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Zum Tod von Abimael Guzmán
Für die Gerechtigkeit, für die Revolution, für das Volk
Von Markus Heizmann (Bündnis gegen den imperialistischen Krieg, Basel)
Abimael Guzmán studierte Rechtswissenschaften und Philosophie an der Universität von Arequipa, der südlichsten Provinz Perus. 1962 wurde er als Professor für Philosophie an die Universität von Ayacucho (Universidad Nacional de San Cristóbal de Huamanga) berufen. Schon als junger Mann beschäftigte sich Guzmán mit den Schriften von José Carlos Mariátegui. (1) Die desolate Situation - vor allem, aber nicht nur in der Landbevölkerung - in Peru veranlasste Guzmán Mitte der 1970er Jahre in den Untergrund zu gehen. Er war einer der Gründer der Bewegung Sendero Luminoso (Leuchtender Pfad). Ideologisch orientierte sich der Leuchtende Pfad vor allem an den Schriften Mao Ze Tongs und an dem bereits erwähnten José Carlos Mariátegui. Die Aktivitäten des Sendero Luminoso lösten in Peru das aus, was hierzulande als „bürgerkriegsähnlich“ bezeichnet wurde. In der Tat handelte es sich dabei um einen Volkskrieg. Die Verbindung des Sendero Luminoso manifestiert sich auch darin, dass sich der Kampf vom Land auf die Städte ausbreitete und nicht umgekehrt.
In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre und zu Beginn der 1990er Jahre kontrollierte der Leuchtente Pfad grosse Teile Perus, es konnte von einer eigentlichen Patt-Situation zwischen der Guerilla und der peruanischen Armee gesprochen werden.
Während der äussert korrupten Herrschaft von Alberto Fujimori geriet der Leuchtende Pfad mehr und mehr in Bedrängnis. Dies ist vor allem der immer brutaler werdenden Repression der peruanischen Regierung geschuldet.
Am 12. September 1992 wurde Dr. Abimael Guzmán gemeinsam mit weiteren Kadern des Sendero Luminoso, unter ihnen auch Elena Iparraguirre, der Lebensgefährtin und späteren Ehefrau von Guzmán in Lima verhaftet.
Ein peruanisches Gericht verurteilte Dr. Guzmán zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe. Damit wurde Genosse Guzmán zu einem der bekanntesten politischen Gefangenen weltweit. Auch hinter den Kerkermauern beteiligten sich die politischen Gefangenen des Sendero Luminoso – so gut oder so schlecht es ihnen eben möglich war – an der politischen Auseinandersetzung. Unter anderem rief Abimael Guzmán aus dem Gefängnis heraus zu einem Dialog und zu einem Friedensprozess auf, den jedoch jede peruanische Regierung ignorierte. Im Mai 2004 traten alle Gefangenen des Sendero Luminoso in einen Hungerstreik, um gegen die unmenschlichen Haftbedingungen in den peruanischen Gefängnissen zu protestieren.
2010 heirateten Abimael Guzmán und seine langjährige Lebensgefährtin Elena Iparraguirre im Gefängnis. Dr. Abimael Guzmán war für den Rest seines Lebens im Hochsicherheitsgefängnis des Marinestützpunkts Callao eingekerkert, die meiste Zeit davon in Isolationshaft. Am 11. September 2021 erreichte uns die Nachricht von seinem Tod. Abimael Guzman wurde 86 Jahre alt. Offiziell starb er im Gefängnis von Calllao an einer Lungenentzündung.
Ein Blick hinter die Mythen
Ob Türkei oder USA, ob Griechenland oder Deutschland, ob Frankreich oder eben Peru – politische Gefangene und deren Schicksal sind für politisch denkende und handelnde Menschen immer und überall ein Thema. Das Schicksal der politischen Gefangenen Perus wurde auch an dieser Stelle schon thematisiert. (2)
Die Mythen, die sich um den Sendero Luminoso und um die Personen Elena Iparraguirre und Abimael Guzmán ranken, sind zahlreich, und dabei handelt es sich fast durchweg um imperialistische Propaganda. So verbreiten so gut wie alle deutschsprachigen Medien, beim Sendero Luminoso handle es sich um eine „Terrororganisation“ und der nun verstorbene Abimael Guzmán sei der „intellektuelle Kopf“ dieser Terrororganisation gewesen. Wenn dem so wäre, wie kommt es dann, dass mehr als die Hälfte des peruanischen Volkes den Kampf des Leuchtenden Pfades unterstützte? Weshalb sprachen selbst peruanische Generäle in den 1980er Jahren von einem „Volkskrieg“ und kaum von „Terror“ - ja nicht einmal von einem „Bürgerkrieg“. Der Sendero Luminoso war bzw. ist also eine Volksbefreiungsbewegung, die vor der Geschichte das Pech hatte, eine Schlacht aber keineswegs den Krieg zu verlieren. Die Umstände, welche zur Gründung des Leuchtenden Pfades und somit zum bewaffneten Kampf geführt haben, sind ja nicht beseitigt. Die sozialen Ungerechtigkeiten in Stadt und Land sind noch da, ebenso der Einfluss ausländischer Firmen, allen voran den USA, auf die peruanische Wirtschaft. Insofern ist es eine Frage der Zeit, bis diese Widersprüche, in welcher Form auch immer, wieder aufs Neue aufbrechen.
