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Globales
Zur Situation in Georgien
Einmal Regime Change bitte, aber sauber verpackt!
Von Hermann Ploppa

In der Kaukasusrepublik Georgien wird gerade der Maidan-Putsch von 2014 maßstabgetreu nachgespielt. Die NATO-Grenzen müssen buchstäblich ums Verrecken weiter nach Osten verschoben werden. Es rappelt mal wieder im Karton. In Tiflis, in der Hauptstadt der kleinen Kaukasusrepublik Georgien, versammeln sich die Massen auf den Straßen. Sie tragen überdimensionierte EU-Flaggen und Flaggen der Ukraine durch die Alleen und projizieren an die Gebäude „Slava Ukraina!“ Russenfeindliche Parolen. Im georgischen Parlament kommt es zu Raufereien zwischen Regierung und Opposition. Stein des Anstoßes ist ein Gesetzentwurf, der gerade im Parlament diskutiert wurde, und noch weit davon entfernt ist, in Kraft treten zu können. Das regierende Parteienbündnis „Georgischer Traum“ möchte lediglich, dass Spenden aus dem Ausland an georgische politische Parteien und Stiftungen in dem Augenblick angemeldet werden müssen an die Behörden, wenn sie einen Anteil von einem Fünftel der gesamten Spendeneinnahmen dieser Parteien und Stiftungen überschreiten. Transparenz ist ja eigentlich durchaus Bestandteil jeder echten Demokratie. Jedoch regen sich in Georgien einige interessierte Kreise künstlich darüber auf. Die Protestierenden verweisen auf ähnliche Gesetze in Russland oder Aserbeidschan, die angeblich einen Freifahrtschein für autokratisches Durchregieren abgeben würden. Giga Bokeria von der Europäischen Georgischen Partei ist unter den Protestierenden: „Dieses Gesetz, das die Zivilgesellschaft mitten ins Herz trifft, ist Teil eines größeren Gesamtbildes, einer Anatomie des Verrats; wenn wir ein Regime haben, das den Westen und die Freie Welt als unseren Feind ansieht. Ein Regime, dass putinistische Ideen in unsere Gesellschaft bringt und uns damit verrät!“ <1>


Die Expansion der NATO von 1990 bis 2009 – ab 2014 sind Ukraine und Georgien Objekt der Begierde (Grafik: arbeiterfotografie.com)

Der Hass und die Aggressivität der jungen Randalierer steht indes in keinem Verhältnis zum erklärten Anlass. Es geht nicht um eine drastische Erhöhung der Strom- und Gaspreise. Nicht um die Vernichtung der Existenzgrundlagen von Mittelstand, Bauern oder Arbeitern. Das Gesetz ist im übrigen ziemlich genau dem US-amerikanischen Foreign Agents Registration Act (FARA) nachgebildet, das im Jahre 1938 erlassen wurde, und gerade erst wieder im Jahre 2017 gegen den Sender Russia Today eingesetzt wurde <2>. Dieser habe mit Putins Geld die Wahlen so beeinflusst, dass der falsche Mann Präsident der USA wurde <3>. Doch wie sagten die alten Römer: was dem Gott Jupiter gestattet ist, ist dem Rind noch lange nicht erlaubt. Wenn die georgische Regierung das selbe macht wie die US-Regierung – das geht nun gar nicht!

Jedenfalls war jetzt die georgische Regierung über die Heftigkeit des Protestes so eingeschüchtert, dass der Gesetzentwurf rasch zurückgezogen wurde. Doch das mildert die Aggressivität dieses Straßenprotestes in keiner Weise. Die Straßenkämpfer ließen verkünden: wir machen weiter, völlig egal was kommt <4>! Es geht also definitiv nicht darum, ein Gesetz zu verhindern, dessen Sinn man nicht einsieht. Hier entrollt sich gerade vor unseren Augen das klassische Drehbuch eines vom Westen inszenierten Regime-Change-Theaters. Die aktuellen Vorgänge in Tiflis ähneln in frappierender Weise den verhängnisvollen Ereignissen auf dem Kiewer Maidan-Platz im Jahre 2014. Hier schlägt der notorische Reise-Zirkus des proamerikanischen Regime-Change-Netzwerks erbarmungslos zu. Diese Dienstleister fortdauernder proamerikanischer Hegemonie. Dazu gehören private Public-Relations-Agenturen, Unternehmensberatungsfirmen, Strategieabteilungen großer Banken, sowie die Netzwerke transatlantischer Stiftungen und Denkfabriken wie dem European Council on Foreign Relations, dem German Marshall Fund of the US. Dicht gefolgt von Carnegie Stiftung, Freedom House und Soros-Stiftung. Eben all jene Seilschaften, die mit dem gerade gescheiterten Transparenzgesetz gemeint waren, und die daraufhin mal mächtig die Muskeln spielen lassen. Geld für Regierungswechsel ist massenhaft vorhanden. Wir wissen es aus dem abgefangenen Telefongespräch von Victoria Nuland und dem US-Botschafter in der Ukraine. Da ist von fünf Milliarden Dollar die Rede, um den verhassten ukrainischen Präsidenten Janukowitsch zu verjagen und daraus leitet sich dann auch das Recht ab für die US-Regierung zu bestimmen, dass nicht „Klitsch“ Klitschko als West-Marionette den neuen ukrainischen Regierungschef abgeben soll, sondern Poroschenko <5> Es gibt überall in den spätkapitalistischen Chaos-Ökonomien ein breites Segment der arbeitslosen Proles, die man zu jeder Tages- und Nachtstunde mit Handgeld ausstatten kann, um dann unter jeder nur denkbaren und undenkbaren Parole Randale zu veranstalten.

