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Interview mit dem Autor und Filmemacher Hans-Rüdiger Minow
"Diamant in der Sammlung der CIA"
Von Hans Georg
gfp: Wie waren die Reaktionen auf Ihre Dokumentation?
Hans-Rüdiger Minow: Irritiert, ungläubig, teils auch sehr nachdenklich. Die Journalisten, die den ARTE-Film über die geheimdienstliche Steuerung der Medien sahen, sind als mögliche Zielobjekte ja selbst betroffen.
Irritierend ist in der Tat, dass vor allem linke Intellektuelle und Künstler von der CIA umworben sein sollen, darunter Größen wie Heinrich Böll...
Diese Gruppe ist für jede geheimdienstliche Öffentlichkeitsarbeit bedeutsam. Einmal, weil sie zwar klein, aber in den Medien und in der Gegenwartskultur nicht ohne Einfluss ist. Zweitens, weil sie ihr kritischer, oft sozialkritischer Blick besonders vertrauenswürdig macht. Bei linken Künstlern und Intellektuellen setzt man eine gewisse Staatsferne voraus. Das ist gut fürs Publikum. Und schließlich drittens, weil es in dieser Gruppe von Zeit zu Zeit Überlegungen gibt, die für die bestehenden Verhältnisse gefährlich werden können, sagen wir: marxistische Versuchungen. Wenn es gelingt, hier steuernd, vielleicht auch nur neutralisierend einzugreifen, ist das schon ein Erfolg.
Was hat man sich von Heinrich Böll versprochen? Er galt ja doch auch in der DDR oder in der Sowjetunion als ein Schriftsteller, der im Widerstreit mit den westdeutschen Verhältnissen lag.
Eben deswegen war er ein Diamant in der Sammlung der CIA - und nicht der einzige. Bölls Berichte über seine Reisen in die Sowjetunion, nach Polen landeten seit Anfang der 1960er Jahre auf dem Schreibtisch des Kölner Kulturstützpunktes der CIA, im damaligen Verlag Kiepenheuer und Witsch. Von dort wurden sie wahrscheinlich auch an die deutschen Verbindungsorganisationen weitergereicht. Um Kiepenheuer und Witsch sammelte sich eine Gruppe hochrangiger Einflussjournalisten - Ziel war es, vor die Mikrofone und Kameras der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten zu kommen und die sozialdemokratische Bildungspresse zu dominieren.
Gelang das?
Das gelang hervorragend.
In Ihrem Film bleibt offen, ob Heinrich Böll wissentlich für mehrere CIA-Tarnorganisationen gearbeitet hat oder ob er davon nichts ahnte.
Böll habe davon wohl nichts geahnt, meint Günter Grass, der Böll ja aus zahlreichen gemeinsamen Literaturprojekten gut kannte.
Ist das glaubwürdig?
Grass müsste es eigentlich wissen. Andererseits hat Grass auch mit Carola Stern zusammengearbeitet und wusste nicht, dass Frau Stern eine frühere US-Agentin war. Später gaben Grass, Böll und Stern gemeinsam die Literaturzeitschrift "L 76" heraus, für "demokratischen Sozialismus", hieß es im Untertitel. Das war das interessante Vorfeld marxistischer Versuchungen; das war ganz auf der CIA-Linie, für die Böll über viele Jahre eingesetzt worden ist - als Überzeugungstäter, egal ob er sich dieser Steuerung verpflichtet sah, ob er sie lediglich duldete oder ob er davon nur nichts wissen wollte. Böll war ein sehr politischer Mensch. Zu Recht trägt die Stiftung der Partei Bündnis 90/Die Grünen seinen Namen.
Floss Geld?
Geld steckt man guten Einflussagenten nicht einfach in die Tasche, es sei denn, es handelt sich um kleine Kaliber. Staatliche Stellen, Geheimdienste inklusive, sind Meister der Umwegfinanzierung. Sofern Geld floss, wurde dafür gesorgt, dass es über Dritte wirkte, zum Beispiel durch Zahlungen an den PEN-Club. Die CIA-Kasse überwies dem PEN Geld, damit bestimmte Literaten an internationalen Tagungen teilnehmen konnten, weil sie nach Ansicht der CIA politisch wichtig waren - überall dort, wo das US-Lager im Propagandakampf gestärkt werden sollte.
Waren diese Gelder personengebunden? Taucht der Name Böll auf?
Diese Gelder waren personengebunden.
Ihre Dokumentation endet in den 1970er Jahren. Endet zu diesem Zeitpunkt auch die Agententätigkeit in den deutschen Medien?
Das zu glauben wäre naiv. In den 1970er Jahren endet die CIA-Dominanz. Das hat man an die deutschen Dienste weitergegeben, und man hat neue Überzeugungstäter gefunden.
Den zweiten Teil des Interviews mit Hans-Rüdiger Minow bringen wir in der kommenden Woche.
