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Alfred wollte Adolf umbringen. Drum durfte er jetzt bei Ha´aretz einsteigen.
Neven DuMont redet Tacheles*
Von Peter Kleinert
Alfred Neven Dumont
Was Alfred Neven DuMont für wahr erklärt, kann man schon einem O-Ton in meinem Film "Ein publizistisches Sicherheitsrisiko" aus dem Jahr 1997 entnehmen, der, wenn alles klappt, demnächst in Israel aufgeführt werden könnte. Darin erzählt er in seinem Herrenhaus in Forsbach vor der Kamera folgende "Anekdote": "1889, äh, 49, verließ ja Karl Marx - nicht ganz freiwillig - Köln. Und seine Zeitung wurde geschlossen, die (Neue) Rheinische Zeitung. Und seine Redakteure - das waren so ein halbes Dutzend - gingen sang- und klanglos über in das liberale Blatt der Kölnischen Zeitung..." - Historiker, die behaupten, dass der Schließung der NRhZ von Marx und Engels durch den preußischen Staat heftige publizistische Auseinandersetzungen mit Alfreds der Monarchie treuem Ururgroßvater Joseph DuMont vorausgegangen seien, müssen sich also irren. Und dass Marx´ teilweise dem Kommunistischen Bund angehörende NRhZ-Redakteure "das liberale Blatt" nicht verbessern durften, sondern, wie Georg Weerth, ins Gefängnis Klingelpütz kamen, oder, wie Ferdinand Freiligrath, Wilhelm und Ferdinand Wolff, Heinrich Bürgers und Ernst Dronke, wegen Verfolgung das Land verlassen mussten, ist - folgt man seiner Darstellung - eben eine Geschichtsklitterung.
"Liberal" wie unter den Preußen verhielten sich Verlegerfamilie und Verlag auch im 1871 ausgerufenen Kaiserreich als Sprachrohr des Auswärtigen Amtes, wurden in der Weimarer Republik "Wächter des Deutschtums" und plädierten seit 1930 in ihrer Kölnischen Zeitung konsequenterweise für die Regierungsbeteiligung Hitlers mit der Forderung, "dass die Nationalsozialisten an der Verantwortung beteiligt werden sollten, weil ihre Partei zu groß geworden (sei), um in der Opposition zu bleiben.". In ihrer programmatisch ausgerichteten Neujahrsausgabe vom 1. Januar 1933 stellte die Kölnische Zeitung im Rückblick fest, dass Hitler schon seit Jahren "reif zur Verantwortung" gewesen sei. Leider habe Reichskanzler Brüning mit Hitler erst im Januar 1932 über eine Regierungsbeteiligung verhandelt: "Das war ein Jahr zu spät!" Nun müsse im Neuen Jahr endlich die Entscheidung fallen: "Auf Hitler kommt es an!"
Als der endlich an der Macht war, wurden sie, wie ihre Kölner Leser nach 1960 immer mal wieder erfuhren, regelrecht verfolgt. "Nazi-Kampagnen mit Lügen" - so im Jahr 2002 eine Überschrift der Jubiläumsausgabe des Kölner Stadt-Anzeiger "200 Jahre Verlag M.DuMont Schauberg" - bereiteten Alfreds tapferem Vater Kurt "schwierige Zeiten" unter den "braunen Machthabern". "Gezielte Pressionen trafen das Haus", erinnert sich Sohn Alfred auf Seite 3 der Jubiläumsbeilage und bedankt sich nachträglich bei den damaligen Mitarbeitern, weil "sich ein nicht unerheblicher Teil der Belegschaft bei den Angriffen des NS-Regimes mannhaft um den Verleger scharte".
Offenbar passen solche Widersprüche, die seine Konkurrenzzeitungen Yedioth Aharonoth und Maariv in Israel höhnisch veröffentlichen, Ha´aretz-Verleger Amos Schocken überhaupt nicht in den Kram. Also wird Redakteur Avi Shavit zu Alfred Neven nach Köln und Forsbach geschickt, wo er ihn zum Interview in seinem Landhaus antrifft: "Das Arbeitszimmer ist japanisch, der Garten englisch. Der Weinkeller birgt erlesene spanische Weine. Und wenn der Gastgeber seinen Gast zu einem Spaziergang auf den feuchten Rasenflächen führt, erzählt er plötzlich von dem Krankenhaus in Indien, das er finanziert. Zwei Monate pro Jahr verbringt er dort, lebt in Abgeschiedenheit mit den Nonnen. In dem großen Mann steckt Glauben. Er hat die Kirche vor Jahrzehnten verlassen, ist jetzt aber auf dem Weg zurück." - Also kann Shavit auf Vorwürfe aus israelischen Medien auch mit ehrlichen Antworten rechnen.
