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D!E SP!NNER! gastierten in Köln und
Saudi-Arabien ist Fußballweltmeister
Von Emma Weiß
WM für Menschen mit Behinderungen, Paralympics und ähnliche Spitzensportereignisse werden gern wohlwollend übersehen oder mit Kommentaren versehen wie, "was die alles leisten". Als wären diese SportlerInnen keine Menschen. Als würden sie nicht wie jeder im Leistungssport durch Training, harte Arbeit und den unbedingten Willen zum Erfolg ihre Leistungen bis zu letzten aus sich herausholen.
Diskriminierung durch Paralympics
Bei mir drängt sich die Frage auf, ob solche para-normalen also nicht ganz normalen Sportereignisse nicht eine freundlich bemäntelte Form der Diskriminierung sind. Sicher, es gibt Formen der Behinderung, die brauchen einen Schutzraum. Menschen mit Handicaps leisten in ihrem Alltagsleben oft sehr viel, um mit dieser nur noch finanzorientierten Gesellschaft mitzuhalten. Da sind solche Schutzräume manchmal sinnvoll. Aber wir sprechen hier vom Bereich des Leistungssports. Warum gehen Talentsucher für Kurzstreckenläufer nicht auch in Sehbehindertenschulen?! Die Beine sind die gleichen. Mit einem einfachen akustischen Signal ließe sich das Ziel für die LäuferInnen kenntlich machen. Wie bei den Paralympics auch. Es gibt noch mehr Beispiele, wo Integration leicht möglich wäre, aber offenkundig politisch oder besser ökonomisch nicht gewollt ist. Und wenn schon parallele Veranstaltungen notwendig sind - warum finden sie dann nicht zuerst statt? Sie werden bisher durch das Dranhängen systematisch abgedrängt in den Schatten der "normalen" Ereignisse, die nur so triefen von Profit, Korruption und Doping - auch wenn man von Olympia oder Fußball schon die Nase voll hat.
Die neuen Weltmeister: Saudi-Arabien im Siegestaumel
Foto: Staiger
Gelungene Integration
Während der INAS-FID Fußball WM 2006 der Menschen mit Behinderungen fand mitten in Köln die Look Cologne statt, das Kölner Kulturfestival von Menschen mit Behinderungen. Bei diesem gelungen Fest, das sowohl Kindern als auch Erwachsenen einiges zu bieten hatte, sind mir D!E SP!NNER! besonders aufgefallen. Es handelt sich hierbei um eine integrative Theatergruppe des Sandkorn-Theaters und der Lebenshilfe Karlsruhe, Ettlingen und Umgebung. In Köln gibt es das Theaterprojekt Pusteblume, das im Juni eine integrative Theaterwoche mit Gastspielen aus drei Bundesländern durchführte.
"Die Liebe muss rein und raus"
D!E SP!NNER!, das sind derzeit sieben Menschen mit geistiger Behinderung, drei Schauspieler des Sandkorn-Theaters, zwei Mitarbeiter der Lebenshilfe, die selbst mitspielen, und ihre Regisseurin. Sie gastierten in Köln mit ihrem Vorjahresprogramm "Die Liebe muss rein und raus". Geistig Behinderte und Liebe, und dann auch noch rein und raus, womöglich noch Sexualität, also das passt doch nicht, so werden Sie denken. D!E SP!NNER! können Sie eines Besseren belehren. In einfühlsamer Weise und erstaunlich offen wurden Szenen zum Thema erstes Rendezvous, Verhütung und Nein-Sagen humorvoll auf die Bühne gebracht; z.B. als das Ensemble die Verwendung von Kondomen erklärte und mit allen ihren Tücken auf der Bühne präsentierte. Nein, es war keine pornographische Darstellung, zur Demonstration von Kondomen eignet sich hervorragend eine Banane. Oder die mit Schattenbilder inszenierte Erklärung, wie Sexualität entsteht: "Wenn die Frau Lust empfindet, dann wird ihre Vagina feucht". Das weiß nicht jeder Mann.
