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Friedensratschlag, Kassel, 10./11.12.2022
Deutschland im Bund mit der NATO-Aggression
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Der Bundesweite Friedensratschlag unter dem Motto "Unterwegs zu einer neuen Weltordnung – Weltkrieg oder sozialökologische Wende zum Frieden" am 10. und 11. Dezember 2022 in Kassel stand im Zeichen der zugespitzten Situation, in der Deutschland im Stellvertreter-Krieg der NATO gegen Russland Kriegspartei im Bund mit der NATO ist. Wie es zu dieser Situation gekommen ist, wurde vielfach thematisiert. Und häufig wurde die Notwendigkeit einer starken Friedensbewegung formuliert. Eine große Anzahl gehaltvoller Referate und Diskussionsbeiträge sorgten für die Schaffung bzw. die Auffrischung wichtiger Hintergrundinformation. Die Wirtschaftsgeografin Christin Bernhold erinnerte daran, dass die USA weltweit ca. 1000 Militärbasen betreiben, Russland und China aber nur einige wenige. Die Arabistin und Islamwissenschaftlerin Karin Kulow rief die US-Militär-Doktrin der Full-spectrum dominance (Überlegenheit auf allen Ebenen) ins Bewusstsein, wie sie auch im US-Strategiepapier TRADOC 525-3-1 "Win in a complex world 2020-2040" verankert ist. Der frühere UNO-Diplomat Hans-Christoph von Sponeck nahm die Dominanz des US-Imperiums in den UNO-Organisationen unter die Lupe und forderte deren Befreiung von derartigem Missbrauch. Franziska Hildebrandt vom SDS erinnerte an die Hauptforderungen des Potsdamer Abkommens: De-Militarisierung, De-Nazifizierung, De-Monopolisierung und Demokratisierung. Der Soziologe und Journalist Jörg Kronauer wies darauf hin, dass drei Viertel der Staaten weltweit sich nicht an den Sanktionen gegen Russland beteiligen. Aber trotz der Fülle dieser und weiterer wichtiger Informationen hat sich gezeigt, dass sich von der NATO geprägtes Denken einschleicht. Die von ihr betriebene strategische Kommunikation – wie Ekkehard Sieker die gezielt geplante, meist unbemerkte Einflussnahme herrschender Kreise auf die Bevölkerung nennt – wirkt auch in der Linken und der Friedensbewegung in einem Maße, dass es noch enormer Anstrengungen bedarf, sie davon zu befreien.
Podium "Globale Umbruchsituation und neue Weltordnung" (alle Fotos: arbeiterfotografie.com)
Im Workshop "Formierung der öffentlichen Meinung und Feindbildpflege" wurden von einem Teilnehmer Feindbild schürende Zitate vorgetragen: "Mörderisches Treiben von Gaddafi", "Ungeheure Brutalität... des Diktators Gaddafi... er ist ein Verbrecher und gehört vor Gericht", "Natürlich ist auch Assad ein blutiger Diktator", "Völkerrechtswidriger Angriff Putins", "Barbarischer, völkerrechtswidriger Krieg, für den es keinerlei Rechtfertigung... gibt", "Brutaler völkerrechtswidriger Angriffskrieg... Angriff auf die europäische Friedensordnung". Diese Zitate stammen nicht von der NATO sondern aus der Friedensbewegung und der Linken (genaueres über das Wann und das Von-Wem siehe im Anhang). Die Frage, wie das zu erklären ist und welche Mechanismen der strategischen Kommunikation hierbei auf welche Weise gewirkt haben dürften, wusste auch der Referent Ekkehard Sieker nicht recht zu beantworten. Gleichwohl hatte er zuvor ausgeführt, dass vom US-Imperium indirekt über das NED (National Endowment of Democracy) NGOs (so genannte Nicht-Regierungsorganisationen) geschaffen werden. Dass auf diese oder ähnliche Weise auch in die Friedensbewegung und die Linke hineingewirkt wird, bewegt sich offenbar außerhalb des Denkbaren.
