangslage wirklich so schwer nachvollziehbar, dass die Mehrheit der eigenen Bevölkerung (nicht nur Muslime), nicht mehr so recht verstehen, was denn ein Gedanke der Völkerverständigung ist, außer jedes Verbrechen Israels mitzutragen? Und ist es wirklich unverständlich, dass es Widerstand gegen solch eine Art des Gedankens der Völkerverständigung gibt?
Wer nicht völlig blind für Geschichte ist, wer weiß, wie sich Südafrika entwickelt hat, wer weiß, wie selbst die größten Imperien der Weltgeschichte untergegangen sind, der weiß auch, dass eines Tages das letzte aufrecht erhalten Kolonialprojekt der Europäer namens Israel zu Ende gehen wird. Wiederum können Historiker – und davon soll es auch einige an deutschen Universitäten geben, selbst wenn sie sich beim Thema Israel schon lange nicht mehr trauen, Wissenschaft zu betreiben – darauf verweisen, dass es historisch betrachtet drei Arten von Beendigung einer kolonialen Besatzung gibt.
Erstens: Der Besatzer führt die Ethnische Säuberung so lange durch, bis von der ursprünglichen Bevölkerung kaum etwas übriggeblieben ist, wie es z.B. in den USA der Fall ist. Dieses Modell streben auch den Zionisten im Rahmen ihrer Art des Gedankens der Völkerverständigung an. Allerdings sind die Rahmenbedingungen nicht vergleichbar mit denjenigen der USA, denn man müsste alle Muslime der Welt, insbesondere der Nachbarländer, vertreiben (wohin auch immer).
Zweitens: Der Besatzer wird völlig aus dem Land vertrieben, wie es den Franzosen in Algerien ergangen ist und den Russen in Afghanistan usw. Dieses Modell streben einige palästinensische Organisationen an.
Drittens: Besatzer und Besetzte finden einen neuen friedlichen Weg miteinander, wie es am Beispiel Südafrika deutlich geworden ist. Die Besatzer wurden nicht vertrieben, mussten aber die Macht an die Besetzten abgeben. Ein Teil der Besatzer sind in ihre Herkunftsländer zurückgekehrt, ein anderer Teil ist geblieben, und nach und nach kehrt immer mehr Frieden ein. In einer Wahrheitskommission werden nur die übelsten Verbrecher des Apartheidsystems abgeurteilt. Die meisten Bürger aber bleiben unbescholten. Dieses Modell hat Imam Chamenei seit Jahrzehnten betont [7]. Seine Appelle wurden aber ignoriert, da sie den zionistischen Interessen widersprechen.
Obwohl das dritte Modell zweifelsohne dasjenige ist, das dem Gedanken der Völkerverständigung am nächsten kommt, wird es von der Bundesrepublik nicht bevorzugt, denn es entspricht nicht dem zionistischen Interesse, dem sich die Bundesregierung verpflichtet fühlt. Stattdessen wird das Märchen von einer Zweistaatenlösung weitererzählt, obwohl es keinen halbwegs ernstzunehmenden Wissenschaftler mehr gibt, der eine Realisierbarkeit für möglich hält. Denn dafür hat Israel jegliche Lebensgrundalge der Palästinenser zerstört. Obwohl der Zionismus immer unverhohlener und immer klarer das erste Modell nicht nur propagiert, sondern auch praktisch umsetzt, sieht weder die Bundesregierung noch irgendein Antisemitismusbeauftragter darin ein Problem für den Gedanken der Völkerverständigung.
Meine Wenigkeit ist fest davon überzeugt, dass eines Tages Juden, Christen und Muslime gleichberechtigt in Jerusalem leben werden. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass alle jene, die diesen Tag durch einseitige Unterstützung der Besatzer hinausgezögert haben, sich dann besonders schämen werden müssen, unabhängig davon, ob sie dann vor ein irdisches Gericht gezerrt werden oder bereits im Jenseits vor dem gerechtesten Richter stehen! Diejenigen, die sich heute auf die Seite der Unterdrückten stellen, müssen zwar in Deutschland viele Nachteil in Kauf nehmen, aber ihre Seelen sind frei in beiden Welten. Und sie sind die wahren Vertreter des Gedankens der Völkerverständigung.