D!e Sp!nner! auf der Bühne
Foto: Sandkorn-Theater
Sagt: NEIN
Beeindruckend war auch die Umsetzung des Themas Vergewaltigung, die mit einem lauten und nicht zu übergehenden NEIN aller Frauen auf der Bühne beendet wurde. D!E SP!NNER! ließen kein Tabu unberührt und waren durch ihre einfühlsame Art weder exhibitionistisch noch voyeuristisch. In den sensiblen Umgang mit dem Thema fügte sich auch die wohl ergreifendste Szene ein, in der alle Menschen mit Behinderungen ein Geschenk erhielten und es - begleitet von den anderen - auspackten. Die Geschenke enthielten Symbole für eigene Erinnerungen an Liebe und Beziehungen der Schauspielenden, die aus dem Off - von ihnen selbst eingesprochen - vom Band erklangen.
Im gesamten Auftritt, der etwa eine Stunde dauerte, war ein rücksichtsvoller und emphatischer Umgang aller Menschen auf der Bühne miteinander zu beobachten. D!E SP!NNER! sind ein gelungenes Beispiel, wie Integration funktionieren und alle Seiten bereichern kann. Schade nur, dass sie nicht drei Wochen im Kölner Schauspielhaus gastieren oder zu Aufklärungszwecken einem breiten jungen Publikum präsentiert werden.
Gemeinsam sind wir stark: D!e Sp!nner!
Foto: Sandkorn-Theater
"Heimatland" - Was ist das?
Ihr diesjähriges Stück "Heimatland" verspricht auch spannend zu sein. "Und der Ausruf "Heimatland!" kommt ihnen so lustvoll wie mehrdeutig über die Lippen. D!E SP!NNER!, das heißt auch viele Nationen und Regionen, die hier aufeinander treffen. Und wo liegt die Heimat jedes einzelnen? Heimat ist ja nicht nur der Ort, wo man geboren ist, Heimat kann eine Landschaft sein oder die Fußballmannschaft, ein gutes Essen oder die Erinnerung an Kinderstreiche, und manchmal ist sie ganz einfach da, wo man sich wohl fühlt.
Heimatland Deutschland - wie viel Heimatgefühl halten Politik und Gesellschaft für die Menschen mit Behinderung bereit? Fragen über Fragen; D!E SP!NNER! sind begeistert auf der Suche und präsentieren ihren ganz persönlichen und spannenden Bilderbogen.
Authentisches Theater
Wie ich nach ihrem Auftritt in Köln von Clemens Lennermann erfahren konnte, entstehen die Stücke während der gemeinsamen Proben. Vieles, was dort erzählt und spontan ausprobiert wird, hält die Regisseurin Steffi Lackner blitzschnell fest und baut es in das so entstehende Gesamtwerk eine. Auf diese Weise entstehen authentische Stücke und die SchauspielerInnen können sich selbst mit ihrer Welt spielend darstellen. Dass das Ganze nicht in reiner Nabelschau und Selbstdarstellung endet, dafür ist gesorgt, denn die D!E SP!NNER! habe immer auch einen politischen Anspruch. Das zeigt auch ihre selbstbewusste Namensgebung.
Es bleibt zu hoffen, dass wir D!E SP!NNER! bald wieder in Köln oder der näheren Umgebung begrüßen können. Und für alle Kräfte in der Gesellschaft bleibt es eine Herausforderung, soviel Integration zu leben, wie es geht. Gerade angesichts angeblich leerer Kassen und der Kürzungen in Bereichen der Menschen mit Behinderungen, die kaum eine Lobby haben in unserer kommerzialisierten Gesellschaft. Sehr zum Schaden von allen.
