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"Magisch nachgefühlt"
"Sie sagen ja jetzt..." - Teil 23
Von Ulla Lessmann
Irgendwie wird mir das zu viel. Erst hatten wir ja diese Doppelbelastung, das ist mit den Jahren besser geworden, als dann der neue Mann kam und wir ja auch nicht mehr alles mitmachten. Dann gab`s diese Zeit, wo man auf den Mond achten mußte, das fand ich sehr anstrengend, vor allem nachts, und dann die neue Mütterlichkeit, da hatte ich gerade meine Mutterproblematik einigermaßen auf die Reihe gekriegt und dann kamen die Powerfrauen, die überhaupt nicht doppelt oder dreifach belastet waren, sondern, wie der Name schon sagt, alles mit ihrer Power machten: Managerin eines Großkonzerns, fünf Kinder und superschick und schlank und immer gut drauf und dreimal am Tag ins Fitnesstudio, und dann sollte Frau plötzlich vor allem los lassen und sich auch mal gehen lassen und ihren weiblichen Perfektionsdrang sanft auslaufen lassen und ihre eigene Geschwindigkeit finden. Das letztere ist mir immer besonders schwer gefallen, denn irgendwie hat meine eigene Geschwindigkeit nie so richtig mit der meiner Chefin und meines Mannes und meiner Fitnesslehrerin zusammengepaßt.
Ich habe immer versucht, einigermaßen mitzukommen, je nachdem, was gerade dran war, aber mit dem Spirituellen: Da muß ich passen. Sternzeichen verstehe ich, und dass man nicht dran glauben soll, das mit dem Bauch verstehe ich auch, das war ja auch eine Zeitlang der Renner, dass man nicht mehr mit dem Kopf denken sollte, sondern mit dem Bauch, das war auch in dieser Mondphase, glaube ich, und dann hieß es aber wieder, Frauen sind die Klügeren und nix war mehr mit Bauch.
Dies mit dem Spirituellen muß was mit diesen Bauchgeschichten und Mondphasen zu tun haben - und schon ganz früher hatten wir Räucherstäbchen. Ich glaube, diese Idee, dass Frauen mystisch besonders begabt sind, ist prinzipiell ziemlich alt, weil die Medien bei diesen Tischrückungen im 19. Jahrhundert auch immer weiblich waren und dann ohnmächtig wurden. Aber jetzt ist das wohl wieder erfunden worden, damit wir endlich die Klappe halten. Wenn wir so irgendwo spirituell rumschweben und magisch nachfühlen, warum wir unsere Stelle verloren haben, ist das ja allemal günstiger für die Männer, als wenn wir uns dauernd fragen, warum wir weniger verdienen als sie. Aber darüber meditieren könnte ich ja trotzdem mal, vielleicht kommt dann eine Erleuchtung.
"Lilien zur Erinnerung"
heißt Ulla Lessmanns neuer Kurzkrimi in: Radieschen von unten - Gartenkrimis vom Tatort Niederrhein mit mörderisch guten Gärtnertipps, Hrsg. Gesine Schulz und Ina Coelen,
Leporello Verlag, Oktober 2006
www.ulla-lessmann.de
Online-Flyer Nr. 75 vom 19.12.2006
"Magisch nachgefühlt"
"Sie sagen ja jetzt..." - Teil 23
Von Ulla Lessmann
Irgendwie wird mir das zu viel. Erst hatten wir ja diese Doppelbelastung, das ist mit den Jahren besser geworden, als dann der neue Mann kam und wir ja auch nicht mehr alles mitmachten. Dann gab`s diese Zeit, wo man auf den Mond achten mußte, das fand ich sehr anstrengend, vor allem nachts, und dann die neue Mütterlichkeit, da hatte ich gerade meine Mutterproblematik einigermaßen auf die Reihe gekriegt und dann kamen die Powerfrauen, die überhaupt nicht doppelt oder dreifach belastet waren, sondern, wie der Name schon sagt, alles mit ihrer Power machten: Managerin eines Großkonzerns, fünf Kinder und superschick und schlank und immer gut drauf und dreimal am Tag ins Fitnesstudio, und dann sollte Frau plötzlich vor allem los lassen und sich auch mal gehen lassen und ihren weiblichen Perfektionsdrang sanft auslaufen lassen und ihre eigene Geschwindigkeit finden. Das letztere ist mir immer besonders schwer gefallen, denn irgendwie hat meine eigene Geschwindigkeit nie so richtig mit der meiner Chefin und meines Mannes und meiner Fitnesslehrerin zusammengepaßt.
Ich habe immer versucht, einigermaßen mitzukommen, je nachdem, was gerade dran war, aber mit dem Spirituellen: Da muß ich passen. Sternzeichen verstehe ich, und dass man nicht dran glauben soll, das mit dem Bauch verstehe ich auch, das war ja auch eine Zeitlang der Renner, dass man nicht mehr mit dem Kopf denken sollte, sondern mit dem Bauch, das war auch in dieser Mondphase, glaube ich, und dann hieß es aber wieder, Frauen sind die Klügeren und nix war mehr mit Bauch.
Dies mit dem Spirituellen muß was mit diesen Bauchgeschichten und Mondphasen zu tun haben - und schon ganz früher hatten wir Räucherstäbchen. Ich glaube, diese Idee, dass Frauen mystisch besonders begabt sind, ist prinzipiell ziemlich alt, weil die Medien bei diesen Tischrückungen im 19. Jahrhundert auch immer weiblich waren und dann ohnmächtig wurden. Aber jetzt ist das wohl wieder erfunden worden, damit wir endlich die Klappe halten. Wenn wir so irgendwo spirituell rumschweben und magisch nachfühlen, warum wir unsere Stelle verloren haben, ist das ja allemal günstiger für die Männer, als wenn wir uns dauernd fragen, warum wir weniger verdienen als sie. Aber darüber meditieren könnte ich ja trotzdem mal, vielleicht kommt dann eine Erleuchtung.
"Lilien zur Erinnerung"
heißt Ulla Lessmanns neuer Kurzkrimi in: Radieschen von unten - Gartenkrimis vom Tatort Niederrhein mit mörderisch guten Gärtnertipps, Hrsg. Gesine Schulz und Ina Coelen,
Leporello Verlag, Oktober 2006
www.ulla-lessmann.de
Online-Flyer Nr. 75 vom 19.12.2006