Fußnoten:
[1] https://www.evangelisch.de/inhalte/186426/19-05-2021/bundesinnenministerium-verbietet-drei-hisbollah-nahe-vereine
[2] https://www.lto.de/recht/feuilleton/f/voelkerverstaendigung-verfassung-rechtsprechung-bremen-bayern-vereinsverbot-hamas/
[3] https://link.springer.com/article/10.1007/s00718-011-0086-6
[4] http://www.eslam.de/begriffe/g/goldstein_baruch.htm
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Internationale_Anerkennung_des_Staates_Pal%C3%A4stina
[6] https://www.schwaebische.de/sueden/baden-wuerttemberg_artikel,-antisemitismusbeauftragter-kritisiert-vorwuerfe-gegen-israel-_arid,11365146.html
[7] http://www.muslim-markt.de/Palaestina-Spezial/interviews/imamkhameneisfriedensplan.htm
Online-Flyer Nr. 770 vom 29.05.2021
Zum "Nahost-Konflikt"
Der Missbrauch des Gedankens der Völkerverständigung
Von Yavuz Özoguz
Jedes Mal, wenn auf deutschem Boden irgendwelche islamischen Vereine verboten werden, ist das Argument des Innenministers das Gleiche: Jener Verein habe gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoßen [1]. Das deutsche Recht kennt das Verbot von Bestrebungen gegen den „Gedanken der Völkerverständigung“. Was das heißen soll, ist nicht klar [2]. Selbst in wissenschaftlichen Artikeln zum Thema wird der wahre Inhalt jenes Gedankens zur Völkerverständigung nicht deutlich [3], so dass er offensichtlich beliebig eingesetzt und missbraucht werden kann. Zudem muss ein möglicher Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung mit anderen Rechtsgütern wie der Meinungs- und Religionsfreiheit abgewogen und die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen gewahrt werden. Tatsächlich fällt es daher sehr schwer, eine vernünftige Definition des angeblichen Straftatbestands wiederzugeben, zumal jene Verstöße sich im Wesentlichen nur gegen Israel richten und ein Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung gegenüber anderen Staaten und Völkern kaum Relevanz besitzt.
Da es im juristischen Sinn nicht klar definiert ist, was dem Gedanken der Völkerverständigung widerspricht, soll hier im Folgenden dargelegt werden, was nach Ansicht der Bundesregierung nicht dem Gedanken der Völkerverständigung widerspricht.
Zunächst einmal widerspricht 70 Jahre lang andauernde Besatzung mit der Ankündigung, diese niemals beenden zu wollen, nicht dem Gedanken der Völkerverständigung. Alle Vereinigungen und Organisationen, die in Deutschland eine über 70 Jahre andauernde Besatzung befürworten und zudem die Ausweitung jener Besatzung propagandistisch wie auch finanziell unterstützen, stehen nach Ansicht jeder Bundesregierung nicht im Verdacht, dem Gedanken der Völkerverständigung entgegenzuwirken. Die völkerrechtswidrige Landnahme, die verbrecherische Besiedlung von besetzten Gebieten, die ethnische Säuberung seit 70 Jahren, Massenmorde, Massenvertreibung, Waffeneinsatz gegen Kinder und Zivilisten, tägliche Grenzverletzungen und Luftraumverletzungen der Nachbarländer, Bombardierungen von Nachbarländern als reine „Präventivmaßnahme“, Gesetze, die von der Mehrheit der Welt als Apartheidgesetze eingestuft werden, die Degradierung der einheimischen Bevölkerung zu Bürgern zweiter Klasse, weil sie keine Juden sind, alle diese Maßnahmen widersprechen gemäß Bundesregierung nicht dem Gedanken der Völkerverständigung. Und Organisationen in Deutschland dürfen sie problemlos propagieren.
Die Bundesregierung gewährt dem „jüdischen Staat“ ein so genanntes Selbstverteidigungsrecht. Das sieht in der aktuellen Praxis so aus, dass für jeden im Krieg gestorbenen Juden 25 Palästinenser, darunter Frauen und Kinder getötet werden dürfen, ohne dass irgendein Maß der Verhältnismäßigkeit tangiert wäre. Während dem Besatzerstaat Israel das Recht auf Selbstverteidigung zugebilligt wird, wird den besetzten Palästinensern jegliches Recht auf Selbstverteidigung abgesprochen.