"Die Kölnische Zeitung, die von Ihrem Vater Kurt und Ihrem Onkel August geleitet wurde, hat Hitlers Eintritt in die Regierung unterstützt", hält er ihm vor. Nevens klare Antwort: "Nicht vor 1933... Eine israelische Zeitung hat behauptet, sie hätten Hitler schon vor 1933 unterstützt, und das ist eine Lüge. Das ist eine Lüge." Avi Shavit zitiert erneut die Konkurrenz: "1937 ist Ihr Vater, Kurt Neven DuMont der Nazipartei beigetreten." Ja gibt der Sohn zu, weiß aber genau, warum: "Er hatte in dieser Sache keine Wahl. Hätte er es nicht getan, hätten die Nazis den Betrieb liquidiert."
Die Ha´aretz-Konkurrenz sieht das anders: 1944 sei sein Vater mit einem der höchsten Nazi-Orden ausgezeichnet worden. Sohn Alfred - heute laut Shavit "mit 79 Jahren...immer noch ein gutaussehender Mann: blaue Augen, kräftige Gesichtszüge, schlaksig. Bei keiner hübschen Frau im Raum würde er sich die Chance auf ein kleines Geplänkel entgehen lassen" - war damals ein ahnungsloser 17jähriger und weiß von nichts: "Ich muss Ihnen sagen, dass ich davon noch nie gehört habe. Das ist mir neu. Sehen Sie, die Nazis haben allen Orden verliehen. Sogar meine Mutter bekam einen Orden, weil sie vier Kinder hatte. Und meine Mutter war kein Nazi. Eines Morgens trug sie ihr Mutterkreuz und wir lachten sie aus, und sie legte es nie wieder an."
Was ihm seine Eltern angeblich verheimlichten, bekam er allerdings seit 1999 immer mal wieder von mindestens drei Kölner Zeitungen, die nicht zu seinem Konzern gehören, und durch eine Beschwerde beim Deutschen Presserat öffentlich um die Ohren gehauen. Im Kölner Volksblatt, im Querkopf und in der NRhZ konnte man lesen, dass Vater Kurt - als "Gefolgschaftsmitglied" einen Monat nach einem "Extrablatt" der Kölnischen Zeitung vom 21. Juli 1944 zum fehlgeschlagenen Attentat auf Hitler - von Goebbels Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda mit dem "Kriegsverdienstkreuz Erster Klasse mit Schwertern" ausgezeichnet worden ist. Den gleichen Orden erhielt auch Schreibtischtäter Adolf Eichmann, der 1962 als einer der Hauptverantwortlichen für den Holocaust in Israel hingerichtet wurde.
Zu Enthüllungen vom Frühjahr 2006, auf die Shavit auch eingehen muss, Alfreds Eltern hätten "in den frühen 40ern Land an sich gebracht, das Juden gehört hatte", antwortet der Sohn dem Redakteur: "Als ich die Berichte gelesen habe, war ich fassungslos. Die Art, wie grau zu schwarz gemacht und mein Vater als Nazi beschrieben wurde, ist unglaublich. Mein Vater ist nach dem II. Weltkrieg aus dem Entnazifizierungsverfahren unbelastet herausgekommen. Vierzig Jahre nach seinem Tod wagen es ein paar dogmatische und aufrührerische Journalisten, dieses Urteil in Frage zu stellen." - Die hat er im ersten Gang mit einstweiligen Verfügungen bedacht. Und gegen den SPIEGEL habe er "bereits einen juristischen Sieg errungen". Von der Widerspruchsbegründung der NRhZ für die nächste Instanz spricht er lieber nicht.
