SUCHE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Medien
Buchkritik: Bertelsmann - Ein globales Medienimperium macht Politik
"Propaganda statt Aufklärung"
von Hans Georg
Im Dienste der eigenen Interessen
Der nun allen Widrigkeiten zum Trotz erschienene Band versammelt Vorträge, die 2005 auf einem in Hamburg veranstalteten Kongress über Bertelsmann gehalten wurden. Der erste Beitrag stammt von Eckart Spoo, der die Zeitschrift "Ossietzky" herausgibt und einige Jahre Bundesvorsitzender der Deutschen JournalistInnen Union (djU) war. Spoo dokumentiert, dass die großen Medienkonzerne - wie etwa Bertelsmann - den deutschen Pressemarkt unter sich aufgeteilt haben und zumindest auf regionaler Ebene nicht selten aus der Position von Monopolisten agieren. Dies ermögliche ihnen, so der Autor, rücksichtslos "Propaganda statt Aufklärung" im Dienste der eigenen Interessen zu betreiben, wobei diejenigen, die sich dem Expansionsstreben der Medienunternehmen entgegenstellten, schon einmal zum Abschuss freigegeben würden: So habe die deutsche Presse 1999 gegenüber Jugoslawien, das sich der Öffnung seiner Märkte und dem Anschluss an die Europäische Union verweigerte, erst der "Enttabuisierung des Militärischen" das Wort geredet, um schließlich offen die Zerschlagung des widerständigen Staates zu fordern.
Reformen deutscher Regierungen inhaltlich vorbereitet
Hersch Fischler führt in seinem an Spoo anschließenden Beitrag den Nachweis, dass die von Reinhard Mohn gegründete Bertelsmann-Stiftung, die die Aktienmehrheit an der Bertelsmann AG hält, fast alle auf drastischen Sozialabbau zielenden Reformen deutscher Regierungen in den letzten Jahren inhaltlich vorbereitet hat. Das Medienunternehmen, das rund 600 Firmen - unter ihnen die RTL-Gruppe sowie die Verlage Gruner + Jahr ("Stern", "Brigitte", "Gala"), Random House und Sony-BMG - kontrolliert, beschäftigt weltweit etwa 75.000 Mitarbeiter und profitiert von den neoliberalen Maßnahmen. Fischler verweist auch auf die historischen Quellen des Konzernreichtums: "Bertelsmann (nutzte) die Aufrüstungspropaganda des Dritten Reiches, um (...) gleichsam in höherem Auftrag Massen von so genannten Kriegserlebnisbüchern, die den Wehrwillen ertüchtigen sollten, zu verkaufen. Im Krieg wurde Bertelsmann mit Bombengewinnen zum größten Literaturlieferanten für die Wehrmacht."
Kommerzialisierung des gesamten Bildungswesens
Die folgenden Beiträge von Horst Bethge, Oliver Schöller und Martin Bennhold beschäftigen sich mit der Schul- und Wissenschaftspolitik der Bertelsmann-Stiftung, die auf eine radikale Kommerzialisierung des gesamten Bildungswesens zielt. Die Lobbyarbeit der Stiftung macht dabei nicht an der deutschen Grenze halt, wie Bennhold zeigt, sondern vollzieht sich im globalen Rahmen. Sie reiht sich damit in die Versuche mächtiger "Pressure Groups" ein, die insbesondere für die Bevölkerung der Entwicklungsländer lebenswichtigen öffentlichen Dienstleistungen (Wasser-, Energie- und Gesundheitsversorgung) der Verwertung durch westliche Konzerne auszuliefern.
Auch Einfluss auf die Innenpolitik anderer Staaten
Den Schluss des Tagungsbandes bildet ein Aufsatz des Telepolis-Autors Jörn Hagenloch, der sich explizit mit den außenpolitischen Ambitionen der Bertelsmann-Stiftung befasst. Die Organisation habe sich mittlerweile als "geopolitischer Akteur auf der internationalen Politikbühne" etabliert und nehme massiv Einfluss auf die Innenpolitik anderer Staaten, urteilt Hagenloch. Als Instrument hierzu fungiere der am Münchener "Centrum für angewandte Politikforschung" (CAP) entwickelte "Bertelsmann Transformation Index" (BTI), der alle zwei Jahre die Umsetzung marktwirtschaftlicher "Reformen" in 119 Entwicklungs- und Schwellenländern untersucht und entsprechende strategische Empfehlungen beinhaltet. Gefordert werde ein neoliberaler Gesellschaftsumbau, der unter anderem die Privatisierung staatlicher Unternehmen und sozialer Sicherungssysteme vorsehe; denjenigen Staaten, die eine solche "Transformation" vornähmen, werde im Gegenzug "Außenunterstützung" und "Entwicklungshilfe" versprochen.