Zu dem Gedanken der Völkerverständigung gehört auch, dass zionistische Besatzungssoldaten, ohne jegliche Konsequenzen befürchten zu müssen, eines der größten Heiligtümer der Muslime mit ihren Stiefeln stürmen und innerhalb der Moschee Blendgranaten auf unbewaffnete Betende abfeuern dürfen, an denen einige Betende erblinden. Das reiht sich nahtlos ein in eine Pilgerstätte, die in Israel gepflegt wird: Das Grab eines zionistischen Offiziers, der ein Massaker an völlig unbewaffneten Betenden in der Abraham-Moschee in Hebron angerichtet hat [4], wird von seinen Anhängern wie ein Heiligtum behandelt. Es ist in Deutschland absolut problemlos möglich, solch eine „Pilgerstätte“ zu rechtfertigen, ohne gegen den Gedanken der Völkerverständigung zu verstoßen.
Von den 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen haben 138 (72 %) den Staat Palästina als unabhängigen Staat anerkannt, darunter auch europäische Staaten wie Schweden. Die Gesamtbevölkerung der anerkennenden Staaten beträgt mehr als 5,5 Milliarden Menschen, was in etwa 80 % der Weltbevölkerung entspricht [5]. Dennoch weigert sich Deutschland beharrlich, Palästina anzuerkennen. Auch diese Weigerung Deutschlands widerspricht nicht dem Gedanken der Völkerverständigung.
Um den Text nicht mit zu vielen klaren Belegen für eine besondere juristische Schieflage zu füllen, hier noch ein letztes Beispiel: Jegliche Unterstützung der Kolonialisten, die unter dem Gewand „Siedler“ völkerrechtswidrig besetztes Land in Palästina annektieren und die einheimische Bevölkerung vertreiben, gilt in Deutschland als mit dem Gedanken der Völkerverständigung vereinbar, aber jegliche Unterstützung für die Vertriebenen und Entrechteten gilt als mit dem Gedanken der Völkerverständigung nicht vereinbar.
Zusammengefasst lässt sich feststellen: Israel darf alles, Palästina nichts! Das Problem bei solch einer Vorstellung ist, dass die Mehrheit der eigenen Bevölkerung das nicht bereit ist mitzutragen, selbst wenn sich die gesamte Elite der Politiker und sämtliche Presstituierten dahinter stellen. Um den nicht zu übersehenen unverhältnismäßig brutalen Einsatz zionistischer Soldaten zu rechtfertigen, wird derzeit die Propaganda verbreitet: „Wenn die Hamas die Waffen niederlegte, hätten wir Frieden … Wenn die israelische Armee die Waffen niederlegen würde, würde es den Staat Israel nicht mehr geben.“ Das sagt unter anderem ein Antisemitismusbeauftragter in Deutschland [6]. Damit legen alle jene, die diese Propaganda weitertragen, offen, was sie unter Frieden für Palästinenser verstehen: Die widerstandslose Hinnahme von 70 Jahren Besatzung und ihr Einverständnis für jede völkerrechtswidrige Handlung Israels. Und das alles soll dem Gedanken der Völkerverständigung dienen.
Ist es angesichts dieser Ausgangslage wirklich so schwer nachvollziehbar, dass die Mehrheit der eigenen Bevölkerung (nicht nur Muslime), nicht mehr so recht verstehen, was denn ein Gedanke der Völkerverständigung ist, außer jedes Verbrechen Israels mitzutragen? Und ist es wirklich unverständlich, dass es Widerstand gegen solch eine Art des Gedankens der Völkerverständigung gibt?
Wer nicht völlig blind für Geschichte ist, wer weiß, wie sich Südafrika entwickelt hat, wer weiß, wie selbst die größten Imperien der Weltgeschichte untergegangen sind, der weiß auch, dass eines Tages das letzte aufrecht erhalten Kolonialprojekt der Europäer namens Israel zu Ende gehen wird. Wiederum können Historiker – und davon soll es auch einige an deutschen Universitäten geben, selbst wenn sie sich beim Thema Israel schon lange nicht mehr trauen, Wissenschaft zu betreiben – darauf verweisen, dass es historisch betrachtet drei Arten von Beendigung einer kolonialen Besatzung gibt.