Weiter Infos: www.die-spinner.com und www.look-cologne.de
www.sandkorn-theater.de und www.pusteblume-online.de
Online-Flyer Nr. 62 vom 19.09.2006
D!E SP!NNER! gastierten in Köln und
Saudi-Arabien ist Fußballweltmeister
Von Emma Weiß
WM für Menschen mit Behinderungen, Paralympics und ähnliche Spitzensportereignisse werden gern wohlwollend übersehen oder mit Kommentaren versehen wie, "was die alles leisten". Als wären diese SportlerInnen keine Menschen. Als würden sie nicht wie jeder im Leistungssport durch Training, harte Arbeit und den unbedingten Willen zum Erfolg ihre Leistungen bis zu letzten aus sich herausholen.
Diskriminierung durch Paralympics
Bei mir drängt sich die Frage auf, ob solche para-normalen also nicht ganz normalen Sportereignisse nicht eine freundlich bemäntelte Form der Diskriminierung sind. Sicher, es gibt Formen der Behinderung, die brauchen einen Schutzraum. Menschen mit Handicaps leisten in ihrem Alltagsleben oft sehr viel, um mit dieser nur noch finanzorientierten Gesellschaft mitzuhalten. Da sind solche Schutzräume manchmal sinnvoll. Aber wir sprechen hier vom Bereich des Leistungssports. Warum gehen Talentsucher für Kurzstreckenläufer nicht auch in Sehbehindertenschulen?! Die Beine sind die gleichen. Mit einem einfachen akustischen Signal ließe sich das Ziel für die LäuferInnen kenntlich machen. Wie bei den Paralympics auch. Es gibt noch mehr Beispiele, wo Integration leicht möglich wäre, aber offenkundig politisch oder besser ökonomisch nicht gewollt ist. Und wenn schon parallele Veranstaltungen notwendig sind - warum finden sie dann nicht zuerst statt? Sie werden bisher durch das Dranhängen systematisch abgedrängt in den Schatten der "normalen" Ereignisse, die nur so triefen von Profit, Korruption und Doping - auch wenn man von Olympia oder Fußball schon die Nase voll hat.
Die neuen Weltmeister: Saudi-Arabien im Siegestaumel
Foto: Staiger
Gelungene Integration
Während der INAS-FID Fußball WM 2006 der Menschen mit Behinderungen fand mitten in Köln die Look Cologne statt, das Kölner Kulturfestival von Menschen mit Behinderungen. Bei diesem gelungen Fest, das sowohl Kindern als auch Erwachsenen einiges zu bieten hatte, sind mir D!E SP!NNER! besonders aufgefallen. Es handelt sich hierbei um eine integrative Theatergruppe des Sandkorn-Theaters und der Lebenshilfe Karlsruhe, Ettlingen und Umgebung. In Köln gibt es das Theaterprojekt Pusteblume, das im Juni eine integrative Theaterwoche mit Gastspielen aus drei Bundesländern durchführte.
"Die Liebe muss rein und raus"
D!E SP!NNER!, das sind derzeit sieben Menschen mit geistiger Behinderung, drei Schauspieler des Sandkorn-Theaters, zwei Mitarbeiter der Lebenshilfe, die selbst mitspielen, und ihre Regisseurin. Sie gastierten in Köln mit ihrem Vorjahresprogramm "Die Liebe muss rein und raus". Geistig Behinderte und Liebe, und dann auch noch rein und raus, womöglich noch Sexualität, also das passt doch nicht, so werden Sie denken. D!E SP!NNER! können Sie eines Besseren belehren. In einfühlsamer Weise und erstaunlich offen wurden Szenen zum Thema erstes Rendezvous, Verhütung und Nein-Sagen humorvoll auf die Bühne gebracht; z.B. als das Ensemble die Verwendung von Kondomen erklärte und mit allen ihren Tücken auf der Bühne präsentierte. Nein, es war keine pornographische Darstellung, zur Demonstration von Kondomen eignet sich hervorragend eine Banane. Oder die mit Schattenbilder inszenierte Erklärung, wie Sexualität entsteht: "Wenn die Frau Lust empfindet, dann wird ihre Vagina feucht". Das weiß nicht jeder Mann.