Über den Tod hinaus
Das Vermächtnis von Abimael Guzmán, die von Mao Ze Tong und José Carlos Mariátegui inspirierte Ideologie, ist also noch da - ebenso die Angst der Herrschenden vor dieser Ideologie. Makaber genug: Die Regierung Perus weigert sich, den Leichnam heraus zu geben. Die Witwe von Guzmán, Frau Elena Iparraguirre, ebenfalls zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, muss aus dem Gefängnis heraus um die Leiche ihres Mannes streiten. Die Regierung begründet diesen Skandal damit, dass „verhindert werden soll, dass das Grab Guzmáns zu einem Wallfahrtsort wird“. Der Plan der peruanischen Regierung sieht vor, dass der Leichnam eingeäschert und die Asche ins Meer gestreut wird. Wie gross muss die Angst vor der ideologischen Macht von Abimael Guzmán sein, wenn nicht mal eine würdige Bestattung und ein Grab geduldet werden kann!
„Revolutionäre sterben, die Revolution lebt ewig“
Dieser Satz wurde von den türkischen Genossen im Todesfasten in den Kerkern der Türkei geprägt. Dieser Satz trifft auf alle Gefangenen des Widerstandes weltweit zu. Gonzalo, so Guzmans nom de guerre, hat sich weder von der imperialistischen Justiz noch von der jahrzehntelangen Isolationsfolter, der er ausgesetzt war, brechen lassen. Die ihm zur Last gelegten Verbrechen sind die Taten eines Revolutionärs. Die peruanischen Gerichte haben ihn schuldig gesprochen, die Geschichte wird ihn und unzählige andere Opfer des imperialistischen Systems rehabilitieren. Die schamlose Zurschaustellung nach seiner Gefangennahme, welche ein gutes Jahrzehnt später auch Saddam Hussein von den USA angetan wurde, wird in Vergessenheit geraten. Bleiben wird die realistische Vision, in der die Menschen alle gleich und die Ungerechtigkeit beseitigt sein wird. Ein Kampf, der mit dem Tod des Revolutionärs nicht beendet ist, ein Kampf der weltweit geführt wird und der nur im Sieg der gerechten Sache des Volkes enden kann.
Ruhe in Frieden Gonzalo!
Wir bleiben zurück, so wie wir hinter jedem von unseren Toten zurück bleiben – es bleibt Trauer, es bleibt Wut, es bleibt die Verpflichtung, das Vermächtnis anzunehmen. Wir sprechen von Mao ze Tong, wir sprechen vom Che, wir sprechen von Rosa Luxemburg, wir sprechen von Ghassan Kanafani, wir sprechen von Mikis Theodorakis, wir sprechen von Abimael Guzmán. Sie alle, gemeinsam mit unzähligen, ungenannten Anderen lebten und starben für die Gerechtigkeit, für die Revolution, für das Volk. Wir werden ihnen gerecht, indem wir sie und ihr Wirken nicht nur in Erinnerung behalten, sondern indem wir von ihnen lernen. Dass ein Mausoleum, welches auf einem Friedhof in Lima für Abimael Guzmán errichtet werden soll, so sich seine Witwe und seine Genossen das wünschen, ist natürlich zu erhoffen. Indes ist es auch kein Triumph für die Herrschenden, wenn es ihnen gelingt, einen würdigen Bestattungsort zu verhindern: Der Kampf und die Ideologie gegen das Unrecht wird solange bestehen, wie das Unrecht besteht.