Auch in der Abschlusserklärung des Friedensratschlags ist vom "völkerrechtswidrigen Einmarsch Russlands" die Rede. Die aus dem Publikum vorgetragene dringende Bitte, das Wort "völkerrechtswidrig" zu streichen, um nicht unnötig das NATO-Narrativ zu bedienen, verhallte – trotz beachtlichen Beifalls aus dem Publikum. Die veröffentlichte Fassung der Abschlusserklärung enthält das Feindbild bedienende NATO-Sprech-gemäße Wort nach wie vor. Damit setzen sich die Verantwortlichen des Friedensratschlags auch über den dringenden Appell des NachDenkSeiten-Herausgebers und ehemaligen Willy-Brandt-Beraters Albrecht Müller vom Juli 2022 hinweg, endlich mit den Verneigungen vor der allgemein üblichen Empörung über "Putins Aggressionsverbrechen" aufzuhören. Damit würden Vorurteile und Aggression gegen Russland verstärkt und sonst gute Erklärungen relativiert und entwertet.
Bei der Podiumsdiskussion "Kontroversen zum Ukraine-Krieg" wurde eine zentrale Kontroverse ausgeblendet. Auf dem Podium war niemand, der das laut UN-Charta in Artikel 51 garantierte Recht auf kollektive Selbstverteidigung erwähnt hätte. Niemand zog in Betracht, dass Russland und die seit Jahren von Kiew attackierten Donbass-Republiken auf der Basis des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung handeln – unabhängig von der Frage, ob dieses Handeln klug und alternativlos ist. In Artikel 51 heißt es: "Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung... Maßnahmen, die ein Mitglied in Ausübung dieses Selbstverteidigungsrechts trifft, sind dem Sicherheitsrat sofort anzuzeigen..." Das ist von Seiten Russlands ordnungsgemäß geschehen. Zudem hatte Russland vor dem Einmarsch die Donbass-Republiken völkerrechtlich anerkannt und mit ihnen ein Beistandsabkommen abgeschlossen. Das alles wurde von niemandem auf dem Podium auch nur angesprochen. Das war einem Diskussionsteilnehmer aus dem Publikum vorbehalten.
Lühr Henken in Vertretung für Joachim Wernicke zu "Dark Eagle – ein Déjà-vu mit Pershing 2"
Insgesamt ist festzustellen: trotz vielfältiger Schilderung der NATO-Aggressivität erhob kein Referent die Forderung nach Kündigung des Truppenstationierungsvertrags und nach Austritt aus der NATO – obwohl beides im Verbund von immenser Wirkmächtigkeit wäre. Innerhalb von nur zwei Jahren müssten die militärischen Einrichtungen – von der Kriegsdrehscheibe Ramstein über EUCOM und AFRICOM bis hin zu den in Deutschland stationierten Atomwaffen – beseitigt sein. Auch das 56. Feldartillerie-Kommando – zuständig für das von Lühr Henken plastisch geschilderte Dark-Eagle-System, mit dem Moskau wie seinerzeit per Pershing-II-Raketen innerhalb weniger Minuten "enthauptet" werden kann, müsste wieder verschwinden. Im Saal neben anderen Friedensfahnen die Fahne mit der Friedenstaube und dem Slogan "NATO raus – raus aus der NATO" – also mit der Forderung nach Kündigung des Truppenstationierungsvertrags und nach Austritt aus der NATO – anzubringen, war unerwünscht. Lediglich im Rahmen einer Podiumsdiskussion wurde dieses Themenfeld von einem Diskussionsteilnehmer aus dem Publikum angesprochen. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang der folgende Passus aus der Abschlusserklärung: "Die Bundesregierung darf der Stationierung der US-Hyperschallraketen und anderen Mittelstreckenraketen nicht zustimmen. Sie muss dem Atomwaffenverbotsvertrag der UNO beitreten und die Truppenstationierungsverträge kündigen!" Das klingt nach Aufgreifen der Forderung, alle ausländischen Truppen aus Deutschland zu verbannen. Aber ist dem so? Die Rede ist von mehreren Truppenstationierungsverträgen. Die gibt es aber nicht. Es gibt den einen von 1954, der offiziell den Titel "Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland" trägt und nach Notenwechsel von Ende 1990 mit 2-Jahres-Frist kündbar ist.