Somit bleibt Avi Shavit zu diesem Thema eigentlich nur noch eine Frage, mit der er Neven ein schönes Stichwort gibt: "Waren die Nazis für Sie in Ihrer Jugend anziehend?" Antwort: "Nein. Nein. Ich war im Jungvolk. Wir mussten marschieren, spielen. Ich mochte nicht ständig marschieren. Und ich mochte ihren Geruch nicht. Ich weiß, das klingt snobistisch, aber ich hatte eine empfindliche Nase und ich fand, die Leute in diesen Uniformen rochen schlecht. Sie stanken. Ich mochte also diesen Geruch nicht und ich mochte die Farbe nicht und ich mag grundsätzlich keine Menschenansammlungen. Ich bin nicht mal zur Weltmeisterschaft gegangen, weil ich keine Menschenansammlungen mag. Daher mochte ich auch die Nazis nicht." Und deshalb sei er auch "kein Mitglied" der Hitlerjugend geworden. "Also, wenn ich Günther Grass wäre und zugeben müsste, dass ich in der SS war, würde ich hier nicht sitzen. Amos Schocken hätte einen, der bei der SS war, nicht zum Partner genommen."
Er hingegen darf dem von finanziellen Sorgen geplagten Partner Schocken, bei dem er - fürs erste - mit 25 Millionen Euro eingestiegen ist, nun gute Ratschläge geben. Auf die Frage, was er von den Journalisten bei Ha´aretz halte, antwortet er: "Sie sind sehr teuer, aber hervorragend. Das Niveau ist zweifellos sehr hoch. Amos hat weit mehr in journalistische Brillanz investiert, als er gemusst hätte. Dieselbe Zeitung könnte mit zehn bis zwanzig Leuten weniger gemacht werden. Aber dann wäre es natürlich nicht genau dieselbe Zeitung... In Management und Betriebswirtschaft können wir einen Beitrag leisten." Erfahrungen damit haben die Belegschaft von M.DuMont Schauberg und ihre Leser mehrmals gemacht. Frankfurter Rundschau und Ha´aretz stehen sie noch bevor.
Und weil Avi Shavit ihn zuvor bewundernd mit Napoleon verglichen hat, erlaubt sich der Kölner Ehrenbürger und Professor honoris causa schließlich auch noch ein paar gute Ratschläge für die Regierung Olmert, da das Interview ja in Israel erscheint: "Sie brauchen einen besseren Generalstab. Sie haben hervorragende Soldaten und Leute, die bereit sind zu kämpfen, und eine gut ausgestattete Armee. Aber es ist ganz klar, dass sie strategisch nicht geschult sind."
"Wir brauchen also neue Generäle?" fragt Shavit erstaunt. Antwort: "Nicht nur Generäle. Überlasst das nicht idiotischen Generälen. Das ist intellektuelle Arbeit. Es ist ein Spiel, ein Schauspiel, eine Partie Schach. Wen Sie und weitere zehn Intellektuelle sich eine Nacht zum Nachdenken nehmen, dann werden Sie die richtigen Ideen entwickeln. Sogar ich hätte Ideen. Zum Beispiel Fallschirmjäger fünfzig Meilen weit im Libanon abzusetzen, um die Hizb´ollah von Beirut abzuschneiden und sie einzuschließen. Hannibal, Alexander, Napoleon, Friedrich der Große und Moltke - sie alle waren erfolgreich, weil sie neue Kriegsstrategien erfunden haben. Das brauchen Sie. Sie müssen eine neue Schule der strategischen Kriegsführung begründen."
Shavit, dessen Zeitung Olmerts Regierung gerade zum Rückzug aus dem Libanon aufgefordert hat, scheint verwirrt: "Was sollen wir dann tun? Uns auf einen Krieg vorbereiten?" Kölns Napoleon: "Israel muss stark sein. Die Armee sollte für den nächsten Krieg besser vorbereitet und besser ausgerüstet werden." Denn: "In diesem Handel ist alles zusammengekommen. Alles passt. Der Herausgeber, die Familie, die Zeitung. Und ich auch. Als ich den Handel geprüft habe, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass alles dafür spricht - außer einer Sache: dass Israel eines Tages nicht mehr auf der Landkarte stehen könnte. Dass Israel nicht mehr da wäre. Dieses Risiko nehme ich auf mich." - Doch dieses Risiko hält Alfred Neven DuMont als vorausschauender Investor für nicht allzu groß. Schließlich wollen CDU und SPD gerade die ersten deutschen Kriegsschiffe zur libanesischen Küste schicken.
*Tacheles reden - aus dem Jiddischen: Unverblümt die Wahrheit sagen
Dank an Endy Hagen für die Übersetzung des Ha´aretz-Artikels und -Interviews.