Erstens: Der Besatzer führt die Ethnische Säuberung so lange durch, bis von der ursprünglichen Bevölkerung kaum etwas übriggeblieben ist, wie es z.B. in den USA der Fall ist. Dieses Modell streben auch den Zionisten im Rahmen ihrer Art des Gedankens der Völkerverständigung an. Allerdings sind die Rahmenbedingungen nicht vergleichbar mit denjenigen der USA, denn man müsste alle Muslime der Welt, insbesondere der Nachbarländer, vertreiben (wohin auch immer).
Zweitens: Der Besatzer wird völlig aus dem Land vertrieben, wie es den Franzosen in Algerien ergangen ist und den Russen in Afghanistan usw. Dieses Modell streben einige palästinensische Organisationen an.
Drittens: Besatzer und Besetzte finden einen neuen friedlichen Weg miteinander, wie es am Beispiel Südafrika deutlich geworden ist. Die Besatzer wurden nicht vertrieben, mussten aber die Macht an die Besetzten abgeben. Ein Teil der Besatzer sind in ihre Herkunftsländer zurückgekehrt, ein anderer Teil ist geblieben, und nach und nach kehrt immer mehr Frieden ein. In einer Wahrheitskommission werden nur die übelsten Verbrecher des Apartheidsystems abgeurteilt. Die meisten Bürger aber bleiben unbescholten. Dieses Modell hat Imam Chamenei seit Jahrzehnten betont [7]. Seine Appelle wurden aber ignoriert, da sie den zionistischen Interessen widersprechen.
Obwohl das dritte Modell zweifelsohne dasjenige ist, das dem Gedanken der Völkerverständigung am nächsten kommt, wird es von der Bundesrepublik nicht bevorzugt, denn es entspricht nicht dem zionistischen Interesse, dem sich die Bundesregierung verpflichtet fühlt. Stattdessen wird das Märchen von einer Zweistaatenlösung weitererzählt, obwohl es keinen halbwegs ernstzunehmenden Wissenschaftler mehr gibt, der eine Realisierbarkeit für möglich hält. Denn dafür hat Israel jegliche Lebensgrundalge der Palästinenser zerstört. Obwohl der Zionismus immer unverhohlener und immer klarer das erste Modell nicht nur propagiert, sondern auch praktisch umsetzt, sieht weder die Bundesregierung noch irgendein Antisemitismusbeauftragter darin ein Problem für den Gedanken der Völkerverständigung.
Meine Wenigkeit ist fest davon überzeugt, dass eines Tages Juden, Christen und Muslime gleichberechtigt in Jerusalem leben werden. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass alle jene, die diesen Tag durch einseitige Unterstützung der Besatzer hinausgezögert haben, sich dann besonders schämen werden müssen, unabhängig davon, ob sie dann vor ein irdisches Gericht gezerrt werden oder bereits im Jenseits vor dem gerechtesten Richter stehen! Diejenigen, die sich heute auf die Seite der Unterdrückten stellen, müssen zwar in Deutschland viele Nachteil in Kauf nehmen, aber ihre Seelen sind frei in beiden Welten. Und sie sind die wahren Vertreter des Gedankens der Völkerverständigung.
Fußnoten:
[1] https://www.evangelisch.de/inhalte/186426/19-05-2021/bundesinnenministerium-verbietet-drei-hisbollah-nahe-vereine
[2] https://www.lto.de/recht/feuilleton/f/voelkerverstaendigung-verfassung-rechtsprechung-bremen-bayern-vereinsverbot-hamas/
[3] https://link.springer.com/article/10.1007/s00718-011-0086-6
[4] http://www.eslam.de/begriffe/g/goldstein_baruch.htm
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Internationale_Anerkennung_des_Staates_Pal%C3%A4stina
[6] https://www.schwaebische.de/sueden/baden-wuerttemberg_artikel,-antisemitismusbeauftragter-kritisiert-vorwuerfe-gegen-israel-_arid,11365146.html
[7] http://www.muslim-markt.de/Palaestina-Spezial/interviews/imamkhameneisfriedensplan.htm
Online-Flyer Nr. 770 vom 29.05.2021