Und insgesamt ist festzustellen: vielfach wurde von Seiten der Referenten zwecks Stärkung der Friedensbewegung die Notwendigkeit eines breiten Bündnisses betont. Konkret als Bündnispartner benannt wurden u.a. die Bewegungen in Sachen Klima, Umwelt, Soziales, von niemandem aber die Grundrechte- und Demokratie-Bewegung, die sich zu einer starken Friedenskraft entwickelt hat und die insbesondere im August 2020 in Berlin gezeigt hat, dass sie in der Lage ist, hunderttausende Menschen zu mobilisieren. Der wohl wirkungsvollste Motor dieser Bewegung, Michael Ballweg, sitzt seit mehr als fünf Monaten ohne Urteil in Stuttgart-Stammheim in Haft – ein Alarmsignal! Bei der abschließenden Podiumsdiskussion kam der von der Moderatorin als Co-Präsident des "International Peace Bureau" bezeichnete Reiner Braun zu Wort. Er forderte, ohne Ausgrenzung auf die Straße zu gehen. Doch auch er nannte die Grundrechte- und Demokratie-Bewegung als potenten Bündnispartner nicht. Stattdessen betonte er die Notwendigkeit der Abgrenzung von "Faschisten", denn Faschismus sei keine Meinung sondern ein Verbrechen. Und er warnte vor einer übereilten Großdemonstration. Stattdessen orientierte er in Richtung Münchener Sicherheitskonferenz und Ostermärsche – also business as usual – als gelte es nicht, in einer hochbrisanten Situation schnellstmöglich ein wirksames Protestpotenzial aufzubauen. Der aus dem Publikum vorgetragene Vorschlag, eine Solidaritätsnote mit der Forderung nach sofortiger Freilassung von Julian Assange und Michael Ballweg zu verabschieden, wurde nicht aufgegriffen.
Wie könnte das Fazit lauten? Es hat zwar zahlreiche aufschlussreiche, informative Referate und Diskussionsbeiträge gegeben. Aber wieder einmal hat sich gezeigt, dass noch viel zu tun ist, um die Friedensbewegung aus der Umklammerung der NATO-beeinflussten Kräfte zu befreien und zusammen mit allen authentischen Protestbewegungen zu dem zu machen, was erforderlich ist, um die Entwicklung in Richtung eines alles vernichtenden Weltkrieges zu stoppen. Es gilt, der NATO die Friedensbewegung zu entreißen und sie zu einer echten und starken Gegenkraft zur transatlantischen Kriegsallianz zu machen. Der Ernst der Lage erfordert dies.
Friedensratschlag im Saal des Philipp-Scheidemann-Hauses in Kassel
Anhang Feindbild-Zitate:
Website des Friedensratschlags:
https://friedensratschlag.de
Weitere Presse-Berichte über den Friedensratschlag:
https://friedensratschlag.de/presseberichte-friedensratschlag-2022/
Siehe auch:
Kasseler Erklärung anlässlich des Friedensratschlags in Kassel am 10. und 11. Dezember 2022
Wer Frieden will, muss gegen den Krieg protestieren!
Von Bundesarbeitsgemeinschaft Frieden der Partei dieBASIS
NRhZ 803 vom 14.12.2022
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28371
Online-Flyer Nr. 803 vom 14.12.2022
Friedensratschlag, Kassel, 10./11.12.2022
Deutschland im Bund mit der NATO-Aggression
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Der Bundesweite Friedensratschlag unter dem Motto "Unterwegs zu einer neuen Weltordnung – Weltkrieg oder sozialökologische Wende zum Frieden" am 10. und 11. Dezember 2022 in Kassel stand im Zeichen der zugespitzten Situation, in der Deutschland im Stellvertreter-Krieg der NATO gegen Russland Kriegspartei im Bund mit der NATO ist. Wie es zu dieser Situation gekommen ist, wurde vielfach thematisiert. Und häufig wurde die Notwendigkeit einer starken Friedensbewegung formuliert. Eine große Anzahl gehaltvoller Referate und Diskussionsbeiträge sorgten für die Schaffung bzw. die Auffrischung wichtiger Hintergrundinformation. Die Wirtschaftsgeografin Christin Bernhold erinnerte daran, dass die USA weltweit ca. 1000 Militärbasen betreiben, Russland und China aber nur einige wenige. Die Arabistin und Islamwissenschaftlerin Karin Kulow rief die US-Militär-Doktrin der Full-spectrum dominance (Überlegenheit auf allen Ebenen) ins Bewusstsein, wie sie auch im US-Strategiepapier TRADOC 525-3-1 "Win in a complex world 2020-2040" verankert ist. Der frühere UNO-Diplomat Hans-Christoph von Sponeck nahm die Dominanz des US-Imperiums in den UNO-Organisationen unter die Lupe und forderte deren Befreiung von derartigem Missbrauch. Franziska Hildebrandt vom SDS erinnerte an die Hauptforderungen des Potsdamer Abkommens: De-Militarisierung, De-Nazifizierung, De-Monopolisierung und Demokratisierung. Der Soziologe und Journalist Jörg Kronauer wies darauf hin, dass drei Viertel der Staaten weltweit sich nicht an den Sanktionen gegen Russland beteiligen. Aber trotz der Fülle dieser und weiterer wichtiger Informationen hat sich gezeigt, dass sich von der NATO geprägtes Denken einschleicht. Die von ihr betriebene strategische Kommunikation – wie Ekkehard Sieker die gezielt geplante, meist unbemerkte Einflussnahme herrschender Kreise auf die Bevölkerung nennt – wirkt auch in der Linken und der Friedensbewegung in einem Maße, dass es noch enormer Anstrengungen bedarf, sie davon zu befreien.