Beispiel Kroatien
Wie der Autor am Beispiel Kroatiens illustriert, denkt Bertelsmann dabei nicht zuletzt an seinen eigenen Profit: Nachdem sich Bertelsmann-Chefin Liz Mohn, CAP-Direktor Werner Weidenfeld und der kroatische Ministerpräsident Ivo Sanader 2004 zu einem "ausführlichen Informationsaustausch" über den BTI getroffen hatten, versprach Bertelsmann, die Bemühungen Kroatiens um Aufnahme in die EU nach Kräften zu unterstützen. Umgekehrt konnte die kroatische Bertelsmann-Tochter RTL Televizija durch den Erhalt einer staatlichen Fernsehsendelizenz die US-amerikanisch-australische Konkurrenz ausstechen und wurde vom Start weg Marktführer.
Leider kommen Informationen wie diese in dem vorliegenden Tagungsband etwas zu kurz; insbesondere das eng mit der Bertelsmann-Stiftung kooperierende CAP und seine umfassende außenpolitische Einflussarbeit hätten Herausgeber und Autoren einer ausführlicheren Betrachtung unterziehen können. Auch die Betrachtungen zur Konzerngeschichte fallen reichlich knapp aus; historisch Interessierte werden nicht umhin kommen, die einschlägige Studie von Frank Böckelmann und Hersch Fischler zu lesen: Bertelsmann. Hinter der Fassade des Medienimperiums (Frankfurt am Main 2004).
Thomas Barth (Hg.): Bertelsmann - Ein globales Medienimperium macht Politik, Hamburg 2006 (Anders Verlag), 124 Seiten, 9,80 Euro, Vertrieb: Books-on-demand Norderstedt, www.bod.de
Siehe u.a. auch NRhZ 27, 50, 54, 61
http://www.german-foreign-policy.com
Online-Flyer Nr. 68 vom 31.10.2006
Buchkritik: Bertelsmann - Ein globales Medienimperium macht Politik
"Propaganda statt Aufklärung"
von Hans Georg
Im Dienste der eigenen Interessen
Der nun allen Widrigkeiten zum Trotz erschienene Band versammelt Vorträge, die 2005 auf einem in Hamburg veranstalteten Kongress über Bertelsmann gehalten wurden. Der erste Beitrag stammt von Eckart Spoo, der die Zeitschrift "Ossietzky" herausgibt und einige Jahre Bundesvorsitzender der Deutschen JournalistInnen Union (djU) war. Spoo dokumentiert, dass die großen Medienkonzerne - wie etwa Bertelsmann - den deutschen Pressemarkt unter sich aufgeteilt haben und zumindest auf regionaler Ebene nicht selten aus der Position von Monopolisten agieren. Dies ermögliche ihnen, so der Autor, rücksichtslos "Propaganda statt Aufklärung" im Dienste der eigenen Interessen zu betreiben, wobei diejenigen, die sich dem Expansionsstreben der Medienunternehmen entgegenstellten, schon einmal zum Abschuss freigegeben würden: So habe die deutsche Presse 1999 gegenüber Jugoslawien, das sich der Öffnung seiner Märkte und dem Anschluss an die Europäische Union verweigerte, erst der "Enttabuisierung des Militärischen" das Wort geredet, um schließlich offen die Zerschlagung des widerständigen Staates zu fordern.
Reformen deutscher Regierungen inhaltlich vorbereitet
Hersch Fischler führt in seinem an Spoo anschließenden Beitrag den Nachweis, dass die von Reinhard Mohn gegründete Bertelsmann-Stiftung, die die Aktienmehrheit an der Bertelsmann AG hält, fast alle auf drastischen Sozialabbau zielenden Reformen deutscher Regierungen in den letzten Jahren inhaltlich vorbereitet hat. Das Medienunternehmen, das rund 600 Firmen - unter ihnen die RTL-Gruppe sowie die Verlage Gruner + Jahr ("Stern", "Brigitte", "Gala"), Random House und Sony-BMG - kontrolliert, beschäftigt weltweit etwa 75.000 Mitarbeiter und profitiert von den neoliberalen Maßnahmen. Fischler verweist auch auf die historischen Quellen des Konzernreichtums: "Bertelsmann (nutzte) die Aufrüstungspropaganda des Dritten Reiches, um (...) gleichsam in höherem Auftrag Massen von so genannten Kriegserlebnisbüchern, die den Wehrwillen ertüchtigen sollten, zu verkaufen. Im Krieg wurde Bertelsmann mit Bombengewinnen zum größten Literaturlieferanten für die Wehrmacht."
