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Kultur und Wissen
Interview mit Antoschka, die am 10.11. vor dem EU-Parlament in Brüssel auftritt
Ansichten eines Clowns
Von Hubert Ostendorf

Am Sonntag traten Antoschka und ihre "WUNDERfreunde" im Theater an der Düsseldorfer Kö auf. "WUNDERfreunde" nennt die aus Sibirien stammende Ekaterina Moshaewa eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen, für die sie mit Freunden das Projekt TALENTEd gestartet hat. Damit nicht genug: Am 10. November wird sie als Gründerin des "World Parliament of Clowns" im Europäischen Parlament in Brüssel auftreten. Sie hat mit Patch Adams, Gründer der "Clown-Doctors", eine Einladung für eine offizielle Rede erhalten. Die Redaktion.

Ostendorf: Wie soll man dich bezeichnen? Bist du eine Clownin?

Antoschka: Nein, ich bin ein Clown. Ein Clown hat kein Geschlecht, keine Rasse, keine Religion und kein Alter.

So einfach kommst du mir nicht davon. Ich wollte dich gerade fragen, wie alt du bist.

Wie gesagt, Clowns haben kein Alter. Uns gibt es seit Menschengedenken.

Also gut, ich gebe die Frage nach deinem Alter auf. Haben Clowns also eine gesellschaftliche Aufgabe?

Ja, eine gesellschaftlich-kulturelle Aufgabe. Wir können Dinge von verschiedenen Seiten gleichzeitig sehen und darstellen. Wir haben eine Immunität für Kreativität. Das heißt, bei uns ist alles im Fluss, wir dürfen auch scheitern und das Scheitern sogar zeigen.

So wie "deine" Kinder von den WUNDERfreunden? Was passiert am 5. November im Theater an der Kö?

Antoschka - spricht am 10. November vor dem EU-Parlamaent
Antoschka - spricht am 10. November vor dem EU-Parlamaent
Foto: fiftyfifty-Galerie



Zwölf Kinder spielen auf ihren Instrumenten. Der Jüngste ist erst vier und spielt schon ganz toll Cello. Andere spielen Geige, Klavier oder Trompete. Zum Schluss gibt es ein grandioses Miteinander. Der rote Faden sind meine clownesken Einlagen. Wir spielen auf hohem Niveau, aber nehmen uns selbst nicht ganz so ernst. Wir wollen vor allem die Warmherzigkeit, die Kinder und Clowns einzigartig verbindet, rüber bringen. Und natürlich wird es poetisch und lustig.

Aber Clowns können auch tragisch sein, nicht wahr?

Sicher. Wir sind so wie das alltägliche Leben und gehen doch in einer anderen Dimension weit darüber hinaus. Es ist wie in der Chaos-Theorie. Ein einziger Flügelschlag eines Schmetterlings kann die ganze Welt verändern. Wir Clowns wollen unser künstlerisches, grenzüberschreitendes Schaffen für positive Veränderungen in der Welt einsetzen. Deshalb habe ich zusammen mit den bekanntesten Kollegen das "Weltparlament der Clowns" gegründet, bei dem auch der legendäre Oleg Popov vom Moskauer Staatszirkus mitmacht. Unser Ziel ist es, unseren Kindern eine bessere Erde zu bescheren. Mit mehr Kreativität, mehr Leidenschaft, mehr Muße und vor allem mehr Liebe. Jeder winzige Strahl der Liebe, den du verschenkst, macht dich, so paradox es klingen mag, nicht dunkler, sondern lässt dich immer mehr leuchten. Und diese Energie kann umfassend wirken.

Was bedeuten dir die Kinder?

Kinder sind kleine Leuchtkörper. Sie können noch vorurteilsfrei und ohne Berechnung Liebe geben. Ich habe viele "Workshops" mit kleinen Menschen veranstaltet, zum Beispiel auch mit euren Straßenzirkus-Kindern von "Upsala" aus St. Petersburg. Kinder geben immer mehr zurück, als du ihnen gibst. Sie bereichern uns und zeigen, was wirkliches Menschsein bedeutet.

Die wunderbare Welt der Antoschka

Antoschka wurde in einer sibirischen Kleinstadt als Ekaterina Moshaewa geboren. Früh entdeckte sie ihre Leidenschaft für das Ballett. Ihr größter Traum war es, einmal als Primaballerina im großen Bolschoi-Theater von Moskau zu tanzen. Doch eine Krankheit machte diesen Traum zunichte. In dieser Zeit ging eine Freundin der kleinen Ekaterina zum Moskauer Staatszirkus um Artistin zu werden, und Ekatarina ging mit. In dieser bunten Welt lernte sie bald, dass es harte Arbeit ist, wenn man sehr gut sein will. Und sehr gut wollte Ekaterina sein. So lernte sie nicht nur diverse Genres der Artistik und die Tierdressur, sondern studierte auch Theaterregie.

Die Idee zu ihrer Clownrolle hatte Ekaterina eines Tages im Winter, als sie ziemlich verfroren mit strubbeligen Haaren und roter Nase zuhause in ihr Spiegelbild schaute. Antoschka, der kleine Anton, war geboren - der Lausbub, der der Obrigkeit den Spiegel vorhält, der lustig und rebellisch für eine bessere Welt agiert. Mit der Figur "Antoschka" bereiste Ekaterina Moshaewa die halbe Welt und wurde mehrfach ausgezeichnet. Sie gastierte u. a. in Österreich, Polen; Türkei, Holland, Lateinamerika, Italien, Deutschland und natürlich in ihrer Heimat Russland.

Unser Autor Hubert Ostendorf gehört zu dem Düsseldorfer Obdachlosen-Projekt FiftyFifty, in dem Franziskaner und Künstler zusammenarbeiten, und das sich um ein Bleiberecht für die serbische Familie Idic einsetzt. Siehe NRhZ 63.

Mehr unter http://www.fiftyfifty-galerie.de



Online-Flyer Nr. 69  vom 07.11.2006



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