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Nicht jedes Gesicht passt zu jedem Trikot
Fehlfarben zu Saisonbeginn
Von Herrmann
Schlechte Fotomontagen: Lottner als Zebra (links), der Autor als Präsident einer Karibikinsel (rechts)
Das soll kein Vortrag über Söldnerseelen im bezahlten Sport werden, ich habe lediglich bei einigen Neueinkäufen bei Saisonbeginn das Gefühl, eine schlechte Fotomontage vorgesetzt zu bekommen. Dieses Jahr ist Sergej Barbarez so ein Fall. Der läuft plötzlich in den Farben der Sportabteilung eines Chemieunternehmens auf, doch weder er, noch der Verein scheinen sich vorher darüber Gedanken gemacht zu haben, dass das farblich gar nicht passt. So verwachsen Barbarez vor meinem inneren Auge mit dem weiß-blauen Trikot des HSV ist, so selbstverständlich lugt sein Kopf jetzt oben aus einem rot-schwarzen heraus.
Es wird Monate oder gar Jahre dauern, bis ich mich an diesen Anblick gewöhnt habe. Wahrscheinlich ist es dann aber auch schon nicht mehr nötig, denn grade die optisch nicht einfachen Transfers gehen häufig nicht lange gut. Ailtons Wechsel zu Schalke war so ein Fall. Eine noch schlechtere Bildmontage war Andi Möller in Königsblau. An einen so krassen Wechsel kann sich das Auge nicht gewöhnen. Ich tat mich auch lange mit Dirk Lottner im MSV-Dress schwer. Bei der Fortuna, beim FC und auch bei seinem Zwischenspiel im Rechtsrheinischen trug er vornehmlich Trikots, auf denen die Farbe rot vertreten war, was die Transfers für die Zuschauer einfacher machte. Der plötzliche Wechsel zu den Zebrastreifen ist wohl als Modesünde anzusehen. Was dem Akteur selber scheinbar nicht verborgen blieb, denn jetzt ist er zu seiner gewohnten Vereinsfarbe zurückgekehrt.
Mal sehen, ob ich mich an Sergej Barbarez´ neue Kleider gewöhnen muss, was ich wohl tun werde, wenn er an der Seite von Stefan Kießling glücklich wird. Kießling gelang ganz nebenbei ein Paradebeispiel für einen farblich durchdachten Vereinswechsel.
Eine weitere Neuerung ist mir übrigens bei meinem Einstand in die neue Saison nach meinem Urlaub am vierten Spieltag in Müngersdorf aufgefallen: Neben den Auswechselbänken waren eine riesige Erdnussdose und ein gigantischer Joghurtbecher drapiert. Ich dachte, die Zeit der überdimensionierten Lebensmittelverpackungen am Spielfeldrand wäre vorbei, die Industrie hätte gemerkt, dass sich diese nicht im Auge des Betrachters einbrennen. Oder kann mir irgendwer sagen, wofür das berühmteste Modell dieser Art, die Werbetonne, die Jürgen Klinsmann in seiner Münchener Zeit zornig bei seiner Auswechslung eintrat, warb? Ich glaube, es handelte sich um eine Batterie, vielleicht war es aber auch eine Getränkedose. Es lief jedoch nach dem Tritt keine Limonade aus dem Loch, und zu Jürgen Klinsmanns Glück auch keine Batteriesäure.
Auf der Bielefelder Alm verkündete der Stadionsprecher einst, dass der kleine Michael von seinem Vater gesucht und dass er vom Herrn Papa an der großen Bierflasche des örtlichen Hauptsponsors erwartet werde, die die Lücke neben der Gegentribüne schließt. Leider hat man nicht erfahren, ob der kleine Junge abgehauen ist, oder ob der Vater beim Anblick eines derart übertriebenen Biergebindes alles um sich herum vergaß und so seines eigen Fleisch und Blutes verlustig ging. Mit Joghurtbechern kann das nicht passieren. Zumal die Werbefachleute meiner Abneigung gegen Großverpackungen wohl zustimmen, denn sowohl Joghurtbecher als auch Erdnussdose waren zehn Tage später beim nächsten Heimspiel wieder verschwunden. Das ist außer mir wahrscheinlich auch keinem aufgefallen.