D!e Sp!nner! auf der Bühne
Foto: Sandkorn-Theater
Sagt: NEIN
Beeindruckend war auch die Umsetzung des Themas Vergewaltigung, die mit einem lauten und nicht zu übergehenden NEIN aller Frauen auf der Bühne beendet wurde. D!E SP!NNER! ließen kein Tabu unberührt und waren durch ihre einfühlsame Art weder exhibitionistisch noch voyeuristisch. In den sensiblen Umgang mit dem Thema fügte sich auch die wohl ergreifendste Szene ein, in der alle Menschen mit Behinderungen ein Geschenk erhielten und es - begleitet von den anderen - auspackten. Die Geschenke enthielten Symbole für eigene Erinnerungen an Liebe und Beziehungen der Schauspielenden, die aus dem Off - von ihnen selbst eingesprochen - vom Band erklangen.
Im gesamten Auftritt, der etwa eine Stunde dauerte, war ein rücksichtsvoller und emphatischer Umgang aller Menschen auf der Bühne miteinander zu beobachten. D!E SP!NNER! sind ein gelungenes Beispiel, wie Integration funktionieren und alle Seiten bereichern kann. Schade nur, dass sie nicht drei Wochen im Kölner Schauspielhaus gastieren oder zu Aufklärungszwecken einem breiten jungen Publikum präsentiert werden.
Gemeinsam sind wir stark: D!e Sp!nner!
Foto: Sandkorn-Theater
"Heimatland" - Was ist das?
Ihr diesjähriges Stück "Heimatland" verspricht auch spannend zu sein. "Und der Ausruf "Heimatland!" kommt ihnen so lustvoll wie mehrdeutig über die Lippen. D!E SP!NNER!, das heißt auch viele Nationen und Regionen, die hier aufeinander treffen. Und wo liegt die Heimat jedes einzelnen? Heimat ist ja nicht nur der Ort, wo man geboren ist, Heimat kann eine Landschaft sein oder die Fußballmannschaft, ein gutes Essen oder die Erinnerung an Kinderstreiche, und manchmal ist sie ganz einfach da, wo man sich wohl fühlt.
Heimatland Deutschland - wie viel Heimatgefühl halten Politik und Gesellschaft für die Menschen mit Behinderung bereit? Fragen über Fragen; D!E SP!NNER! sind begeistert auf der Suche und präsentieren ihren ganz persönlichen und spannenden Bilderbogen.
Authentisches Theater
Wie ich nach ihrem Auftritt in Köln von Clemens Lennermann erfahren konnte, entstehen die Stücke während der gemeinsamen Proben. Vieles, was dort erzählt und spontan ausprobiert wird, hält die Regisseurin Steffi Lackner blitzschnell fest und baut es in das so entstehende Gesamtwerk eine. Auf diese Weise entstehen authentische Stücke und die SchauspielerInnen können sich selbst mit ihrer Welt spielend darstellen. Dass das Ganze nicht in reiner Nabelschau und Selbstdarstellung endet, dafür ist gesorgt, denn die D!E SP!NNER! habe immer auch einen politischen Anspruch. Das zeigt auch ihre selbstbewusste Namensgebung.
Es bleibt zu hoffen, dass wir D!E SP!NNER! bald wieder in Köln oder der näheren Umgebung begrüßen können. Und für alle Kräfte in der Gesellschaft bleibt es eine Herausforderung, soviel Integration zu leben, wie es geht. Gerade angesichts angeblich leerer Kassen und der Kürzungen in Bereichen der Menschen mit Behinderungen, die kaum eine Lobby haben in unserer kommerzialisierten Gesellschaft. Sehr zum Schaden von allen.
Weiter Infos: www.die-spinner.com und www.look-cologne.de
www.sandkorn-theater.de und www.pusteblume-online.de
Online-Flyer Nr. 62 vom 19.09.2006