Podium "Globale Umbruchsituation und neue Weltordnung" (alle Fotos: arbeiterfotografie.com)
Im Workshop "Formierung der öffentlichen Meinung und Feindbildpflege" wurden von einem Teilnehmer Feindbild schürende Zitate vorgetragen: "Mörderisches Treiben von Gaddafi", "Ungeheure Brutalität... des Diktators Gaddafi... er ist ein Verbrecher und gehört vor Gericht", "Natürlich ist auch Assad ein blutiger Diktator", "Völkerrechtswidriger Angriff Putins", "Barbarischer, völkerrechtswidriger Krieg, für den es keinerlei Rechtfertigung... gibt", "Brutaler völkerrechtswidriger Angriffskrieg... Angriff auf die europäische Friedensordnung". Diese Zitate stammen nicht von der NATO sondern aus der Friedensbewegung und der Linken (genaueres über das Wann und das Von-Wem siehe im Anhang). Die Frage, wie das zu erklären ist und welche Mechanismen der strategischen Kommunikation hierbei auf welche Weise gewirkt haben dürften, wusste auch der Referent Ekkehard Sieker nicht recht zu beantworten. Gleichwohl hatte er zuvor ausgeführt, dass vom US-Imperium indirekt über das NED (National Endowment of Democracy) NGOs (so genannte Nicht-Regierungsorganisationen) geschaffen werden. Dass auf diese oder ähnliche Weise auch in die Friedensbewegung und die Linke hineingewirkt wird, bewegt sich offenbar außerhalb des Denkbaren.
Auch in der Abschlusserklärung des Friedensratschlags ist vom "völkerrechtswidrigen Einmarsch Russlands" die Rede. Die aus dem Publikum vorgetragene dringende Bitte, das Wort "völkerrechtswidrig" zu streichen, um nicht unnötig das NATO-Narrativ zu bedienen, verhallte – trotz beachtlichen Beifalls aus dem Publikum. Die veröffentlichte Fassung der Abschlusserklärung enthält das Feindbild bedienende NATO-Sprech-gemäße Wort nach wie vor. Damit setzen sich die Verantwortlichen des Friedensratschlags auch über den dringenden Appell des NachDenkSeiten-Herausgebers und ehemaligen Willy-Brandt-Beraters Albrecht Müller vom Juli 2022 hinweg, endlich mit den Verneigungen vor der allgemein üblichen Empörung über "Putins Aggressionsverbrechen" aufzuhören. Damit würden Vorurteile und Aggression gegen Russland verstärkt und sonst gute Erklärungen relativiert und entwertet.
Bei der Podiumsdiskussion "Kontroversen zum Ukraine-Krieg" wurde eine zentrale Kontroverse ausgeblendet. Auf dem Podium war niemand, der das laut UN-Charta in Artikel 51 garantierte Recht auf kollektive Selbstverteidigung erwähnt hätte. Niemand zog in Betracht, dass Russland und die seit Jahren von Kiew attackierten Donbass-Republiken auf der Basis des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung handeln – unabhängig von der Frage, ob dieses Handeln klug und alternativlos ist. In Artikel 51 heißt es: "Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung... Maßnahmen, die ein Mitglied in Ausübung dieses Selbstverteidigungsrechts trifft, sind dem Sicherheitsrat sofort anzuzeigen..." Das ist von Seiten Russlands ordnungsgemäß geschehen. Zudem hatte Russland vor dem Einmarsch die Donbass-Republiken völkerrechtlich anerkannt und mit ihnen ein Beistandsabkommen abgeschlossen. Das alles wurde von niemandem auf dem Podium auch nur angesprochen. Das war einem Diskussionsteilnehmer aus dem Publikum vorbehalten.