Apropos Heimspiel, in meiner fußballfreien Zeit habe ich mir, wie immer in solchen Fällen, alles im Fernsehen angeschaut, was auf grünem Rasen gespielt wird, so auch das Viertelfinale der `Fußball-WM der Menschen mit Behinderung´, die im eigenen Land stattfand. Kantersieg gegen Frankreich. Einzig unangenehm fiel der Kommentar auf. Sollte der eigentlich besonders korrekt und rücksichtsvoll rüberkommen, war doch bei genauem Hinhören das Gegenteil der Fall. Ständig wurde betont, dass hier nicht mehr mit Libero gespielt wird, nein, nein, ganz modern wäre das alles, sogar eine Raute im Mittelfeld werde bevorzugt. Natürlich sei es etwas schwierig, über neunzig Minuten an der festgelegten Taktik festzuhalten, aber das sei bei `sogenannten normalen´ Mannschaften nicht anders. Der Kommentator erklärte allerdings nicht, wieso er glaubte, dass der Fernsehzuschauer davon ausgeht, dass bei den `Menschen mit Behinderung´ Fußball anders als sonst wo abläuft. Diesen `Menschen mit Behinderung´ fehlen nämlich keine sportentscheidenden Körperteile, lediglich wird ein IQ von unter 75 für die Teilnahme an dieser WM vorausgesetzt.
Die Tatsache, dass die Spieler auf dem Platz im Vereinssport nicht höher als in der Verbandsliga kicken, liegt aber wohl eher an den fußballerischen Fähigkeiten, als am IQ, denn kein Verein der Welt wird wohl einem Jahrhunderttalent einen Profivertrag wegen geringer Intelligenz verwehren. Mangels flächendeckender Tests ist es unmöglich zu sagen, wie viele Spieler im bezahlten Fußball problemlos die Voraussetzungen zur Teilnahme an der `Fußball-WM der Menschen mit Behinderung´ erfüllen würden. Bei den Übertragungen zu dieser ließen sich auch bei den Interviews keine einschneidenden Unterschiede zu manch gutdotiertem Profi feststellen, lediglich mit Fremdwörtern tat sich der ein oder andere schwer.
"Das ist eine Deprimierung."
"Da herrschte plötzlich fünfzehn bis zwanzig Minuten lang Konfusität im eigenen Strafraum."
Diese Zitate stammen allerdings nicht von den `Menschen mit Behinderung´, sondern von den weiter oben im Text angesprochenen Herren Möller und Lottner. Der gewiefte Umgang mit Fremdwörtern ist demnach keine Voraussetzung für den entscheidenden Pass in den freien Raum, und diesen dann zu verwandeln sowieso nicht. Oder wie Gerd Müller es formulierte: "Wenns denkst, ist eh zu spät."
Online-Flyer Nr. 64 vom 03.10.2006
Nicht jedes Gesicht passt zu jedem Trikot
Fehlfarben zu Saisonbeginn
Von Herrmann
Schlechte Fotomontagen: Lottner als Zebra (links), der Autor als Präsident einer Karibikinsel (rechts)
Das soll kein Vortrag über Söldnerseelen im bezahlten Sport werden, ich habe lediglich bei einigen Neueinkäufen bei Saisonbeginn das Gefühl, eine schlechte Fotomontage vorgesetzt zu bekommen. Dieses Jahr ist Sergej Barbarez so ein Fall. Der läuft plötzlich in den Farben der Sportabteilung eines Chemieunternehmens auf, doch weder er, noch der Verein scheinen sich vorher darüber Gedanken gemacht zu haben, dass das farblich gar nicht passt. So verwachsen Barbarez vor meinem inneren Auge mit dem weiß-blauen Trikot des HSV ist, so selbstverständlich lugt sein Kopf jetzt oben aus einem rot-schwarzen heraus.
Es wird Monate oder gar Jahre dauern, bis ich mich an diesen Anblick gewöhnt habe. Wahrscheinlich ist es dann aber auch schon nicht mehr nötig, denn grade die optisch nicht einfachen Transfers gehen häufig nicht lange gut. Ailtons Wechsel zu Schalke war so ein Fall. Eine noch schlechtere Bildmontage war Andi Möller in Königsblau. An einen so krassen Wechsel kann sich das Auge nicht gewöhnen. Ich tat mich auch lange mit Dirk Lottner im MSV-Dress schwer. Bei der Fortuna, beim FC und auch bei seinem Zwischenspiel im Rechtsrheinischen trug er vornehmlich Trikots, auf denen die Farbe rot vertreten war, was die Transfers für die Zuschauer einfacher machte. Der plötzliche Wechsel zu den Zebrastreifen ist wohl als Modesünde anzusehen. Was dem Akteur selber scheinbar nicht verborgen blieb, denn jetzt ist er zu seiner gewohnten Vereinsfarbe zurückgekehrt.
Mal sehen, ob ich mich an Sergej Barbarez´ neue Kleider gewöhnen muss, was ich wohl tun werde, wenn er an der Seite von Stefan Kießling glücklich wird. Kießling gelang ganz nebenbei ein Paradebeispiel für einen farblich durchdachten Vereinswechsel.