Online-Flyer Nr. 61 vom 12.09.2006
Alfred wollte Adolf umbringen. Drum durfte er jetzt bei Ha´aretz einsteigen.
Neven DuMont redet Tacheles*
Von Peter Kleinert
Alfred Neven Dumont
Was Alfred Neven DuMont für wahr erklärt, kann man schon einem O-Ton in meinem Film "Ein publizistisches Sicherheitsrisiko" aus dem Jahr 1997 entnehmen, der, wenn alles klappt, demnächst in Israel aufgeführt werden könnte. Darin erzählt er in seinem Herrenhaus in Forsbach vor der Kamera folgende "Anekdote": "1889, äh, 49, verließ ja Karl Marx - nicht ganz freiwillig - Köln. Und seine Zeitung wurde geschlossen, die (Neue) Rheinische Zeitung. Und seine Redakteure - das waren so ein halbes Dutzend - gingen sang- und klanglos über in das liberale Blatt der Kölnischen Zeitung..." - Historiker, die behaupten, dass der Schließung der NRhZ von Marx und Engels durch den preußischen Staat heftige publizistische Auseinandersetzungen mit Alfreds der Monarchie treuem Ururgroßvater Joseph DuMont vorausgegangen seien, müssen sich also irren. Und dass Marx´ teilweise dem Kommunistischen Bund angehörende NRhZ-Redakteure "das liberale Blatt" nicht verbessern durften, sondern, wie Georg Weerth, ins Gefängnis Klingelpütz kamen, oder, wie Ferdinand Freiligrath, Wilhelm und Ferdinand Wolff, Heinrich Bürgers und Ernst Dronke, wegen Verfolgung das Land verlassen mussten, ist - folgt man seiner Darstellung - eben eine Geschichtsklitterung.
"Liberal" wie unter den Preußen verhielten sich Verlegerfamilie und Verlag auch im 1871 ausgerufenen Kaiserreich als Sprachrohr des Auswärtigen Amtes, wurden in der Weimarer Republik "Wächter des Deutschtums" und plädierten seit 1930 in ihrer Kölnischen Zeitung konsequenterweise für die Regierungsbeteiligung Hitlers mit der Forderung, "dass die Nationalsozialisten an der Verantwortung beteiligt werden sollten, weil ihre Partei zu groß geworden (sei), um in der Opposition zu bleiben.". In ihrer programmatisch ausgerichteten Neujahrsausgabe vom 1. Januar 1933 stellte die Kölnische Zeitung im Rückblick fest, dass Hitler schon seit Jahren "reif zur Verantwortung" gewesen sei. Leider habe Reichskanzler Brüning mit Hitler erst im Januar 1932 über eine Regierungsbeteiligung verhandelt: "Das war ein Jahr zu spät!" Nun müsse im Neuen Jahr endlich die Entscheidung fallen: "Auf Hitler kommt es an!"
Als der endlich an der Macht war, wurden sie, wie ihre Kölner Leser nach 1960 immer mal wieder erfuhren, regelrecht verfolgt. "Nazi-Kampagnen mit Lügen" - so im Jahr 2002 eine Überschrift der Jubiläumsausgabe des Kölner Stadt-Anzeiger "200 Jahre Verlag M.DuMont Schauberg" - bereiteten Alfreds tapferem Vater Kurt "schwierige Zeiten" unter den "braunen Machthabern". "Gezielte Pressionen trafen das Haus", erinnert sich Sohn Alfred auf Seite 3 der Jubiläumsbeilage und bedankt sich nachträglich bei den damaligen Mitarbeitern, weil "sich ein nicht unerheblicher Teil der Belegschaft bei den Angriffen des NS-Regimes mannhaft um den Verleger scharte".
Offenbar passen solche Widersprüche, die seine Konkurrenzzeitungen Yedioth Aharonoth und Maariv in Israel höhnisch veröffentlichen, Ha´aretz-Verleger Amos Schocken überhaupt nicht in den Kram. Also wird Redakteur Avi Shavit zu Alfred Neven nach Köln und Forsbach geschickt, wo er ihn zum Interview in seinem Landhaus antrifft: "Das Arbeitszimmer ist japanisch, der Garten englisch. Der Weinkeller birgt erlesene spanische Weine. Und wenn der Gastgeber seinen Gast zu einem Spaziergang auf den feuchten Rasenflächen führt, erzählt er plötzlich von dem Krankenhaus in Indien, das er finanziert. Zwei Monate pro Jahr verbringt er dort, lebt in Abgeschiedenheit mit den Nonnen. In dem großen Mann steckt Glauben. Er hat die Kirche vor Jahrzehnten verlassen, ist jetzt aber auf dem Weg zurück." - Also kann Shavit auf Vorwürfe aus israelischen Medien auch mit ehrlichen Antworten rechnen.
