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Aktueller Online-Flyer vom 09. April 2025  

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Fotogalerie: Vom Umbau der Republik
Nicht in unserem Namen
Von Hans-Dieter Hey

"Das System ist kriminell, der Staat zum Feind des Menschen geworden!" meinte der Künstler Joseph Beuys in den 1970er Jahren und machte als Ursprung des Übels Kapital, Eigentum und Profit aus. Ganz offensichtlich scheint er dreißig Jahre später immer noch Recht zu haben, wenn heute Konzerne mit glänzenden Gewinnen Menschen erwerbslos machen, in Armut und Entwürdigung schicken, und gleichzeitig die Ausweitung der Märkte und die Aneignung der Ressourcen weltweit mit kriegerischen Mitteln vom "Westen" durchgesetzt wird.
Diese bittere Seite moderner Realität bringt Kunst auch heute noch als Gegenmacht zur medialen Inszenierung von Wirtschaft und Politik ans Tageslicht. Kunst bleibt deshalb eine Form der Offenlegung von Realität mit anderen Mitteln. Und eines dieser Kunst-Mittel ist die Fotografie.

Dass die Sozialfotografie mit Dorothea Lange, Walker Evans oder August Sander und die Arbeiterfotografen-Bewegung mit Ernst Thormann, Theo Gaudig oder Eugen Heilig bereits Anfang des 20. Jahrhunderts die unbequemen Seiten der Realität durch Herstellung von Gegenöffentlichkeit publik machten, war damals so neu wie überraschend. In dieser Zeit gelangte auch John Heartfield mit der "Arbeiter-Illustrierte-Zeitung" zu Berühmtheit und ist mit seinen Montagen auch heute noch gefragt.

Inzwischen steht die "Arbeiterfotografie" 80 Jahre unverändert in der politischen Tradition medialer Gegenöffentlichkeit. Im vergangenen Jahr hat sie in viel beachteten Veröffentlichungen unter der ironischen Überschrift "Rettet den Reichtum" den neoliberalen Überfall auf das gesellschaftliche Vermögen mit gelegentlich provozierenden Fotografien und Plakaten dargestellt. In diesem Jahr präsentiert sie unter dem Jahresmotto "Ein bisschen Spaß muss sein" mit entwaffnendem Sarkasmus eine Dokumentation zu Protesten gegen den "Sozialraub" in der BRD unter dem Zeichen des Wirtschaftsanarchismus.

Im Rahmen der diesjährigen photokina zeigen die ArbeiterfotografInnen einen Querschnitt ihrer Arbeiten aus diesen beiden Themen auf dem Messestand in Halle 1 ("Meet the Professionals"), zum Teil als fotografische Arbeiten oder als Multimedia-Show.

Exemplarisch für den politischen Ausdruck und das gesellschaftliche Engagement der Arbeiterfotografinnen und -fotografen ist dabei die Ausstellung "Nicht in unserem Namen - Abriss eines Kölner Wohnviertels", vom 22. September bis zum 4.Oktober in der Alten Feuerwache gezeigt wird. Das dokumentierte Ereignis ist beispielhaft für den rücksichtslosen Kahlschlag einer Stadt gegen Bürgerinteressen: Der Abriss des historischen Barmer Viertels mit 381 Wohnungen hatte wie kaum ein Thema die Kölner BürgerInnen emotional berührt. Er kostete die Stadt 68 Miollionen Euro, die sie aus den Etats Wohnungsbau und Schulsanierung nahm - und das bei 20.000 Wohnungssuchenden und prognostizierten ca. 60.000 fehlenden Sozialwohnungen in den nächsten Jahren.

Der dokumentarische Fotomitschnitt berichtet eindringlich vom Widerstand, von der Besetzung der Häuser bis hin zur polizeilichen Räumung und zum Abriss. In multimedialer Weise wird die Fotodokumentation durch Kölner Künstlerinnen und Künstler, durch Transparente, Collagen, Bauschutt und Wohngegenstände aus dem Leben des inzwischen von den "Stadtvätern und -müttern" in den Tod getriebenen Barmer Viertels ergänzt.

Kritischen Bürgerinnen und Bürgern gibt die Arbeiterfotografie die Möglichkeit für ab 5 Euro je Foto die Patenschaft für ein Bild in der Ausstellung zu erwerben und so zu ihrem Gelingen beizutragen. Sie werden in den Kreis der Förderer aufgenommen und namentlich veröffentlicht.

Alte Feuerwache, 22. September bis 4. Oktober in der Ausstellungshalle.
Photokina, 26. September bis 1. Oktober in Halle 1, "Meet The Professionals"

Kontakt: arbeiterfotografie@t-online.de, www.arbeiterfotografie.com
Konto: Arbeiterfotografie, Kto. 101656203, Postbank Hamburg 20010020

Vor dem Abriss
Das Barmer Viertel vor dem Abriß
Foto: Volker Dennebier


Soenius
Kölner "Abrissbirne" - Stadtkämmerer Peter Michael Soenius besteht auf dem Abriss
Foto: Hans-Dieter Hey


Widerstand
Widerstand gegen den Abriss des Barmer Wohnviertels für Parkplätze
Foto: Hans-Dieter Hey


Fussball
Neues Leben im "Barmer" durch Hausbesetzung
Foto: Alexandra Bersch


Polizei
Räumung des "Barmers" durch massives Polizeiaufgebot
Foto: Alexandra Bersch


Abriss des Viertels
Abriss des Viertels
Foto: Monika Hoeppner


Tod eines Viertels
Tod eines Wohnviertels: Mensch und Natur müssen der Messe weichen
Foto: Hans-Dieter Hey


Online-Flyer Nr. 57  vom 15.08.2006



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