Fußnoten:
1 Siehe u.a. „Sieben Versuche die peruanische Wirklichkeit zu erklären“ José Carlos Mariátegui. Argument Verlag 1986
2 Siehe dazu http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27386
auch hier: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27422
(Letzter Zugriff jeweils September 2021)
Online-Flyer Nr. 777 vom 22.09.2021
Zum Tod von Abimael Guzmán
Für die Gerechtigkeit, für die Revolution, für das Volk
Von Markus Heizmann (Bündnis gegen den imperialistischen Krieg, Basel)
Abimael Guzmán studierte Rechtswissenschaften und Philosophie an der Universität von Arequipa, der südlichsten Provinz Perus. 1962 wurde er als Professor für Philosophie an die Universität von Ayacucho (Universidad Nacional de San Cristóbal de Huamanga) berufen. Schon als junger Mann beschäftigte sich Guzmán mit den Schriften von José Carlos Mariátegui. (1) Die desolate Situation - vor allem, aber nicht nur in der Landbevölkerung - in Peru veranlasste Guzmán Mitte der 1970er Jahre in den Untergrund zu gehen. Er war einer der Gründer der Bewegung Sendero Luminoso (Leuchtender Pfad). Ideologisch orientierte sich der Leuchtende Pfad vor allem an den Schriften Mao Ze Tongs und an dem bereits erwähnten José Carlos Mariátegui. Die Aktivitäten des Sendero Luminoso lösten in Peru das aus, was hierzulande als „bürgerkriegsähnlich“ bezeichnet wurde. In der Tat handelte es sich dabei um einen Volkskrieg. Die Verbindung des Sendero Luminoso manifestiert sich auch darin, dass sich der Kampf vom Land auf die Städte ausbreitete und nicht umgekehrt.
In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre und zu Beginn der 1990er Jahre kontrollierte der Leuchtente Pfad grosse Teile Perus, es konnte von einer eigentlichen Patt-Situation zwischen der Guerilla und der peruanischen Armee gesprochen werden.
Während der äussert korrupten Herrschaft von Alberto Fujimori geriet der Leuchtende Pfad mehr und mehr in Bedrängnis. Dies ist vor allem der immer brutaler werdenden Repression der peruanischen Regierung geschuldet.
Am 12. September 1992 wurde Dr. Abimael Guzmán gemeinsam mit weiteren Kadern des Sendero Luminoso, unter ihnen auch Elena Iparraguirre, der Lebensgefährtin und späteren Ehefrau von Guzmán in Lima verhaftet.
Ein peruanisches Gericht verurteilte Dr. Guzmán zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe. Damit wurde Genosse Guzmán zu einem der bekanntesten politischen Gefangenen weltweit. Auch hinter den Kerkermauern beteiligten sich die politischen Gefangenen des Sendero Luminoso – so gut oder so schlecht es ihnen eben möglich war – an der politischen Auseinandersetzung. Unter anderem rief Abimael Guzmán aus dem Gefängnis heraus zu einem Dialog und zu einem Friedensprozess auf, den jedoch jede peruanische Regierung ignorierte. Im Mai 2004 traten alle Gefangenen des Sendero Luminoso in einen Hungerstreik, um gegen die unmenschlichen Haftbedingungen in den peruanischen Gefängnissen zu protestieren.
2010 heirateten Abimael Guzmán und seine langjährige Lebensgefährtin Elena Iparraguirre im Gefängnis. Dr. Abimael Guzmán war für den Rest seines Lebens im Hochsicherheitsgefängnis des Marinestützpunkts Callao eingekerkert, die meiste Zeit davon in Isolationshaft. Am 11. September 2021 erreichte uns die Nachricht von seinem Tod. Abimael Guzman wurde 86 Jahre alt. Offiziell starb er im Gefängnis von Calllao an einer Lungenentzündung.
Ein Blick hinter die Mythen
Ob Türkei oder USA, ob Griechenland oder Deutschland, ob Frankreich oder eben Peru – politische Gefangene und deren Schicksal sind für politisch denkende und handelnde Menschen immer und überall ein Thema. Das Schicksal der politischen Gefangenen Perus wurde auch an dieser Stelle schon thematisiert. (2)
Die Mythen, die sich um den Sendero Luminoso und um die Personen Elena Iparraguirre und Abimael Guzmán ranken, sind zahlreich, und dabei handelt es sich fast durchweg um imperialistische Propaganda. So verbreiten so gut wie alle deutschsprachigen Medien, beim Sendero Luminoso handle es sich um eine „Terrororganisation“ und der nun verstorbene Abimael Guzmán sei der „intellektuelle Kopf“ dieser Terrororganisation gewesen. Wenn dem so wäre, wie kommt es dann, dass mehr als die Hälfte des peruanischen Volkes den Kampf des Leuchtenden Pfades unterstützte? Weshalb sprachen selbst peruanische Generäle in den 1980er Jahren von einem „Volkskrieg“ und kaum von „Terror“ - ja nicht einmal von einem „Bürgerkrieg“. Der Sendero Luminoso war bzw. ist also eine Volksbefreiungsbewegung, die vor der Geschichte das Pech hatte, eine Schlacht aber keineswegs den Krieg zu verlieren. Die Umstände, welche zur Gründung des Leuchtenden Pfades und somit zum bewaffneten Kampf geführt haben, sind ja nicht beseitigt. Die sozialen Ungerechtigkeiten in Stadt und Land sind noch da, ebenso der Einfluss ausländischer Firmen, allen voran den USA, auf die peruanische Wirtschaft. Insofern ist es eine Frage der Zeit, bis diese Widersprüche, in welcher Form auch immer, wieder aufs Neue aufbrechen.