"Die Kölnische Zeitung, die von Ihrem Vater Kurt und Ihrem Onkel August geleitet wurde, hat Hitlers Eintritt in die Regierung unterstützt", hält er ihm vor. Nevens klare Antwort: "Nicht vor 1933... Eine israelische Zeitung hat behauptet, sie hätten Hitler schon vor 1933 unterstützt, und das ist eine Lüge. Das ist eine Lüge." Avi Shavit zitiert erneut die Konkurrenz: "1937 ist Ihr Vater, Kurt Neven DuMont der Nazipartei beigetreten." Ja gibt der Sohn zu, weiß aber genau, warum: "Er hatte in dieser Sache keine Wahl. Hätte er es nicht getan, hätten die Nazis den Betrieb liquidiert."
Die Ha´aretz-Konkurrenz sieht das anders: 1944 sei sein Vater mit einem der höchsten Nazi-Orden ausgezeichnet worden. Sohn Alfred - heute laut Shavit "mit 79 Jahren...immer noch ein gutaussehender Mann: blaue Augen, kräftige Gesichtszüge, schlaksig. Bei keiner hübschen Frau im Raum würde er sich die Chance auf ein kleines Geplänkel entgehen lassen" - war damals ein ahnungsloser 17jähriger und weiß von nichts: "Ich muss Ihnen sagen, dass ich davon noch nie gehört habe. Das ist mir neu. Sehen Sie, die Nazis haben allen Orden verliehen. Sogar meine Mutter bekam einen Orden, weil sie vier Kinder hatte. Und meine Mutter war kein Nazi. Eines Morgens trug sie ihr Mutterkreuz und wir lachten sie aus, und sie legte es nie wieder an."
Was ihm seine Eltern angeblich verheimlichten, bekam er allerdings seit 1999 immer mal wieder von mindestens drei Kölner Zeitungen, die nicht zu seinem Konzern gehören, und durch eine Beschwerde beim Deutschen Presserat öffentlich um die Ohren gehauen. Im Kölner Volksblatt, im Querkopf und in der NRhZ konnte man lesen, dass Vater Kurt - als "Gefolgschaftsmitglied" einen Monat nach einem "Extrablatt" der Kölnischen Zeitung vom 21. Juli 1944 zum fehlgeschlagenen Attentat auf Hitler - von Goebbels Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda mit dem "Kriegsverdienstkreuz Erster Klasse mit Schwertern" ausgezeichnet worden ist. Den gleichen Orden erhielt auch Schreibtischtäter Adolf Eichmann, der 1962 als einer der Hauptverantwortlichen für den Holocaust in Israel hingerichtet wurde.
Zu Enthüllungen vom Frühjahr 2006, auf die Shavit auch eingehen muss, Alfreds Eltern hätten "in den frühen 40ern Land an sich gebracht, das Juden gehört hatte", antwortet der Sohn dem Redakteur: "Als ich die Berichte gelesen habe, war ich fassungslos. Die Art, wie grau zu schwarz gemacht und mein Vater als Nazi beschrieben wurde, ist unglaublich. Mein Vater ist nach dem II. Weltkrieg aus dem Entnazifizierungsverfahren unbelastet herausgekommen. Vierzig Jahre nach seinem Tod wagen es ein paar dogmatische und aufrührerische Journalisten, dieses Urteil in Frage zu stellen." - Die hat er im ersten Gang mit einstweiligen Verfügungen bedacht. Und gegen den SPIEGEL habe er "bereits einen juristischen Sieg errungen". Von der Widerspruchsbegründung der NRhZ für die nächste Instanz spricht er lieber nicht.