Kommerzialisierung des gesamten Bildungswesens
Die folgenden Beiträge von Horst Bethge, Oliver Schöller und Martin Bennhold beschäftigen sich mit der Schul- und Wissenschaftspolitik der Bertelsmann-Stiftung, die auf eine radikale Kommerzialisierung des gesamten Bildungswesens zielt. Die Lobbyarbeit der Stiftung macht dabei nicht an der deutschen Grenze halt, wie Bennhold zeigt, sondern vollzieht sich im globalen Rahmen. Sie reiht sich damit in die Versuche mächtiger "Pressure Groups" ein, die insbesondere für die Bevölkerung der Entwicklungsländer lebenswichtigen öffentlichen Dienstleistungen (Wasser-, Energie- und Gesundheitsversorgung) der Verwertung durch westliche Konzerne auszuliefern.
Auch Einfluss auf die Innenpolitik anderer Staaten
Den Schluss des Tagungsbandes bildet ein Aufsatz des Telepolis-Autors Jörn Hagenloch, der sich explizit mit den außenpolitischen Ambitionen der Bertelsmann-Stiftung befasst. Die Organisation habe sich mittlerweile als "geopolitischer Akteur auf der internationalen Politikbühne" etabliert und nehme massiv Einfluss auf die Innenpolitik anderer Staaten, urteilt Hagenloch. Als Instrument hierzu fungiere der am Münchener "Centrum für angewandte Politikforschung" (CAP) entwickelte "Bertelsmann Transformation Index" (BTI), der alle zwei Jahre die Umsetzung marktwirtschaftlicher "Reformen" in 119 Entwicklungs- und Schwellenländern untersucht und entsprechende strategische Empfehlungen beinhaltet. Gefordert werde ein neoliberaler Gesellschaftsumbau, der unter anderem die Privatisierung staatlicher Unternehmen und sozialer Sicherungssysteme vorsehe; denjenigen Staaten, die eine solche "Transformation" vornähmen, werde im Gegenzug "Außenunterstützung" und "Entwicklungshilfe" versprochen.
Beispiel Kroatien
Wie der Autor am Beispiel Kroatiens illustriert, denkt Bertelsmann dabei nicht zuletzt an seinen eigenen Profit: Nachdem sich Bertelsmann-Chefin Liz Mohn, CAP-Direktor Werner Weidenfeld und der kroatische Ministerpräsident Ivo Sanader 2004 zu einem "ausführlichen Informationsaustausch" über den BTI getroffen hatten, versprach Bertelsmann, die Bemühungen Kroatiens um Aufnahme in die EU nach Kräften zu unterstützen. Umgekehrt konnte die kroatische Bertelsmann-Tochter RTL Televizija durch den Erhalt einer staatlichen Fernsehsendelizenz die US-amerikanisch-australische Konkurrenz ausstechen und wurde vom Start weg Marktführer.
Leider kommen Informationen wie diese in dem vorliegenden Tagungsband etwas zu kurz; insbesondere das eng mit der Bertelsmann-Stiftung kooperierende CAP und seine umfassende außenpolitische Einflussarbeit hätten Herausgeber und Autoren einer ausführlicheren Betrachtung unterziehen können. Auch die Betrachtungen zur Konzerngeschichte fallen reichlich knapp aus; historisch Interessierte werden nicht umhin kommen, die einschlägige Studie von Frank Böckelmann und Hersch Fischler zu lesen: Bertelsmann. Hinter der Fassade des Medienimperiums (Frankfurt am Main 2004).
Thomas Barth (Hg.): Bertelsmann - Ein globales Medienimperium macht Politik, Hamburg 2006 (Anders Verlag), 124 Seiten, 9,80 Euro, Vertrieb: Books-on-demand Norderstedt, www.bod.de
Siehe u.a. auch NRhZ 27, 50, 54, 61
http://www.german-foreign-policy.com
Online-Flyer Nr. 68 vom 31.10.2006