Lühr Henken in Vertretung für Joachim Wernicke zu "Dark Eagle – ein Déjà-vu mit Pershing 2"
Insgesamt ist festzustellen: trotz vielfältiger Schilderung der NATO-Aggressivität erhob kein Referent die Forderung nach Kündigung des Truppenstationierungsvertrags und nach Austritt aus der NATO – obwohl beides im Verbund von immenser Wirkmächtigkeit wäre. Innerhalb von nur zwei Jahren müssten die militärischen Einrichtungen – von der Kriegsdrehscheibe Ramstein über EUCOM und AFRICOM bis hin zu den in Deutschland stationierten Atomwaffen – beseitigt sein. Auch das 56. Feldartillerie-Kommando – zuständig für das von Lühr Henken plastisch geschilderte Dark-Eagle-System, mit dem Moskau wie seinerzeit per Pershing-II-Raketen innerhalb weniger Minuten "enthauptet" werden kann, müsste wieder verschwinden. Im Saal neben anderen Friedensfahnen die Fahne mit der Friedenstaube und dem Slogan "NATO raus – raus aus der NATO" – also mit der Forderung nach Kündigung des Truppenstationierungsvertrags und nach Austritt aus der NATO – anzubringen, war unerwünscht. Lediglich im Rahmen einer Podiumsdiskussion wurde dieses Themenfeld von einem Diskussionsteilnehmer aus dem Publikum angesprochen. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang der folgende Passus aus der Abschlusserklärung: "Die Bundesregierung darf der Stationierung der US-Hyperschallraketen und anderen Mittelstreckenraketen nicht zustimmen. Sie muss dem Atomwaffenverbotsvertrag der UNO beitreten und die Truppenstationierungsverträge kündigen!" Das klingt nach Aufgreifen der Forderung, alle ausländischen Truppen aus Deutschland zu verbannen. Aber ist dem so? Die Rede ist von mehreren Truppenstationierungsverträgen. Die gibt es aber nicht. Es gibt den einen von 1954, der offiziell den Titel "Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland" trägt und nach Notenwechsel von Ende 1990 mit 2-Jahres-Frist kündbar ist.
Und insgesamt ist festzustellen: vielfach wurde von Seiten der Referenten zwecks Stärkung der Friedensbewegung die Notwendigkeit eines breiten Bündnisses betont. Konkret als Bündnispartner benannt wurden u.a. die Bewegungen in Sachen Klima, Umwelt, Soziales, von niemandem aber die Grundrechte- und Demokratie-Bewegung, die sich zu einer starken Friedenskraft entwickelt hat und die insbesondere im August 2020 in Berlin gezeigt hat, dass sie in der Lage ist, hunderttausende Menschen zu mobilisieren. Der wohl wirkungsvollste Motor dieser Bewegung, Michael Ballweg, sitzt seit mehr als fünf Monaten ohne Urteil in Stuttgart-Stammheim in Haft – ein Alarmsignal! Bei der abschließenden Podiumsdiskussion kam der von der Moderatorin als Co-Präsident des "International Peace Bureau" bezeichnete Reiner Braun zu Wort. Er forderte, ohne Ausgrenzung auf die Straße zu gehen. Doch auch er nannte die Grundrechte- und Demokratie-Bewegung als potenten Bündnispartner nicht. Stattdessen betonte er die Notwendigkeit der Abgrenzung von "Faschisten", denn Faschismus sei keine Meinung sondern ein Verbrechen. Und er warnte vor einer übereilten Großdemonstration. Stattdessen orientierte er in Richtung Münchener Sicherheitskonferenz und Ostermärsche – also business as usual – als gelte es nicht, in einer hochbrisanten Situation schnellstmöglich ein wirksames Protestpotenzial aufzubauen. Der aus dem Publikum vorgetragene Vorschlag, eine Solidaritätsnote mit der Forderung nach sofortiger Freilassung von Julian Assange und Michael Ballweg zu verabschieden, wurde nicht aufgegriffen.