Online-Flyer Nr. 72 vom 28.11.2006
Interview mit dem Autor und Filmemacher Hans-Rüdiger Minow
"Diamant in der Sammlung der CIA"
Von Hans Georg
gfp: Wie waren die Reaktionen auf Ihre Dokumentation?
Hans-Rüdiger Minow: Irritiert, ungläubig, teils auch sehr nachdenklich. Die Journalisten, die den ARTE-Film über die geheimdienstliche Steuerung der Medien sahen, sind als mögliche Zielobjekte ja selbst betroffen.
Irritierend ist in der Tat, dass vor allem linke Intellektuelle und Künstler von der CIA umworben sein sollen, darunter Größen wie Heinrich Böll...
Diese Gruppe ist für jede geheimdienstliche Öffentlichkeitsarbeit bedeutsam. Einmal, weil sie zwar klein, aber in den Medien und in der Gegenwartskultur nicht ohne Einfluss ist. Zweitens, weil sie ihr kritischer, oft sozialkritischer Blick besonders vertrauenswürdig macht. Bei linken Künstlern und Intellektuellen setzt man eine gewisse Staatsferne voraus. Das ist gut fürs Publikum. Und schließlich drittens, weil es in dieser Gruppe von Zeit zu Zeit Überlegungen gibt, die für die bestehenden Verhältnisse gefährlich werden können, sagen wir: marxistische Versuchungen. Wenn es gelingt, hier steuernd, vielleicht auch nur neutralisierend einzugreifen, ist das schon ein Erfolg.
Was hat man sich von Heinrich Böll versprochen? Er galt ja doch auch in der DDR oder in der Sowjetunion als ein Schriftsteller, der im Widerstreit mit den westdeutschen Verhältnissen lag.
Eben deswegen war er ein Diamant in der Sammlung der CIA - und nicht der einzige. Bölls Berichte über seine Reisen in die Sowjetunion, nach Polen landeten seit Anfang der 1960er Jahre auf dem Schreibtisch des Kölner Kulturstützpunktes der CIA, im damaligen Verlag Kiepenheuer und Witsch. Von dort wurden sie wahrscheinlich auch an die deutschen Verbindungsorganisationen weitergereicht. Um Kiepenheuer und Witsch sammelte sich eine Gruppe hochrangiger Einflussjournalisten - Ziel war es, vor die Mikrofone und Kameras der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten zu kommen und die sozialdemokratische Bildungspresse zu dominieren.
Gelang das?
Das gelang hervorragend.
In Ihrem Film bleibt offen, ob Heinrich Böll wissentlich für mehrere CIA-Tarnorganisationen gearbeitet hat oder ob er davon nichts ahnte.
Böll habe davon wohl nichts geahnt, meint Günter Grass, der Böll ja aus zahlreichen gemeinsamen Literaturprojekten gut kannte.
Ist das glaubwürdig?
Grass müsste es eigentlich wissen. Andererseits hat Grass auch mit Carola Stern zusammengearbeitet und wusste nicht, dass Frau Stern eine frühere US-Agentin war. Später gaben Grass, Böll und Stern gemeinsam die Literaturzeitschrift "L 76" heraus, für "demokratischen Sozialismus", hieß es im Untertitel. Das war das interessante Vorfeld marxistischer Versuchungen; das war ganz auf der CIA-Linie, für die Böll über viele Jahre eingesetzt worden ist - als Überzeugungstäter, egal ob er sich dieser Steuerung verpflichtet sah, ob er sie lediglich duldete oder ob er davon nur nichts wissen wollte. Böll war ein sehr politischer Mensch. Zu Recht trägt die Stiftung der Partei Bündnis 90/Die Grünen seinen Namen.
Floss Geld?
Geld steckt man guten Einflussagenten nicht einfach in die Tasche, es sei denn, es handelt sich um kleine Kaliber. Staatliche Stellen, Geheimdienste inklusive, sind Meister der Umwegfinanzierung. Sofern Geld floss, wurde dafür gesorgt, dass es über Dritte wirkte, zum Beispiel durch Zahlungen an den PEN-Club. Die CIA-Kasse überwies dem PEN Geld, damit bestimmte Literaten an internationalen Tagungen teilnehmen konnten, weil sie nach Ansicht der CIA politisch wichtig waren - überall dort, wo das US-Lager im Propagandakampf gestärkt werden sollte.
Waren diese Gelder personengebunden? Taucht der Name Böll auf?
Diese Gelder waren personengebunden.
Ihre Dokumentation endet in den 1970er Jahren. Endet zu diesem Zeitpunkt auch die Agententätigkeit in den deutschen Medien?
Das zu glauben wäre naiv. In den 1970er Jahren endet die CIA-Dominanz. Das hat man an die deutschen Dienste weitergegeben, und man hat neue Überzeugungstäter gefunden.
Den zweiten Teil des Interviews mit Hans-Rüdiger Minow bringen wir in der kommenden Woche.
Online-Flyer Nr. 72 vom 28.11.2006