Die Bilder gleichen sich: damals Ukraine, jetzt Georgien. Damals wollte auch Janukowitsch die Ukraine unter das Dach der Europäischen Union führen. Er wollte aber auch gute Beziehungen zu Russland hegen und pflegen. Das will aber der westliche NATO-Filz nun schier ums Verrecken nicht. Also musste Janukowitsch vom Platz gefegt werden mit einem schmutzigen Putsch. Dasselbe jetzt in Georgien. Auch die Regierung des Georgischen Traums wollte das Land in die Europäische Union und sogar in die NATO führen. Und dabei aber auch gute Beziehungen mit Russland beibehalten. Das geht nun nach proamerikanischer Lesart gar nicht, wir hörten es schon aus dem Munde einer transatlantischen Politikerin am Anfang dieser Tagesdosis.

Auch Georgien hat Probleme mit zwei abtrünnigen Teilrepubliken. Da gibt es zum einen die Republik Südossetien im Landesinneren. Die Osseten sind von ihrer Kultur her mit den Iranern verwandt und fühlen sich fremd im georgischen Verbund. Und dann Abchasien. Ein Ländchen an der Rosinen-Ecke am Schwarzen Meer, mit schönen Küsten zum Erholen. Beide Republiken hatten sich nach dem Zerfall der Sowjetunion selbständig gemacht. Im Jahre 2008 wollte der damalige georgische Präsident Micheil Saakaschwili, ein knallharter Mann des Westens, diese beiden Teilrepubliken mit militärischen Überfällen heim ins Reich holen. Zur allgemeinen Überraschung blieb Russland diesmal nicht passiv und ließ die NATO-Grenze weiter nach Osten verschieben. Russland konterte diese Attacke und hatte nach fünf Tagen die georgischen Truppen wieder aus den beiden Republiken vertrieben.

Diese Blamage sollte Saakaschwilis politischer Reputation schwer schaden. Doch die Opposition konnte damals gegen Saakaschwili nicht viel ausrichten. Sie war gespalten, zerstritten und zur politischen Impotenz verurteilt. In diesem Augenblick trat Bidsina Iwanischwili auf den Plan. Iwanischwili ist Georgier, hat aber in der Jelzin-Ära in Russland sehr viel Geld verdient und wird heute von der Zeitschrift Fortune auf Rang 153 der reichsten Menschen dieser Erde geführt, mit einem Privatvermögen von geschätzten 6,4 Milliarden Dollar. Iwanischwili war indes nicht in Russland Millionär geworden, indem er wie die anderen Oligarchen das Volksvermögen der Russen gestohlen hatte, sondern relativ ehrbar, indem er Elektronik aus dem Westen importierte und diese dann in Russland wieder verkaufte. Iwanischwili war nach Georgien zurückgekehrt und hatte einen beträchtlichen Teil seines Vermögens für das Gemeinwohl gespendet. Nun besaß der Milliardär mit dem Bewusstsein für die Sozialbindung seines Eigentums das nötige Geld und auch die erforderliche strategische Intelligenz, die zerstrittene Opposition zu dem Parteienbündnis Georgischer Traum zusammenzuführen. Dieses Bündnis war nunmehr in der Lage, den NATO-Mann Saakaschwili bei demokratischen Wahlen abzulösen. Zweimal war Iwanischwili selber für kurze Zeit Regierungschef, aber nur, um die neue Regierung auf die richtige Schiene zu setzen. Als das erledigt war trat er zurück und überließ die Regierung anderen Personen.