Wie könnte das Fazit lauten? Es hat zwar zahlreiche aufschlussreiche, informative Referate und Diskussionsbeiträge gegeben. Aber wieder einmal hat sich gezeigt, dass noch viel zu tun ist, um die Friedensbewegung aus der Umklammerung der NATO-beeinflussten Kräfte zu befreien und zusammen mit allen authentischen Protestbewegungen zu dem zu machen, was erforderlich ist, um die Entwicklung in Richtung eines alles vernichtenden Weltkrieges zu stoppen. Es gilt, der NATO die Friedensbewegung zu entreißen und sie zu einer echten und starken Gegenkraft zur transatlantischen Kriegsallianz zu machen. Der Ernst der Lage erfordert dies.
Friedensratschlag im Saal des Philipp-Scheidemann-Hauses in Kassel
Anhang Feindbild-Zitate:
- Mörderisches Treiben von Gaddafi (Jan van Aken, Die Linke, am 18.3.2011 im Bundestag)
- Brutales und mörderisches Vorgehen des Gaddafi-Regimes gegen die eigene Bevölkerung (Erklärung des Aachener Friedenspreises vom 6.3.2011)
- Ungeheure Brutalität... des Diktators Muammar al Gaddafi... Gaddafi ist ein Verbrecher und er gehört vor Gericht (IMI am 3.3.2011)
- Natürlich ist auch Assad ein blutiger Diktator (Sahra Wagenknecht in Kalkar, 3. Oktober 2015)
- Diktator, der sein Land brutal unterdrückt (Sahra Wagenknecht im Bundestag, 4. Dezember 2015)
- NATO griff ein, weil [Serbiens] Völkervertreibung und Massenmord durch Verhandlungen nicht gestoppt werden konnten (DGB zum Antikriegstag 1999)
- Aggression Russlands... Für Krieg gibt es keine Rechtfertigung (Willi van Ooyen und Reiner Braun, 24. Februar 2022)
- Völkerrechtswidriger Angriff... ("Abrüsten statt Aufrüsten" zu den Ostermärschen 2022)
- Völkerrechtswidriger Angriff Putins (Reiner Braun und Michael Müller, 26. April 2022 in der Frankfurter Rundschau)
- Barbarischer, völkerrechtswidriger Krieg, für den es keinerlei Rechtfertigung... gibt (Sahra Wagenknecht, 25. Februar 2022)
- Akt der Aggression und Menschenrechtskatastrophe (Amnesty Deutschland, 1. März 2022)
- Bruch des Völkerrechts (Ostermarsch-Aufruf 2022, Bremen)
- Völkerrechtswidriger Einmarsch russischer Truppen (Ostermarsch-Aufruf 2022 von "Kooperation für den Frieden" und "Bundesausschuss Friedensratschlag")
- Völkerrechtswidriger Angriff (Aufruf des DGB zu den Ostermärschen 2022)
- Angriffskrieg auf die Ukraine... Bruch des Völkerrechts (Christian Wechselbaum, IG Bauen-Agrar-Umwelt, beim Ostermarsch 2022)
- Brutaler völkerrechtswidriger Angriffskrieg... Angriff auf die europäische Friedensordnung... (Aufruf des DGB zum 1. Mai 2022)
- Völkerrechtswidriger Angriffskrieg Russlands (IPPNW-Aufruf zur Kundgebung am 3. Juni 2022 in Berlin)
- Argumentation der russischen Regierung völkerrechtlich nicht haltbar (Positionspapier des Bundesausschusses Friedensratschlag vom Juni 2022)
- Völkerrechtswidriger Einmarsch Russlands (Abschlusserklärung des Friedensratschlags vom 11. Dezember 2022)
Website des Friedensratschlags:
https://friedensratschlag.de
Weitere Presse-Berichte über den Friedensratschlag:
https://friedensratschlag.de/presseberichte-friedensratschlag-2022/
Siehe auch:
Kasseler Erklärung anlässlich des Friedensratschlags in Kassel am 10. und 11. Dezember 2022
Wer Frieden will, muss gegen den Krieg protestieren!
Von Bundesarbeitsgemeinschaft Frieden der Partei dieBASIS
NRhZ 803 vom 14.12.2022
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28371
Online-Flyer Nr. 803 vom 14.12.2022