Über den Tod hinaus
Das Vermächtnis von Abimael Guzmán, die von Mao Ze Tong und José Carlos Mariátegui inspirierte Ideologie, ist also noch da - ebenso die Angst der Herrschenden vor dieser Ideologie. Makaber genug: Die Regierung Perus weigert sich, den Leichnam heraus zu geben. Die Witwe von Guzmán, Frau Elena Iparraguirre, ebenfalls zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, muss aus dem Gefängnis heraus um die Leiche ihres Mannes streiten. Die Regierung begründet diesen Skandal damit, dass „verhindert werden soll, dass das Grab Guzmáns zu einem Wallfahrtsort wird“. Der Plan der peruanischen Regierung sieht vor, dass der Leichnam eingeäschert und die Asche ins Meer gestreut wird. Wie gross muss die Angst vor der ideologischen Macht von Abimael Guzmán sein, wenn nicht mal eine würdige Bestattung und ein Grab geduldet werden kann!
„Revolutionäre sterben, die Revolution lebt ewig“
Dieser Satz wurde von den türkischen Genossen im Todesfasten in den Kerkern der Türkei geprägt. Dieser Satz trifft auf alle Gefangenen des Widerstandes weltweit zu. Gonzalo, so Guzmans nom de guerre, hat sich weder von der imperialistischen Justiz noch von der jahrzehntelangen Isolationsfolter, der er ausgesetzt war, brechen lassen. Die ihm zur Last gelegten Verbrechen sind die Taten eines Revolutionärs. Die peruanischen Gerichte haben ihn schuldig gesprochen, die Geschichte wird ihn und unzählige andere Opfer des imperialistischen Systems rehabilitieren. Die schamlose Zurschaustellung nach seiner Gefangennahme, welche ein gutes Jahrzehnt später auch Saddam Hussein von den USA angetan wurde, wird in Vergessenheit geraten. Bleiben wird die realistische Vision, in der die Menschen alle gleich und die Ungerechtigkeit beseitigt sein wird. Ein Kampf, der mit dem Tod des Revolutionärs nicht beendet ist, ein Kampf der weltweit geführt wird und der nur im Sieg der gerechten Sache des Volkes enden kann.
Ruhe in Frieden Gonzalo!
Wir bleiben zurück, so wie wir hinter jedem von unseren Toten zurück bleiben – es bleibt Trauer, es bleibt Wut, es bleibt die Verpflichtung, das Vermächtnis anzunehmen. Wir sprechen von Mao ze Tong, wir sprechen vom Che, wir sprechen von Rosa Luxemburg, wir sprechen von Ghassan Kanafani, wir sprechen von Mikis Theodorakis, wir sprechen von Abimael Guzmán. Sie alle, gemeinsam mit unzähligen, ungenannten Anderen lebten und starben für die Gerechtigkeit, für die Revolution, für das Volk. Wir werden ihnen gerecht, indem wir sie und ihr Wirken nicht nur in Erinnerung behalten, sondern indem wir von ihnen lernen. Dass ein Mausoleum, welches auf einem Friedhof in Lima für Abimael Guzmán errichtet werden soll, so sich seine Witwe und seine Genossen das wünschen, ist natürlich zu erhoffen. Indes ist es auch kein Triumph für die Herrschenden, wenn es ihnen gelingt, einen würdigen Bestattungsort zu verhindern: Der Kampf und die Ideologie gegen das Unrecht wird solange bestehen, wie das Unrecht besteht.
Fußnoten:
1 Siehe u.a. „Sieben Versuche die peruanische Wirklichkeit zu erklären“ José Carlos Mariátegui. Argument Verlag 1986
2 Siehe dazu http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27386
auch hier: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27422
(Letzter Zugriff jeweils September 2021)
Online-Flyer Nr. 777 vom 22.09.2021