Die Regierung des Georgischen Traums hat nun einige der schlimmsten marktradikalen Auswüchse der Saakaschwili-Ära durch Reformen abgemildert. Für die Bedürftigen gibt es finanzielle Hilfe. Das privatisierte Gesundheitswesen wird jetzt wieder flankiert von staatlichen Maßnahmen, damit auch die Armen sich wieder ärztliche Hilfe leisten können. In der Außenpolitik wurde indes, wie bei Janukowitsch auch, gar nicht so viel geändert. Auch unter der Regierung des Georgischen Traums wird die Mitgliedschaft in der Europäischen Union und sogar in der NATO angestrebt. Gleichzeitig stellt die Regierung aber auch klar, dass Georgien an guten wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Beziehungen interessiert ist.

Und genau das ist der westlichen Wertegemeinschaft nicht zu vermitteln. Es kann jetzt nur einen Weg für Georgien geben: nämlich der bedingungslose Totale Krieg gegen Russland. Je schwieriger die militärische Situation in der Ukraine für das Selenski-Regime wird, umso wichtiger wird für den Westen ein militärischer Zangengriff gegen Russland, ausgeführt durch die Ukraine in Zusammenarbeit mit Georgien. Wir verstehen jetzt umso besser die Hektik und Verbissenheit, mit der jetzt der Sturz des Georgischen Traum betrieben wird. Die Zeit läuft dem NATO-Filz davon <6>. Und während in anderen Ländern die Oligarchen einfach nur eklig und korrupt sind und ihnen niemand eine Träne nachweint, ist Iwanischwili ein Multimilliardär mit persönlichem Anstand und enormer strategischer Intelligenz.

Da ist es kein Wunder, dass sich das ganze Ausmaß des transatlantischen Hasses nicht an der georgischen Regierung entzündet, sondern gegen die Person Iwanischwili. So entblödete sich das Europa-Parlament in Straßburg nicht, am 9. Juni des letzten Jahres eine sage und schreibe sechs Seiten umfassende Resolution gegen die georgische Regierung und insbesondere gegen Iwanischwili zu veröffentlichen. Da ist mal wieder von „Aushöhlung der Pressefreiheit“ die Rede. Ein Phänomen, das wir ja bekanntlich im Westen nicht haben, oder? Iwanischwili würde „persönliche und geschäftliche Beziehungen zum Kreml“ unterhalten. Das wurde nach Gutsherrenart mit zwölf „Empfehlungen“ gekoppelt, was Georgien tun muss, um gnädigerweise in die Europäische Union aufgenommen zu werden. Eine litauische Abgeordnete sagte, mit der Forderung nach De-Oligarchisierung meine man explizit eine „De-Iwanischwilisierung“. Und am 14. Dezember letzten Jahres geht das EU-Parlament noch einen Schritt weiter und fordert die Sanktionierung von Iwanischwili: er habe den „politischen Fortschritt“ in Georgien behindert und sei Russland dabei behilflich, die antirussischen Sanktionen zu umgehen.

Doch das ist noch nicht alles. Iwanischwili hatte einen beträchtlichen Teil seines Vermögens bei der mittlerweile kompromittierten Schweizer Großbank Credit Suisse deponiert. Zunächst wird Iwanischwili durch einen kriminellen Anlageberater massiv um Gelder gebracht. Das war aber nicht gegen Iwanischwili gemünzt. Der kriminelle Anlageberater war bei der Credit Suisse zuständig für die Anlageberatung in Russland lebender Oligarchen. Der Anlageberater wurde mittlerweile rechtskräftig verurteilt und beging vor zwei Jahren Selbstmord <7>. Während es sich hier eher um die Abteilung „shit happens!“ handelt, wurden weitere Beträge, die sich im dreistelligen Millionenbereich bewegen, von den Fondsberatungsfirmen der Credit Suisse Gruppe aus fadenscheinigen Gründen Iwanischwili bis heute nicht wieder ausgezahlt. Dies geschah zum Teil im Zusammenhang mit den Sanktionsforderungen des Europa-Parlaments, die allerdings bislang nicht von der Europäischen Kommission umgesetzt wurden <8>. Iwanischwili verklagt inzwischen die Credit Suisse auf Schadensersatz in Höhe von 800 Millionen Dollar wegen der entgangenen Investitionsmöglichkeiten. Er hat angekündigt, im Fall eines Prozesserfolgs dieses Geld an die Solidargemeinschaft der Georgier abzugeben für soziale Zwecke <9>.