Eine weitere Neuerung ist mir übrigens bei meinem Einstand in die neue Saison nach meinem Urlaub am vierten Spieltag in Müngersdorf aufgefallen: Neben den Auswechselbänken waren eine riesige Erdnussdose und ein gigantischer Joghurtbecher drapiert. Ich dachte, die Zeit der überdimensionierten Lebensmittelverpackungen am Spielfeldrand wäre vorbei, die Industrie hätte gemerkt, dass sich diese nicht im Auge des Betrachters einbrennen. Oder kann mir irgendwer sagen, wofür das berühmteste Modell dieser Art, die Werbetonne, die Jürgen Klinsmann in seiner Münchener Zeit zornig bei seiner Auswechslung eintrat, warb? Ich glaube, es handelte sich um eine Batterie, vielleicht war es aber auch eine Getränkedose. Es lief jedoch nach dem Tritt keine Limonade aus dem Loch, und zu Jürgen Klinsmanns Glück auch keine Batteriesäure.
Auf der Bielefelder Alm verkündete der Stadionsprecher einst, dass der kleine Michael von seinem Vater gesucht und dass er vom Herrn Papa an der großen Bierflasche des örtlichen Hauptsponsors erwartet werde, die die Lücke neben der Gegentribüne schließt. Leider hat man nicht erfahren, ob der kleine Junge abgehauen ist, oder ob der Vater beim Anblick eines derart übertriebenen Biergebindes alles um sich herum vergaß und so seines eigen Fleisch und Blutes verlustig ging. Mit Joghurtbechern kann das nicht passieren. Zumal die Werbefachleute meiner Abneigung gegen Großverpackungen wohl zustimmen, denn sowohl Joghurtbecher als auch Erdnussdose waren zehn Tage später beim nächsten Heimspiel wieder verschwunden. Das ist außer mir wahrscheinlich auch keinem aufgefallen.
Apropos Heimspiel, in meiner fußballfreien Zeit habe ich mir, wie immer in solchen Fällen, alles im Fernsehen angeschaut, was auf grünem Rasen gespielt wird, so auch das Viertelfinale der `Fußball-WM der Menschen mit Behinderung´, die im eigenen Land stattfand. Kantersieg gegen Frankreich. Einzig unangenehm fiel der Kommentar auf. Sollte der eigentlich besonders korrekt und rücksichtsvoll rüberkommen, war doch bei genauem Hinhören das Gegenteil der Fall. Ständig wurde betont, dass hier nicht mehr mit Libero gespielt wird, nein, nein, ganz modern wäre das alles, sogar eine Raute im Mittelfeld werde bevorzugt. Natürlich sei es etwas schwierig, über neunzig Minuten an der festgelegten Taktik festzuhalten, aber das sei bei `sogenannten normalen´ Mannschaften nicht anders. Der Kommentator erklärte allerdings nicht, wieso er glaubte, dass der Fernsehzuschauer davon ausgeht, dass bei den `Menschen mit Behinderung´ Fußball anders als sonst wo abläuft. Diesen `Menschen mit Behinderung´ fehlen nämlich keine sportentscheidenden Körperteile, lediglich wird ein IQ von unter 75 für die Teilnahme an dieser WM vorausgesetzt.
Die Tatsache, dass die Spieler auf dem Platz im Vereinssport nicht höher als in der Verbandsliga kicken, liegt aber wohl eher an den fußballerischen Fähigkeiten, als am IQ, denn kein Verein der Welt wird wohl einem Jahrhunderttalent einen Profivertrag wegen geringer Intelligenz verwehren. Mangels flächendeckender Tests ist es unmöglich zu sagen, wie viele Spieler im bezahlten Fußball problemlos die Voraussetzungen zur Teilnahme an der `Fußball-WM der Menschen mit Behinderung´ erfüllen würden. Bei den Übertragungen zu dieser ließen sich auch bei den Interviews keine einschneidenden Unterschiede zu manch gutdotiertem Profi feststellen, lediglich mit Fremdwörtern tat sich der ein oder andere schwer.
"Das ist eine Deprimierung."
"Da herrschte plötzlich fünfzehn bis zwanzig Minuten lang Konfusität im eigenen Strafraum."
Diese Zitate stammen allerdings nicht von den `Menschen mit Behinderung´, sondern von den weiter oben im Text angesprochenen Herren Möller und Lottner. Der gewiefte Umgang mit Fremdwörtern ist demnach keine Voraussetzung für den entscheidenden Pass in den freien Raum, und diesen dann zu verwandeln sowieso nicht. Oder wie Gerd Müller es formulierte: "Wenns denkst, ist eh zu spät."
Online-Flyer Nr. 64 vom 03.10.2006