Somit bleibt Avi Shavit zu diesem Thema eigentlich nur noch eine Frage, mit der er Neven ein schönes Stichwort gibt: "Waren die Nazis für Sie in Ihrer Jugend anziehend?" Antwort: "Nein. Nein. Ich war im Jungvolk. Wir mussten marschieren, spielen. Ich mochte nicht ständig marschieren. Und ich mochte ihren Geruch nicht. Ich weiß, das klingt snobistisch, aber ich hatte eine empfindliche Nase und ich fand, die Leute in diesen Uniformen rochen schlecht. Sie stanken. Ich mochte also diesen Geruch nicht und ich mochte die Farbe nicht und ich mag grundsätzlich keine Menschenansammlungen. Ich bin nicht mal zur Weltmeisterschaft gegangen, weil ich keine Menschenansammlungen mag. Daher mochte ich auch die Nazis nicht." Und deshalb sei er auch "kein Mitglied" der Hitlerjugend geworden. "Also, wenn ich Günther Grass wäre und zugeben müsste, dass ich in der SS war, würde ich hier nicht sitzen. Amos Schocken hätte einen, der bei der SS war, nicht zum Partner genommen."
Er hingegen darf dem von finanziellen Sorgen geplagten Partner Schocken, bei dem er - fürs erste - mit 25 Millionen Euro eingestiegen ist, nun gute Ratschläge geben. Auf die Frage, was er von den Journalisten bei Ha´aretz halte, antwortet er: "Sie sind sehr teuer, aber hervorragend. Das Niveau ist zweifellos sehr hoch. Amos hat weit mehr in journalistische Brillanz investiert, als er gemusst hätte. Dieselbe Zeitung könnte mit zehn bis zwanzig Leuten weniger gemacht werden. Aber dann wäre es natürlich nicht genau dieselbe Zeitung... In Management und Betriebswirtschaft können wir einen Beitrag leisten." Erfahrungen damit haben die Belegschaft von M.DuMont Schauberg und ihre Leser mehrmals gemacht. Frankfurter Rundschau und Ha´aretz stehen sie noch bevor.
Und weil Avi Shavit ihn zuvor bewundernd mit Napoleon verglichen hat, erlaubt sich der Kölner Ehrenbürger und Professor honoris causa schließlich auch noch ein paar gute Ratschläge für die Regierung Olmert, da das Interview ja in Israel erscheint: "Sie brauchen einen besseren Generalstab. Sie haben hervorragende Soldaten und Leute, die bereit sind zu kämpfen, und eine gut ausgestattete Armee. Aber es ist ganz klar, dass sie strategisch nicht geschult sind."
"Wir brauchen also neue Generäle?" fragt Shavit erstaunt. Antwort: "Nicht nur Generäle. Überlasst das nicht idiotischen Generälen. Das ist intellektuelle Arbeit. Es ist ein Spiel, ein Schauspiel, eine Partie Schach. Wen Sie und weitere zehn Intellektuelle sich eine Nacht zum Nachdenken nehmen, dann werden Sie die richtigen Ideen entwickeln. Sogar ich hätte Ideen. Zum Beispiel Fallschirmjäger fünfzig Meilen weit im Libanon abzusetzen, um die Hizb´ollah von Beirut abzuschneiden und sie einzuschließen. Hannibal, Alexander, Napoleon, Friedrich der Große und Moltke - sie alle waren erfolgreich, weil sie neue Kriegsstrategien erfunden haben. Das brauchen Sie. Sie müssen eine neue Schule der strategischen Kriegsführung begründen."
Shavit, dessen Zeitung Olmerts Regierung gerade zum Rückzug aus dem Libanon aufgefordert hat, scheint verwirrt: "Was sollen wir dann tun? Uns auf einen Krieg vorbereiten?" Kölns Napoleon: "Israel muss stark sein. Die Armee sollte für den nächsten Krieg besser vorbereitet und besser ausgerüstet werden." Denn: "In diesem Handel ist alles zusammengekommen. Alles passt. Der Herausgeber, die Familie, die Zeitung. Und ich auch. Als ich den Handel geprüft habe, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass alles dafür spricht - außer einer Sache: dass Israel eines Tages nicht mehr auf der Landkarte stehen könnte. Dass Israel nicht mehr da wäre. Dieses Risiko nehme ich auf mich." - Doch dieses Risiko hält Alfred Neven DuMont als vorausschauender Investor für nicht allzu groß. Schließlich wollen CDU und SPD gerade die ersten deutschen Kriegsschiffe zur libanesischen Küste schicken.
*Tacheles reden - aus dem Jiddischen: Unverblümt die Wahrheit sagen
Dank an Endy Hagen für die Übersetzung des Ha´aretz-Artikels und -Interviews.
Online-Flyer Nr. 61 vom 12.09.2006