Ein anderes Ereignis wird in Georgien heftig diskutiert. Das Gerücht geht um, dass die US-amerikanische Botschafterin Kelly Degnan den Milliardär Iwanischwili am 29. März letzten Jahres zu einem dreistündigen Gespräch eingeladen habe. In diesem Gespräch soll Frau Degnan Herrn Iwanischwili angeboten haben, ihm bei der Wieder-Herausgabe seines bei der Credit Suisse festgehaltenen Geldes behilflich zu sein. Bedingung sei aber, dass Georgien in den Krieg gegen Russland an der Seite der Ukraine eintreten solle und dabei selber ein erhebliches Kontingent von Soldaten dafür einsetzen solle. Die Gerüchte sprechen von 200.000 georgischen Soldaten. Das habe aber Iwanischwili höflich aber bestimmt abgelehnt. Wir wissen bis heute nicht, was an diesen Gerüchten dran ist. Iwanischwili veröffentlichte am 27. Juli des letzten Jahres einen Brief an das georgische Volk, in dem er zu dem Gespräch mit Frau Degnan Stellung bezieht <10>. Wie es seine Art ist, formuliert Iwanischwilii sehr zurückhaltend und diplomatisch. Von dem oben genannten Deal ist nicht direkt die Rede. Umso mehr und mit Nachdruck betont Iwanischwili mehrmals in dem Brief, dass es ihm in dem Gespräch ein Anliegen gewesen sei, Georgien aus „dem Krieg“ herauszuhalten.

Es ist klar: jemand, der sein Land aus dem Krieg der NATO gegen Russland heraushalten will, muss weg. Die Bündnispartei Georgischer Traum ging aus einer echten Basisbewegung hervor. Der Georgische Traum hat es in den letzten Jahren sträflich versäumt, den Kontakt zur Basis zu halten und deren Wünsche in kompakte, für jeden nachvollziehbare Politik zu übersetzen. Es gelingt anscheinend jetzt nicht, die eigene Klientel auf die Straße zu bringen. Der andere schwere Fehler besteht darin, dass das Bündnis Georgischer Traum die parteilose Diplomatin Salome Surabaschwili zur Staatspräsidentin gemacht hat. Frau Surabaschwili ist in Frankreich aufgewachsen als französische Staatsbürgerin und trat eine diplomatische Laufbahn an. Sie vollendete ihr Politikstudium bei niemand Geringerem als dem ehemaligen Präsidentenberater Zbigniew Brzezinski an der Columbia-Universität in New York. Surabaschwili wurde georgische Staatsbürgerin, und die Leute vom Georgischen Traum waren wohl froh, eine Politikerin mit profunden außenpolitischen Kenntnissen und internationaler Vernetzung zur Staatspräsidentin gewählt zu haben. Jedoch hat die Dame jetzt nichts besseres zu tun als in einer Videobotschaft aus New York die Regime-Change-Randalierer ausdrücklich zu unterstützen.

Was sollen wir tun? Wir müssen jetzt die Anatomie der immer wiederkehrenden Regime-Change-Manöver rekonstruieren, aufdecken und Handlungsanweisungen entwickeln, wie man solche Angriffe auf die nationale Integrität eines Landes rechtzeitig erkennt und dann Gegen-Maßnahmen ergreift. Das längst überfällige Transparenzgesetz, das jetzt gerade in Georgien verhindert wurde, wäre ein längst überfälliger Schritt in dieser Richtung gewesen.


Fußnoten:

<1> https://www.dw.com/en/georgia-lawmakers-brawl-over-proposed-foreign-agents-law/a-64901809
<2> https://www.bbc.com/news/world-europe-64882475
<3> https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/russland-erklaert-neun-us-medien-zu-auslaendischen-agenten-15325219.html
<4> https://www.fr.de/politik/georgien-proteste-putin-krise-russland-agenten-gesetz-demokratie-eu-nato-sowjetrepublik-92133985.html
<5> https://www.youtube.com/watch?v=Hk38Jk_JL0g
<6> https://www.youtube.com/watch?v=h2DiYwyMnb4
<7> https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/banken/schweizer-grossbank-rechtsstreit-um-milliarden-verlust-ex-premier-iwanischwili-und-credit-suisse-wieder-vor-gericht/28659610.html
<8> https://www.prnewswire.com/news-releases/cs-victims-former-prime-minister-of-georgia-bidzina-ivanishvili-alleges-political-pressure-in-legal-dispute-with-credit-suisse-301729675.html
<9> https://www.boersen-zeitung.de/banken-finanzen/teurer-streitfuer-credit-suisse-25ceb0bc-add4-11ed-96eb-7f4be6535413
<10> https://jam-news.net/ivanishvilis-letter-meeting-with-the-us-ambassador-war-money-and-non-participation-in-politics/


Erstveröffentlichung am 11. März 2023 bei apolut

Online-Flyer Nr. 808  vom 17.03.2023



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